22. Juni 2023
BGB § 1643 Abs. 1; BGB § 1850; WEG § 10; WEG § 5

Änderung von Teileigentum in Wohnungseigentum; familiengerichtliche Genehmigung

Aus der Gutachtenpraxis des DNotI

WEG §§ 5, 10; BGB §§ 1643 Abs. 1, 1850 ff.
Änderung von Teileigentum in Wohnungseigentum; familiengerichtliche Genehmigung

I. Sachverhalt
Ein Miteigentümer eines nach WEG aufgeteilten Grundstücks möchte die Gebrauchsregelung betreffend seiner Sondereigentumseinheit von derzeit „Praxis“ in „Wohnung“ umwandeln lassen. Es wird kein Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum oder umgekehrt überführt. Die Gemeinschaftsordnung sieht keine Erleichterungen vor, es müssen mithin alle anderen Miteigentümer zustimmen. Ein Miteigentümer ist erst 15 Jahre alt. Dessen Eltern sind nicht selbst Miteigentümer und planen, den Minderjährigen bei Erteilung der Zustimmung zu vertreten.

II. Frage
Ist die Einholung einer familiengerichtlichen Genehmigung erforderlich?

III. Zur Rechtslage
1. Allgemeines zur Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum
Der umwandlungswillige Miteigentümer ist derzeit Inhaber von Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen (Teileigentum, § 1 Abs. 3 WEG). Bzgl. dieses Sondereigentums soll die Zweckbestimmung dahingehend geändert werden, dass er künftig Inhaber von Sondereigentum an einer Wohnung (Wohnungseigentum, § 1 Abs. 2 WEG) ist.

Die Frage, welche Anforderungen an die Änderung von Teileigentum in Wohnungseigentum und umgekehrt zu stellen sind, wurde in der Vergangenheit kontrovers diskutiert. Die Rechtsnatur der sog. Zweckbestimmung im weiteren Sinne ist (bzw. war) umstritten. Eine Ansicht geht davon aus, dass die Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum (oder umgekehrt) ein sachenrechtlicher Vorgang ist. Nach anderer Ansicht handelt es sich bei der Zweckbestimmung um den Gegenstand einer schuldrechtlichen Vereinbarung. Die letztgenannte Ansicht ist die mittlerweile herrschende (s. Weber, Kölner Formularbuch Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl. 2023, Kap. 4 Rn. 154; MünchKommBGB/Scheller, 9. Aufl. 2023, § 13 WEG Rn. 11), der sich – ohne vertiefte Auseinandersetzung mit dem Meinungsstreit – auch der BGH angeschlossen hat (vgl. BGH NJW-RR 2021, 1239 Rn. 19; NJW 2018, 41 Rn. 6). Diese (vorzugswürdige) Rechtsansicht wird insbesondere aufgrund ihrer stillschweigenden Billigung durch den BGH nachstehend zugrunde gelegt.

An der Umwidmung sind grundsätzlich alle Sondereigentümer zu beteiligen. Von diesem Grundsatz kann allerdings (nach der h. M. zur Rechtsnatur der Zweckbestimmung) abgewichen werden. In Betracht kommen die Vereinbarung eines Änderungsvorbehalts sowie einer Öffnungsklausel (vgl. hierzu Weber, Kap. 4 Rn. 158-164). Vorliegend haben indes alle Miteigentümer an der Änderung mitzuwirken, da keine entsprechende Erleichterung in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen ist, die ein Außenvorlassen anderer Miteigentümer wie den Minderjährigen ermöglicht.

Die Wohnungseigentümer planen mithin die Änderung einer Vereinbarung betreffend den Gebrauch des Sondereigentums. Durch Eintragung von Vereinbarungen der Sondereigentümer im Grundbuch als Inhalt des Sondereigentums wird bewirkt, dass diese für und gegen Sonderrechtsnachfolger eines Sondereigentümers wirken, §§ 5 Abs. 4 S. 1, 10 Abs. 3 S. 1 WEG (sog. quasi-dingliche Wirkung der im Grundbuch eingetragenen Vereinbarungen, sog. Gemeinschaftsordnung). Diese in aller Regel erfolgende „Verdinglichung“ der Zweckbestimmung hat möglicherweise Auswirkungen auf die Frage der familiengerichtlichen Genehmigungsbedürftigkeit bei Änderungen der Zweckbestimmung (dazu sogleich Ziff. 2).

