16. Juli 2021
BeurkG § 44a; BGB § 1896

Teilweiser Widerruf einer Vorsorgevollmacht; Rückgabe der Ausfertigungen

BGB §§ 1896, 168; BeurkG § 44a
Teilweiser Widerruf einer Vorsorgevollmacht; Rückgabe der Ausfertigungen

I. Zur Rechtslage
Im Jahr 2017 errichtete eine ältere Dame eine Generalvollmacht für ihren Sohn. Der Sohn war als einziger Bevollmächtigter vorgesehen und somit einzelvertretungsbefugt. Diese Vollmacht soll nun dahingehend ergänzt werden, dass eine zweite Person ebenfalls bevollmächtigt wird. Diese zweite Person soll nur zusammen mit dem Sohn vertretungsbefugt sein. Die Einzelvertretung des Sohnes soll gleichzeitig dahingehend eingeschränkt werden, dass der Sohn nur noch Geschäfte, Rechtserklärungen etc. in einem Wert von bis zu maximal 25.000,00 € alleine tätigen darf und für rechtsgeschäftliche Erklärungen mit einem Wert von über 25.000,00 € Gesamtvertretungsbe­fugnis mit den weiteren Bevollmächtigten besteht.

II. Fragen
1. Kann die bestehende Vollmacht ergänzt werden?

2. Sind alle bisherigen Ausfertigungen der bestehenden Vollmacht für den Sohn zurückzuverlangen?

3. Kann die Ergänzung der Vollmacht an die Ausfertigungen „angenäht“ werden, damit die ursprüngliche Vollmacht nur zusammen mit der Ergänzung verwendet werden kann?

4. Oder ist eine solche Ergänzung einer bestehenden Vollmacht nicht möglich und es muss die alte Vollmacht aufgehoben und eine neue Vollmacht errichtet werden?

III. Zur Rechtslage
1. Einordnung und Zulässigkeit der „Vollmachtsergänzung“
Die geplante „Ergänzung“ der im Jahre 2017 errichteten General- und Vorsorgevollmacht stellt sich rechtlich als nachträgliche Einschränkung der dem Sohn ursprünglich erteilten Vertretungsmacht und damit als teilweiser Widerruf der Vollmacht dar. Das Betreuungsrecht regelt in den §§ 1896 ff. BGB den Widerruf der Vorsorgevollmacht, die es in § 1896 Abs. 2 BGB als nach dem Subsidiaritätsprinzip gegenüber der Anordnung einer Betreuung vorrangig voraussetzt, selbst nicht. Daher ist für den Vollmachtswiderruf auf die allgemeine Vorschrift des § 168 BGB zurückzugreifen. Nach §§ 168 S. 3, 167 Abs. 1 BGB erfolgt die Erklärung des Widerrufs der Vorsorgevollmacht gegenüber dem Bevollmächtigten oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung konkret widerrufen werden soll. Die durch Aushändigung einer Vollmachtsurkunde dem Bevollmächtigten erteilte Vertretungsmacht (vgl. §§ 172 Abs. 1, 171 Abs. 1 BGB) bleibt bestehen bis die Vollmachtsurkunde dem Vollmachtgeber zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird (§ 172 Abs. 2 BGB). Der teilweise Widerruf der erteilten Vollmacht ist anerkanntermaßen zulässig, sofern die Vollmacht i. S. v. § 139 BGB teilbar ist. Es handelt sich dann um eine Beschränkung der Vertretungsmacht (aus der Kommentarliteratur: Staudinger/Schilken, BGB, 2019, § 168 Rn. 7; MünchKommBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 168 Rn. 16; Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl. 2021, § 168 Rn. 5). Diese wird in der Rechtsprechung unproblematisch vorausgesetzt, wie etwa in der vom BGH entschiedenen Fallgestaltung eines Teilwiderrufs der Vollmacht gegenüber einem einzelnen bevollmächtigten Dritten (BGH NJW 2017, 3373 Rn. 18). Dementsprechend ist auch die Möglichkeit eines teilweisen Widerrufs einer zwecks Vermeidung der Betreuung erteilten Vorsorgevollmacht in der Rechtsprechung unbestritten (OLG München NJW-RR 2009, 1379, 1380; AG Unna BeckRS 2015, 15234).

