18. Juli 2019
BGB § 1804; GBO § 29; BGB § 164

Nachweis der Entgeltlichkeit bei Verfügung eines Bevollmächtigten, dessen Vollmacht sich nicht auf unentgeltliche Verfügungen erstreckt

BGB §§ 164, 1804; GBO § 29
Nachweis der Entgeltlichkeit bei Verfügung eines Bevollmächtigten, dessen Vollmacht sich nicht auf unentgeltliche Verfügungen erstreckt

I. Sachverhalt
Eine Tochter ist von ihrer Mutter mittels General- und Vorsorgevollmacht bevollmächtigt worden; die Vollmacht bezieht sich ausdrücklich auch auf Grundstücksgeschäfte. In ihr findet sich folgender Passus: „Meine Tochter ist nicht zu unentgeltlichen Verfügungen bevollmächtigt.“ In der Folge wird ein Grundstück der Mutter an einen Dritten veräußert, wobei die Tochter in Vertretung ihrer Mutter auf Grundlage der General- und Vorsorgevollmacht handelt. Der Kaufpreis beträgt 200.000 €, was im Lichte der Größe und Lage des Grundstücks marktüblich ist. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung aufgegeben, die Entgeltlichkeit in der Form des § 29 GBO nachzuweisen oder die Mutter den Vertrag genehmigen zu lassen.

II. Frage
Darf das Grundbuchamt an der Entgeltlichkeit zweifeln, wenn ein Dritter zu einem marktüblichen Kaufpreis erwirbt?

III. Zur Rechtslage
1. Nachweis der Entgeltlichkeit
Im Ausgangspunkt gilt: Die Eintragung des Eigentumswechsels an einem Grundstück darf gem. § 20 GBO nur erfolgen, wenn die dingliche Einigung (Auflassung, § 925 BGB) wirksam erklärt und dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist. Im Fall der Stellvertretung bei der Erklärung der dinglichen Einigung ist dem Grundbuchamt auch die Vertretungsmacht des Vertreters nachzuweisen. Das Grundbuchamt muss den Umfang einer Vollmacht selbstständig prüfen, auch dann, wenn der beurkundende Notar diesen für das beurkundete Rechtsgeschäft für ausreichend erachtet hat (s. etwa OLG München IBBRS 2017, 1892 = BeckRS 2017, 107292).

Wir gehen davon aus, dass der gegenüber dem Grundbuchamt zu führende Nachweis der Entgeltlichkeit der Verfügung und damit des Bestehens ausreichender Vertretungsmacht im Fall einer General- und Vorsorgevollmacht, die mit Wirkung für das Außenverhältnis dem Bevollmächtigten unentgeltliche Verfügungen untersagt, in gleicher Weise erbracht werden kann, wie bei Verfügungen eines Betreuers. Zwar ist die hiesige Vollmacht im Außenverhältnis nicht akzessorisch zum Handlungsrahmen eines Betreuers ausgestaltet (was durchaus möglich gewesen wäre). Gleichwohl liegt aber eine Auslegung der Vollmacht dahingehend nahe, dass der Handlungsrahmen des Bevollmächtigten im Gleichlauf zu jenem eines Betreuers beschränkt werden sollte. Diesem aber ist es nach den Bestimmungen der §§ 1908i Abs. 2 S. 1, 1804 S. 1 BGB (gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB) verwehrt, Bestandteile des Vermögens zu verschenken. Nach allgemeiner Ansicht ist über den Wortlaut hinaus das Schenkungsverbot des § 1804 S. 1 BGB auch auf das Vollzugsgeschäft zu erstrecken, sodass insbesondere auch insgesamt „unentgeltliche Veräußerungen“ untersagt sind; vgl. etwa BeckOGK-BGB/Fröschle, Std.: 1.2.2019, § 1804 Rn. 6. Für den gewollten Gleichlauf mit dem Handlungsrahmen eines Betreuers spricht, dass der General- und Vorsorgebevollmächtigte im Regelfall gerade einen Betreuer substituieren, diesen im Hinblick auf eine künftige Geschäftsunfähigkeit bzw. Betreuungsbedürftigkeit also entbehrlich machen soll (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB). Eine über die Beschränkung der Befugnisse des Betreuers hinausgehende Beschränkung der Handlungsbefugnisse des Bevollmächtigten dürfte in Bezug auf „unentgeltliche Verfügungen“ daher gerade nicht dem Willen der Vollmachtgeberin entsprechen. In beiden Fällen geht es darum, das Vermögen des Betroffenen vor einer Schmälerung durch Schenkungen zu schützen.

