23. Oktober 2014
BayStrWG § 54; BayStrWG § 53; BayStrWG § 6; BGB § 1021; BGB § 1090; BayStrWG § 3

Verkauf eines Grundstücks mit öffentlichem Weg an eine Privatperson; Unterhaltungsund Verkehrssicherungspflichten des öffentlichen Weges

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Abruf-Nr.: 137526
letzte Aktualisierung: 23. Oktober 2014

BGB §§ 1021, 1090; BayStrWG Art. 3, 6, 53, 54
Verkauf eines Grundstücks mit öffentlichem Weg an eine Privatperson; Unterhaltungsund
Verkehrssicherungspflichten des öffentlichen Weges

I. Sachverhalt
Auf dem in Bayern gelegenen Grundstück des Eigentümers E steht ein Kellerhaus. Darunter
befinden sich verschiedene Bierkeller des E und verschiedener anderer Eigentümer (diese Keller
sind durch Grunddienstbarkeiten – Kellerrechte und Geh- und Fahrtrechte – am Grundstück des
E gesichert). Ein Teil des Grundstücks, der als Zugang zu diesen Kellern dient, wurde bei der
Flurbereinigung weggemessen und der Gemeinde zugeteilt, die das Grundstück als öffentlichen
Feldweg gewidmet hat.
Nun möchte E sein Kellerhaus zu einer Gastwirtschaft ausbauen und dazu auch über dem nun
gemeindlichen Weg eine Terrasse errichten (hierzu muss der Weg zu den Bierkellern etwas vertieft
werden). E hat daher beantragt, das Grundstück zu erwerben, was der Gemeinderat beschlossen
hat. Nun stellt sich die Widmung des Wegs heraus. Nach Angabe der Gemeindeverwaltung
ist eine Entwidmung wohl nicht zu erreichen, da mit Widerstand einzelner Kellerberechtigten
gerechnet wird. Es wird jetzt überlegt, das gewidmete Grundstück (mit Widmung) zu
verkaufen.

II. Frage
Kann man beim Verkauf eines gewidmeten Wegs an einen Privatmann dem Eigentümer
zivilrechtlich die Unterhaltungs- und Sicherungspflicht zuordnen oder sind die Regeln zur
Straßenbaulast zwingend vorrangig?