Bedenken im Hinblick auf § 139 BGB sehen wir im vorliegenden Fall für den geplanten Teilwiderruf der Vollmacht nicht. Die Beschränkung der Vertretungsmacht des Sohnes im Bereich der Vermögensangelegenheiten auf eine Gesamtvertretungsmacht mit dem weiter ernannten Bevollmächtigten soweit Rechtsgeschäfte im Wert oberhalb von 25.000,00 € betroffen sind, ist unproblematisch denkbar. Dass diese Gestaltung dem Willen der Vollmachtgeberin entspricht, erweist der erteilte Beurkundungsauftrag.

Da – wie dargelegt – der teilweise Widerruf mit der Wirkung einer Beschränkung der 2017 erteilten Vollmacht ist unproblematisch zulässig, besteht rechtlich keinerlei Notwendigkeit, stattdessen die 2017 erteilte Vollmacht insgesamt zu widerrufen und eine neue Vollmacht zu erteilen. Möglich ist dies freilich gleichwohl.

2. Prüfung der Geschäftsfähigkeit der Vollmachtgeberin
Darüber hinaus müssen selbstverständlich die allgemeinen Voraussetzungen für den Vollmachtwiderruf vorliegen. Insbesondere ist die Geschäftsfähigkeit der Vollmachtgeberin zum gegenwärtigen Zeitpunkt für die anstehende Beurkundung zu prüfen (vgl. § 11 BeurkG). Ist der Notar von der Geschäftsunfähigkeit des Erklärenden überzeugt, so muss er die Beurkundung nach § 4 BeurkG ablehnen, da er bei der Errichtung nichtiger Urkunden nicht mitwirken darf (s. nur Winkler, BeurkG, 19. Aufl. 2019, § 4 Rn. 11; Grziwotz, in: Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 3. Aufl. 2018, § 4 Rn. 25). Gelangt der beurkundende Notar nicht zur Überzeugung von der Geschäftsunfähigkeit eines Beteiligten, hat aber insoweit konkrete Zweifel, so sind diese nach § 17 Abs. 2 S. 2 BeurkG in der Niederschrift zu vermerken. Winkler (§ 17 Rn. 273) weist darauf hin, dass der Zweifelsvermerk nur dann in die Niederschrift aufgenommen werden dürfe, wenn der Notar wirkliche, ernsthafte Zweifel habe. Denn mit diesem Hinweis sei die praktische Verwertbarkeit der Urkunde nahe­zu ausgeschlossen. Die damit angesprochene Problematik ist u. E. gerade bei Vorsorgevollmachten, die wiederholt gegenüber einem offenen Personenkreis verwendet werden sollen und bei denen im Streitfall eine rechtskräftige Entscheidung über die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers mit Wirkung erga omnes faktisch nicht herbeizuführen ist (vgl. § 325 ZPO), besonders im Blick zu behalten: Ein derartiger Vermerk dürfte die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr merklich beeinträchtigen. Dies kann selbst bei einer im Ergebnis wirksamen Vollmachtserteilung eine Betreuerbestellung erforderlich machen, wenn Dritte die Vollmacht unter Berufung auf die Wirksamkeitsbedenken bereits zurückgewiesen haben oder Entsprechendes konkret zu besorgen ist (BGH NJW 2016, 1514, 1515; Überblick zur Entwicklung der Rspr.: BeckOK-BGB/Müller-Engels, Std.: 1.5.2021 § 1896 Rn. 29 m. w. N.). Die vorliegend anstehende Prüfung hat der Notar nach seinem eigenverantwortlichen, pflichtgemäßen Ermessen vorzunehmen. Zu weiteren Nachforschungen ist der Notar insoweit aber (nur) verpflichtet, wenn er aufgrund des Verhaltens der Beteiligten oder sonstiger Umstände Zweifel an der Geschäftsfähigkeit haben muss (s. hierzu unter dem Gesichtspunkt eines – im Ergebnis verneinten – Anspruchs aus § 19 BNotO: OLG Hamm RNotZ 2016, 60 ff.; vgl. Winkler, § 11 Rn. 8).

