28. Juni 2021
BGB § 2289

Gemeinschaftliches Testament; nachträgliche Änderung der Verwaltungsvollstreckung in eine Abwicklungsvollstreckung; Beeinträchtigung

BGB § 2289
Gemeinschaftliches Testament; nachträgliche Änderung der Verwaltungsvollstreckung in eine Abwicklungsvollstreckung; Beeinträchtigung

I. Sachverhalt
Ehegatten haben ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben nach dem Erstversterbenden eingesetzt haben (sog. Einheitslösung, vgl. § 2269 Abs. 1 BGB). Die gemeinsamen Abkömmlinge wurden im Wege einer wechselbezüglichen Verfügung zu Schlusserben bestimmt. Im gemeinschaftlichen Testament wurde Verwaltungsvollstreckung angeordnet.

Die Ehefrau ist zwischenzeitlich verstorben. Der Ehemann möchte nun die Verwaltungsvollstreckung in eine Abwicklungsvollstreckung ändern.

II. Frage
Stellt die Änderung der Verwaltungsvollstreckung in eine Abwicklungsvollstreckung eine Beeinträchtigung des/der Schlusserben dar und ist sie deshalb unzulässig, oder schränkt sie deren Rechtsstellung nicht ein, sodass eine entsprechende Änderung durch den Längerlebenden möglich ist?

III. Zur Rechtslage
1. Umfang und Wirkung der erbrechtlichen Bindung in Bezug auf die Testamentsvollstreckung
Ausweislich des mitgeteilten Sachverhalts haben die Ehegatten nach Art der sog. Einheitslösung verfügt und die gemeinsamen Abkömmlinge zu Schlusserben eingesetzt. An diese Schlusserbeneinsetzung ist der überlebende Ehegatte nach Tod des Erstversterbenden und Annahme der Erbschaft erbrechtlich gebunden, wenn es sich – wie hier – um eine wechselbezügliche Verfügung handelt (vgl. § 2271 Abs. 2 BGB).

Die erbrechtliche Bindungswirkung äußert sich dahingehend, dass eine neue Verfügung von Todes wegen, die vom überlebenden Ehegatten getroffen wird, insoweit unwirksam ist, als hierdurch ein erbrechtlich bindend Bedachter in seiner Rechtsstellung beeinträchtigt wird (§ 2289 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechend). Eine solche Beeinträchtigung läge beispielsweise in der späteren Beschwerung des bindend bedachten Schlusserben mit Vermächtnissen oder in seiner nachträglichen Beschränkung durch eine Testamentsvollstreckung. Die nachträgliche, erstmalige Anordnung der Testamentsvollstreckung ist ohne Weiteres als Beeinträchtigung in diesem Sinne anzusehen.

Demgegenüber ist die Aufhebung einer angeordneten Testamentsvollstreckung ebenso wie die Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers nach h. M. zulässig (vgl. KG FamRZ 1977, 485; OLG Düsseldorf ZEV 1994, 302; OLG Hamm ZEV 2001, 271 m. Anm. Reimann; BeckOGK-BGB/Müller-Engels, Std.: 1.4.2021, § 2289 Rn. 65; Keim, ZEV 2021, 129 ff.). Dies lässt sich damit begründen, dass es sich bei der Anordnung der Testamentsvollstreckung wie bei der Auswahl der Person des Testamentsvollstreckers stets um einseitige Verfügungen des Erblassers handelt (vgl. §§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB); diese können grundsätzlich jederzeit einseitig abgeändert bzw. widerrufen werden. Dies soll nur ausnahmsweise anders sein, wenn allein in der Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers eine messbare Benachteiligung (Beeinträchtigung) des bindend Bedachten gesehen werden kann, beispielsweise, weil der ursprünglich ernannte Testamentsvollstrecker naher Verwandter des Erben war, während dies bei dem neu ernannten Testamentsvollstrecker nicht der Fall ist (vgl. KG FamRZ 1977, 485, 487, das die Rechtslage aber letztlich offen ließ).

Der BGH hat in seinem Urteil vom 6.4.2011 (ZNotP 2011, 225 = NJW 2011, 1733) erstmals zur Frage Stellung genommen. Der BGH lehnt eine Gewichtung der Beeinträchtigung nach „Spürbarkeit“ oder „Messbarkeit“ ab, weil in diesen unpräzisen Begriffen kein sicheres Abgrenzungskriterium zu sehen sei. Entscheidend für die Frage, ob im konkreten Fall eine Beeinträchtigung der Rechte des Vertragserben vorliegt, ist nach dem BGH vielmehr ein Vergleich des Inhalts des Erbvertrages mit den nachfolgenden testamentarischen Verfügungen. Ohne vorherige Ermittlung des genauen Vertragsinhalts lasse sich nicht beantworten, ob die spätere letztwillige Verfügung die vertragsmäßige (bzw. wechselbezügliche) Zuwendung mindern, beschränken, belasten oder ge­genstandslos machen würde.

