18. November 2022
BGB § 362

Grundstückskaufvertrag; Erfüllung trotz Fehlüberweisung aufgrund falscher Kontodaten

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Abruf-Nr.: 193847
letzte Aktualisierung: 18. November 2022

BGB § 362
Grundstückskaufvertrag; Erfüllung trotz Fehlüberweisung aufgrund falscher Kontodaten

I. Sachverhalt
Im Kaufvertrag wurde als Zahlungsziel eine Kontoverbindung des Verkäufers unter Angabe einer
IBAN aufgenommen. Der Käufer überweist auf dieses Konto. Der Verkäufer bestätigt den Eingang
nicht, teilt vielmehr mit, dass der Kaufpreis nicht eingegangen sei und die IBAN fehlerhaft
sei. Ein Rückruf der Überweisung durch die Bank des Käufers ist erfolglos verlaufen; ein Nachforschungsauftrag
hat den Inhaber des angegebenen Kontos ergeben, der Betrag wurde jedoch
bislang nicht erstattet.

II. Frage
Hat der Käufer seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises erfüllt, wenn er auf das vom
Verkäufer im Kaufvertrag unter Angabe der IBAN mitgeteilte Konto gezahlt hat, die Bankverbindung
jedoch fehlerhaft war und der Geldbetrag einer anderen Person gutgeschrieben wurde?

III. Zur Rechtslage
Hinsichtlich der Erfüllungswirkung einer durch den Gläubiger zu verantwortenden Fehlüberweisung
ist im Ergebnis anerkannt, dass der Schuldner nicht erneut zu leisten hat (MünchKomm-
HGB/Häuser, 4. Aufl. 2019, ZahlungsV Rn. B 597; Ellenberger/Bunte/Schmieder, Bankrechts-
Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 28 Rn. 187; Hopt, Handelsgesetzbuch, 41. Aufl. 2022, Bankgeschäfte
Rn. C 107; Langenbucher/Bliesener/Spindler/Langenbucher, Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl.
2016, Kap. 3, § 675r BGB Rn. 8; BeckOGK-BGB/Looschelders, 1.9.2022, § 362 Rn. 157). Umstritten
ist allerdings, auf welchem Weg dieses Ergebnis konstruktiv zu erreichen ist. Nach
Looschelders soll es sich wohl um eine Obliegenheit des Zahlungsempfängers handeln, wenn er
formuliert, dass der Gläubiger den Irrtum des Schuldners zurechenbar verursacht hat, und er sich
daher so behandeln lassen muss, als wenn seine Angaben zuträfen (BeckOGKBGB/
Looschelders, § 362 Rn. 157). Manche Autoren leiten das Ergebnis aus § 270 Abs. 3 BGB
ab, weil durch die Falschbezeichnung des Empfängerkontos die Übermittlungsgefahr des Geldbetrages
steigt (Ellenberger/Bunte/Schmieder, Bankrechts-Handbuch, § 28 Rn. 187; Hopt, Rn. C
107; Staudinger/Bittner, BGB, 2014, § 270 Rn. 28). Andere Autoren sowie die zur Frage verfügbare
Rechtsprechung begründen das Ergebnis durch die analoge Anwendung von §§ 170 ff. BGB.
Denn der Empfänger setze in zurechenbarer Weise einen Rechtsschein, den er sich – sofern der
Zahlende nicht bösgläubig sei – zurechnen lassen müsse (Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl.
1988, Giroüberweisung, Rn. 485; auch FG Baden-Württemberg WM 1984, 962; BFH, Urt. v.
10.11.1987 – VII R 171/84).

Das vorgenannte Ergebnis ist überzeugend, ohne dass es hierbei auf die genaue Herleitung
ankommt. Gerade in der vorliegenden Konstellation erscheint zudem denkbar, dass das Ergebnis
keiner rechtstheoretischen Herleitung bedarf, sondern sich bereits unmittelbar aus dem Inhalt des
Vertrages ergibt. Denn nach dem Vertrag ist explizit nur die Leistung auf das angegebene Konto
geschuldet. Dies ist der Leistungserfolg, der im Rahmen der Erfüllung bewirkt werden muss (vgl.
dazu BeckOGK-BGB/Looschelders, § 362 Rn. 63; Staudinger/Kern, BGB, 2022, § 362 Rn. 16).
Es handelt sich dabei auch nicht lediglich um eine Annahme an Erfüllungs statt i. S. d. § 364 BGB.
Denn bei Immobilienkaufverträgen wird davon auszugehen sein, dass eine Barzahlung regelmäßig
nicht mehr Gegenstand des Leistungserfolges ist, sondern ausschließlich eine bargeldlose Zahlung
erfolgen kann (BeckOGK-BGB/Looschelders, § 362 Rn. 151 f.; MünchKommBGB/Fetzer, 9.
Aufl. 2022, § 362 Rn. 23; Staub/Grundmann, HGB, 5. Aufl. 2015, 2. Abschn. Organisationsrahmen
der Parteien, C. Rn. 96). Die Parteien können im Rahmen der Privatautonomie selbstständig
bestimmen, was die vertraglich geschuldete Leistung ist. Vor diesem Hintergrund kann es
beispielsweise auch nicht darauf ankommen, ob der Veräußerer über das Empfängerkonto eigenständig
verfügen kann (vgl. dazu aber BGH WM 1996, 438). Denn auch insofern ist anerkannt,
dass die Parteien vereinbaren können, dass die freie Verfügung des Gläubigers über den erlangten
Geldbetrag nicht Voraussetzung für die Erfüllung ist (BGH NJW 1999, 210; BeckOKBGB/
Dennhardt, 63. Ed. 1.8.2022, § 362 Rn. 30).

