Begründung eines Wohnungsrechts an einer Teileigentumseinheit
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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 166866
letzte Aktualisierung: 28. Februar 2019
Begründung eines Wohnungsrechts an einer Teileigentumseinheit
I. Sachverhalt
Eine Immobilie mit drei Eigentumsanteilen soll teilweise (2 Einheiten) an Erwerber übergeben
werden. Das Erdgeschoss ist im Grundbuch als Laden eingetragen, seit Jahren aber umgenutzt
als Wohnung, ohne die Teilungserklärung zu ändern. In der Beurkundung wurde kurzfristig entschieden,
dass doch nicht – wie ursprünglich geplant – ein Nießbrauch für den Übergeber gestellt
werden soll, sondern wegen des künftigen Pflegerisikos und der damit verbundenen zwingenden
Vermietung nur ein Wohnungsrecht. Eigentümer der dritten Einheit ist eine demente
ältere Dame.
II. Frage
Kann an einer Teileigentumseinheit ein Wohnungsrecht begründet werden, ohne die Teilungserklärung
zu ändern?
III. Zur Rechtslage
1. Wesen des Wohnungsrechts gem.
Das Wohnungsrecht nach
Dienstbarkeit und gewährt das Recht, ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes unter
Ausschluss des Eigentümers „als Wohnung“ zu benutzen. Eine Nutzung zu Wohnzwecken
unter Ausschluss des Eigentümers ist daher Tatbestandsvoraussetzung für das dingliche
Recht. Bei einer Nutzung der Räume zu anderen, z. B. betrieblichen Zwecken, käme
ausschließlich eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach
(Kölner Formularbuch Grundstücksrecht/Koller, 2. Aufl. 2016, Kap. 4 C Rn. 303; Krauß,
Vermögensnachfolge in der Praxis, 5. Aufl. 2018, Rn. 1528 ff.; Palandt/Herrler, BGB,
78. Aufl. 2019, § 1093 Rn. 3). Im Hinblick auf den Hauptnutzungszweck „Wohnen“ muss
der Belastungsgegenstand wenigstens abstrakt gesehen zum Wohnen geeignet sein
(Staudinger/Reymann, BGB, 2017, § 1093 Rn. 17).
2. Definition und Rechtsnatur von Teileigentum i. S. v.
Nach
dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem
gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. Mit Blick auf dieses Begriffsverständnis
liegt die Überlegung nahe, dass eine Teilungseigentumseinheit nicht tauglicher Belastungsgegenstand
eines Wohnungsrechts sein kann.
Dies gilt umso mehr, als das BayObLG in seiner Entscheidung vom 30.10.1986 – BReg.
2 Z 6/86,
der selbständig als Teileigentum gebucht ist, ein Wohnungsrecht nicht begründet
werden kann. Die Kommentarliteratur zieht hieraus teilweise die Schlussfolgerung,
dass eine Teilungseigentumseinheit kein tauglicher Belastungsgegenstand für ein
Recht i. S. v.
So führt beispielsweise M. Müller in seiner Kommentierung zu
„An einem Teileigentumsrecht kann demgegenüber kein Wohnrecht
begründet werden; denn Hauptzweck der Nutzung muss
beim Wohnungsrecht stets das „Wohnen“ sein.“
(BeckOGK/M. Müller, Std, 1.12.2018, WEG § 1 Rn. 306; ebenso
Herrler, in: Beck´sches Notar-Handbuch, 6. Aufl. 2015, Teil A
Rn. 352; BeckOK WEG/Timme, 36. Ed. 1.2.2019, WEG § 1 Rn.
