Ablieferung eines Erbvertrags; zuständiges Nachlassgericht bei letztem gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland
Ablieferung eines Erbvertrags; zuständiges Nachlassgericht bei letztem gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland
I. Sachverhalt
Der Notar beurkundete 2011 einen Erbvertrag zweier Ehegatten. Der Erbvertrag wurde vom Notar verwahrt und im Zentralen Testamentsregister (ZTR) registriert. Der Ehemann verstarb 2019 mit letztem Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt auf den Philippinen. Es ist Nachlassvermögen in Deutschland vorhanden. Wo der Erblasser vorher seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, ist dem Notar nicht bekannt.
Das ZTR teilte gem. § 7 Abs. 1 ZTRV mit, dass laut Sterbefallmitteilung das Amtsgericht Schöneberg in Berlin das zu benachrichtigende Nachlassgericht gem. § 7 Abs. 3 ZTRV sei und die erbfolgerelevanten Urkunden dorthin abzuliefern seien. Das AG Schöneberg erklärte sich durch Beschluss für unzuständig und schickte die Urkunde an den Notar zurück. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt im Ausland begründe die Zuständigkeit des AG Schöneberg nicht. Der Notar müsse vielmehr die gem. § 34a Abs. 3 S. 1 BeurkG zuständige Verwahrstelle selbständig ermitteln.
Abwandlung: Die Ehegatten ließen nicht einen Erbvertrag beurkunden, sondern einen Ehevertrag, in dem Gütertrennung vereinbart wurde.
II. Fragen
1. Hat das Gericht seine Zuständigkeit zu Recht verneint?
2. Falls ja: An welches Gericht ist die Urkunde abzuliefern?
3. Muss der Notar ggf. den letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland ermitteln?
III. Zur Rechtslage
1. Grundsätzliche Pflicht zur Ablieferung der Urkunde
Gem. § 34a Abs. 3 S. 1 BeurkG muss der Notar, in dessen Verwahrung sich ein Erbvertrag befindet (Verwahrstelle), diesen nach Eintritt des Erbfalls an das Nachlassgericht abliefern, „in dessen Verwahrung er danach verbleibt“. Gleiches gilt (betreffend die Abwandlung) gem. § 34a Abs. 3 S. 2 BeurkG für „sonstige“ Urkunden (die also kein Erbvertrag sind), die Erklärungen enthalten, nach deren Inhalt sich die Erbfolge ändern kann. Diese Erklärungen müssen dem Nachlassgericht aber lediglich in beglaubigter Abschrift mitgeteilt werden. Was eine erbfolgerelevante Urkunde ist, regelt § 34a Abs. 3 S. 2 BeurkG nicht ausdrücklich. Nach naheliegender h. M. in der Literatur fällt darunter jede erbfolgerelevante Urkunde i. S. v. § 78d Abs. 2 S. 1 BNotO (MünchKommBGB/Sticherling, 8. Aufl. 2020, § 34a BeurkG Rn. 23) und damit auch ein Ehevertrag, mit dem die Ehepartner Gütertrennung vereinbaren oder aufheben.
