21. Januar 2022
ZPO § 417; ZPO § 435; MaBV § 3 Abs. 1

Vereinbarkeit eines Globalfreigabeversprechens einer Sparkasse mit dem Aushändigungserfordernis gem. § 3 Abs. 1 S. 4 MaBV

Gutachten-Abruf-Dienst
Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 188145
letzte Aktualisierung: 21. Januar 2022

MaBV § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 4; ZPO §§ 417, 435
Vereinbarkeit eines Globalfreigabeversprechens einer Sparkasse mit dem Aushändigungserfordernis
gem. § 3 Abs. 1 S. 4 MaBV

I. Sachverhalt und Fragen

Bezugnehmend auf das DNotI-Abrufgutachten Nr. 142668 vom 1.12.2015 stellt sich die Frage,
ob die Bedenken auch für eine gesiegelte Globalpfandfreigabe einer Sparkasse gelten? Es handelt
sich hierbei ja nicht um eine Privaturkunde im klassischen Sinn. Haben sich im Übrigen
Neuigkeiten zur Thematik ergeben?

II. Zur Rechtslage

1. Rechtliche Ausgangslage

Nach § 3 Abs. 1 S. 4 MaBV müssen die zur Sicherung der Lastenfreistellung erforderlichen
Erklärungen, namentlich das sog. Freigabeversprechen, dem Auftraggeber (Erwerber) ausgehändigt
werden. Nachdem der BGH (DNotZ 2007, 376, 377) zum Aushändigungserfordernis
gem. § 7 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 2 Abs. 4 S. 3 MaBV betreffend Bürgschaften
geurteilt hat, eine Verwahrung der Bürgschaftsurkunde durch den Notar stehe der vom
Gesetz verlangten Aushändigung dieser Unterlagen an den Erwerber nur dann gleich, wenn
der Erwerber durch die Verwahrung keine rechtlichen Nachteile erleide, haben wir in
unserem DNotI-Abrufgutachten Nr. 142668 v. Dez. 2015 aufgezeigt, dass die notarielle
Verwahrung einer einzigen Freigabeerklärung für mehrere bzw. sämtliche Erwerber (sog.
Globalfreigabeversprechen) nicht völlig unbedenklich erscheint.

Zum einen stellt sich die berufsrechtliche Frage, ob es zulässig ist, dass ein Notar in
Ansehung eines einzigen Treuguts (hier: Originalschriftstück des Freigabeversprechens)
mehrere öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnisse begründet. Zum anderen sehen wir
die Gefahr, dass ein Gericht urteilen könnte, die notarielle Verwahrung des Globalfreigabeversprechens
sei mit rechtlichen Nachteilen für den Erwerber verbunden. Denn dadurch,
dass der Notar das Originalschriftstück für mehrere Treugeber (Erwerber) verwahrt, wird er
letztlich – sofern sich die Erwerber im Bedarfsfall nicht auf eine gemeinsame Weisung
einigen – das Original an niemanden herausgeben, sondern den Erwerbern jeweils nur eine
beglaubigte Abschrift des Freigabeversprechens zur Verfügung stellen können. Eine
beglaubigte Abschrift hat indes einen geringeren Beweiswert als das Original einer Privaturkunde.
Soweit ersichtlich ist bislang weder zum disziplinarischen Aspekt noch zu der Frage, ob ein
Verstoß gegen § 3 Abs. 1 S. 4 MaBV vorliegt, eine Gerichtsentscheidung ergangen.

2. Freigabeversprechen einer Sparkasse als öffentliche Urkunde

Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass es sich bei der den Bauträger
finanzierenden Gläubigerin um eine Sparkasse handelt und diese das Freigabeversprechen
mit ihrem Siegel (vgl. § 19 BaySpkO) versehen hat. Vor dem Hintergrund, dass Sparkassen
überwiegend als Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert sind, stellt sich die Frage, ob
die Erwerber auch dann einen rechtlichen Nachteil erleiden würden, wenn sie im Bedarfsfall
„nur“ eine beglaubigte Abschrift des vorliegenden Freigabeversprechens der Sparkasse
erhielten. Wir würden dazu neigen, diese Frage zu verneinen, denn nach § 435 S. 1 Hs. 1
ZPO kann eine öffentliche Urkunde in Urschrift oder in einer beglaubigten Abschrift, die
hinsichtlich der Beglaubigung die Erfordernisse einer öffentlichen Urkunde an sich trägt,
vorgelegt werden.

Soweit ersichtlich ist zwar noch keine Entscheidung dazu ergangen, ob es sich bei einem
von einer Sparkasse gesiegelten Freigabeversprechen um eine öffentliche Urkunde handelt.

