07. Januar 2021

Polen: Gesetzlicher Güterstand; Grundstückserwerb durch einen einzelnen, verheirateten, polnischen Staatsangehörigen

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 177433
letzte Aktualisierung: 07. Januar 2021

EuGüVO Art. 22
Polen: Gesetzlicher Güterstand; Grundstückserwerb durch einen einzelnen, verheirateten,
polnischen Staatsangehörigen

I. Sachverhalt

Als Verkäufer ist an einem Grundstückskaufvertrag ein polnischer Staatsangehöriger beteiligt.
Dieser hat im Jahr 2010 geheiratet und lebt inzwischen von seiner Ehefrau getrennt. Er und
seine Ehefrau waren bei Eheschließung beide polnische Staatsangehörige. Im Jahr 2011 hat der
Verkäufer das Grundstück zu Alleineigentum erworben und wurde dementsprechend ins
Grundbuch eingetragen. Der Kaufpreis wurde mit Erwerbseinkünften bezahlt.

II. Fragen

1. Kommt vorliegend deutsches oder polnisches Güterrecht zur Anwendung?

2. Für den Fall der Geltung polnischen Güterrechts: Kann der Verkäufer das Grundstück ohne
Zustimmung seiner Ehefrau veräußern?

III. Zur Rechtslage

1. Güterstatut

Da im vorliegenden Fall die Eheschließung vor dem 29.1.2019 erfolgte, bestimmt sich das
auf die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe anwendbare Recht gem. Art. 229 § 47 Abs. 1
EGBGB nach Art. 15 EGBGB a. F.

Gem. Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB a. F. bestimmt sich das auf die
güterrechtlichen Wirkungen der Eheleute anwendbare Recht vorrangig nach einer gemeinsamen
Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Eheschließung. Bei Eheschließung waren
beide Eheleute polnische Staatsangehörige. Insoweit wird also auf polnisches Recht verwiesen.

Diese Verweisung auf das polnische Recht erfasst gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB auch das
polnische IPR. Insbesondere wäre eine Rückverweisung auf das deutsche Recht zu beachten,
Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB.

Art. 51 des polnischen Gesetzes über das Internationale Privatrecht von 2011 beruft für die
güterrechtlichen Beziehungen zwischen Eheleuten ebenfalls vorrangig das gemeinsame
Heimatrecht der Eheleute (vgl. dazu Margonski, in: Süß/Ring, Eherecht in Europa,
3. Aufl. 2016, Länderbericht Polen, Rn. 52). Zwar handelt es sich hierbei um eine wandelbare
Anknüpfung. Ein Wechsel der Staatsangehörigkeit würde also auch zum Wechsel des
Güterstatuts führen. Da allerdings im vorliegenden Fall die Eheleute offenbar beide weiterhin
polnische Staatsangehörige sind, leben sie weiterhin im polnischen Güterrecht.

2. Gesetzlicher Güterstand nach polnischem Recht

Die Ehegatten leben also im gesetzlichen Güterstand polnischen Rechts. Dies ist eine Gütergemeinschaft
(Überblick bei Margonski, Rn. 16 ff.). In das gemeinschaftliche Vermögen
fällt nach Art. 31 § 1 S. 1 des poln. Familien- und Vormundschaftsgesetzbuches (FVGB)
jeder Vermögensgegenstand, der während der Dauer des gesetzlichen Güterstandes von
beiden Ehegatten gemeinsam oder auch nur von einem von beiden Ehegatten erworben
wird, es sei denn, dieser Gegenstand fällt seiner Art nach in das Sondervermögen eines der
Ehegatten (hierzu Margonski, Rn. 25). Was zum persönlichen Vermögen eines jeden der
Ehegatten gehört, zählt Art. 33 FVGB abschließend auf:

Art. 33 poln. FVGB

Zum persönlichen Vermögen jedes Ehegatten gehören:
1. die vor der Entstehung der gesetzlichen Gemeinschaft erworbenen Vermögensgegenstände,
2. die durch Erbschaft, Vermächtnis oder Schenkung erworbenen Vermögensgegenstände,
es sei denn, dass der Erblasser oder Schenker etwas anderes verfügt
hat,
3. Vermögensgegenstände, die sich aus einer besonderen Vorschriften unterstehenden
Gesamthandsgemeinschaft ergeben,
4. Vermögensgegenstände, die ausschließlich der Befriedigung der persönlichen
Bedürfnisse eines Ehegatten dienen,
5. unveräußerliche Rechte, die nur einer Person zustehen können,
6. die als Schadensersatz für eine erlittene Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung
oder als Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht erworbenen Gegenstände;
das betrifft jedoch nicht eine dem geschädigten Ehegatten wegen völligen
oder teilweisen Verlusts der Erwerbsfähigkeit oder wegen Vermehrung von
Erfolgsaussichten für die Zukunft zustehende Rente,
7. Ansprüche auf Arbeitsentgelt oder auf Vergütung für eine andere Erwerbstätigkeit
eines Ehegatten,
8. die als Auszeichnung für persönliche Erfolge von einem Ehegatten erworbenen
Vermögensgegenstände,
9. Urheber- und verwandte Rechte, Rechte des gewerblichen Eigentums sowie
andere Rechte des Urhebers,
10. die im Austausch für Bestandteile des persönlichen Vermögens erworbenen
Vermögensgegenstände, es sei denn, dass eine besondere Vorschrift etwas anderes
bestimmt.

