05. März 2020
FamFG § 344 Abs. 7

Zuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthalt des Ausschlagenden bei Abgabe der Ausschlagungserklärung durch den gesetzlichen Vertreter

FamFG § 344 Abs. 7
Zuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthalt des Ausschlagenden bei Abgabe der Ausschlagungserklärung durch den gesetzlichen Vertreter

I. Sachverhalt
Die Mutter hat für sich selbst und für ihre minderjährigen Kinder an deren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort gegenüber dem für diesen Bezirk zuständigen Nachlassgericht die Ausschlagung erklärt. Aufgrund der gemeinsamen elterlichen Sorge muss auch noch der Vater für die minderjährigen Kinder die Ausschlagung erklären. Der Vater hat jedoch einen anderen gewöhnlichen Aufenthaltsort und möchte zur Fristwahrung nunmehr die Ausschlagung gegenüber dem für seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständigen Nachlassgericht erklären.

II. Frage
Kann ein gesetzlicher Vertreter (z. B. Eltern) als „erklärende Person“ die Ausschlagungserklärung gegenüber dem Nachlassgericht i. S. v. § 344 Abs. 7 FamFG erklären, in dessen Bezirk der gesetzliche Vertreter seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder kommt es auf den gewöhnlichen Aufenthalt desjenigen an, in dessen
Namen die Erklärungen abgegeben werden sollen? Macht es einen Unterschied, ob es sich um einen gesetzlichen Vertreter oder einen gewillkürten Vertreter handelt?

III. Zur Rechtslage
1. Örtliche Zuständigkeit für Entgegennahme von Ausschlagungserklärung
Nach § 344 Abs. 7 S. 1 FamFG ist für die Entgegennahme einer Erklärung, mit der eine Erbschaft ausgeschlagen oder mit der die Versäumung der Ausschlagungsfrist, die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eine Anfechtungserklärung ihrerseits angefochten wird, auch das Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk die erklärende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Zuständigkeitsvorschrift gilt auch für eine notariell beglaubigte Ausschlagungserklärung
(BeckOK-FamFG/Schlögel, Std.: 1.1.2020, § 344 Rn. 14; Keidel/Zimmermann, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 344 Rn. 48; Harders, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 344 Rn. 16; MünchKommFamFG/Grziwotz, 3. Aufl. 2019, § 344 Rn. 46; BT-Drucks. 18/4201, S. 59; ausf. Heinemann, DNotZ 2011, 498, 499).

2. Maßgeblicher Aufenthaltsort in Vertretungsfällen
Fraglich ist, auf den Aufenthalt welcher Person es ankommt, wenn ein gesetzlicher Vertreter für den Ausschlagenden die Erklärung abgibt. Der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit nicht eindeutig, wenn er von dem gewöhnlichen Aufenthalt der „erklärenden Person“ spricht. Auf die Problematik der Vertretung des Erklärenden ist die Vorschrift nicht abgestimmt. Denkbar wäre es, unter der erklärenden Person die Person zu verstehen, die die Erklärung tatsächlich abgibt und somit auf den Vertreter abzustellen. Auf dieses Verständnis deutet der Wortlaut der Vorschrift hin, der auf den Erklärenden und nicht auf die Person abhebt, in deren Namen die Erklärung abgegeben wurde. Die Gesetzesmaterialien geben insoweit keinen Aufschluss über die Frage (BT-Drucks. 16/6308, S. 390). Die Literatur geht häufig auf die Frage nicht näher ein, sondern spricht ohne nähere Problematisierung von dem gewöhnlichen Aufenthalt des Ausschlagenden. Letztlich wird die Frage in den meisten Veröffentlichungen nicht näher erörtert (Keidel/Zimmermann, § 344 Rn. 45; MünchKommFamFG/Grziwotz, § 344 Rn. 48;
Harders, § 344 Rn. 16; Heinemann, ZErb 2008, 293, 294).