Der BGH (NJW-RR 2011, 953) hatte sich jedoch mit der Frage zu befassen, ob eine von
einer Sparkasse erteilte Bietervollmacht die förmlichen Anforderungen des § 71 Abs. 2
ZVG in einem Versteigerungsverfahren erfüllt. In seinen Entscheidungsgründen führt das
Gericht aus:

„[17] bb) Die von dem Vorstand einer Sparkasse ausgestellte
Vollmachtsurkunde ist eine öffentliche Urkunde nach § 417
ZPO, auch wenn dies im Land Hessen nicht – wie z. B. im Land
Nordrhein-Westfalen (§ 20 IV NWSparkassenG, GVBl 2008,
696) – gesetzlich bestimmt ist.

[18] (1) Die Bet. zu 2 [Anm. DNotI: Bet. zu 2 ist die Sparkasse] ist
nach hessischem Landesrecht eine Behörde, die öffentliche
Urkunden nach §§ 415, 417, 418 ZPO ausstellen kann. Nach dem
Sparkassengesetz des Landes Hessen (i. d. F. der Bekanntmachung
v. 24. 2. 1991, GVBl I, 78) sind die Sparkassen, deren
Träger Kommunen sind, rechtsfähige Anstalten des öffentlichen
Rechts (§ 1 I) und deren Vorstände öffentliche Behörden, welche
die Sparkassen gerichtlich und außergerichtlich vertreten (§ 7 I).

[19] (2) Die von dem Bevollmächtigten der Bet. zu 2 vorgelegte
Vollmachtsurkunde ist eine öffentliche Urkunde nach § 417
ZPO. Diese Vorschrift gilt nicht nur für die eine amtliche
Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden Urkunden,
sondern erfasst über ihren Wortlaut hinaus jede auf Außenwirkung
gerichtete urkundliche Willenserklärung einer Behörde,
die diese innerhalb der Grenzen ihres Amtsbereichs abgibt (vgl.
Prütting/Gehrlein/Preuß, ZPO, 2. Aufl., § 417 Rdnr. 4;
Schreiber, in: MünchKomm-ZPO, 3. Aufl., § 417 Rdnr. 5;
Musielak/Huber, ZPO, 7. Aufl., § 417 Rdnr. 1; Wieczorek/
Schütze/Ahrens, ZPO, 3. Aufl., § 417 Rdnr. 3).
[20] Die öffentliche Urkunde muss nicht eine hoheitliche Tätigkeit
der Behörde zum Gegenstand haben. Eine öffentliche
Behörde ist befugt, in eigenen Angelegenheiten, auch wenn diese
privatrechtlicher Natur sind, Willenserklärungen in der Form
einer öffentlichen Urkunde nach § 417 ZPO abzugeben (vgl.
BGHZ 6, 304 [308] = NJW 1952, 1211; BGHZ 45, 362 [366] =
NJW 1966, 1808; BayObLGZ 1954, 322 [329]; BayObLGZ 1975,
227 [232]; OLG Düsseldorf, MittRhNotK 1997, 436 [437]). Eine
in dieser Form errichtete Urkunde liegt jedenfalls dann vor, wenn
ein nach Landesrecht als Behörde geltender Sparkassenvorstand
eine unterschriebene und mit dem Stempel der Sparkasse versehene
Bietvollmacht zur Vorlage bei dem VollstrG ausstellt.

Eine so gefertigte Urkunde einer Behörde ist stets als eine öffentliche
Urkunde anzusehen (Römer, DNotZ 1956, 359 [363]).“

Nach unserem Dafürhalten sind die rechtlichen Erwägungen des BGH auf eine bayerische
Sparkasse übertragbar, denn nach Art. 3 BaySpkG erlangen Sparkassen mit ihrer staatlichen
Genehmigung den Status einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts. Darüber hinaus
sind nach Art. 5 Abs. 5 BaySpkG der Verwaltungsrat und der Vorstand einer Sparkasse
ebenfalls jeweils öffentliche Behörden. In Bayern fehlt zwar eine dem § 20 Abs. 4 SpkG
NRW vergleichbare Vorschrift, die besagt, dass „Urkunden, die vom Vorstand oder von den mit
seiner Vertretung beauftragten Personen ausgestellt und mit dem Siegel versehen sind, … öffentliche
Urkunden“ sind. Allerdings trifft dieser rechtliche Befund auch auf den vom BGH zu
beurteilenden Sachverhalt unter Beteiligung einer hessischen Sparkasse zu. Nach dem Tatbestand
der BGH-Entscheidung trug die Bietervollmacht sogar „nur“ den Stempel der
Sparkasse und war von zwei Personen (zu deren Funktion innerhalb der Sparkasse schweigt
der Tatbestand) unterschrieben. Dennoch hatte das Gericht das Vorliegen einer öffentlichen
Urkunde bejaht.

