01. April 2021
HGB § 171; HGB § 161 Abs. 2; FamFG § 378 Abs. 2; HGB § 107; HGB § 143 Abs. 2; HGB § 108

Anmeldung eines Kommanditistenwechsels durch den Notar; persönliche Abgabe der sog. negativen Abfindungsversicherung; fehlende Formbedürftigkeit der Versicherung

FamFG § 378 Abs. 2; HGB §§ 161 Abs. 2, 107, 108, 143 Abs. 2, 171
Anmeldung eines Kommanditistenwechsels durch den Notar; persönliche Abgabe der sog. negativen Abfindungsversicherung; fehlende Formbedürftigkeit der Versicherung

I. Sachverhalt
Ein Notar hat einen Geschäftsanteilskaufvertrag über KG- und GmbH-Anteile beurkundet. Diesbezüglich wurden Zustimmungserklärungen zur Abtretung von denjenigen Gesellschaftern eingeholt, die selbst keine Anteile abgetreten haben und daher auch nicht unmittelbar an der Beurkundung mitgewirkt haben. Da diese Gesellschafter teilweise im Ausland ansässig sind, hat der Notar den Gesellschafterwechsel bei der KG gem. § 378 Abs. 2 FamFG angemeldet. Die „negative Abfindungsversicherung“ haben alle Gesellschafter privatschriftlich unterzeichnet.

Das Registergericht sieht den Anwendungsbereich von § 378 Abs. 2 FamFG hier als nicht eröffnet an und fordert Anmeldungen durch alle Gesellschafter.

II. Frage
Ist die Auffassung des Registergerichts zutreffend?

III. Zur Rechtslage
1. Allgemeine Grundsätze
Für die Anmeldung eines Kommanditistenwechsels im Handelsregister verlangt das HGB gem. §§ 107, 108 S. 1, 161 Abs. 2 HGB und §§ 143 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB die Anmeldung des Eintritts des neuen und des Austritts des ausscheidenden Kommanditisten durch alle Gesellschafter.

Nach § 378 Abs. 2 FamFG gilt der Notar als ermächtigt, im Namen des zur Anmeldung Berechtigten die Eintragung zu beantragen, wenn die zu einer Eintragung erforderliche Er­klärung von dem Notar beurkundet oder beglaubigt worden ist. Der Umfang der Vertretungsmacht nach § 378 Abs. 2 FamFG wird damit zum einen durch den beurkundeten oder beglaubigten Erklärungsinhalt bestimmt und ist zum anderen auch abhängig davon, dass ein Vertreterhandeln generell zulässig ist (BeckOK-FamFG/Otto, Std.: 1.1.2021, § 378 Rn. 18; Haußleiter/Schemmann, FamFG, 2. Aufl. 2017, § 378 Rn. 16, 17).

2. Vorliegender Fall
a) Trennung von Anmeldung und negativer Abfindungsversicherung
Nach den vorstehend skizzierten Grundsätzen dürfte im Ausganspunkt außer Streit stehen, dass – selbst wenn es sich bei der negativen Abfindungsversicherung um eine von den Gesellschaftern höchstpersönlich abzugebende Erklärung handelt (dazu unten c.) – die hiervon zu trennende „eigentliche“ Anmeldung des Gesellschafterwechsels in Vertretung durch den Notar gem. § 378 Abs. 2 FamFG erfolgen kann (so zum Verhält­nis der Anmeldung eines neuen GmbH-Geschäftsführers und der daneben nötigen höchstpersönlichen Versicherung des Geschäftsführers gem. §§ 39 Abs. 3 S. 1, 6 Abs. 2 GmbHG etwa BeckOK-FamFG/Otto, 1.1.2021, § 378 Rn. 5).

b) Begrenzung der Vollmachtsvermutung des § 378 Abs. 2 FamFG auf die (unmit­telbar) an der Beurkundung Beteiligten?
aa) Allerdings hat das OLG München (NJW 2015, 1616) der Sache nach entschieden, dass die vermutete Vertretungsmacht des § 378 Abs. 2 FamFG nur bezüglich der an der Beurkundung Beteiligten gilt. Dem hat sich die Literatur – soweit ersichtlich – einhellig angeschlossen (etwa Keidel/Heinemann, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 378 Rn. 5; Ries, notar 2017, 75; Weiler, notar 2015, 400, 410). Insoweit könnte man eine Vollmachtsvermutung nach § 378 Abs. 2 FamFG für solche Gesellschafter verneinen, die selbst nicht unmittelbar persönlich oder vertretungsweise an dem Geschäftsanteilskaufvertrag beteiligt waren.