2. Erfordernis der familiengerichtlichen Genehmigung
a) Familiengerichtliche Genehmigung bei Verfügungen über ein Grundstück
Nach § 1643 Abs. 1 BGB bedürfen die Eltern grundsätzlich der Genehmigung des Familiengerichts in den Fällen, in denen ein Betreuer nach den §§ 1850-1854 BGB der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedarf. Nach § 1850 Nr. 1 BGB bedarf der Betreuer grundsätzlich der Genehmigung des Betreuungsgerichts zur Verfügung über ein Grundstück oder über ein Recht an einem Grundstück.

Fraglich ist nun, ob die Mitwirkung des Minderjährigen, der durch seine Eltern bei der Änderung der Zweckbestimmung betreffend eine andere Sondereigentumseinheit vertreten wird, eine Verfügung über ein Grundstück i. S. v. § 1850 Nr. 1 BGB darstellt. Dass der Begriff „Verfügung über ein Grundstück“ auch Verfügungen über Wohnungs- und Teileigentum (als grundstücksgleiche Rechte) erfasst, ist unbestritten (BeckOK-BGB/Kadelbach, Std.: 1.5.2023, § 1850 Rn. 5: Grüneberg/Götz, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1850 Rn. 2; MünchKommBGB/Kroll-Ludwigs, 8. Aufl. 2020, § 1821 Rn. 20).

Unter „Verfügung“ wird jedes Rechtsgeschäft verstanden, das unmittelbar auf ein Recht einwirkt, indem es ein Recht überträgt, belastet, aufhebt oder inhaltlich ändert (BeckOK-BGB/Kadelbach, § 1849 Rn. 2 m. w. N.; zum Begriff der Verfügung vgl. auch BGH NJW 1951, 645, 647; BeckOGK-BGB/Regenfus, Std.: 1.4.2023, § 185 Rn. 5 m. w. N.).

Nicht erfasst von § 1850 Nr. 1 BGB werden hingegen Verfügungen über obligatorische Rechte, auch wenn sie sich auf ein Grundstück beziehen (MünchKommBGB/Kroll-Ludwigs, § 1821 Rn. 22). Veit formuliert zur Vorgängervorschrift von § 1850 Nr. 1 BGB wie folgt (Staudinger, BGB, Neubearb. 2020, § 1821 Rn. 13):

„Wenn § 1821 Abs 1 Nr 1 BGB die familiengerichtliche Genehmigung zu Verfügungen über Grundstücke und Rechte an Grundstücken verlangt, so sind damit nur Verfügungen gemeint, deren Gegenstand das Eigentum oder das sonstige Recht am Grundstück ist (BGHZ 1, 294, 304 = NJW 1951, 645, 647 f = BB 1951, 404 = Rpfleger 1951, 453; Staudinger/Dilcher Einl 44 zu §§ 104 ff; BGB-RGRK/Dickescheid Rn 1).“

b) Genehmigungsbedürftigkeit einer im Grundbuch einzutragenden Vereinbarung betreffend den Gebrauch des Sondereigentums (Zweckbestimmung)
Mit der Frage, ob die Änderung einer im Grundbuch einzutragenden Vereinbarung betreffend die Zweckbestimmung eine Verfügung im Sinne von § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB a. F. (heute § 1850 Nr. 1 BGB) darstellt, hat sich das DNotI im DNotI-Report-Gutachten 2011, 144 (dort S. 145) auseinandergesetzt und das Erfordernis einer Genehmigung mit im Wesentlichen folgenden Argumenten bejaht: Die Zweckbestimmung sei zwar eine vom sachenrechtlichen Grundverhältnis zu trennende schuldrechtliche Vereinbarung, diese werde jedoch durch Eintragung im Grundbuch regelmäßig verdinglicht. Durch diese „Verdinglichung“ würde die Zweckbestimmung zum Inhalt des Sondereigentums, sodass in der Konsequenz eine genehmigungsbedürftige Inhaltsänderung vorliege.

