Nachträgliche Änderungen einer privatschriftlichen Urkunde; Unterschriftsbeglaubigung nach Wegfall der Vertretungsbefugnis
Nachträgliche Änderungen einer privatschriftlichen Urkunde; Unterschriftsbeglaubigung nach Wegfall der Vertretungsbefugnis
I. Sachverhalt
Vor einigen Jahren wurden Schuldanerkenntnisse zu Gunsten einer niederländischen C.V. beurkundet, die nun auf deren Rechtsnachfolger umgeschrieben werden sollen. Die ursprüngliche Gläubigerin wurde zum 31.12.2019 aufgelöst und beendet sowie am 13.1.2020 im Handelsregister gelöscht. Vorher wurden am 31.12.2019 alle Ansprüche aus den Verträgen, zu denen auch die Schuldanerkenntnisse gehören, an eine in Barbados sitzende Gesellschaft abgetreten. Diese Verträge sind in der Abtretungserklärung nur sehr allgemein bezeichnet („alle bestehenden Verträge in allen Märkten außerhalb der USA“). Ein Bezug zu den o. g. Schuldanerkenntnissen lässt sich daraus nicht konkret ableiten. Darüber hinaus ist die Erklärung nur privatschriftlich unterzeichnet. Die Beteiligten, die das Dokument für die C.V. unterzeichnet haben, sind noch in dem Konzern tätig. Nach Möglichkeit soll eine Klarstellung der privatschriftlichen Urkunde sowie eine Beglaubigung der Unterschriften erfolgen.
II. Fragen
1. Kann die Unklarheit einer Erklärung vom Unterzeichner noch behoben werden, wenn die von ihm bei Unterzeichnung der Erklärung vertretene Gesellschaft mittlerweile gelöscht ist? Kommt es darauf an, ob die Berichtigung der Urkunde vor oder nach der Beglaubigung erfolgt?
2. Können die Unterschriften unter einer Erklärung auch noch zu einem Zeitpunkt beglaubigt werden, in dem die mit der Unterschrift vertretene Gesellschaft nicht mehr existiert? Ist Zweck der Beglaubigung der Unterschrift für Zwecke des
III. Zur Rechtslage
1. Allgemeine Grundsätze zur Unterscheidung zwischen der Form der Erklärung und deren Beweiskraft
Allgemein wird die nachträgliche Änderung einer öffentlich beglaubigten Erklärung als möglich angesehen. Diskutiert werden dabei vor allem Fälle nachträglicher Änderungen durch den Unterzeichner (BeckOGK-BeurkG/Theilig, Std.: 1.7.2021, § 40 Rn. 55; Kindler, in: Beck’sches Notarhandbuch, 7. Aufl. 2019, § 31 Rn. 70). Hierbei ist zwischen der Form der Erklärung und deren Beweiskraft zu unterscheiden.
a) Form des
Die nachträgliche Änderung führt nach ganz überwiegender Meinung nicht zu einer Formunwirksamkeit; die Erklärung bleibt eine öffentlich beglaubigte Erklärung (KG
Die frühere Rechtsprechung (KG OLGE 3, 306; OLGE 7, 336; KGJ 22, A 125; KGJ 29, A 116; KGJ 35, A 227; OLG Celle RPfleger 1984, 230), nach der eine nachträgliche Änderung nur dann möglich war, wenn hierüber eine gesonderte Urkunde mit erneutem Beglaubigungsvermerk errichtet wurde (wobei die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens selbstverständlich ist, sodass die eigentliche Aussage dieser Rechtsprechung war, dass nachträgliche Änderungen im Übrigen nicht möglich waren), ist vor diesem Hintergrund nicht mehr aktuell (OLG Frankfurt a. M.
b) Beweiskraft
Allerdings kann die Beweiskraft einer solchermaßen abgeänderten Urkunde eingeschränkt sein. Insbesondere soll das Grundbuchamt eine solche Urkunde zurückweisen können, wenn der Verdacht besteht, dass die Urkunde von einer anderen Person als dem Aussteller und ohne dessen Zustimmung abgeändert wurde (KG
Die für das Grundbuchamt entwickelten Grundsätze wird man auch für das Verfahren nach
2. Unterscheidung der materiell-rechtlichen Zulässigkeit von Änderungen einerseits und Form- und Beweiskraftfragen andererseits
Die vorgenannten Fälle betreffen jedoch – soweit ersichtlich – allesamt Konstellationen, in denen sich keine Fragen nach einer etwaigen Vertretungsmacht des Unterzeichners stellen, weil entweder von vorneherein im eigenen Namen gehandelt worden war oder weil die Vertretungsbefugnis noch fortgalt. Ist die Vertretungsbefugnis des Vertreters in der Zwischenzeit erloschen, ist bereits unabhängig von den beweisrechtlichen Fragen zu prüfen, ob der Vertreter eine solche Erklärung nach materiellem Recht überhaupt abgeben kann bzw. darf. Fehlt es schon hieran, kommt es auf die Form der öffentlichen Beglaubigung ebenso wenig an, wie darauf, welche Auswirkung die nachträgliche Änderung auf die Beweiskraft hat.