Gleichwohl finden sich auch in der Literatur nähere Ausführungen zu der Problematik, soweit es um die Vertretung Minderjähriger geht. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass der Minderjährige in analoger Anwendung von § 11 BGB den gewöhnlichen Aufenthalt beider sorgeberechtigter Elternteile teilt und das Kind somit mehrere gewöhnlichen Aufenthalte hat. Beide Gerichte seien dann alternativ zuständig
(Bahrenfuss/Schaal, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 344 Rn. 43; wohl auch Prütting/Helms/Fröhler, FamFG,
4. Aufl. 2018, § 344 Rn. 72c – doppelter Wohnsitz des Kindes). Damit geht diese Auffassung implizit davon aus, dass auf die vertretene Person abzustellen ist,
deren gewöhnlicher Aufenthalt sich aber akzessorisch nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Vertreters bestimmt.

a) Die Auffassung überzeugt zunächst insoweit, als sie zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts auf die Person des Ausschlagenden und nicht auf diejenige des Vertreters abstellt. Der Wortlaut des § 344 Abs. 7 FamFG („erklärende Person“) spricht zwar für die Maßgeblichkeit des Aufenthalts des Vertreters. Eindeutig ist der Wortlaut aber nicht. Dass die Vorschrift nicht vom Ausschlagenden, sondern von der erklärenden Person spricht, dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass unter § 344 Abs. 7 FamFG mehrere Erklärungen fallen (z. B. auch die Anfechtung) und der Gesetzgeber einen Oberbegriff für die verschiedenen Erklärungen wählen wollte. Auch der Normzweck gebietet es nicht, auf den Vertreter abzustellen. Die Norm möchte zum einen Rechtssicherheit schaffen, indem sie dem Ausschlagenden bei Unklarheiten über das primär zuständige Nachlassgericht eine Ausschlagungsmöglichkeit bei dem Gericht seines Aufenthalts ermöglicht (BT-Drucks. 16/6308, S. 390). Zum anderen dürfte der Aspekt der räumlichen Nähe zwischen dem Aufenthalt des Ausschlagenden und dem Nachlassgericht vor Ort ein weiterer Normzweck sein. Daraus folgt indessen nicht, dass man nicht auch auf den Vertretenen abstellen kann. Der Vertreter nimmt für den Vertretenen eine Rechtshandlung in dessen Rechtskreis vor. Es erscheint nicht unzumutbar, wenn der Vertreter die Aufgabe dort wahrzunehmen hat, wo der Vertretene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies gilt etwa bei einer betreuten Person (vgl. § 1896 BGB). Hier erscheint es uns naheliegend, dass die Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht abzugeben ist, in dessen Bezirk der Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Würde man auf den Vertreter abstellen, erschiene es uns außerdem konsequent, gesetzliche und rechtsgeschäftliche Vertreter gleich zu behandeln, also insbesondere auch zwischen Betreuern und Vorsorgebevollmächtigten nicht zu differenzieren. Käme es aber auf den gewöhnlichen Aufenthalt des rechtsgeschäftlichen Vertreters an, käme man zu einer zufälligen, wenn nicht sogar willkürlichen Bestimmung des zuständigen Nachlassgerichts. Weitere Probleme können sich bei Gesamtvertretern ergeben. Hier könnten die Erklärungen nach § 344 Abs. 7 FamFG nicht gegenüber ein und demselben Gericht abgegeben werden, wenn die Gesamtvertreter ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk verschiedener Nachlassgerichte hätten. Anderes würde nur gelten, wenn man entgegen dem Wortlaut der Norm zu einem Wahlrecht des gesetzlichen Vertretes käme, dass er als die Ausschlagung erklärende Person immer auch bei dem für den anderen Vertreter zuständigen Nachlassgericht die Erklärung abgeben könnte. Außerdem würde ein deutsches Nachlassgericht gar nicht zur Entgegennahme der Ausschlagungserklärung des Minderjährigen zuständig sein, wenn der gesetzliche Vertreter seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat, der Vertretene hingegen schon. Würde man auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Vertreters abstellen, könnte das Nachlassgericht am gewöhnlichen Aufenthalt des Vertretenen die Erklärung nicht entgegennehmen.
b) An der Richtigkeit der vorgenannten Literaturauffassung sind u. E. allenfalls Zweifel angebracht, weil sie einen gewöhnlichen Aufenthalt in akzessorischer Bestimmung des Aufenthalts des Vertreters befürwortet. § 344 Abs. 7 FamFG stellt nicht mehr auf den Wohnsitz, sondern auf den gewöhnlichen Aufenthalt ab. Der deutsche Gesetzgeber wollte den gewöhnlichen Aufenthalt im Einklang mit der Begriffsbestimmung in Art. 4 u. 21 EuErbVO verstanden wissen (BT-Drs. 18/4201, S. 43, 59). Hier ist man sich weitgehend einig, dass der Erblasser grundsätzlich nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann (MünchKommBGB/Dutta, 7. Aufl. 2018, Art. 4 EuErbVO Rn. 7 m. w. N.). Dies wird man etwa auch für die Bestimmung des zuständigen Nachlassgerichts nach § 343 FamFG annehmen müssen, um eine konkurrierende Zuständigkeit mehrerer Nachlassgerichte zu vermeiden.

