Teilweiser Widerruf einer Vorsorgevollmacht; Rückgabe der Ausfertigungen
BGB §§ 1896, 168;
Teilweiser Widerruf einer Vorsorgevollmacht; Rückgabe der Ausfertigungen
I. Zur Rechtslage
Im Jahr 2017 errichtete eine ältere Dame eine Generalvollmacht für ihren Sohn. Der Sohn war als einziger Bevollmächtigter vorgesehen und somit einzelvertretungsbefugt. Diese Vollmacht soll nun dahingehend ergänzt werden, dass eine zweite Person ebenfalls bevollmächtigt wird. Diese zweite Person soll nur zusammen mit dem Sohn vertretungsbefugt sein. Die Einzelvertretung des Sohnes soll gleichzeitig dahingehend eingeschränkt werden, dass der Sohn nur noch Geschäfte, Rechtserklärungen etc. in einem Wert von bis zu maximal 25.000,00 € alleine tätigen darf und für rechtsgeschäftliche Erklärungen mit einem Wert von über 25.000,00 € Gesamtvertretungsbefugnis mit den weiteren Bevollmächtigten besteht.
II. Fragen
1. Kann die bestehende Vollmacht ergänzt werden?
2. Sind alle bisherigen Ausfertigungen der bestehenden Vollmacht für den Sohn zurückzuverlangen?
3. Kann die Ergänzung der Vollmacht an die Ausfertigungen „angenäht“ werden, damit die ursprüngliche Vollmacht nur zusammen mit der Ergänzung verwendet werden kann?
4. Oder ist eine solche Ergänzung einer bestehenden Vollmacht nicht möglich und es muss die alte Vollmacht aufgehoben und eine neue Vollmacht errichtet werden?
III. Zur Rechtslage
1. Einordnung und Zulässigkeit der „Vollmachtsergänzung“
Die geplante „Ergänzung“ der im Jahre 2017 errichteten General- und Vorsorgevollmacht stellt sich rechtlich als nachträgliche Einschränkung der dem Sohn ursprünglich erteilten Vertretungsmacht und damit als teilweiser Widerruf der Vollmacht dar. Das Betreuungsrecht regelt in den §§ 1896 ff. BGB den Widerruf der Vorsorgevollmacht, die es in § 1896 Abs. 2 BGB als nach dem Subsidiaritätsprinzip gegenüber der Anordnung einer Betreuung vorrangig voraussetzt, selbst nicht. Daher ist für den Vollmachtswiderruf auf die allgemeine Vorschrift des § 168 BGB zurückzugreifen. Nach
Bedenken im Hinblick auf § 139 BGB sehen wir im vorliegenden Fall für den geplanten Teilwiderruf der Vollmacht nicht. Die Beschränkung der Vertretungsmacht des Sohnes im Bereich der Vermögensangelegenheiten auf eine Gesamtvertretungsmacht mit dem weiter ernannten Bevollmächtigten soweit Rechtsgeschäfte im Wert oberhalb von 25.000,00 € betroffen sind, ist unproblematisch denkbar. Dass diese Gestaltung dem Willen der Vollmachtgeberin entspricht, erweist der erteilte Beurkundungsauftrag.
Da – wie dargelegt – der teilweise Widerruf mit der Wirkung einer Beschränkung der 2017 erteilten Vollmacht ist unproblematisch zulässig, besteht rechtlich keinerlei Notwendigkeit, stattdessen die 2017 erteilte Vollmacht insgesamt zu widerrufen und eine neue Vollmacht zu erteilen. Möglich ist dies freilich gleichwohl.
2. Prüfung der Geschäftsfähigkeit der Vollmachtgeberin
Darüber hinaus müssen selbstverständlich die allgemeinen Voraussetzungen für den Vollmachtwiderruf vorliegen. Insbesondere ist die Geschäftsfähigkeit der Vollmachtgeberin zum gegenwärtigen Zeitpunkt für die anstehende Beurkundung zu prüfen (vgl.
3. Weitere Urkundenbehandlung nach teilweisem Vollmachtswiderruf
Infolge des zulässigen teilweisen Widerrufs einer Vollmacht kann gem. § 175 BGB zwar nicht die Herausgabe der Vollmachtsurkunde bzw. der die Originalurkunde vertretenden Urkundsausfertigungen (
Im vorliegenden Fall der notariellen Beurkundung der ursprünglichen Vorsorgevollmacht sowie ihrer nachträglichen Beschränkung wird über die nachträgliche Beschränkung bzw. den teilweisen Vollmachtswiderruf gem.
4. Fazit
Gegen die Ergänzung der ursprünglichen Vollmacht mittels Nachtrag bestehen aus unserer Sicht keine rechtlichen Bedenken. In der Praxis wird man erwägen müssen, ob die Beurkundung einer neuen Vollmacht nicht dennocht zweckmäßig ist, um die Vollmachtsurkunde für den Rechtsverkehr übersichtlich zu gestalten. Das Beifügen der Ergänzung kann ggf. dazu führen, dass die Vollmacht im Rechtsverkehr auf beschränkte Akzeptanz trifft, auch wenn die Vollmacht rechtlich einwandfrei geändert wurde. Auf diese Methode sollte deshalb allenfalls dann zurückgegriffen werden, wenn sie von den Beteiligten aufgrund einer möglichen Kostenersparnis (im Rahmen der Zugrundelegung eines angemessenen Teilwerts gem. § 36 GNotKG) ausdrücklich gewünscht ist. Diese Kostenersparnis wird sich aber nur im – seltenen – Fall der Begrenzung auf einen bestimmten Betrag ergeben. Bei der Erteilung einer Vollmacht an einen weiteren Bevollmächtigten, wird hingegen der gleiche Geschäftswert zugrunde zu legen sein wie bei der Erteilung einer neuen Vollmacht, sodass in diesem Fall die Neuerteilung vorzugswürdig sein dürfte.
180715
Erscheinungsdatum:16.07.2021
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Beurkundungsverfahren
Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen
BeurkG § 44a; BGB § 1896