127; wohl auch Ludyga in: jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1093
Rn. 10; vgl. auch
Eine solche Sichtweise erscheint uns allerdings nicht zwingend, denn in der Entscheidung
des BayObLG ging es um einen Tiefgaragenstellplatz, also um ein rechtlich verselbständigtes
Gebäudeteil, das nach seiner baulichen Beschaffenheit nicht zum Wohnen geeignet
war. Die Entscheidungsgründe deuten darauf hin, dass das Gericht die Untauglichkeit der
Teileigentumseinheit als Belastungsgegenstand im konkreten Fall vor allem auf diesen tatsächlichen
Umstand und nicht so sehr auf den rechtlichen Charakter als „Teileigentum“
stützt. So führt das Gericht aus, dass die Benutzung des Tiefgaragenstellplatzes als Wohnung
nicht in Betracht komme. Andererseits argumentiert das Gericht in den Entscheidungsgründen,
dass die rechtliche Selbständigkeit des Teileigentums bedeute, dass die Frage,
ob an ihm ein Wohnungsrecht gemäß
seiner vom Gesetz geforderten Eignung für dieses Recht zu beurteilen sei (BayObLG
se oder eine Teileigentumseinheit, die einen Tiefgaragenstellplatz darstellt, für untauglich erachtet.
Nach unserem Dafürhalten steht die WEG-rechtliche Qualifikation als „Teileigentum“
nicht per se der Bestellung eines Wohnungsrechts entgegen. Die Rechtsnatur der sog.
Zweckbestimmung im weiteren Sinne (Wohnungseigentum versus Teileigentum) ist zwar
umstritten. Mit dem BGH ist allerdings davon auszugehen, dass die Zweckbestimmung als
„Wohnungs-“ oder „Teileigentum“ nicht das sachenrechtliche Grundverhältnis betrifft, sondern
eine Zweckvereinbarung i. S. v.
So führt der BGH in seiner jüngst ergangenen Entscheidung vom 27.10.2017 – V ZR
193/16 (
„[Tz 6] 1. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das BerGer. an,
dass eine Bestimmung in der Teilungserklärung, wonach Einheiten
entweder „zu Wohnzwecken dienen“ oder – wie hier – „nicht
zu Wohnzwecken dienen“, als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter
iSv
nur Senat,
2640 =
(Hervorhebung durch DNotI; vgl. auch BGH MittBayNot 2015,
393 =
Versteht man die Zweckbestimmung als Vereinbarung i. S. v.
dies, dass es sich hierbei dem Grunde nach um eine schuldrechtliche Vereinbarung handelt,
die als Inhalt des Sondereigentums – ähnlich wie ein verdinglichtes Sondernutzungsrecht
– für und gegen Sonderrechtsnachfolger wirkt. Eine schuldrechtliche Zweckbestimmung,
die nur quasi-dinglich wirkt, indem sie auch Sonderrechtsnachfolger bindet, regelt
indes nur das Verhältnis der Sondereigentümer untereinander und vermag u. E. nichts darüber
auszusagen, ob ein rechtlich verselbständigter Gebäudeteil (= Sondereigentum) ein zur
Wohnnutzung geeigneter Teil eines Gebäudes i. S. v.
Nach unserem Dafürhalten ist daher eine Teileigentumseinheit nicht per se ein ungeeigneter
Belastungsgegenstand zur Bestellung eines Wohnungsrechts. Denn ein rechtlich selbständiger
Gebäudeteil ist in Gestalt von Sondereigentum vorhanden und dieser Gebäudeteil
ist ggf. – wie der derzeitige tatsächliche Gebrauch in dem von Ihnen geschilderten
Sachverhalt verdeutlicht – nicht bereits abstrakt für eine Wohnnutzung ungeeignet
(anders im Fall des BayObLG, in dem es um einen Tiefgaragenstellplatz ging, der seiner
baulichen Beschaffenheit nach schon nicht zum Wohnen geeignet war). Der Umstand, dass
aufgrund der rechtsgeschäftlichen Zweckbestimmung eine unzulässige Nutzung i. S. v. § 15
Abs. 3 BGB vorliegen mag, kann zwar im Einzelfall zu Unterlassungsansprüchen der übrigen
Sondereigentümer führen. Dies betrifft allerdings nur das Verhältnis der Sondereigentümer
untereinander, führt aber nicht zu einer tatsächlichen Unmöglichkeit des Bewohnens
der Teileigentumseinheit im Verhältnis zwischen dem Teileigentümer und
dem Wohnungsrechtsinhaber.