Wir würden mithin davon ausgehen, dass ein von zwei Sparkassenmitarbeitern unterschriebenes
(vgl. Art. 5 Abs. 7 BaySpkG) sowie gesiegeltes Freigabeversprechen die Anforderungen
einer öffentlichen Urkunde i. S. v. § 417 ZPO erfüllt mit der Folge, dass zu
prozessualen Beweiszwecken grundsätzlich die Vorlage einer beglaubigten Abschrift dieser
öffentlichen Urkunde genügt. Nach § 435 S. 1 Hs. 2 ZPO kann das Gericht zwar anordnen,
dass der Beweisführer die Urschrift vorzulegen oder die Tatsachen anzugeben und glaubhaft
zu machen hat, die ihn an der Vorlegung der Urschrift hindern. Bleibt die Anordnung
erfolglos, so entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung, welche Beweiskraft der
beglaubigten Abschrift beizulegen ist, § 435 S. 2 ZPO. Wir würden in der Möglichkeit, dass
ein Beweisverfahren diesen Verlauf nehmen kann, allerdings keinen so gravierenden rechtlichen
Nachteil sehen, dass die Verwahrung des Globalfreigabeversprechens durch den
Notar nicht mehr mit dem Aushändigungserfordernis des § 3 Abs. 1 S. 4 MaBV gleichwertig
ist. Denn zum einen wird das Gericht die Vorlage regelmäßig nur dann anordnen,
wenn Zweifel an der Richtigkeit der beglaubigten Abschrift bestehen (vgl. BeckOKZPO/
Krafka, 42. Ed. 1.9.2021, § 435 Rn. 4; Musielak/Voit/Huber, ZPO, 18. Aufl. 2021,
§ 435 Rn. 1; Saenger/Siebert, ZPO, 9. Aufl. 2021, § 435 Rn. 2; MünchKommZPO/
Schreiber, 6. Aufl. 2020, § 435 Rn. 3). Derartige Zweifel dürften bei einer notariellen Abschrift
gem. § 42 BeurkG nur selten angebracht sein. Zum anderen könnte der Erwerber die
fehlende Möglichkeit der Nichtvorlage begründen. Denn wenn ein Erwerber die Herausgabe
des Originalschriftstücks begehrt, bliebe dem Notar letztlich – will er sich nicht gegenüber
den anderen Erwerbern, für die er das Schriftstück ebenfalls verwahrt, amtswidrig verhalten
– nur die Möglichkeit, einen ablehnenden Bescheid gem. § 15 Abs. 2 S. 1 BNotO
(Verweigerung der Befolgung einer verwahrungsrechtlichen Weisung) nebst Begründung zu
erlassen. Aus dem notariellen Ablehnungsbescheid ergäbe sich sodann, warum der
Erwerber an der Vorlage des Originals gehindert ist. Dass ein Gericht sodann im Rahmen
der freien Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, der Erwerber habe mangels Vorlage
des Freigabeversprechens seinen schuldrechtlichen Anspruch auf Lastenfreistellung nicht
hinreichend bewiesen, ist zwar nicht per se ausgeschlossen, dürfte aber nach menschlichem
Ermessen höchst unwahrscheinlich sein, so dass u. E. diese rein theoretische Möglichkeit
für die Beurteilung der Vereinbarkeit mit § 3 Abs. 1 S. 4 MaBV unbeachtlich ist.

3. Ergebnis

Nach unserem Dafürhalten handelt es sich bei einem von zwei Sparkassenmitarbeitern unterschriebenen
(vgl. Art. 5 Abs. 7 BaySpkG) sowie gesiegelten (vgl. § 19 BaySpkO) Freigabeversprechen
um eine öffentliche Urkunde i. S. v. § 417 ZPO. Vor dem Hintergrund der
Regelung des § 435 S. 1 Hs. 1 ZPO würden wir ferner davon ausgehen, dass der Erwerber
keinen (bedeutenden) Rechtsnachteil erleidet, wenn ihm auf seine Weisung durch den Notar
nicht das Original des Freigabeversprechens, sondern lediglich eine beglaubigte Abschrift
dieses Schriftstücks ausgehändigt werden kann. In der Konsequenz dürfte hierdurch auch
das Aushändigungserfordernis des § 3 Abs. 1 S. 4 MaBV nicht verletzt sein. Unmittelbar
einschlägige Rechtsprechung ist indes nicht ersichtlich.

Die berufsrechtliche Frage mehrerer öffentlich-rechtlicher Verwahrungsverhältnisse an
einem einzigen Treugut (Globalfreigabeversprechen) bleibt hiervon freilich unberührt. Vor
dem Hintergrund, dass das DNotI nach seinen Leistungsgrundsätzen keine Fragen zum
notariellen Berufsrecht beurteilt, bitten wir, diesen Hinweis – und ebenso die diesbezüglichen
Ausführungen im DNotI-Abrufgutachten Nr. 142668 v. Dez. 2015 – nur als
Sensibilisierung für eine mögliche disziplinarrechtliche Gefahr zu sehen; eine abschließende
(disziplinar-)rechtliche Würdigung ist unsererseits hiermit nicht beabsichtigt.

Gutachten/Abruf-Nr:

188145

Erscheinungsdatum:

21.01.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

ZPO § 417; ZPO § 435; MaBV § 3 Abs. 1