Für die materielle Rechtslage ist u. E. zu differenzieren: Handelt es sich um eine materielle Änderung der ursprünglichen Erklärung, liegt genau genommen eine neue Willenserklärung vor, die nach
Liegt dagegen lediglich eine Richtigstellung vor, handelt es sich u. E. um eine Wissenserklärung. Der Unterzeichner kann dann als an der damaligen Urkunde Mitwirkender aufgrund seiner Sachnähe und besseren Kenntnis der Umstände z.B. die Wissenserklärung abgeben, welcher Kontext damals berücksichtigt worden war oder welche Fallgruppe gemeint war (aber ggf. falsch bezeichnet wurde). Es bedarf insbesondere nicht der Einhaltung der Voraussetzungen des
Die materiell-rechtliche Ebene kann wiederum Auswirkungen auf vom Notar zu beachtende Vorschriften über die Unterschriftsbeglaubigung haben. Zwar muss er nicht die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Erklärung prüfen. Er hat aber die Beglaubigung zu verweigern, wenn Gründe bestehen die Amtstätigkeit zu versagen, insbesondere wenn mit der zu beglaubigenden Erklärung erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke unterstützt werden oder wenn die Urkunde offensichtlich materiell-rechtlich unwirksam ist (Kindler, § 31 Rn. 370).
3. Übertragung auf den vorliegenden Fall
Überträgt man die vorstehenden Grundsätze auf den vorliegenden Fall, ergibt sich u. E. Folgendes:
- Materiell-rechtlich kommt es u. E. darauf an, ob der Vertreter sich im Rahmen der (redaktionellen) Richtigstellung bewegt und somit lediglich eine Wissenserklärung abgibt (dann ist keine Vertretungsmacht erforderlich) oder ob eine Änderung durch eine weitere Erklärung erfolgt (die Vertretungsmacht erfordert). Bestehen Zweifel ist dem Vertreter aus notarieller Sicht zu raten, von einer solchen Erklärung Abstand zu nehmen.
- Für die Form des
- Dieser Aspekt kann aber auf der Ebene der Beweiskraft Auswirkungen haben. Die Rechtsnachfolge muss gem.
Erteilt der Notar die Vollstreckungsklausel obwohl die erforderlichen Nachweisurkunden fehlen, begeht er eine Amtspflichtverletzung und kann hierfür ggf. haften (MünchKommZPO/Wolfsteiner, 6. Aufl. 2020, § 724 Rn. 54). Liegen die notwendigen Nachweise nicht oder nicht in der erforderlichen Form vor, muss der Notar daher die Umschreibung der Vollstreckungsklausel verweigern. Vor der endgültigen Zurückweisung des Antrags sollte der Antragsteller jedoch auf die noch fehlenden Nachweise aufmerksam gemacht werden, um ihm zu ermöglichen diese nachzureichen. Sind also die Nachträge offensichtlich oder für den Notar offenkundig nach dem Beglaubigungsvermerk vorgenommen worden und gehen diese über redaktionelle Änderungen hinaus, kann die fehlende Beweiskraft der Urkunde in diesem Fall dazu führen, dass der Notar die Klausel nicht erteilen darf. Liegen nur die ursprünglichen Erklärungen vor, sind diese jedoch zwischenzeitlich beglaubigt worden (siehe hierzu sogleich), obliegt es dem Notar zu beurteilen, ob sich aus diesen die Rechtsnachfolge ergibt. Kann die Rechtsnachfolge nicht nach
4. Nachträgliche Beglaubigung bei erloschenem Rechtsträger
Die nachträgliche Beglaubgigung der Unterschriften ist – wie bereits erwähnt – ohne Weiteres möglich. Bereits die Zulässigkeit der Anerkennung einer Unterschrift weist auf die grundsätzliche Möglichkeit hin, dass Unterschriftsleistung und Beglaubigungszeitpunkt auseinanderfallen können. Insbesondere könnte also die privatschriftliche – damals mit Vertretungsmacht erstellte – Erklärung nachträglich mit einem Beglaubigungsvermerk versehen werden, wenn die damaligen Unterzeichner vor dem Notar anerkennen, dass es sich hierbei um ihre Unterschriften handelt.
Auch wenn
184198
Erscheinungsdatum:13.08.2021
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
Erschienen in: Normen in Titel:ZPO § 727; BGB § 129