18. Oktober 2021
BGB § 883

Absicherung von gesetzlichem und vertraglichem Rückforderungsrecht durch eine Vormerkung; Kongruenz von Ansprüchen

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 183445
letzte Aktualisierung: 18. Oktober 2021

BGB § 883
Absicherung von gesetzlichem und vertraglichem Rückforderungsrecht durch eine
Vormerkung; Kongruenz von Ansprüchen

I. Sachverhalt

In einem Übergabevertrag behält sich der Veräußerer ein vertragliches Rückforderungsrecht für
bestimmte Fälle vor. Es wird die Eintragung einer Vormerkung mit folgendem Wortlaut beantragt:

„Zur Sicherung des bedingten Rückübertragungsanspruchs
nach wirksamer Ausübung eines vorstehend eingeräumten Rückforderungsrechtes
oder des gesetzlichen Widerrufs
gem. § 530 BGB (‚grober Undank‘) bestellt hiermit jeder
Erwerber zugunsten des vorgenannten Veräußerers eine Rückauflassungsvormerkung
am Vertragsbesitz und bewilligt und
beantragt deren Eintragung im Grundbuch.“

II. Frage

Kann der vertraglich begründete Rückübertragungsanspruch zusammen mit dem gesetzlichen
Anspruch aus § 530 BGB durch Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch abgesichert
werden oder ist für jede Art des Anspruchs (vertraglich bzw. gesetzlich) eine eigene Vormerkung
zu beantragen bzw. einzutragen?

III. Zur Rechtslage

Vorliegend geht es um die Absicherung eines bedingten, schuldrechtlich begründeten Rückforderungsanspruchs
sowie um die Absicherung des Rückerwerbs nach §§ 530, 531 Abs. 2,
812 ff. BGB. Durch Vormerkung abgesichert werden kann sowohl ein bedingter Rückforderungsanspruch
(BGH DNotZ 2008, 514, 515) als auch der Anspruch aus § 530 BGB (BGH
NJW 2002, 2461; BeckOGK-BGB/Assmann, Std.: 1.2.2021, § 883 Rn. 46.2). Fraglich ist jedoch,
wie weit der Umfang einer einzigen Vormerkung reicht.

1. Ausgangspunkt: Eine Vormerkung für jeden „Anspruch“

Durch eine Vormerkung kann gem. § 883 BGB ein Anspruch auf Einräumung eines Rechts
an einem Grundstück – hier die Übertragung des Eigentums – gesichert werden. Handelt es
sich um mehrere Ansprüche, sind ebenso viele Vormerkungen nötig (OLG Hamm
NJOZ 2014, 769, 770; BayObLG NJW-RR 2003, 450; BayObLG DNotZ 1999, 1011;
BeckOGK-BGB/Assmann, § 883 Rn. 75; Staudinger/Kesseler, BGB, 2020, § 883 Rn. 31).
Die Frage, wann ein Anspruch vorliegt, wird nur selten explizit erörtert.

2. Kongruenz des Anspruchziels erforderlich, nicht des Schuldgrundes

Der Entscheidung des BGH zum „Wiederaufladen“ einer Vormerkung ist zu entnehmen,
dass charakteristische Merkmale einer Vormerkung drei Punkte sind: Eine Vormerkung
wird durch die Person des Gläubigers, die Person des Schuldners und den auf eine
bestimmte dingliche Rechtsänderung gerichteten Gegenstand des Anspruches konkretisiert
(vgl. hierzu BGH DNotZ 2000, 639, 643; BGH DNotZ 2008, 514; Amann,
MittBayNot 2000, 197, 198; Heggen, RNotZ 2008, 213, 215). Damit wird unter dem „Gegenstand
des Anspruchs“ nicht der Schuldgrund, also der durch die Vormerkung gesicherte
Anspruch verstanden, sondern vielmehr die „Zielrichtung“ der durch die Vormerkung
gesicherten Rechtsänderung, also die Eintragung eines bestimmten Grundpfandrechtes,
einer bestimmten Grunddienstbarkeit oder beschränkten persönlichen Dienstbarkeit, die
Auflassung des Grundbesitzes etc. Tritt bei einem dieser drei genannten Punkte
– Gläubiger, Schuldner, Anspruchsziel – eine Änderung ein, so kann ohne Änderung der
Grundbucheintragung eine Wiederverwendung der Vormerkung nicht erfolgen. Es handelt
sich vielmehr um eine „andere Vormerkung“, sodass zwangsläufig dementsprechend eine
Änderung im Grundbuch erfolgen muss und kein „Wiederaufladen“ der bisherigen Vormerkung
in Frage käme (BGH DNotZ 2000, 639, 642; Heggen, RNotZ 2008, 213, 215).

