17. Juni 2022
WEG § 3; BGB § 1018; BGB § 1025; WEG § 1

Sondereigentumseinheit als herrschendes Grundstück; Teilung; Abspaltung eines Miteigentumsanteils und Verbindung mit neu geschaffenem Sondereigentum

BGB §§ 1018, 1025; WEG §§ 1, 3
Sondereigentumseinheit als herrschendes Grundstück; Teilung; Abspaltung eines Miteigentumsanteils und Verbindung mit neu geschaffenem Sondereigentum

I. Sachverhalt
Eine WEG bestand baulich aus einem Mehrfamilienhaus (Einheiten 1-7) an der Straße und einem Einfamilienhaus (Einheit 8) auf dem hinteren Teil des Grundstücks. Nahezu der gesamte hintere Teil des Grundstücks der WEG ist als Sondernutzungsrecht der Einheit 8 zugeordnet. Der Eigentümer der Einheit 8 hat auf dieser ihm als Sondernutzungsrecht zugewiesenen Fläche ein weiteres Einfamilienhaus errichtet. Die Teilungserklärung wurde mit Zustimmung aller Eigentümer dahingehend abgeändert, dass die ME-Anteile der Einheit 8 halbiert wurden (je 200/1000). Der eine 200/1000-Anteil ist mit dem Sondereigentum der bisherigen Einheit 8 verbunden, der zweite 200/1000-Anteil mit dem neu gebauten Haus bzw. Sondereigentum 9. In der Änderungsurkunde waren Auflassung, Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum bzgl. Haus 9 etc. enthalten.

An einem angrenzenden Grundstück ist zugunsten der Einheit Nr. 8 (und nur für die „alte“ SE-Einheit Nr. 8) ein Geh- und Fahrrecht als Grunddienstbarkeit eingetragen. Dieses Recht muss künftig aber auch die Einheit Nr. 9 nutzen können.

II. Frage
Ist infolge der Teilung des ME-Anteils der bisherigen Einheit Nr. 8 künftig auch die Einheit Nr. 9 neben der Einheit Nr. 8 (neu) Grunddienstbarkeitsberechtigte – ähnlich einer Grundstücksteilung des herrschenden Grundstücks?

III. Zur Rechtslage
1. Vorbemerkung: Grunddienstbarkeit zugunsten einer Wohnungseigentumseinheit
Zunächst ist festzuhalten, dass eine Grunddienstbarkeit auch zugunsten einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit bestellt werden kann. Nach § 1018 BGB ist Berechtigter einer Grunddienstbarkeit der jeweilige Eigentümer eines anderen Grundstücks. Anerkanntermaßen kommen als herrschendes „Grundstück“ i. S. d. § 1018 BGB auch grundstücksgleiche Rechte in Betracht, namentlich Wohnungseigentumseinheiten (BGH DNotZ 1990, 493; BayObLGZ 1990, 124, 127; OLG Stuttgart NJW-RR 1990, 659; OLG Hamm MDR 1981, 142; Meikel/Grziwotz, GBO, 12. Aufl. 2021, Einl. B Rn. 327; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 1123). Herrschendes „Grundstück“ i. S. d. § 1018 ist dann die jeweilige Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheit, zu deren Gunsten die Grunddienstbarkeit bestellt wurde (Staudinger/Weber, BGB, 2017, § 1018 Rn. 46), wobei präzisierend zu ergänzen ist, dass der BGH das jeweilige Raumeigentum als herrschendes „Grundstück“ ansieht (BGH DNotZ 1990, 493, 494) und Sondernutzungsrechte dem wesentlich gleichstellt, wenn sie auch nicht selbstständig berechtigt oder belastet sein können (BGH ZWE 2020, 328 Rn. 39). Ein Miteigentumsanteil kann gerade nicht herrschendes Grundstück i. S. d. § 1018 BGB sein (OLG Hamm, Beschl. v. 22.3.2016, Az. I-15 W 357/15 – juris; Staudinger/Weber, § 1018 Rn. 45; Meikel/Grziwotz, Einl. B Rn. 327 jeweils m. w. N.). Die Eigenschaft als herrschendes „Grundstück“ ergibt sich insofern bei der Wohnungs- oder Teileigentumseinheit allein aus der Tatsache, dass mit dem Miteigentumsanteil reales Sondereigentum verbunden ist (OLG Hamm, Beschl. v. 22.3.2016, Az. I-15 W 357/15 – juris, Rn. 27). Dieser Gegenstand des Sondereigentums i. S. d. § 5 Abs. 1 WEG ist insofern herrschendes „Grundstück“ i. S. d. § 1018 BGB.