Folglich ist der vorliegende Erbvertrag abzuliefern (Ausgangsfall) und der Ehevertrag, in dem Gütertrennung vereinbart worden ist (Abwandlung), in beglaubigter Abschrift mitzuteilen. Umstritten ist, ob der Notar die gesamte Urkunde in beglaubigter Abschrift abliefern darf (so Burandt/Rojahn/Egerland, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, § 34a BeurkG Rn. 10; Heinemann, in: Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 3. Aufl. 2018, § 34a Rn. 19), wenn diese auch andere als erbfolgerelevante Erklärungen enthält, oder ob er sich wegen der Verschwiegenheitspflicht gem. § 18 BNotO auf eine auszugsweise beglaubigte Abschrift beschränken muss. Die h. M. im Schrifttum geht davon aus, dass insoweit die notarielle Verschwiegenheitspflicht und datenschutzrechtliche Bestimmungen eingreifen. Nach überwiegender Auffassung gestattet und verlangt § 34a Abs. 3 S. 2 BeurkG daher nur die Übersendung der erbfolgerechtlich relevanten Teile der Urkunde in beglaubigter Ablichtung (Winkler, BeurkG, 19. Aufl. 2019, § 34a Rn. 34; BeckOK-BGB/Litzenburger, Std.: 1.5.2020, § 34a BeurkG Rn. 7; BeckOGK-BeurkG/Grziwotz, Std.: 1.4.2020, § 34a Rn. 26). Dies kann jedoch nur dann gelten, wenn eine Abtrennung einzelner Teile möglich ist (MünchKommBGB/Sticherling, § 34a BeurkG Rn. 24). Eine solche Trennbarkeit wird bspw. nicht gegeben sein, wenn sich die eigentlich nicht erbfolgerelevanten Teile der Urkunde auf die erbfolgerelevanten Teile der Urkunde auswirken können – etwa bei einer potentiellen Gesamtnichtigkeit. Die Prüfung einer etwaigen Gesamtnichtigkeit muss dem Nachlassgericht durch Übersendung des gesamten Vertrags ermöglicht werden. Bei der Frage, welche Teile ohne Auswirkung abtrennbar sind, wird man dem Notar einen gewissen Ermessensspielraum einzuräumen haben. Bleiben Zweifel, so ist der Notar berechtigt, den gesamten Urkundeninhalt mitzuteilen (Heinemann, § 34a Rn. 19).
2. Zuständiges Gericht für die Ablieferung
Nach § 34a Abs. 3 S. 1 BeurkG hat der Notar an dasjenige Nachlassgericht abzuliefern, „in dessen Verwahrung er [der Erbvertrag] danach verbleibt“. Die Zuständigkeit dafür bestimmt sich grundsätzlich nach den Vorschriften des FamFG (BeckOK-BeurkG/Seebach, Std.: 1.5.2020, § 34a Rn. 83). Die internationale Zuständigkeit dürfte sich nicht nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) richten (obwohl sie in zeitlicher Hinsicht anwendbar ist, da der Erbfall nach dem 17.8.2015 eingetreten ist, vgl. Art. 83 Abs. 1 EuErbVO), denn vorliegend steht keine „Entscheidung“ (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. g EuErbVO) eines Gerichts i. S. v.
Selbst wenn man den Anwendungsbereich der EuErbVO für eröffnet hielte, wäre der Fall nicht anders zu beurteilen: Da der Erblasser vorliegend nicht mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat (sondern auf den Philippinen) verstorben ist, wäre
Unterstellt man – u. E. zu Unrecht (s. o.) – die grundsätzliche Anwendbarkeit der EuErbVO und wären die Tatbestandsvoraussetzungen des
3. Örtliche Zuständigkeit bei letztem gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland
Die örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts i. S. v. § 34a Abs. 3 S. 2 BeurkG ist nach § 343 FamFG zu ermitteln (Burandt/Rojahn/Egerland, § 34a BeurkG Rn. 10; BeckOK-BeurkG/Seebach, § 34a Rn. 83). Da der Erblasser nach dem mitgeteilten Sachverhalt zwar nicht im Zeitpunkt seines Todes, wohl aber davor einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte, ist nach § 343 Abs. 2 FamFG das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Der Wortlaut enthält keine zeitliche Grenze, somit ist es unerheblich, wie lang dieser Aufenthalt zurückliegt (KG
4. Verfahren bei unklarem letztem Aufenthaltsort und Ermittlungspflichten
Ist dem Notar der letzte gewöhnliche Aufenthalt unbekannt, so stellt sich die Frage nach dem Verfahren der Ablieferung und dem Umfang der notariellen Ermittlungspflichten hinsichtlich des zuständigen Amtsgerichts. Gem.