Auch die Literatur geht von einer grundsätzlichen Genehmigungsbedürftigkeit aus (Weber, Kap. 6 Rn. 25-29;BeckOK-GBO/Kral, Std.: 28.4.2023, Sonderbereich WEG Rn. 195). Die Literatur nimmt dabei Bezug auf eine Entscheidung des OLG Hamm aus dem Jahr 2015 (MittBayNot 2016, 239), die ihrerseits auf das oben genannte DNotI-Report-Gutachten rekurriert.

Wörtlich heißt es (OLG Hamm MittBayNot 2016, 239):

„Mit dem Grundbuchamt ist der Senat der Auffassung, dass es sich bei einer Veränderung der Gemeinschaftsordnung um eine Verfügung über das Eigentum am Grundstück im Sinne des § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB handelt, soweit der Regelungsgegenstand nur einer Vereinbarung im Sinne des § 10 Abs. 2 und 3 WEG und nicht auch einem Mehrheitsbeschluss der Miteigentümer zugänglich ist (wie hier Gutachten DNotI 2011, 144 f. […]).“

c) Kritik an dieser Ansicht
Unterzieht man die Argumentation des OLG Hamm – und zwangsläufig auch die Argumentation des DNotI aus 2011 – einer genaueren dogmatischen Untersuchung, so erscheinen Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses angebracht.

(1) Unveränderte Rechtsnatur der schuldrechtlichen Vereinbarung
Die Zweckbestimmungsvereinbarung ist nach h. M. schuldrechtlicher Natur. An dieser Rechtsnatur vermag auch die grundbuchliche Verlautbarung gem. §§ 5 Abs. 4 S. 1, 10 Abs. 3 S. 1 WEG nichts zu ändern (vgl. BeckOGK-WEG/Falkner, Std.: 1.5.2023, § 10 Rn. 295). Die Eintragung der Zweckänderung gem. §§ 5 Abs. 4 S. 1, 10 Abs. 3 S. 1 WEG bewirkt lediglich, dass die inter-partes-Wirkung von schuldrechtlichen Abreden durchbrochen wird und die schuldrechtliche Vereinbarung auch für und gegen Sonderrechtsnachfolger der Wohnungseigentümer wirkt. Diese ausnahmsweise erfolgende Durchbrechung der inter-partes-Wirkung von schuldrechtlichen Abreden ist indes keine Verfügung über das Grundstücks- bzw. Wohnungseigentum i. S. v. §§ 1643 Abs. 1, 1850 Nr. 1 BGB (s. hierzu auch sogleich unter [2]). Die WEG-rechtlichen Bestimmungen der §§ 5 Abs. 4 S. 1, 10 Abs. 3 S. 1 WEG regeln nur, wie diese Durchbrechung des schuldrechtlichen Grundsatzes herbeigeführt wird, sie verwandeln hingegen schuldrechtliche Rechtspositionen nicht in sachenrechtliche. Die durch die Grundbucheintragung bewirkte Rechtsfolge, nämlich die Wirkung für und gegen Sonderrechtsnachfolger, bezieht sich nur auf die schuldrechtliche Vereinbarung selbst und nicht auf das Grundstücks- bzw. Wohnungseigentum als solches, also nicht auf das sog. sachenrechtliche Grundverhältnis (zum sachenrechtlichen Grundverhältnis in Abgrenzung zu Vereinbarungen i. S. v. § 10 Abs. 1 S. 2 WEG vgl. BGH DNotZ 2003, 536, 538). Bezieht sich die Rechtsfolge auf eine schuldrechtliche Abrede betreffend den Gebrauch des Eigentums, so liegt keine Verfügung über das Eigentum selbst vor. Mit anderen Worten: Die Frage, ob eine Verfügung i. S. v. §§ 1643 Abs. 1, 1850 Nr. 1 BGB vorliegt, lässt sich nicht ohne Beachtung der mittels Grundbuchverlautbarung bewirkten Rechtsfolge beantworten.

Es sollte zudem nicht übersehen werden, dass die grundbuchliche Verlautbarung von Vereinbarungen gem. §§ 5 Abs. 4 S. 1, 10 Abs. 3 S. 1 WEG ausschließlich dem Schutz künftiger Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft dient, also von Personen, die derzeit als außenstehende Dritte anzusehen sind. Für die Rechtsverbindlichkeit (Bindungswirkung) der Vereinbarung im Verhältnis der derzeitigen Sondereigentümer untereinander ist die grundbuchliche Eintragung hingegen ohne Belang.