III. Zur Rechtslage
1. Möglichkeit der Veräußerung des Grundstücks an eine Privatperson
a) Die Veräußerung eines Grundstücks, auf dem sich ein öffentlicher Weg befindet, ist
überhaupt nur dann möglich, wenn das Grundstück als „öffentliche Sache“ der Privatrechtsordnung
unterliegt. Allerdings führt der öffentliche Status von Grundstücken i. d.
R. nicht dazu, dass diese der Privatrechtsordnung entzogen werden. Eine solche
Ausnahmeregelung beinhaltet unseres Wissens nach lediglich § 4 Abs. 1 HambWegeG,
der Grünflächen, die als öffentliche Wege gewidmet sind und der Hansestadt Hamburg
gehören, dem Rechtsverkehr entzieht (vgl. Staudinger/Seiler, BGB, 2012, Einleitung
zum Sachenrecht Rn. 88, der auf Folgendes hinweist: „Aber abgesehen von diesen wenigen
Ausnahmen gibt es im Geltungsbereich des BGB öffentliches, vom Privatrecht
völlig gelöstes Eigentum nicht. Alle Sachen sind privatrechtsfähig; insofern ist der
Begriff der “öffentlichen“ Sachen mißverständlich“.). Demgegenüber enthält das
BayStrWG eine solche Regelung nicht. Überdies ergibt sich aus Art. 6 Abs. 3
BayStrWG, dass der Träger der Straßenbaulast nicht zwingend der Eigentümer des
Grundstücks sein muss; eine Widmung ist vielmehr bereits dann zulässig, wenn der
Träger der Straßenbaulast das dingliche Recht hat, über das der Straße dienende Grundstück
zu verfügen, oder wenn der Eigentümer und ein sonst zur Nutzung dinglich Berechtigter
der Widmung zugestimmt haben, oder wenn der Träger der Straßenbaulast
den Besitz des der Straße dienenden Grundstücks durch Vertrag, durch Einweisung oder
in einem sonstigen gesetzlich geregelten Verfahren erlangt hat.
Zeitler stellt zum Eigentum an öffentlichen Straßen fest:
„Die sachenrechtliche Zuordnung des Eigentums an einer öffentlichen
Straße i.S. der Art. 1, 2 BayStrWG zu bestimmten Rechtsinhabern
richtet sich nach dem bürgerlichen Recht. Die straßenrechtlichen
Vorschriften etwa in Art. 2, 31 ff., 42, 48 BayStrWG
regeln nicht die Eigentumsverhältnisse.“
(Zeitler, Kommentar zum BayStrWG, Stand: Okt. 2013, Art. 11
Rn. 16; vgl. auch Kodal/Herber, Straßenrecht Handbuch, 7. Aufl.
2010, Kap. 6 Rn. 13 f.)
b) Nach dem mitgeteilten Sachverhalt ist davon auszugehen, dass es sich um einen
„öffentlichen Feldweg“ bzw. eine „sonstige öffentliche Straße“ i.S.v. Art. 3 Abs. 1
Nr. 4, 53 Nr. 1, 54 BayStrWG handelt. Nach dem bereits oben Gesagten führt die Widmung
nicht dazu, dass das Grundstück dem Privatrechtsverkehr entzogen wird.
c) Klarzustellen ist insoweit jedoch, dass die Rechte des (künftigen) Grundstückseigentümers
durch die gem. Art. 6 Abs. 5 BayStrWG fortbestehende Widmung öffentlichrechtlichen
Schranken unterworfen sind. Die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung
der dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße geht der privatrechtlichen
Nutzungsmöglichkeit durch den Eigentümer insoweit vor (Zeitler/Häußler, Art. 6
Rn. 84 f.; Kodal/Herber, Straßenrecht Handbuch, Kap. 8 Rn. 8; Edhofer/Willmitzer,
Kommentar zum BayStrWG, 14. Aufl. 2013, Art. 6 Erl. 7). Der Eigentümer eines
Grundstücks, das einer öffentlichen Straße dient, muss dementsprechend alle Einschränkungen
seiner Rechte dulden, die sich aus dem Gemeingebrauch ergeben. Soweit
die Widmung reicht, können insbesondere Eigentümer des Straßengrundstücks gegen
die aus dem Gemeingebrauch sich ergebenden Einwirkungen (Lärm, Staub, Erschütterungen)
nicht mit einer Unterlassungsklage nach § 1004 BGB vorgehen
(Edhofer/Willmitzer, Art. 6 Erl. 7). Für das BayStrWG stellt dies insoweit Art. 13
Abs. 1 klar, der besagt, dass dem Träger der Straßenbaulast die Ausübung der Rechte
und Pflichten des Eigentümers in dem Umfang zusteht, wie es die Aufrechterhaltung
des Gemeingebrauchs erfordert, wenn der Träger der Straßenbaulast nicht zugleich Eigentümer
des Grundstücks ist. Es erscheint naheliegend, dass sich die Gemeinde im
Rahmen der Veräußerung ein dingliches Nutzungsrecht vorbehält. Allerdings gilt das
zuvor Gesagte unabhängig davon, ob dem Träger der Straßenbaulast bürgerlich-rechtliche
Nutzungsrechte (wie z. B. eine Dienstbarkeit) eingeräumt werden. Häußler spricht
davon, dass die durch die Widmung begründete öffentliche Sachherrschaft als „öffentlich-
rechtliche Dienstbarkeit“ auf dem privaten Eigentum laste. Auch wenn diese nicht
in das Grundbuch eingetragen werde, könne sich ein Erwerber nicht auf einen
gutgläubigen lastenfreien Erwerb berufen, da es sich um eine öffentlich-rechtliche, nicht
aber um eine privatrechtliche Beschränkung handele (Zeitler/Häußler, Art. 6 Rn. 85
a. E.).
d) Als Zwischenergebnis ist mithin festzuhalten, dass eine zivilrechtliche Eigentumsübertragung
trotz der Widmung des Grundstücks als öffentlicher Weg möglich ist.