2. Rechtsfolgen der „Aufteilung“ einer berechtigten Sondereigentumseinheit auf die bestellte Grunddienstbarkeit
Es stellt sich die Frage, welche Folgen eintreten, wenn eine Grunddienstbarkeit zugunsten einer Sondereigentumseinheit bestellt ist und diese herrschende Sondereigentumseinheit unterteilt wird. Die Aufteilung soll dergestalt erfolgen, dass Teile des Miteigentumsanteils, mit dem die Sondereigentumseinheit verbunden ist, mit neu geschaffenem Sondereigentum verbunden werden sollen, das auf der bisherigen Sondernutzungsfläche errichtet wurde.

a) Ausgangspunkt: Rechtsfolgen der Aufteilung eines herrschenden Grundstücks in Wohnungs- und Teileigentum
Im Ausgangspunkt ist die Situation zu betrachten, wenn ein herrschendes Grundstück in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt wird. Wird das Grundstück eines Dienstbarkeitsberechtigten in Wohnungseigentum geteilt, so besteht die Grunddienstbarkeit gem. § 1025 S. 1 BGB für die einzelnen Teile mit Schutz des Eigentümers des belasteten Grundstücks gegen eine beschwerlichere Ausübung fort (BayObLG MittBayNot 1983, 168; OLG Stuttgart NJW-RR 1990, 659; BeckOGKWEG/Müller, Std.: 1.6.2022, § 2 Rn. 43). Die fortbestehende Grunddienstbarkeit bleibt einheitliches Recht der nun mehreren Berechtigten (Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Aufl. 2022, § 1025 Rn. 1; Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 3 ff.). Es entstehen nach zutreffender h. M. nicht mehrere selbstständige Dienstbarkeiten, sondern kraft Gesetzes eine Gesamtgrunddienstbarkeit (BayObLGZ 1965, 267; BayObLG NJW-RR 1990, 1043, 1044; Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 5; MünchKommBGB/Mohr, 8. Aufl. 2020, § 1025 Rn. 2; Grüneberg/Herrler, § 1025 Rn. 1; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl. 2001, § 1025 Rn. 1; BeckOGKBGB/Kazele, Std.: 1.5.2022, § 1025 Rn. 23; a. A. BeckOK-BGB/Reischl, Std.: 1.11.2021, § 1025 Rn. 3).

Vorliegend ist aber kein Grundstück im Rechtssinne herrschendes Grundstück, sondern eine einzelne Wohnungseigentumseinheit. Es stellt sich daher die Frage, ob sich diese Rechtsfolge ohne Weiteres auf den Fall übertragen lässt, dass ein Miteigentumsanteil, der mit Sondereigentum verbunden ist, „aufgeteilt“wird.

b) Unterteilung von Sondereigentumseinheiten
Die Grunddienstbarkeit zugunsten einer Sondereigentumseinheit besteht nach § 1025 S. 1 BGB für die einzelnen Teile fort, wenn die ursprüngliche Sondereigentumseinheit in einzelne Sondereigentumseinheiten unterteilt wird (vgl. Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 3 a. E.). Eine solche Unterteilung liegt aber nur vor, wenn solche Räume dem geteilten Sondereigentum zugeordnet werden, die bereits bislang zum Sondereigentum des unterteilten Wohnungs- oder Teileigentums gehörten (Müller, in: Hügel, Wohnungseigentum, 5. Aufl. 2021, § 2 Rn. 124). Nicht möglich ist es, im Wege der Unterteilung einer einzelnen Sondereigentumseinheit in mehrere Einheiten (§ 8 WEG) Räume des früheren Gemeinschaftseigentums in die Unterteilung einzubeziehen und zum Gegenstand von Sondereigentum zu machen (Müller, in: Hügel, § 2 Rn. 124).