Im Ergebnis kommt es daher in Bezug auf die Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers auf den Einzelfall und die Frage an, inwieweit die Rechtsstellung des Vertragserben auf die Person des Testamentsvollstreckers ausgedehnt worden ist. Dies ist eine Auslegungsfrage, die nur im Einzelfall beurteilt werden kann. In der aktuellen Rechtsprechung hat beispielsweise das OLG Schleswig (ZEV 2020, 158 ff. m. Anm. Knittel = MittBayNot 2020, 595 ff. m. Anm. Weidlich; vgl. dazu auch Keim, ZEV 2021, 129 ff.) eine rechtliche Beeinträchtigung des Schlusserben im Falle des Austauschs eines unentgeltlich tätig werdenden Testamentsvollstreckers durch einen solchen mit Vergütungsanspruch (vgl. § 2221 BGB) angenommen.

2. Änderung der Art der Testamentsvollstreckung
Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers, sondern um eine Änderung der Art der Testamentsvollstreckung. Es soll statt einer Verwaltungsvollstreckung (vgl. § 2209 BGB) nunmehr eine Abwicklungsvollstreckung (§§ 2203 ff. BGB) angeordnet werden.

Auch hier gilt im Grundsatz, dass die Testamentsvollstreckung, die nicht mit Bindungswirkung angeordnet werden kann (§§ 2270 Abs. 3, 2278 Abs. 2 BGB), grundsätzlich vom Überlebenden widerrufen und damit grundsätzlich auch abgeändert werden kann. Eine Grenze liegt in der potentiellen Beeinträchtigung des bindend eingesetzten Schlusserben. Hierfür ist nach h. M. entscheidend, ob durch die neue letztwillige Verfügung die erbrechtlich bindende Zuwendung gemindert, beschränkt, belastet oder gegenstandslos gemacht würde (vgl. OLG Hamm NJW 1974, 1774). Dabei kommt es nach h. M. auf eine Beeinträchtigung im Rechtssinne an (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 80. Aufl. 2021, § 2289 Rn. 2).

Anerkannt ist in diesem Zusammenhang, dass die Erweiterung der Befugnisse des Testamentsvollstreckers eine Beeinträchtigung des Vertragserben darstellt, wie dies z. B. bei der Anordnung einer Dauervollstreckung an Stelle einer Auseinandersetzungsvollstreckung der Fall ist (BeckOGK-BGB/Müller-Engels, § 2289 Rn. 63; vgl. auch J. Mayer/Röhl, in: Reimann/Bengel/Dietz, Testament und Erbvertrag, 7. Aufl. 2020, § 2289 Rn. 38 m. w. N.).

Im umgekehrten Fall – wie hier – wird man dies u. E. nicht annehmen können, sofern es sich bei der zu ändernden Verfügung um eine Dauervollstreckung (Kombination aus Auseinandersetzungsvollstreckung mit anschließender Verwaltungsvollstreckung) handelt und nicht nur um eine reine Verwaltungsvollstreckung, bei der allein die Verwaltung des Nachlasses zum Aufgabenbereich des Testamentsvollstreckers gehört. Denn dann würde durch die Änderung nur eine Verbesserung der Rechtsposition der bindend eingesetzten Schlusserben erzielt (da die Verwaltungsvollstreckung entfällt), was unter dem Gesichtspunkt des § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB (Beeinträchtigung) unproblematisch wäre (vgl. nur MünchKommBGB/Musielak, 8. Aufl. 2020, § 2289 Rn. 17).

Aber selbst wenn es sich hier bei der angeordneten Vollstreckung um eine reine Verwaltungsvollstreckung handeln würde, dürfte die Änderung in eine Abwicklungsvollstreckung u. E. nicht als Beeinträchtigung der Schlusserben anzusehen sein, weil damit der Dauer-Aspekt der Beschränkung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse der Erben (vgl. §§ 2205, 2211 BGB) entfiele und eine Auseinandersetzung des Nachlasses (allein wegen der Beendigung der gesamthänderischen Bindung) regelmäßig im Interesse der Miterben liegt. Ausdrückliche Stellungnahmen in Rechtsprechung oder Literatur ließen sich zur angesprochenen Problematik aber leider nicht ermitteln, sodass die Rechtsfrage als nicht abschließend geklärt anzusehen ist. Ggf. lässt sich gerade für Sonderkonstellationen, bzw. im Hinblick darauf, dass für die Abwicklungsvollstreckung die Zeitgrenze des § 2210 BGB nicht gilt, auch ein anderes Ergebnis vertreten.

Gutachten/Abruf-Nr:

183591

Erscheinungsdatum:

28.06.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbvertrag

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 100-101

Normen in Titel:

BGB § 2289