(2) Keine Verfügung i. S. v. §§ 876, 877 BGB
Ferner ist zu beachten, dass die Bestimmung des § 1850 Nr. 1 BGB (vormals § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB a. F.) aus einer Zeit herrührt, als es das Wohnungseigentumsgesetz noch gar nicht gab. § 5 Abs. 4 S. 1 WEG (vormals § 5 Abs. 4 WEG a. F.) eröffnet zwar die Möglichkeit, dass Vereinbarungen über das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden können. Dies spricht auf den ersten Blick dafür, dass eine Inhaltsänderung i. S. v. § 877 BGB und somit konsequenterweise eine Verfügung i. S. v. § 1850 Nr. 1 BGB vorliegt.

M. Müller weist aber mit Blick auf das WEG darauf hin, dass der historische BGB-Gesetzgeber den Inhalt des Eigentums für nicht abänderbar hielt. Vielmehr war nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers der Inhalt des Eigentums einer privatautonomen Gestaltung nicht zugänglich. Erst mit dem „Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht“ vom 15.3.1951 (BGBl. I, S. 175) hat der Gesetzgeber diese Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Ausgestaltbarkeit des Inhalts von Grundstückseigentum geschaffen (vgl. BeckOGK-WEG/M. Müller, Std.: 1.3.2023, § 1 Rn. 62 m. w. N.).

Die mit dem WEG eröffnete Möglichkeit, den Inhalt des Grundstückseigentums rechtsgeschäftlich ausgestalten zu können (vgl. hierzu auch BeckOGK-WEG/Monreal, Std.: 1.12.2021, § 5 Rn. 2-14), hatte der historische BGB-Gesetzgeber also noch gar nicht vor Augen. Dies bringt das BayObLG zum Ausdruck, wenn es ausführt (BayObLG NJW 1958, 2116, 2117 – Hervorhebung durch die DNotI-Redaktion; vgl. auch BayObLGZ 1959, 520, 525):

§ 877 BGB behandelt die Änderung des Inhalts eines Rechtes an einem Grundstück und versteht darunter im Anschluß an die römisch-rechtliche Terminologie die Grundstücksbelastungen (iura in re aliena), nicht aber das Eigentum, das natürlich auch ein Recht an einem Grundstück, sogar das wichtigste, darstellt, jedoch als Vollrecht vertraglichen Änderungen des Inhalts nicht unterworfen ist. Das WEG hat aber wenigstens den Inhalt des Miteigentums einer typisierten vertraglichen Änderung zugänglich gemacht, indem es in § 3 dessen Verwandlung in qualifiziertes Wohnungseigentum zuläßt; die Vorschriften der §§ 877, 876 BGB werden seitdem auf die Einräumung, Aufhebung und Inhaltsänderung von Wohnungseigentum entspr. angewendet, […].“

Ebenso wie das BayObLG geht auch der BGH davon aus, dass auf die Inhaltsänderung von Wohnungseigentum die Vorschriften der §§ 876, 877 BGB nicht unmittelbar, sondern nur analog anwendbar sind, denn „Recht an einem Grundstück“ im Sinne der vorgenannten Normen sei nur ein beschränktes dingliches Recht, nicht dagegen das Eigentum selbst (vgl. BGB DNotZ 2012, 531 Rn. 7, 11; NJW 1984, 2409, 2410).

Vor dem Hintergrund, dass bei einer Eigentumsinhaltsänderung keine Verfügung im Sinne des BGB vorliegt, sondern die entsprechenden Vorschriften nur analog anwendbar sind, käme somit auch hier allenfalls eine analoge Anwendung des § 1850 Nr. 1 BGB in Betracht. Dass der Verfügungsbegriff in § 1850 Nr. 1 BGB gegenüber demjenigen der Vorgängervorschrift (§ 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB a. F.) erweitert worden wäre, ist insoweit nicht ersichtlich (vgl. hierzu Begründung des Regierungsentwurfs zum Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, BT-Drucks. 19/24445, S. 286).