2. Einräumung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten einer Gemeinde
mit dem Zweck der Nutzung durch die Allgemeinheit
a) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass beschränkte persönliche Dienstbarkeiten
i. S. d. §§ 1090 ff. BGB uneingeschränkt für natürliche und juristische Personen
bestellt werden können. Berechtigte einer solchen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit
können insbesondere auch Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie auch Gemeinden
sein (MünchKomm/Joost, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1090 Rn. 32;
Staudinger/Mayer, BGB, Neubearb. 2009, § 1090 Rn. 5; Soergel/Stürner, BGB,
13. Aufl. 2001, § 1090 Rn. 3; BGH NJW 1984, 924; RGZ 61, 338, 342; RGZ 44, 145;
BayObLGZ 3, 119 ff.; BayObLGZ 1959, 478, 479; BayObLGZ 1962, 341, 345;
BayObLGZ 1965, 180, 182; LG Passau Rpfleger 1972, 135; LG Köln MittRhNotK
1976, 336; LG Ellwangen BWNotZ 1997, 69).
b) Anerkannt ist in diesem Zusammenhang bei der Bestellung einer beschränkten persönlichen
Dienstbarkeit zugunsten einer Gemeinde, dass die Dienstbarkeit sowohl der Allgemeinheit,
aber auch den einzelnen Mitgliedern der Gemeinde dienen kann
(Soergel/Stürner, § 1090 Rn. 3 und § 1091 Rn. 2; MünchKomm/Joost, § 1090 Rn. 32
und § 1091 Rn. 4; Staudinger/Mayer, § 1090 Rn. 5; LG Passau Rpfleger 1972, 135). In
diesen Fällen wird die Dienstbarkeit zugunsten einer Gemeinde bestellt, während die
Dienstbarkeit ihrem Inhalt nach dem Interesse der Gemeindebürger bzw. der Allgemeinheit
zugutekommt. Entscheidend ist dabei, dass das Recht nicht bestimmten oder
allen Grundstücken der Gemeinde, sondern der Gemeinde selbst als Interessenvertreterin
der Allgemeinheit zusteht (RGZ 44, 145; RGZ 61, 338, 342; BayObLGZ 3, 119;
Staudinger/Mayer, § 1090 Rn. 5).