Einer solchen Sichtweise könnte man freilich entgegenhalten, dass bei einer dauerhaften
rechtlichen Unmöglichkeit des Bewohnens das dingliche Wohnungsrecht letztlich inhaltlich
gegenstandslos ist und zu einer sinnlosen Grundbucheintragung führen würde. Eine dauerhafte
rechtliche Unmöglichkeit ist allerdings nur eine denkbare, nicht aber eine zwingende
Folge einer zweckwidrigen Nutzung. Eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene
Nutzung kann sich vielmehr als WEG-rechtlich zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender
Betrachtungsweise nicht mehr stört als die in der Teilungserklärung vorgesehene Nutzung
(vgl. BGH, Urt. v. 23.3.2018 – V ZR 307/16,
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass nach der Rechtsprechung eine von der Zweckbestimmung
abweichende Nutzung nach WEG-rechtlichen Grundsätzen zulässig sein kann,
erschiene es uns befremdlich, alleine aus der Qualifizierung als „Teileigentum – Ladenlokal“ im
vorliegenden Fall die Schlussfolgerung ziehen zu wollen, eine solche Sondereigentumseinheit
sei per se ungeeignet für die Belastung mit einem Wohnungsrecht i. S. v.
Eine solche Sichtweise könnte nämlich zu dem paradoxen Ergebnis führen, dass die Bestellung
eines Wohnungsrechts unzulässig wäre, obgleich das Sondereigentum nach WEGrechtlichen
Grundsätzen zu Wohnzwecken genutzt werden darf.
Die rechtliche Qualifizierung als „Teileigentum“ erscheint uns daher untauglich für
die Beantwortung der Frage, ob das Sondereigentum (als rechtlich selbständiger Gebäude-
teil) ein tauglicher Belastungsgegenstand für ein Wohnungsrecht sein kann. Maßgeblich
kann u. E. nur der Aspekt sein, ob das Sondereigentum – egal ob es als Wohnungs- oder
Teileigentum gewidmet ist – nach seiner baulichen Beschaffenheit dazu geeignet ist,
zu Wohnzwecken zu dienen.
Sofern ein Wohnungseigentum mit einem Wohnungsrecht belastet werden soll, ist diese
bauliche Eignung dem Grundbuchamt nicht erneut nachzuweisen, da sich die Eignung insoweit
bereits aus der Abgeschlossenheitsbescheinigung gem.
Sofern allerdings – wie vorliegend – ein Wohnungsrecht an einer Teileigentumseinheit bestellt
werden soll, wird die bisherige Abgeschlossenheitsbescheinigung im Regelfall keine
Aussage dazu enthalten, dass die dem Sondereigentum unterliegenden Räume zum Wohnen
geeignet sind (vgl. Ziffer 4 sowie die Anlage (Musterbescheinigung) der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift
für die Ausstellung von Bescheinigungen gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 und
§ 32 Abs. 2 Nr. 2 des Wohnungseigentumsgesetzes vom 19. März 1974 – BAnz. Nr. 58
vom 23. März 1974). Dem Grundbuchamt müsste u. E. allerdings die Eignung der Teileigentumseinheit
zu Wohnzwecken nachgewiesen werden. In Betracht käme insoweit die Einholung
einer neuen Abgeschlossenheitsbescheinigung, wobei eine „partielle“ Abgeschlossenheitsbescheinigung
– d. h. räumlich beschränkt auf die in Rede stehende Teileigentumseinheit
– genügen dürfte, da insoweit u. E. keine strengeren Anforderungen gelten können,
als bei der Unterteilung einer Sondereigentumseinheit gem.
bei einer Unterteilung vgl. MünchKommWEG/Commichau,
7. Aufl. 2017, § 3 Rn. 79; Riecke/Schmid/Schneider, WEG, 4. Aufl. 2015, § 7 Rn. 249;
Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl. 2017, § 8 Rn. 20). Die „neue“ Abgeschlossenheitsbescheinigung
stünde nicht im Widerspruch zum Inhalt des Sondereigentums,
da die Abgeschlossenheitsbescheinigung eine rein grundbuchverfahrensrechtliche Eintragungsvoraussetzung
darstellt (vgl. die amtliche Überschrift zu
nicht rechtlicher Inhalt der im Grundbuch verlautbarten Sondereigentumseinheiten ist (zum
Charakter von
14. Aufl. 2018, WEG § 3 Rn. 57).
Nach unserem Dafürhalten dürfte sogar ein notarielles Tatsachenprotokoll gem. §§ 36 ff.