Mit Blick auf den Normzweck des § 344 Abs. 7 FamFG erscheint es uns jedoch geboten, bei Minderjährigen von einem weiteren Aufenthaltsbegriff auszugehen. Im Zusammenhang mit der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes im Rahmen von Art. 8 Brüssel IIa-VO ist man sich zwar weitgehend einig, dass sich der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes nicht akzessorisch nach dem gewöhnlichen Aufenthalt seines Vertreters bestimmt (OLG Karlsruhe NJW-RR 2015, 1415 Tz. 31; MünchKommFamFG/Gottwald, 3. Aufl. 2019 Art. 8 Brüssel IIa-VO Rn. 4). In Betracht soll ein mehrfacher gewöhnlicher Aufenthalt nach bestrittener Auffassung jedoch bei einem echten Wechselmodell kommen (MünchKommBGB/Heiderhoff, 7. Aufl. 2018, Art. 8 Brüssel IIa-VO Rn. 22 m. w. N.), wobei wiederum die Einschränkung gemacht wird, dass beide Aufenthalte nach ihrer Bedeutung für den Minderjährigen gleichwertig sein müssen (MünchKommFamFG/Grziwotz, § 343 Rn. 19).

Bei den von § 344 Abs. 7 FamFG erfassten zeitkritischen Erklärungen halten wir es unter Berücksichtigung des Normzwecks der Rechtsklarheit für geboten, zu einem doppelten gewöhnlichen Aufenthalt des Minderjährigen zu gelangen. Insbesondere bei den häufig praktizierten Wechselmodellen wäre eine rechtssichere Bestimmung des Empfangsgerichts kaum möglich, wenn die Beteiligten in einen ungewissen Gesamtabwägungsvorgang eintreten müssten, ob sich der gewöhnliche Aufenthalt des Minderjährigen bei dem einen oder den anderen Elternteil befindet. Man wird den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes nach beiden Aufenthaltsorten der Eltern bestimmen und zu einem doppelten gewöhnlichen Aufenthalt gelangen können. Wir halten daher einen auf § 344 Abs. 7
FamFG abgestimmten und normzweckspezifischen
weiteren Aufenthaltsbegriff für überzeugend. Im
Ergebnis halten wir die oben referierte Literaturauffassung daher für richtig.

3. Ergebnis
Wir gehen im Ergebnis davon aus, dass es für die Zuständigkeit nach § 344 Abs. 7 FamFG bei der Erklärung durch einen Vertreter auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Vertretenen ankommt, bei Minderjährigen aber ein doppelter gewöhnlicher Aufenthalt beider sorgeberechtigter Elternteile in Betracht kommt und jedes der beiden Nachlass­gerichte nach § 344 Abs. 7 FamFG alternativ dafür zuständig ist, die Ausschlagungs­erklärung entgegenzunehmen. Aufgrund fehlender Rechtsprechung zur Thematik sei abschließend jedoch auf die verbleibende Rechtsunsicherheit hingewiesen.

Gutachten/Abruf-Nr:

170538

Erscheinungsdatum:

05.03.2020

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2020, 35-36

Normen in Titel:

FamFG § 344 Abs. 7