Vorliegend liegt keine solche Teilung von Sondereigentum vor. Die Einheit 8 soll nämlich nicht sachenrechtlich in diesem Sinne unterteilt werden. Stattdessen wurde auf einer Fläche des Gemeinschaftseigentums, an der ein Sondernutzungsrecht zugunsten der Einheit 8 besteht, ein Gebäude errichtet und an diesem wurde Sondereigentum begründet. Mit der Errichtung des Gebäudes steht dieses zunächst im Gemeinschaftseigentum, § 1 Abs. 5 WEG (vgl. Müller, in: Hügel, § 2 Rn. 44). Diese „Unterteilung“ (nur des Miteigentumsanteils) ist nicht als Unterteilung nach § 8 WEG zu begreifen, wonach der einzelne Teileigentümer ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer die Unterteilung erreichen kann. Stattdessen ist sie dogmatisch als Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum und Neuverbindung mit dem abgespaltenen Miteigentumsanteil anzusehen.

c) Auswirkungen der Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum auf eine Grunddienstbarkeitsberechtigung
Unklar ist, ob sich in der hier beschriebenen Situation die zugunsten der Sondereigentumseinheit Nr. 8 bestellte Grunddienstbarkeit an dem Miteigentumsanteil, der mit dem Sondereigentum am neu zu errichtenden Wohnhaus verbunden wird, fortsetzt. Soweit ersichtlich, ist in der Literatur und Rechtsprechung zu dieser Frage bislang nicht ausdrücklich Stellung bezogen worden. Eine Erstreckung der Grunddienstbarkeit wäre denkbar, wenn auf diese Fallgestaltung § 1025 S. 1 BGB (analog) anwendbar wäre. Nach dieser Vorschrift besteht die Grunddienstbarkeit für die einzelnen Teile fort, wenn das Grundstück des Berechtigten geteilt wird. Die Norm gilt – wie oben gesehen – analog auch, wenn Sondereigentum unterteilt wird. Unterteilt wurde hier zwar nicht das Sondereigentum selbst, aber die damit verbundene Sondernutzungsfläche, die der BGH – wie bereits oben erwähnt – für Zwecke der Dienstbarkeiten Sondereigentum weitgehend gleichstellt (BGH ZWE 2020, 328 Rn. 39).

Ob man § 1025 S. 1 BGB analog auch auf die vorliegende Konstellation anwendet, wenn nur ein Miteigentumsanteil abgespalten und mit neu geschaffenem Sondereigentum verbunden wird, hängt maßgeblich davon ab, was man als „herrschendes Grundstück“ im Sinne dieser Norm im Falle einer Wohnungseigentumseinheit begreift. Wie bereits oben ausgeführt, geht der BGH davon aus, dass herrschendes „Grundstück“ das Raumeigentum ist (BGH DNotZ 1990, 493, 494). Denkt man dies formal fort, dürfte § 1025 BGB auf die vorliegende Konstellation keine Anwendung finden. Denn unterteilt wird nicht das Raumeigentum (= der Gegenstand des Sondereigentums), sondern nur der mit dem Raumeigentum verbundene Miteigentumsanteil.

Das OLG München hatte einen Fall zu entscheiden, in dem eine Sondereigentumseinheit (Hinterhaus) aus einer Wohnungseigentümergemeinschaft „abgespalten“ und sodann im Wege der Realteilung dem bisherigen Eigentümer der bislang im Gemeinschaftseigentum stehende Grundstücksteil zum Alleineigentum übertragen wurde (OLG München FGPrax 2017, 114). Die Sondereigentumseinheit war herrschendes Grundstück einer Grunddienstbarkeit. Das OLG München kam zu dem Ergebnis, dass die Grunddienstbarkeit auch zugunsten des neu geschaffenen Grundstücks fortbestehe. Hierbei argumentiert das Gericht maßgeblich mit der Identität des (vormaligen) Sondereigentums und des aktuellen Alleineigentums (OLG München FGPrax 2017, 114, 116). Gleichzeitig verweist das Gericht – insoweit nicht ganz konsistent – darauf, dass „in rechtlicher Sicht das Miteigentum am Gesamtgrundstück im Vordergrund steht, das durch das WEG lediglich eine besondere Ausgestaltung erfahren hat“. Die Dienstbarkeit gehe als wesentlicher Bestandteil des Miteigentumsanteils auf den Erwerber des Alleineigentums am Teilgrundstück über.