Eine Auslegung eines üblichen Grundstückskaufvertrages muss nach unserem Dafürhalten regelmäßig
dazu führen, dass die nach dem Vertrag verabredete Leistung für den Erwerber schuldbefreiend
ist und etwaige Risiken in diesem Zusammenhang einseitig vom Veräußerer zu tragen sind.
Denn der Erwerber verlässt sich auf die Angabe des Veräußerers hinsichtlich Kontoverbindung
und Verfügungsbefugnis und nur der Veräußerer hat die Möglichkeit, die Daten auf ihre Richtigkeit
zu überprüfen. Die zutreffende Bezeichnung liegt daher im Verantwortungsbereich des Veräußerers,
da dem Erwerber insbesondere nicht zugemutet werden kann, in Hoffnung auf Regress
mit einer zweiten Zahlung des Kaufpreises in Vorleistung zu treten zu müssen. Dies verdeutlicht
auch die in Kaufverträgen übliche Ablösung von Gläubigern des Veräußerers aus dem Kaufpreis.
Auch in diesem Fall muss Erfüllung der Kaufpreisschuld unabhängig davon eintreten, ob die abzulösende
Forderung tatsächlich besteht. Der Erwerber schuldet also nicht den Erfolg des Erlöschens
der Verbindlichkeit, sondern nur die Zahlung unter den angegebenen Bedingungen. Was
bei dieser Freistellung regelmäßig explizit geregelt wird, nämlich dass der Erwerber die
Berechtigung des Drittgläubigers nicht zu prüfen hat, muss sich auch bei der Leistung auf das
vom Veräußerer für sich selbst angegebene Konto von selbst verstehen. Den Erwerber trifft mithin
ausschließlich die Pflicht, auf das angegebene Konto zu leisten. Insofern wird nicht lediglich
dem Veräußerer der Einwand der Nichterfüllung abgeschnitten bzw. der Erwerber kann sich auf
einen gesetzten Rechtsschein verlassen, vielmehr erlischt aufgrund der konkreten Vertragsabrede
u. E. die Leistungspflicht des Erwerbers nach § 362 Abs. 1 BGB, weil die geschuldete Leistung
erbracht ist.

Keine Besonderheiten ergeben sich dabei aus den Vorschriften zu Zahlungsdiensten. Zwar wird
in der betreffenden Literatur teilweise ausgeführt, dass Fehlüberweisungen nicht zur Erfüllung der
Leistungsverpflichtung im Valutaverhältnis führen sollen (MünchKommBGB/Jungmann,
8. Aufl. 2020, § 675r Rn. 45; Staudinger/Omlor, BGB, 2020, § 675r Rn. 16). Dies dürfte aber nur
zutreffen, sofern sich diese Rechtsfolge aus der Auslegung des konkreten Vertrags im Valutaverhältnis
ergibt. Denn was die im Valutaverhältnis vertraglich geschuldete Leistung ist, ergibt sich
aus den Vorschriften gerade nicht. Dies ist vielmehr nach allgemeinem Schuldrecht zu bestimmen
(so auch MünchKommBGB/Jungmann, § 675r Rn. 45). Nur aus diesem kann sich die Rechtsfolge
„Erfüllung“ ergeben; die Kommentierung passt daher etwa auf den Fall, dass z.B. der Zahlungsdienstnutzer
beim Mitteilen der IBAN seines Vertragspartners an die Bank selbst einen Fehler
macht. In diesem Fall ergibt sich aus § 675r Abs. 1 BGB, dass die Bank ihre vertraglichen Pflichten
erfüllt hat; die Sondervorschriften zum Zahlungsdienstvertrag regeln allerdings nur das Verhältnis
zwischen Zahlungsdienstleister und Parteien. Eine Erfüllung läge ggf. dann vor, wenn – anders
als hier – die fehlerhafte IBAN auf ein Versehen des Käufers, nicht des Verkäufers, zurückgehen
würde.

Gutachten/Abruf-Nr:

193847

Erscheinungsdatum:

18.11.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht

Normen in Titel:

BGB § 362