bb) Indes lag der vorstehend zitierten Entscheidung des OLG München ein Sachverhalt zu­grunde, in dem der Notar einen Verschmelzungsvertrag zwischen der Kommandi­tistin einer KG (einer GmbH) und einer anderen Gesellschaft (einer AG) beurkun­det hatte. Eine solche Urkunde begründe nicht die Vermutung einer Vollmacht des Urkundsnotars, für die übrigen Gesellschafter der KG den Gesell­schafterwechsel bei der KG nach § 108 HGB anzumelden (OLG München NJW 2015, 1616, 1617).

Von dem Sachverhalt des OLG München unterscheidet sich die vorliegende Konstellation – die, soweit ersichtlich, bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur thematisiert wird (einzig ablehnend, aber wohl ohne nähere Auseinandersetzung, Nedden-Boeger, in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 6. Aufl. 2020, § 378 Rn. 22: „z.B. [keine] Erstreckung der Vollmacht[svermutung gem. § 378 Abs. 2 FamFG] auf unbeteiligte Komman­ditisten bei der Veräußerung eines Kommanditanteils“) – bereits materiell-rechtlich dadurch, dass Voraussetzung der Wirksamkeit einer Anteilsübertragung an der KG regelmäßig die Zustimmung aller Mitgesellschafter ist (statt aller Würzburger Notarhandbuch/Limmer, 5. Aufl. 2018, Teil 5 Kap. 2 Rn. 79). Dagegen voll­zieht sich der faktische Gesellschafterwechsel durch Verschmelzung einer Kom­manditistin im Wege der Gesamtrechtsfolge und unabhängig von der Mitwirkung und dem Willen der übrigen Gesellschafter. Zudem wird der Notar bei der Anteilsabtretung, wie auch vorliegend, regelmäßig – sei es im Vorfeld der Beurkundung, sei es im Rah­men eines Vollzugsauftrags nach Beurkun­dung (vgl. § 53 BeurkG) – diese notwendigen Zustimmungserklärungen für Mitgesellschafter einholen oder jedenfalls deren Vorliegen überprüfen.

Auch wenn diese Zustimmungserklärungen nicht von dem die Handelsregisteranmeldung einreichenden Notar selbst beurkundet oder beglaubigt worden sind, rechtfertigt die notarielle Betreuung des Vollzugs der Haupturkunde nach un­serem Dafürhalten auch eine Vollmachtsvermutung nach § 378 Abs. 2 FamFG hinsichtlich der außerhalb der Urkunde zustimmenden Gesellschafter. Denn diese sind damit Gegenstand der Urkundstätigkeit (hierzu OLG München NJW 2015, 1616, 1617), jedenfalls im weiteren Sinne (nicht ausreichend wäre dagegen, wenn der Notar „lediglich den [isolierten] Registervollzug“ betreibt, so Keidel/Heinemann, § 378 Rn. 7).

Überdies bildet der beurkundete Geschäftsanteilskauf- bzw. -abtretungsvertrag die unmittelbare Grundlage (hierzu Keidel/Heinemann, § 378 Rn. 5) der beantragten Registereintragung (= Kommanditistenwechsel). Dagegen ist die Zustimmungserklärung selbst zwar materiell-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung der Abtretung, selbst aber gerade keine sonstige Erklärung, die eintragungsbedürftig oder -fähig wäre (hierzu Keidel/Heinemann, § 378 Rn. 5).

Auch in dem Fall, dass die zur Eintragung erforderlichen Erklärungen von unter­schiedlichen Notaren beurkundet bzw. beglaubigt worden sind, kann als aner­kannt gelten, dass beide Notare hinsichtlich dieser Eintragung als nebeneinander bevollmächtigt angesehen werden (Keidel/Heinemann, § 378 Rn. 7).