Der entgeltliche Erwerb von Immobilien durch einen Ehegatten setzt die Mitwirkung des
anderen Ehegatten voraus. Es wird vermutet, dass der Erwerb zum gemeinschaftlichen
Vermögen erfolgt. Nach Art. 37 § 1 Nr. 1 FVGB ist der entgeltliche Immobilienerwerb zum
gemeinschaftlichen Vermögen zustimmungsbedürftig. Fehlt die Zustimmung des Ehegatten,
ist der Vertrag schwebend unwirksam (Art. 37 § 2 FVGB). Wenn die Ehegatten zum
gemeinschaftlichen Vermögen erwerben, sind in der Regel beide Vertragsparteien. Daher
braucht der Ehegatte eine Zustimmung zum Erwerb und ggf. eine Vollmacht zur Vertretung
des persönlich nicht anwesenden Ehepartners beim Vertragsschluss.

Will der handelnde Ehegatte zum persönlichen Vermögen erwerben, so ist dies im gesetzlichen
Güterstand im Wege der Surrogation möglich, indem der Erwerb aus seinem privaten
Vermögen finanziert wird (Art. 33 Nr. 10 FVGB). In der notariellen Praxis in Polen wird
dies in der Regel durch den anderen Ehegatten bestätigt werden müssen (Margonski,
Rn. 29). Vorliegend wurde der Kaufpreis aus Erwerbseinkünften während der Ehe bezahlt,
also nicht aus Eigenmitteln.

Dementsprechend kann im vorliegenden Fall der Kaufvertrag, mit dem der Verkäufer das
Grundstück erworben hat, die Ehefrau nur dann wirksam verpflichten, wenn der Ehemann
auch in ihrem Namen gehandelt und diese dem Kaufvertrag zugestimmt hat. Dies ist im
vorliegenden Fall nicht geschehen. Folge ist dann, dass nur der Ehemann auf schuldrechtlicher
Ebene durch den Kaufvertrag berechtigt und verpflichtet worden ist.

Im Gegensatz zum polnischen Recht erfolgt der Erwerb des Grundstücks auf dinglicher
Ebene im deutschen Recht vom Kaufvertrag unabhängig. Die Alleinverpflichtung des
Ehemanns im Kaufvertrag wirkt sich dementsprechend auf die dingliche Rechtslage nicht
aus. Wird die Auflassung fälschlicherweise an nur einen Ehegatten erklärt, der in Gütergemeinschaft
lebt, hat dies zur Folge, dass beide Ehegatten Eigentümer werden (vgl. zu den
unterschiedlichen dogmatischen Begründungen [Unmittelbarkeitstheorie versus Durchgangstheorie]
Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 761). Dementsprechend
führt dies im vorliegenden Fall dazu, dass die Auflassung des Grundstücks an
den Ehemann und die Eintragung des Ehemannes als Alleineigentümer in das Grundbuch
dazu geführt hat, dass der Ehemann gemeinsam mit seiner Ehefrau entsprechend den Vorschriften
des polnischen Güterrechts über den gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft
gemeinschaftliche Eigentümer geworden ist. Das Grundbuch ist insofern unrichtig
und bedarf der Berichtigung (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 761).

3. Zur Veräußerung

Im vorliegenden Fall leben die Eheleute bereits faktisch getrennt. Im polnischen Recht hat
allerdings der Umstand, ob die Eheleute tatsächlich zusammenleben oder sich bereits
getrennt haben, keinerlei Auswirkungen auf den gesetzlichen Güterstand. Vielmehr wird
dieser erst durch Ehevertrag oder durch rechtskräftige Scheidung der Ehe beendet
(Margonski, Rn. 93). Erst dann verwandelt sich die Gesamthandsgemeinschaft kraft Gesetzes
in eine Bruchteilsgemeinschaft (Margonski, Rn. 93).

Bis dahin gelten die Regeln über die Verwaltung und Verfügung der Ehegatten über das zur
Gütergemeinschaft gehörende Vermögen. Danach verwalten grundsätzlich die Eheleute das
Vermögen selbständig. Der andere Ehegatte kann einem beabsichtigten Geschäft eines
Ehegatten aber widersprechen. Der Grundsatz der selbständigen Verwaltung des gemeinschaftlichen
Vermögens gilt allerdings nicht für bestimmte Rechtsgeschäfte. Dazu
gehören gem. Art. 37 § 1 des poln. Familiengesetzes insbes. die Veräußerungen, die Belastung
und der entgeltliche Erwerb einer Immobilie (Margonski, Rn. 21). Mithin bedarf im
vorliegenden Fall der Kaufvertrag, mit dem der Ehemann das Grundstück veräußert und
die Auflassung an den Käufer der Zustimmung der Ehefrau. Diese Zustimmung bedarf der
gleichen Form wie das Rechtsgeschäft selbst (Margonski, Rn. 22 unter Verweisung auf
Art. 63 § 2 ZGB). Wurde das Rechtsgeschäft ohne Zustimmung abgeschlossen, hängt seine
Wirksamkeit von der Genehmigung des anderen Ehegatten ab.

Insoweit wäre also im vorliegenden Fall die Ehefrau am Verkaufsvertrag zu beteiligten, von
ihr eine Vollmacht vorzulegen oder aber eine Genehmigung einzuholen. Da der KaufSeite
vertrag dem deutschen Recht unterliegt, bedarf die Genehmigungserklärung gem. § 182
Abs. 2 BGB allerdings nicht der für den Kaufvertrag und die Auflassung vorgesehenen
Form. Allerdings ist wegen § 29 GBO eine öffentliche Beglaubigung der Unterschrift unter
der Erklärung erforderlich und ausreichend.

Gutachten/Abruf-Nr:

177433

Erscheinungsdatum:

07.01.2021

Rechtsbezug

National