Für den Notar ergeben sich gewöhnlich (abgesehen von der Wohnanschrift zum Zeitpunkt der Beurkundung, wie sie in der Urkunde vermerkt ist) keine Ermittlungsansätze für einen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Dieses Problem hat der Gesetzgeber erkannt und einer Regelung zugeführt. Ist die erbfolgerelevante Urkunde im ZTR registriert, so bestimmt sich das Verfahren zur Ablieferung und Benachrichtigung des Nachlassgerichts durch die Verordnung zur Errichtung und Führung des Zentralen Testamentsregisters (Testamentsregister-Verordnung – ZTRV – v. 11.7.2011, BGBl. I, S. 1386). Im Sterbefall erhält die Registerbehörde (ZTR) vom zuständigen Standesamt eine Sterbefallmitteilung. Der Inhalt der Sterbefallmitteilung richtet sich nach § 6 ZTRV. Dort ist unter anderem gem. § 6 Abs. 1 Nr. 10 ZTRV der letzte Wohnsitz des Verstorbenen anzugeben. Gem. § 7 Abs. 3 S. 2 ZTRV wird vermutet, dass das zu benachrichtigende Nachlassgericht dasjenige ist, das für den letzten inländischen Wohnsitz des Erblassers örtlich zuständig ist. Enthält die Sterbefallmitteilung keinen inländischen Wohnsitz, so wird als zu benachrichtigendes Nachlassgericht das AG Schöneberg in Berlin vermutet (§ 7 Abs. 3 S. 3 ZTRV). Nach dem mitgeteilten Sachverhalt würden wir davon ausgehen, dass die Mitteilung des zuständigen Nachlassgerichts durch das ZTR auf § 7 Abs. 3 S. 3 ZTRV beruht und damit nach der dem ZTR vorliegenden Sterbefallmitteilung zutreffend war.
§ 7 Abs. 3 S. 3 ZTRV bestimmt allerdings nur das zu benachrichtigende Nachlassgericht und enthält u. E. kein Präjudiz für die Frage der Zuständigkeit nach dem FamFG. Dies geht auch aus der Begründung zur ZTRV hervor. Dort heißt es wörtlich (BR-Drucks. 220/15, S. 5 der Begr. – Hervorhebungen i. F. durch die DNotI-Redaktion):
„Die Vermutung gilt jedoch nur für den Zweck der Benachrichtigung nach § 7 Absatz 3 ZTRV. Das Nachlassgericht hat – wie auch bisher – seine Zuständigkeit grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen und gegebenenfalls Ermittlungen über die Tatsachen, die die Zuständigkeit begründen, anzustellen.“
Allerdings ist in der ZTRV das Verfahren über die Benachrichtigung und Ermittlung des zu benachrichtigenden Nachlassgerichts abschließend geregelt (jedenfalls wenn die erbfolgerelevante Urkunde im ZTR registriert ist), sodass sich u. E. darüber hinaus für den Notar keine weitergehenden Ermittlungspflichten ergeben dürften (so auch BeckOK-BeurkG/Seebach, § 34a Rn. 84; NK-NachfolgeR/Gutfried, 2. Aufl. 2019, § 34a BeurkG Rn. 20). Der Notar wird seiner Amtspflicht zur Ablieferung vielmehr bereits durch Ablieferung an das vom ZTR benannte Gericht Genüge getan haben. Die Ermittlung des zuständigen Gerichts obliegt dann dem mit der Sache befassten Gericht (vgl. BR-Drucks. 220/15, S. 5 der Begr.; MünchKommFamFG/Pabst, 3. Aufl. 2018, § 3 Rn. 12).
Hält sich das Gericht, bei dem die Urkunde abgeliefert wird, für unzuständig, so muss es die Sache an das (seiner Ansicht nach) zuständige Nachlassgericht verweisen (§ 3 Abs. 1 FamFG; vgl. MünchKommFamFG/Grziwotz, § 343 Rn. 57; Harders, § 343 Rn. 20). Für das AG Schöneberg besteht zusätzlich die Möglichkeit, die Sache gem.
Wir würden im Ergebnis deshalb davon ausgehen, dass die Zurückweisung zu Unrecht erfolgte. Sollte das Gericht keinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland ermitteln können, so ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin gem.
177384
Erscheinungsdatum:16.07.2020
RechtsbezugNational
Erschienen in: Normen in Titel:EUErbVO Art. 10; BeurkG § 34a Abs. 3; InsO § 277; EUErbVO Art. 4