3. Übernahme der Unterhaltung und Verkehrssicherungspflicht durch den Eigentümer
a) Gem. § 1090 Abs. 2 i. V. m. § 1021 Abs. 1 S. 1 BGB kann im Rahmen einer Dienstbarkeit
bestimmt werden, dass der Eigentümer des Grundstücks die Anlage zu unterhalten
hat, soweit das Interesse des Berechtigten es erfordert, wenn zur Ausübung einer
Grunddienstbarkeit eine Anlage auf dem belasteten Grundstück gehört
(Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1021 Rn. 2). Eine Unterhaltungspflicht i. S.
des § 1021 BGB umfasst dabei auch die Verkehrssicherungspflicht (Palandt/Bassenge,
§ 1021 Rn. 3).
Unter einer Anlage in diesem Sinne ist dabei jede besondere, somit mit dem Grundstück
nicht identische, für gewisse Dauer bestimmte Einrichtung, durch die ein Zustand geschaffen
wird, ohne den die Dienstbarkeit nicht ordnungsgemäß ausgeübt werden kann,
zu subsumieren (Staudinger/Mayer, § 1020 Rn. 12). Während das Vorliegen einer Anlage
hinsichtlich eines befestigten Weges durch ständige Rechtsprechung als gesichert
angenommen werden kann (OLG Celle MDR 2000, 81; OLG Köln NJW-RR 1990,
1165; BayObLG DNotZ 1991, 257; DNotI-Report 2000, 117; Palandt/Bassenge, § 1020
Rn. 3; Soergel/Stürner, § 1020 Rn. 5), ist dies zwischenzeitlich jedenfalls auch für solche
unbefestigten Wege anerkannt, die durch ständige Benutzung entstanden sind,
so etwa wenn der Weg nur aus Fahrspuren besteht (Palandt/Bassenge, § 1020 Rn. 3;
BGH NJW 2006, 1428). Soweit ein solcher hier vorliegt – was aufgrund der Sachverhaltsangaben
nicht abschließend geklärt werden kann – kann die Übernahme der Verkehrssicherungs-
und Unterhaltungspflicht auch zum dinglichen Inhalt der beschränkten
persönlichen Dienstbarkeit gemacht werden.
b) Aus der privatrechtlichen Natur der Verkehrssicherungspflicht folgt auch, dass sie im
Grundsatz durch Vereinbarung auf Private übertragen werden kann. Bei der Wahrnehmung
der Aufgaben zur Verkehrssicherungspflicht durch Private ist jedoch zu beachten,
dass der Private i. d. R. nicht öffentlich-rechtlich, sondern privatrechtlich tätig wird und
damit nicht in einer Weise, die eine Haftung des Straßenbaulastträgers aus § 839 BGB
i. V. m. Art. 34 GG auslöst. Die Übernahme der Verkehrsregelungspflicht führt somit
zwar zur Freistellung des Baulastträgers von der Haftung aus seinen hoheitlichen Amtspflichten,
Kontrollpflichten bleiben jedoch bestehen (Kodal/Herber, Kap. 42 Rn. 21,
28.3). Auch die Tatsache, dass die Verkehrssicherungspflicht im StrG eine Amtspflicht
in hoheitlicher Tätigkeit darstellt, steht einer Übertragung auf einen Privaten nicht entgegen
(vgl. Kodal/Herber, Kap. 42 Rn. 28.3). Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass
nur derjenige, der Inhaber der Verkehrssicherungspflicht ist, diese auch auf einen anderen
übertragen kann.
Es stellt sich mithin die Frage, wer im konkreten Fall Träger der Verkehrssicherungspflicht
ist. Hierzu findet sich in Art. 54 Abs. 1 BayStrWG folgende Regelung: Träger
der Straßenbaulast für ausgebaute öffentliche Feld- und Waldwege sind die Gemeinden.
Träger der Straßenbaulast für nicht ausgebaute öffentliche Feld- und Waldwege sind
diejenigen, deren Grundstücke über den Weg bewirtschaftet werden (Beteiligte). Die
Gemeinde kann durch Satzung auch nicht ausgebaute öffentliche Feld- und Waldwege
in ihre Baulast überführen. Wir unterstellen insoweit, dass es sich um einen ausgebauten
Feldweg handelt und die Straßenbaulast bei der Gemeinde liegt. Sollte es sich um einen
nicht ausgebauten öffentlichen Feldweg handeln, wären jene Personen, deren Grundstücke
über den Weg bewirtschaftet werden, die Träger der Verkehrssicherungspflicht,
es sei denn, die Gemeinde hätte diese Aufgabe mittels Satzung an sich gezogen. Diese
Tatfrage kann von uns – naturgemäß – nicht abschließend beantwortet werden.
Einer Übertragung der Verkehrssicherungs- und Unterhaltungspflicht steht u. E. auch
das BayStrWG nicht entgegen. Zwar bestimmt Art. 44 Abs. 2 BayStrWG, dass bürgerlich-
rechtliche Verpflichtungen Dritter zur Erfüllung der Aufgaben aus der Straßenbaulast
die Straßenbaulast selbst unberührt lassen. Diese Norm befindet sich allerdings im
zweiten Teil des Gesetzes betreffend die Straßenbaulast für Staatsstraßen und Kreisstraßen.
Die Vorschrift findet aufgrund ihrer systematischen Stellung daher u. E. keine Anwendung
auf den hier interessierenden dritten Teil des Gesetzes (Gemeindestraßen und
sonstige öffentliche Straßen).

4. Ergebnis
Dementsprechend dürfte u. E. die Übertragung der Verkehrssicherungs- und Unterhaltungspflicht
auf den (künftigen) Eigentümer des dienenden Grundstücks im Rahmen einer beschränkten
persönlichen Dienstbarkeit möglich sein. Kontroll- und Überwachungspflicht
verbleiben jedoch weiterhin beim Träger der Straßenbaulast. Auch können bürgerlichrechtliche
Vereinbarungen über die Straßenbaulast die auf Gesetz oder öffentlich-rechtlichen
Titeln beruhende Pflichtenlage nicht verändern; der öffentlich-rechtliche Träger der Straßenbaulast
bleibt also weiterhin gegenüber der Straßenaufsichtsbehörde verantwortlich. Er
hat gegen den Vertragspartner – hier also gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks
– einen im Zivilrechtswege durchsetzbaren Anspruch auf Erfüllung seiner Verpflichtung aus
der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und kann damit lediglich auf tatsächlicher
Ebene seine Entlastung erreichen, ohne allerdings von der Aufgabe als solche rechtlich befreit
zu sein.

Gutachten/Abruf-Nr:

137526

Erscheinungsdatum:

23.10.2014

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Normen in Titel:

BayStrWG § 54; BayStrWG § 53; BayStrWG § 6; BGB § 1021; BGB § 1090; BayStrWG § 3