Wie sich aus einer u. E. zutreffenden Entscheidung des Kammergerichts (FGPrax 2012, 145; dazu Böttcher, NJW 2014, 978, 980) ergibt, sind im Grundbuchverfahren für den Nachweis, dass die Verfügung eines Betreuers dem Schenkungsverbot nicht unterfällt, ähnliche Grundsätze maßgeblich, wie sie bei der Beurteilung der Entgeltlichkeit von Verfügungen eines Testamentsvollstreckers oder befreiten Vorerben heranzuziehen sind. Eine entgeltliche Verfügung ist dem Grundbuchamt gegenüber danach regelmäßig dann hinreichend nachgewiesen, wenn die dafür maßgebenden Beweggründe im Einzelnen angegeben werden, verständlich und der Wirklichkeit gerecht werdend erscheinen und begründete Zweifel an der Pflichtmäßigkeit der Handlung nicht ersichtlich sind. Dient die Verfügung der Erfüllung eines Kaufvertrages mit einem unbeteiligten Dritten, ist die Entgeltlichkeit der Erfüllung regelmäßig indiziert. Denn das Grundbuchamt ist auch befugt, Wahrscheinlichkeitserwägungen anzustellen und auf allgemeine Erfahrungssätze zurückzugreifen (s. nur BeckOK-GBO/Otto, Std.: 1.6.2019, § 29 Rn. 42). Es genügt also prinzipiell auch eine privatschriftliche Erklärung des Verfügenden, die diesen Anforderungen entspricht, nicht dagegen die bloße unsubstantiierte Behauptung, die Verfügung sei entgeltlich (vgl. für den Testamentsvollstrecker: OLG München ErbR 2016, 527 = BeckRS 2016, 11028; OLG München NotBZ 2012, 227, 228; vgl. zum Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt ausführlich: Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 3441; s. auch die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. NotBZ 2019, 50 zum im konkreten Fall gescheiterten Nachweis der Entgeltlichkeit der Verfügung eines Betreuers; vgl. zur Prüfung der Entgeltlichkeit der Verfügung eines Vorerben OLG Rostock RNotZ 2016, 686). Bei der Verfügung eines Betreuers kommt freilich als besonders starkes Indiz für die Entgeltlichkeit noch die erteilte betreuungsgerichtliche Genehmigung hinzu; dass diese naturgemäß bei der Verfügung eines Vorsorgebevollmächtigten nicht beigebracht werden kann, ändert u. E. aber nichts daran, dass auch hier das Grundbuchamt in freier Beweiswürdigung unter Heranziehung ansonsten ähnlicher Kriterien festzustellen hat, ob eine Verfügung dem Schenkungsverbot unterfällt. Dies gilt umso mehr, als das Grundbuchamt an die Beurteilung des Betreuungsgerichts nicht gebunden ist.

