15. Juli 2022
GenG § 6; GenG § 157; GenG § 14; UmwG § 79; GenG § 16

Anmeldung einer Zweigniederlassung einer Genossenschaft; Verschmelzung zur Aufnahme bei Genossenschaften; Anforderungen an eine Zweigniederlassung

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 189385
letzte Aktualisierung: 15 . Juli 2022

GenG §§ 14, 16, 6, 157; UmwG § 79
Anmeldung einer Zweigniederlassung einer Genossenschaft; Verschmelzung zur
Aufnahme bei Genossenschaften; Anforderungen an eine Zweigniederlassung

I. Sachverhalt

Die Genossenschaft A (mit Sitz in A) soll auf die Genossenschaft B (mit Sitz in B) verschmolzen
werden. Die Firma der Genossenschaft B soll sodann auf die neutrale Bezeichnung X geändert
werden und unter dieser Firma eine Hauptniederlassung mit Sitz in B unterhalten. Diese Hauptniederlassung
wird unter einer anderen Adresse als die bisherige Geschäftsadresse der B errichtet.

Die Betriebe in A und B sollen jeweils als Zweigniederlassungen nach § 14 GenG eingetragen
werden mit der Firma „A/B, Zweigniederlassung der X“.

II. Frage

Ist die Eintragung der Zweigniederlassungen möglich?

III. Zur Rechtslage

1. Anforderungen an eine Zweigniederlassung

Das GenG definiert den Begriff der Zweigniederlassung nicht. Das Gesetz setzt vielmehr
voraus, dass dann, wenn ein Unternehmen seine Geschäfte an mehreren Orten von verschiedenen
Niederlassungen aus führt, eine derselben – regelmäßig diejenige an seinem Sitz – die
Hauptniederlassung ist, während die übrigen ihr zugeordnete Zweigniederlassungen sind
(Althanns, in: Althanns/Buth/Leißl, Genossenschafts-Handbuch, Std.: 1. EL 2022, § 14
Rn. 4). Hieraus ergibt sich gleichzeitig, dass eine Genossenschaft jedenfalls eine Hauptniederlassung
betreiben muss und nicht ausschließlich Zweigniederlassungen betreiben kann.
Die Zweigniederlassung muss im Wesentlichen alle oder einen bestimmten Teil der Geschäfte
der Hauptniederlassung betreiben und darf nicht etwa nur die bloße Hilfsdienste für das
Geschäft der Hauptniederlassung leisten (LG Mainz, Beschl. v. 26.7.1968 – HT 5/67, WM
1968, 1262). Daneben muss der Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung auf Dauer angelegt
und ähnlich wie der der Hauptniederlassung organisiert sein und die Zweigniederlassung
muss über eine gewisse organisatorische Selbstständigkeit verfügen (BayObLG, Beschl. v.
11.5.1979 – BReg 1 Z 21/79, BB 1980, 335; Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs,
GenG, 4. Aufl. 2012, § 14 Rn. 3). Die Zweigniederlassung kann auch am Ort der Hauptniederlassung
errichtet werden, jedoch räumlich getrennt von dieser (Althanns, § 14 Rn. 4).

Die Errichtung der Zweigniederlassung ist ein rein tatsächlicher Vorgang im Rahmen der
Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands. Es ist weder eine Regelung in der Satzung noch
ein Beschluss der Generalversammlung erforderlich. Die Satzung kann die Errichtung der
Zweigniederlassung aber etwa von der Zustimmung der Generalversammlung abhängig
machen (Althanns, § 14 Rn. 6).

2. Bestimmung von Haupt- und Zweigniederlassung bei mehreren Betrieben
Die Hauptniederlassung einer Genossenschaft stimmt regelmäßig mit dem Sitz der Genossenschaft
überein. Als Sitz ist in der Regel der Ort zu bestimmen, an dem die Verwaltung
der Genossenschaft geführt wird (Althanns, § 6 Rn. 5) bzw. an dem sich Geschäftsleitung
oder ein Betrieb der Genossenschaft befinden (Beuthien, GenG, 16. Aufl. 2018, § 6 Rn. 5).

Es ist jedoch auch zulässig, einen anderen Ort als den der tatsächlichen Verwaltung als Sitz
der Genossenschaft zu bestimmen (für gänzlich freie Wählbarkeit in Anlehnung an § 5 AktG
und § 4a GmbHG Henssler/Strohn/Geibel, GesR, 5. Aufl. 2021, § 6 GenG Rn. 2; für Orientierung
rein am Satzungssitz Fandrich, § 6 Rn. 5), was sich aus dem auf die Genossenschaft
anwendbaren § 24 BGB ergibt (Althanns, § 6 Rn. 5). Dennoch wird eine konkrete juristische
oder betriebliche Beziehung der eG zum Ort des Sitzes gefordert (Holthaus/Lehnhoff, in:
Lang/Weidmüller, GenG, 39. Aufl. 2019, § 6 Rn. 7 m. w. N.). Für zulässig wird insoweit
jedoch eine Sitzwahl bis zu den Grenzen des Rechtsmissbrauchs gehalten, die erst dann erreicht
sein soll, wenn als Sitz ein Ort bestimmt wird, an dem die Genossenschaft keine
Aktivitäten entfaltet und nicht einmal postalisch zu erreichen ist (Althanns, § 6 Rn. 5;
Beuthien, § 6 Rn. 5).