Entsprechend wird die Eintragung eines Schuldgrundes für den Anspruch von der h. M.
auch nicht als erforderlich angesehen (BGH NJW 2008, 578, 579; BGH NJW 2012, 2032,
2033; Staudinger/Kesseler, § 885 Rn. 109 m. w. N.).

Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, ergibt sich zunächst, dass hinsichtlich
Gläubiger, Schuldner und Anspruchsziel ein inhaltsgleicher Anspruch vorliegt:

Jeweils ist entscheidend, dass der Veräußerer vom Erwerber die Einräumung von Eigentum
am Vertragsgegenstand verlangen kann. Entsprechend wird in der Literatur davon ausgegangen,
dass eine Vormerkung ausreicht, wenn die Rechtseinräumungspflicht durch verschiedene
Tatbestände ausgelöst wird, aber Schuldner, Gläubiger und Ziel des Anspruchs,
z. B. Verschaffung von Eigentum, identisch sind (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,
16. Aufl. 2020, Rn. 1515a; ähnlich MünchKommBGB/Kohler, 8. Aufl. 2020, § 883
Rn. 14: „petitum“ i. S. d. Streitgegenstandslehre entscheidend, d. h. irgendein Anspruch
ist ausreichend, Schuldgrund und Gegenleistungspflichten sind irrelevant; BeckOGKBGB/
Assmann, § 883 Rn. 75.1; in der Sache wohl auch Staudinger/Kesseler, § 883 Rn. 31:
wenn ein Anspruch (z. B. auf Übereignung) mehrere alternative Entstehungsvoraussetzungen
kennt, etwa Ankaufs- oder Vorkaufsrechte).

Auch in der Rechtsprechung hatte das BayObLG eine einzige Vormerkung für ausreichend
gehalten, um einen Rückforderungsanspruch, der an mehrere alternative Bedingungen geknüpft
war, abzusichern (BayObLG NJW-RR 2002, 1594). Eine der Bedingungen war dabei
„wenn der Erwerber … grob undankbar i. S. des § 530 BGB ist“; damit war also der gesetzliche
Anspruch in den schuldrechtlichen Anspruch inkorporiert worden, insofern war
der Fall also – nach unserem Verständnis des Sachverhalts – verschieden.

3. Abweichende Auffassung in der Literatur

Zweifel an der uneingeschränkten Geltung der oben genannten Grundsätze können zunächst
deswegen aufkommen, weil es nach diesem Verständnis auch dann, wenn es um die
Übertragung eines Grundstücks geht (= ein Anspruchsgegenstand), dieser aber einerseits
mit einem (schuldrechtlichen) Vorkaufsrecht, andererseits mit einem Ankaufsrecht begründet
wird, um einen Anspruch handeln müsste, der mit einer Vormerkung gesichert
werden kann (so auch BayObLG NJW-RR 2003, 450, 451: Gegenstand sei jeweils der
gleiche Miteigentumsanteil; dass im einen Fall eine Gegenleistung nach dem Verkehrswert,
im anderen Fall die im das Vorkaufsrecht auslösenden Vertrag geschuldete Gegenleistung
zu zahlen sei, ändere nichts daran, dass es sich um einen aus demselben Lebenssachverhalt
erwachsenen Anspruch handele). Diese Ansicht wird jedoch in der Literatur vereinzelt
bestritten (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 1453; Haegele,
Rpfleger 1960, 57; a. A. dagegen Everts, in: Beck'sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 8
Rn. 25; BeckOGK-BGB/Assmann, § 883 Rn. 75.1; MünchKommBGB/Kohler, § 883
Rn. 15; Meikel/Morvilius, GBO, 11. Aufl. 2015, Einl B Rn. 526). Die Gegenansicht stützt
sich auf einen Beschluss des OLG Köln (MittBayNot 1960, 65 = Rpfleger 1960, 56), wobei
der Entscheidung nur zu entnehmen ist, dass das Gericht dazu neigt, es sei je eine Vormerkung
für das Vorkaufsrecht und das Ankaufsrecht einzutragen, ohne diese Frage zu entscheiden.
Die Ansicht geht davon aus, dass das schuldrechtliche Vorkaufsrecht und das
schuldrechtliche Ankaufsrecht zwei durchaus verschiedene Rechtsgebilde sind, die nicht
durch eine einzige Vormerkung gesichert werden können, mag auch aus beiden Rechten ein
und derselbe Anspruch auf Rechtsänderung im Falle ihrer Ausübung bestehen, nämlich der
Anspruch auf Übertragung des Eigentums. Denn diesem Anspruch liegen im Falle der Ausübung
eines Vorkaufsrechts wesentlich andere schuldrechtliche Vereinbarungen zugrunde
als im Falle der Ausübung eines Ankaufsrechts (Haegele, Rpfleger 1960, 57). Auch wenn
uns diese Ansicht – insbes. nach der Rechtsprechung des BGH zur Kongruenz von
Ansprüchen – nicht überzeugend erscheint, verbleibt insofern eine Rechtsunsicherheit.