Die Entscheidung des OLG München zeigt aber noch etwas anderes und verdeutlicht insofern, dass man die oben genannte BGH-Entscheidung nicht lediglich formal verstehen darf, sondern im Kontext des Telos des § 1025 BGB. Dieser soll es dem Grundstückseigentümer ermöglichen, seine Sache beliebig katastermäßig zu vermessen und grundbuchrechtlich zu unterteilen, ohne dabei die Rechtsposition, die ihm die Dienstbarkeit vermittelt, zu verlieren. Die Realteilung eines Grundstücks ist für die bestehenden Rechte grundsätzlich bedeutungslos. So verhält es sich auch bei der Aufteilung von Wohnungseigentum. Problematisch ist vorliegend allerdings, dass nicht nur Sondereigentum geteilt wird, sondern auch ein Teil des Grundstücks betroffen ist, an dem lediglich ein Sondernutzungsrecht besteht. Analog zu den Überlegungen des OLG München und der vom BGH vorgenommenen Gleichbehandlung des Sondernutzungsrechts mit Sondereigentum (BGH ZWE 2020, 328 Rn. 39) dürfte dies jedoch keinen Unterschied machen. Denn letztlich geht es darum, welchen tatsächlichen Herrschaftsbereich dem Berechtigten sein Wohnungseigentum vermittelt. Und dazu gehört auch die zum Inhalt des Sondereigentums gemachte Vereinbarung, die die übrigen Eigentümer von der Nutzung der entsprechenden Fläche regelmäßig ausschließt. Wird aus diesem räumlichen Herrschaftsbereich des Eigentümers ein Teil „herausgelöst“, kommt dies funktional der Realteilung i. S. d. § 1025 BGB derart nahe, dass eine analoge Anwendung u. E. geboten scheint.

3. Folgen einer möglichen Nutzungsintensivierung
Nicht abschließend beurteilen können wir – da reine Tatfrage – ob ein Fall der unzulässigen Nutzungsintensivierung vorliegt. Denn die Ausübung ist nach Teilung im Zweifel nur in der Weise zulässig, dass sie für den Eigentümer des belasteten Grundstücks nicht beschwerlicher wird (§ 1025 S. 1 Hs. 2 BGB). Für die Beantwortung des Fortbestands der Dienstbarkeit ist diese Beurteilung jedoch ohne Belang. Denn eine Überschreitung des gem. § 1025 S. 1 Hs. 2 BGB zulässigen Maßes führt nur zu Abwehransprüchen des Eigentümers des dienenden Grundstücks (MünchKommBGB/Mohr, § 1025 Rn. 3; Staudinger/Weber, § 1025 Rn. 9) und nicht zum Erlöschen derDienstbarkeit.

4. Ergebnis
U. E. besteht im vorliegenden Fall die Grunddienstbarkeit zugunsten der neu geschaffenen Sondereigentumseinheit fort. Die konkrete Fallgestaltung wird jedoch weder in der Literatur diskutiert, noch ist sie von der Rechtsprechung entschieden, so dass eine gewisse Rechtsunsicherheit besteht. Auch wenn man eine analoge Anwendung des § 1025 S. 1 BGB bejaht, können dem Eigentümer des dienenden Grundstücks Abwehransprüche zustehen, wenn der Mitgebrauch des Geh- und Fahrrechts durch den Eigentümer der Einheit Nr. 9 eine unzulässige Nutzungsintensivierung darstellen sollte.

Gutachten/Abruf-Nr:

189854

Erscheinungsdatum:

17.06.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Dienstbarkeiten und Nießbrauch
WEG

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 89-92

Normen in Titel:

WEG § 3; BGB § 1018; BGB § 1025; WEG § 1