BeurkG genügen, in dem der Notar durch Inaugenscheinnahme der Teileigentumseinheit
feststellt, dass diese Einheit über die Ausstattungsmerkmale gem. Ziffer 4 der Allgemeinen
Verwaltungsvorschrift über die Erteilung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen, also
über eine Küche oder ein Raum mit Kochgelegenheit sowie Wasserversorgung, Ausguss
und WC verfügt. Sofern eine öffentliche Urkunde i. S. v.
Tatsachenprotokoll) über das Vorhandensein der notwendigen Ausstattungsmerkmale vorliegt,
dürften etwaige Zweifel des Grundbuchamtes an der Eignung der Teileigentumseinheit
zu Wohnungszwecken ausgeräumt sein, da sich die übrigen Voraussetzungen der
Abgeschlossenheit (Abgeschlossenheit gegenüber anderem Sonder- oder Gemeinschaftseigentum
sowie Zugangsmöglichkeit) bereits aus der im Rahmen der WEG-Aufteilung
(seinerzeit) erstellten Abgeschlossenheitsbescheinigung ergeben.
3. Ergebnis
Nach unserem Dafürhalten genügt es mithin, dem Grundbuchamt die bauliche Eignung
der Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken nachzuweisen. Eine rechtliche Änderung im
Sinne einer Änderung der Teilungserklärung halten wir hingegen nicht für erforderlich, da
die Zweckbestimmung i. S. v.
Vereinbarung der Sondereigentümer untereinander, die nur als Inhalt des Son-
dereigentums „quasi-dinglich“ wirkt – untauglich zur Beantwortung der Frage ist, ob das
Sondereigentum als rechtlich verselbständiger Gebäudeteil zum Wohnen geeignet ist; auch
im Fall der Belastung einer Wohnungseigentumseinheit mit einem Wohnungsrecht folgt die
Eignung zu Wohnzwecken nicht aus der Zweckvereinbarung gem.
sondern vielmehr mittelbar aus der Eintragungsvoraussetzung gem.
i. V. m. Ziffer 4 der entsprechenden Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Erteilung
von Abgeschlossenheitsbescheinigungen.
Unmittelbar einschlägige Rechtsprechung oder Literatur, die unsere rechtlichen Erwägungen
stützen, konnten wir indes nicht ausfindig machen. Rechtssicher dürfte daher allein die
Umwandlung des Teileigentums in Wohnungseigentum sein bzw. eine ausdrückliche Erweiterung
der Zweckbestimmung dahingehend, dass in der Teileigentumseinheit auch gewohnt
werden darf. Gerade die letztere Möglichkeit zeigt indes, dass eine Zweckvereinbarung
i. S. v.
solche Nutzungserweiterung die rechtliche Qualifikation als „Teileigentum“ erhalten bliebe
und demzufolge im Rahmen Eintragung der erweiterten Nutzung keine Prüfung der baulichen
Eignung der Sondereigentumseinheit zu Wohnzwecken gem.
stattfinden würde. Sinnvoller Beurteilungsmaßstab kann u.E. nur die bauliche Eignung der
Sondereigentumseinheit zu Wohnzwecken sein, über die eine Zweckvereinbarung gem. § 15
Abs. 1 WEG aber keine Aussage trifft; die Eignung folgt allenfalls mittelbar aus dem der
Grundbucheintragung vorgelagerten Eintragungsverfahren gem.
166866
Erscheinungsdatum:28.02.2019
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
WEG
WEG § 1 Abs. 3; BGB § 1093