Schließlich entspricht es der h. M., dass es etwa bei einer Satzungsänderung nicht erforderlich ist, dass gerade eine Erklärung der Anmeldeverpflichteten (z. B. des Geschäftsführers nach § 78 GmbHG) beurkundet oder beglaubigt wurde (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 16.11.2010 – 20 W 448/10, BeckRS 2011, 20300; OLG Karlsruhe GmbHR 2011, 308; ausführlich DNotI-Report 2010, 112, 114). Die Übertragbarkeit dieser Ansicht auf die dort zu entscheidende Konstellation wurde zwar vom OLG München (NJW 2015, 1616, 1616 f.) ausdrücklich abgelehnt. Dies kann aber damit erklärt werden, dass die nicht an der Verschmelzung beteiligten Gesellschafter weder materiell-rechtlich noch auf der Ebene des Urkundsvollzugs am Ausschei­den des verschmolzenen Kommanditisten beteiligt waren.

cc) Jedenfalls aber wird man in den erfolgten Zustimmungserklärungen und den jeweiligen privatschriftlichen negativen Abfindungsversicherungen aller Gesellschafter wohl eine – von § 378 Abs. 2 FamFG unabhängige – (konkludente) rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung des Notars zur Anmeldung des Kommanditistenwechsels erblicken können (zu dieser Möglichkeit sogar in Fällen des [isolierten] Registervollzugs Keidel/Heinemann, § 378 Rn. 7). Denn hieraus ergibt sich nicht nur das materiell-rechtliche Einverständnis mit dem Kommanditistenwechsel (Zustimmungserklärung), sondern – für das Registergericht auch ersichtlich, da zwin­gender Bestandteil der Anmeldung – gerade auch der Wille der Gesellschafter zum registergerichtlichen Vollzug, da die negative Abfindungsversi­cherung ausschließlich hier Bedeutung erlangt. Schließlich kann sich diese (konkludente) Vollmacht sinnvollerweise auch nur an den Urkundsnotar richten, da dieser bereits aus § 53 BeurkG zum Vollzug des Geschäftsanteilskaufvertrages gegenüber den Urkundsbeteiligten verpflichtet ist.

Auch die Literatur ist der Ansicht, dass gerade dann, wenn die Vollmachtsvermu­tung nach § 378 Abs. 2 FamFG nicht eingreift, „der Notar jedoch evident als Vertreter der Beteiligten auftritt (insbesondere durch Betreiben des Registervollzugs)“, von einer rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung auszugehen ist (Keidel/Heinemann, § 378 Rn. 17), was vom Gesetzgeber in § 10 Abs. 2 Nr. 3 FamFG gerade vorgesehen ist. Ebenso wie in den Fällen des § 378 Abs. 2 FamFG ist nach § 11 S. 4 FamFG ausdrücklich vom Notar keine Vollmachtsvorlage zu verlangen; anderes gilt nach § 11 S. 3 FamFG nur, wenn dies von einem Betei­ligten verlangt wird (Keidel/Heinemann, § 378 Rn. 17). Da § 11 S. 4 FamFG aus­drücklich die Vertretung durch den bevollmächtigten Notar regelt, ist sie nach un­serem Dafürhalten auch im Vergleich mit § 12 Abs. 1 S. 2 HGB die speziellere Norm, sodass die Vollmacht grundsätzlich nicht in öffentlich-beglaubigter Form erteilt sein muss (so ausdrücklich etwa Nedden-Boeger, § 378 Rn. 27 und Rn. 24 a. E, der insoweit unter Bezug auf BayObLG WM 1984, 638 auch von „gängiger Registerpraxis“ spricht; inzident wohl auch OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 16.11.2010 – 20 W 448/10, BeckRS 2011, 20300 und unausgesprochen Schulte, notar 2014, 270, 271 f.; anders wohl Keidel/Heinemann, § 378 Rn. 17).