Nach einer Verschmelzung zur Aufnahme spricht u. E. eine grundsätzliche Vermutung dafür,
dass die Hauptniederlassung mit dem Satzungssitz der aufnehmenden Genossenschaft übereinstimmt.

In der Regel wird die eG dort postalisch erreichbar sein und zudem wird dort auch
jedenfalls regelmäßig der Ort sein, an dem die Geschäftsleitung die wesentlichen Entscheidungen
für die Genossenschaft trifft. U. E. dürfte diese Vermutung so lange gelten, wie nicht
an diesem Ort der Hauptniederlassung die Grenze des Rechtsmissbrauchs überschritten wird.
Falls an der Hauptniederlassung und an einer oder mehreren Zweigniederlassungen regelmäßig
Entscheidungen der Geschäftsleitung getroffen werden und erheblicher Betrieb stattfindet,
muss es letztlich u. E. der Leitung der Genossenschaft überlassen sein zu definieren,
welche Niederlassung als Hauptniederlassung fungieren soll.

3. Anmeldung der Zweigniederlassung und Prüfung durch das Registergericht
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 GenG ist die Errichtung einer Zweigniederlassung von Vorstandsmitgliedern
in vertretungsberechtigter Zahl in der gem. § 157 GenG vorgeschriebenen Form
beim Registergericht des Sitzes der Genossenschaft zur Eintragung anzumelden (Krafka,
Registerrecht, 11. Aufl. 2019, Rn. 1887). Das Gericht prüft die formelle Ordnungsmäßigkeit
der Anmeldung und deren Vollständigkeit sowie ob die Zweigniederlassung tatsächlich
errichtet worden ist und ob sich nach § 30 HGB die Firma der Zweigniederlassung von allen
in demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und eingetragenen Firmen
ausreichend deutlich unterscheidet (Althanns, § 14 Rn. 10; anders hinsichtlich der Firma
Beuthien, § 14 Rn. 7). Die Eintragung hat lediglich deklatorische Bedeutung
(Holthaus/Lehnhoff, § 14 Rn. 10) Ob die Errichtung im Einklang mit der Satzung steht, ist
nicht zu prüfen (Althanns, § 14 Rn. 10). In tatsächlicher Hinsicht kann die Eintragung nur
versagt werden, wenn die angemeldete Zweigniederlassung offensichtlich nicht errichtet ist
(Krafka, Rn. 1888).

Bei einer Verschmelzung zur Aufnahme werden evtl. Satzungsanpassungen erforderlich (ausführlich
dazu Limmer, in: Limmer, Handbuch der Unternehmensumwandlung, 6. Aufl. 2019,
Teil 2 Rn. 1215 ff.). Bei der übernehmenden Genossenschaft muss das Registergericht feststellen,
ob nach § 79 UmwG eine Satzungsänderung erforderlich war und ob sie formell und
inhaltlich diesen Anforderungen entspricht (Krafka, Rn. 1951). Wird hierbei der Sitz der übernehmenden
Genossenschaft geändert, handelt es sich um eine Satzungsänderung, die den
Maßgaben des § 16 Abs. 4 GenG entsprechen muss. Das Registergericht prüft hierbei von
Amts wegen, ob die Anmeldung in der vorgeschriebenen Form erfolgt ist und der satzungsändernde
Beschluss mit dem Gesetz oder der Satzung im Einklang steht (BayObLG, Beschl.
v. 8.2.1985 – BReg. 3 Z 12/85, WM 1985, 572; BayObLG, Beschl. v. 5.10.1978 –
BReg. 1 Z 104/78, WM 1979, 115; Beuthien, § 16 Rn. 34). Die Überprüfung durch das
Registergericht ist auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt. Erfüllt der in der
Satzung festgelegte Sitz der Genossenschaft die unter 2. dargestellten Anforderungen, handelt
es sich bei der als solchen angegebenen Niederlassung um die Hauptniederlassung der
Genossenschaft. Eine weitere Prüfung durch das Registergericht ist u. E. sodann unstatthaft.

Gutachten/Abruf-Nr:

189385

Erscheinungsdatum:

15.07.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Genossenschaft
Umwandlungsrecht

Normen in Titel:

GenG § 6; GenG § 157; GenG § 14; UmwG § 79; GenG § 16