2. Selbstgeschaffene Beweisnot
Gegen die Heranziehung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall könnte allenfalls eingewandt werden, dass die hier in Bezug auf den Nachweis der Entgeltlichkeit gegebene Beweisnot „künstlich“ und selbstverschuldet geschaffen wurde (vgl. etwa OLG Frankfurt BeckRS 2015, 13193 Rn. 14: Beweisschwierigkeiten, die erst durch das rechtsgeschäftliche Handeln des Vollmachtgebers geschaffen werden, rechtfertigen es nicht, von der Formstrenge des § 29 GBO abzuweichen). Denn Nachweisprobleme hätten von vornherein vermieden werden können, wenn die General- und Vorsorgevollmacht im Außenverhältnis unbeschränkt ausgestaltet worden wäre, das Schenkungsverbot mithin nur im Innenverhältnis Bedeutung erlangt hätte (vgl. wiederum OLG Frankfurt BeckRS 2015, 13193 Rn. 14). Eine hierauf gestützte Nichtanwendbarkeit der von der Rechtsprechung entwickelten Nachweiserleichterungen hinsichtlich der Entgeltlichkeit der Verfügung eines Betreuers auf den Fall eines Vorsorgebevollmächtigten wäre aber verfehlt. Es ist u. E. nämlich kein Grund ersichtlich, warum der gesetzliche Betreuer hinsichtlich des Nachweises der Entgeltlichkeit grundbuchverfahrensrechtlich besser gestellt sein sollte als der Vorsorgebevollmächtigte mit dem Kompetenzrahmen eines Betreuers. In beiden Fällen hat das Grundbuchamt exakt die gleiche Prüfung vorzunehmen und daher u. E. auch die gleichen Nachweismaßstäbe anzusetzen. Dass auch eine andere Ausgestaltung der General- und Vorsorgevollmacht möglich gewesen wäre, die aber womöglich in dieser Gestalt gar nicht dem Willen der Vollmachtgeberin entsprochen hätte, darf die Anforderungen an die grundbuchverfahrensrechtlichen Nachweiserfordernisse u. E. hier nicht verändern. Anderes wäre mit der Funktion des Instituts der Vorsorgebevollmächtigung, gerade einen Betreuer durch einen Bevollmächtigten zu substituieren, kaum in Einklang zu bringen. Überdies erhöhen sich auch faktisch die Plausibilierungsanforderungen an die Entgeltlichkeit der Verfügung nicht. Insoweit liegt der Fall durchaus anders als jener einer Vollmacht, deren Wirksamkeit auch im Außenverhältnis durch den Eintritt der Geschäftsunfähigkeit aufschiebend bedingt suspendiert ist.

Anderes ist – soweit ersichtlich – auch noch nicht gerichtlich entschieden worden. Im Fall des OLG Köln (FGPrax 2007, 102) wurde eine Vollmacht nämlich gerade in diesem letztgenannten Sinne insgesamt, also auch im Außenverhältnis, unter der Bedingung der Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers erteilt. Der Eintritt dieser Bedingung konnte nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden. Im bereits erwähnten Fall des OLG Frankfurt (BeckRS 2015, 13193) lag zwar eine mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Vorsorgevollmacht vor („Schenkung in dem Rahmen, der einem Betreuer rechtlich gestattet ist“). Jedoch war hier festgestellt, dass es sich bei dem vom Vorsorgebevollmächtigten abgeschlossenen Vertrag um einen Schenkungsvertrag handelte. Es ging in dem zitierten Fall gerade nicht um den Nachweis der Entgeltlichkeit, da die Unentgeltlichkeit bereits feststand, sondern um den Nachweis eines Ausnahmefalls des § 1804 S. 2 BGB in Form der Anstandsschenkung. Auch bei dem Handeln eines „echten“ Betreuers ist uns hinsichtlich des Nachweises des Vorliegens einer solchen Anstandsschenkung kein Urteil bekannt, das insofern von einer Beweiserleichterung in Bezug auf die Form des § 29 GBO ausgeht. Insofern sind die vorgenannten Fälle der Rechtsprechung u. E. mit dem hiesigen Fall nicht (vollständig) vergleichbar.

Nach alledem gehen wir davon aus, dass die Zwischenverfügung des Grundbuchamts unberechtigt ist, sofern der Nachweis der Entgeltlichkeit in Übereinstimmung mit den unter Ziffer 1 genannten Grundsätzen erbracht wurde. Eines Nachweises in der Form des § 29 GBO bedarf es u. E. nicht.

Gutachten/Abruf-Nr:

170272

Erscheinungsdatum:

18.07.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Grundbuchrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 108-110

Normen in Titel:

BGB § 1804; GBO § 29; BGB § 164