Ebenso wie im Rahmen von § 378 Abs. 2 FamFG muss hier gelten, dass das Registergericht davon ausgehen kann, dass der Notar seine Amtspflichten beachtet und nicht ohne eine entsprechende Bevollmächtigung handelt (so zu § 378 Abs. 2 FamFG und mit ausdrücklichem Hinweis auf § 11 S. 4 FamFG OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 16.11.2010 – 20 W 448/10, BeckRS 2011, 20300).

dd) Allerdings trägt der Notar im Verhältnis zu den Vertretenen das (Haftungs-)Risiko, dass die Vollmacht tatsächlich auch besteht und seinen Antrag inhalt­lich deckt – was freilich auch bei der bloß vermuteten Vollmacht nach § 378 Abs. 2 FamFG gilt (dazu Nedden-Boeger, § 378 Rn. 30, 31 a. E. auch mit dem ausdrückli­chen Hinweis auf die Gefahr einer Anmeldung namens eines Beteiligten, dessen „Erklärung der Notar gar nicht beurkundet oder beglaubigt hat“).

c) Keine Vollmachtsvermutung gem. § 378 Abs. 2 FamFG für negative Abfin­dungsversicherung
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Vollmachtsvermutung des § 378 Abs. 2 FamFG nach ganz h. M. nicht für höchstpersönliche Erklärungen und damit nach überwiegender Ansicht auch nicht für die sog. negative Abfindungsversicherung bei Abtretung eines Kommanditanteils gilt (etwa KG NZG 2009, 905; grundlegend dazu, dass die Abfindungsversicherung nur im Ausnahmefall durch einen Vertreter erfolgen kann und das Registergericht regelmäßig eine persönliche Erklärung des Gesellschafters ver­langen kann, OLG Köln RNotZ 2018, 111 ff.; dazu auch BeckNotar-HdB/Müther, 7. Aufl. 2019, § 26 Rn. 57; Ries, notar 2017, 75, 75; a. A. etwa Krafka, Registerrecht, 11. Aufl. 2019, Rn. 750, nach dem die Versicherung „keinesfalls persön­lich“ abgegeben werden muss, was mithin konsequenterweise auch den Anwendungs­bereich des § 378 Abs. 2 FamFG eröffnen dürfte).

Freilich ist von der h. M. ebenso anerkannt, dass die persönlich abzugebende Abfindungsversicherung keiner besonderen Form bedarf und damit insbesondere auch privatschriftlich abgegeben werden kann (OLG Köln RNotZ 2018, 111, 113 [Rn. 5]; Gustavus, Handelsregister­anmeldungen, 10. Aufl. 2020, A. 70; BeckNotar-HdB/Müther, § 26 Rn. 57; Krafka, Rn. 750), was im vorliegenden Fall erfolgte. Dass die Abfindungsversicherung hier durch sämtliche Gesellschafter erfolgte, war dabei überobligatorisch; die Rechtsprechung fordert regelmäßig nur eine solche Versicherung des ausscheidenden Kommanditisten und der persönlich haftenden Gesellschafter (vgl. nur BGH NJW-RR 2006, 107, 108; BeckOGK-HGB/Notz/Zinger, Std.: 15.1.2021, § 162 Rn. 22 m. w. N.).

3. Ergebnis
Sind an einem Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag sämtliche Gesellschafter einer GmbH & Co. KG unmittelbar (persönlich oder aufgrund Vollmacht) beteiligt, so gilt der Notar jedenfalls nach § 378 Abs. 2 FamFG als ermächtigt, den Kommanditistenwechsel für sämtliche Gesell­schafter gem. § 108 HGB anzumelden.

Nach unserem Dafürhalten gilt Gleiches, wenn im Rahmen notarieller Vollzugstätigkeit (auch privatschriftliche) Zustimmungserklärungen oder negative Abfindungsversicherungen der übrigen, nicht formell an der Urkunde beteiligten Gesellschafter eingeholt oder geprüft worden sind. Jedenfalls dürfte im letzteren Falle nach unserem Dafürhalten von einer (konkludenten) rechtsgeschäftlichen Vollmacht des Notars auszugehen sein.

Gutachten/Abruf-Nr:

182156

Erscheinungsdatum:

01.04.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 49-52

Normen in Titel:

HGB § 171; HGB § 161 Abs. 2; FamFG § 378 Abs. 2; HGB § 107; HGB § 143 Abs. 2; HGB § 108