3. Weitere Urkundenbehandlung nach teilweisem Vollmachtswiderruf
Infolge des zulässigen teilweisen Widerrufs einer Vollmacht kann gem. § 175 BGB zwar nicht die Herausgabe der Vollmachtsurkunde bzw. der die Originalurkunde vertretenden Urkundsausfertigungen (§ 47 BeurkG) verlangt werden, wohl aber die Vorlage der Vollmachtsurkunde zwecks Anbringung eines entsprechenden Vermerks über den teilweisen Widerruf (s. OLG München NJW-RR 2009, 1379, 1380; AG Unna BeckRS 2015, 15234; Jürgens/Loer, Betreuungsrecht, 6. Aufl. 2019, § 175 BGB Rn. 2).

Im vorliegenden Fall der notariellen Beurkundung der ursprünglichen Vorsorgevollmacht sowie ihrer nachträglichen Beschränkung wird über die nachträgliche Beschränkung bzw. den teilweisen Vollmachtswiderruf gem. § 44a Abs. 2 S. 3 BeurkG eine eigene notarielle Niederschrift aufzunehmen sein, da es vorliegend nicht um einen Fall offensichtlicher Unrichtigkeit i. S. v. § 44a Abs. 2 S. 1, 2 BeurkG geht (s. hierzu BeckOGK-BeurkG/Regler, Std.: 1.4.2021, § 44a Rn. 44 ff.). Diese Nachtragsurkunde kann dann entsprechend der gängigen Praxis an die Urschrift der ursprünglichen Vollmachtsurkunde angeklebt oder angeheftet werden (§§ 18 Abs. 2 S. 1, 3. Var, 8 Abs. 7 DONot). An der Stelle der bei der Haupturkunde verwahrten Nachtragsurkunde ist dann in die Urkundensammlung ein Hinweisblatt oder eine Abschrift, auf der ein Hinweis auf die Haupturkunde anzubringen ist, aufzunehmen (§ 18 Abs. 2 S. 3 DONot). Entsprechend sollte u. E. auch mit dem in Umlauf befindlichen Ausfertigungen der ursprünglichen Vollmachtsurkunde verfahren werden. Diese Ausfertigungen weiterhin unverändert im Umlauf zu lassen, empfiehlt sich hingegen nicht, da in diesem Fall der Sohn bei Vorlage der ursprünglichen Ausfertigung weiterhin jedem gutgläubigen Dritten gegenüber im ursprünglich gewährten Umfang zur Vertretung berechtigt wäre (vgl. §§ 171 Abs. 1, 172, 173 BGB).

4. Fazit
Gegen die Ergänzung der ursprünglichen Vollmacht mittels Nachtrag bestehen aus unserer Sicht keine rechtlichen Bedenken. In der Praxis wird man erwägen müssen, ob die Beurkundung einer neuen Vollmacht nicht dennocht zweckmäßig ist, um die Vollmachtsurkunde für den Rechtsverkehr übersichtlich zu gestalten. Das Beifügen der Ergänzung kann ggf. dazu führen, dass die Vollmacht im Rechtsverkehr auf beschränkte Akzeptanz trifft, auch wenn die Vollmacht rechtlich einwandfrei geändert wurde. Auf diese Methode sollte deshalb allenfalls dann zurückgegriffen werden, wenn sie von den Beteiligten aufgrund einer möglichen Kostenersparnis (im Rahmen der Zugrundelegung eines angemessenen Teilwerts gem. § 36 GNotKG) ausdrücklich gewünscht ist. Diese Kostenersparnis wird sich aber nur im – seltenen – Fall der Begrenzung auf einen bestimmten Betrag ergeben. Bei der Erteilung einer Vollmacht an einen weiteren Bevollmächtigten, wird hingegen der gleiche Geschäftswert zugrunde zu legen sein wie bei der Erteilung einer neuen Vollmacht, sodass in diesem Fall die Neuerteilung vorzugswürdig sein dürfte.

Gutachten/Abruf-Nr:

180715

Erscheinungsdatum:

16.07.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Beurkundungsverfahren
Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 105-107

Normen in Titel:

BeurkG § 44a; BGB § 1896