4. Kongruenz auch hinsichtlich der Vererblichkeit und Übertragbarkeit erforderlich
Zudem ist nach der einschränkenden Entscheidung des BGH zur fehlenden Kongruenz
von Ansprüchen (BGH NJW 2012, 2032) nicht abschließend geklärt, welche Anforderungen
an die Kongruenz von Ansprüchen zu stellen sind (vgl. in diesem Sinn auch Reymann,
MittBayNot 2013, 456, 457). Konkret wurde dort vom BGH ausgesprochen, dass vererbliche
(oder übertragbare) und nicht vererbliche (und nicht übertragbare) Ansprüche nicht
durch ein und dieselbe Vormerkung gesichert werden können. Der gesetzliche Anspruch
nach §§ 530, 812 ff. BGB ist nach allgemeinen Grundsätzen vererblich (vgl. BeckOGKBGB/
Harke, Std.: 1.1.2021, § 530 Rn. 26, MünchKommBGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 530
Rn. 15; anders als das Widerrufsrecht selbst, das nach § 530 Abs. 2 BGB nur in bestimmten
Fällen auch auf den Erben übergeht) und übertragbar. Bei Ansprüchen, die durch ein vertragliches
Rückforderungsrecht begründet werden, ist dies bei Ermangelung einer gesetzlichen
Regelung ebenso, kann aber auch anders vereinbart werden. Hiervon zu unterscheiden
ist die Frage, ob das Rückforderungsrecht selbst vererblich (oder übertragbar) sein soll;
wäre es nicht vererblich noch übertragbar, würde das noch nicht bedeuten, dass einmal entstandene
Ansprüche auch nicht vererbt oder übertragen werden könnten. Ob dies im konkreten
Fall geschehen ist, ist aus den Sachverhaltsangaben nicht ersichtlich. Sollte es an
einer Vererblichkeit oder Übertragbarkeit des vertraglichen Rückforderungsanspruchs fehlen,
wäre u. E. bereits deswegen der gesetzliche Anspruch mit dem vertraglichen Anspruch
nicht mehr hinreichend kongruent. Eine für den vertraglichen Rückforderungsanspruch bestellte
Vormerkung könnte nicht mehr nachträglich mit dem vererblichen oder übertragbaren
Rückforderungsanspruch „aufgeladen“ werden. U. E. muss dies dann (erst recht) gelten,
wenn es sich um die gleichzeitige Bestellung der Vormerkung handelt. Es müsste dann
in jedem Fall eine weitere Vormerkung eingetragen werden.

5. Ergebnis

Der konkrete Fall, dass eine Vormerkung einen bedingten, schuldrechtlich vereinbarten
Rückforderungsanspruch oder den Rückforderungsanspruch wegen des im Gesetz vorgesehenen
Widerrufs der Schenkung nach § 530 BGB absichert, ist bisher nach unserer
Kenntnis noch nicht von der Rechtsprechung entschieden. Insofern verbleibt eine gewisse
Rechtsunsicherheit. Nach den oben genannten Grundsätzen sprechen jedoch u. E. die
besseren Argumente dafür, dass eine Vormerkung ausreichend ist.

Anders wäre dies u. E. jedoch dann, wenn Ansprüche, die durch das vertragliche Rückforderungsrecht
begründet werden, nicht vererblich und/oder übertrag ausgestaltet sein
sollten. In diesem Fall sollte für den gesetzlichen Rückforderungsanspruch eine weitere
Vormerkung eingetragen werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

183445

Erscheinungsdatum:

18.10.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vormerkung

Normen in Titel:

BGB § 883