Angesichts dessen, dass die Zweckbestimmung als „Wohnungseigentum“ oder „Teileigentum“ nach heute herrschender und zutreffender Ansicht eine schuldrechtliche Gebrauchsregelung (vgl. oben Ziff. 1) darstellt, ist eine analoge Anwendung indes nicht angezeigt. Eine analoge Anwendung des § 1850 Nr. 1 BGB wäre lediglich für Inhaltsänderungen mit sachenrechtlichem Charakter (z. B. Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum oder sog. Kellertausch) in Betracht zu ziehen (vgl. auch KG BWNotZ 2015, 153, betreffend eine WEG-Aufteilung gem. § 8 WEG: Das Gericht hat dort die Genehmigungsbedürftigkeit gem. § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB a. F. mangels Betroffenheit der Vermögensinteressen des Minderjährigen bei einer Aufteilung gem. § 8 WEG verneint).

(3) Zwischenergebnis
U. E. ist dem OLG Hamm mithin nicht zu folgen; es handelt sich bei der Änderung der Zweckbestimmung nicht um eine Verfügung i. S. v. § 1850 Nr. 1 BGB. Die Änderung einer Zweckbestimmung bedarf demnach auch dann nicht der familiengerichtlichen Genehmigung nach §§ 1643 Abs. 1, 1850 Nr. 1 BGB, wenn die Zweckbestimmung im Grundbuch eingetragen ist (anders noch DNotI-Report 2011, 144, 145). Dies gilt unabhängig davon, ob die Änderung der Zweckbestimmung die Sondereigentumseinheit des Minderjährigen oder eines anderen betrifft.

Für die notarielle Praxis ist die Entscheidung des OLG Hamm gleichwohl zu beachten, so dass dem Gebot des sichersten Weges folgend sicherheitshalber von einem Genehmigungsbedürfnis auszugehen ist.

d) (Keine) Teleologische Reduktion mangels unmittelbarer Betroffenheit des Vermögens des Minderjährigen
Geht man mit dem OLG Hamm von der Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung der Zweckbestimmung aus, so käme noch in Betracht, im vorliegenden Fall aufgrund teleologischer Reduktion die Genehmigungsbedürftigkeit zu verneinen. Eine Besonderheit des Falles liegt darin, dass nicht die Zweckbestimmung für das dem Minderjährigen gehörende Sondereigentum in Rede steht, sondern die Umwandlung des Sondereigentums eines anderen Miteigentümers.

Weber geht von der Möglichkeit einer teleologischen Reduktion aus und führt an (Kap. 6 Rn. 28 – Hervorhebungen durch DNotI):

„Denkbar ist es lediglich, Änderungen der Gemeinschaftsordnung von dem Genehmigungserfordernis auszunehmen, die eindeutig das Wohnungseigentum des gesetzlich Vertretenen nicht berühren, und zwar mit Rücksicht auf den auch sonst zur (einschränkenden) Auslegung des § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB (entsprechend § 1850 Nr. 1 BGB n. F.) herangezogenen Zweck, nur das dem Vertretenen gehörende Grundvermögen zu schützen.“

Dass das Genehmigungserfordernis grundsätzlich einer teleologischen Reduktion offensteht, wird auch von der Rechtsprechung anerkannt. So heißt es im vorstehend bereits zitierten Beschluss des OLG Hamm (MittBayNot 2016, 239 f. – Hervorhebung durch die DNotI-Redaktion):
„Auch eine teleologische Reduktion des Genehmigungserfordernisses ist nicht angebracht. Grundsätzlich ist der Kreis der nach §§ 1821, 1822 BGB genehmigungspflichtigen Geschäfte formal und nicht nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles zu bestimmen […]. Dem steht jedoch eine Berücksichtigung des Schutzzwecks der Vorschrift nicht generell entgegen […]. Grundsätzlich möglich ist daher auch eine teleologische Reduktion in Fällen, in denen schon nach generellen Merkmalen – und nicht erst aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles – das Schutzbedürfnis schlechthin nicht gegeben ist.“

In der Entscheidung gelangte das OLG Hamm allerdings nicht zur Genehmigungsfreiheit aufgrund teleologischer Reduktion. Es hielt fest, dass eine Änderung der Gemeinschaftsordnung wirtschaftlich ebenso belastend wirken könne wie die dingliche Belastung eines im Alleineigentum stehenden Grundstücks (MittBayNot 2016, 239, 240).

Da für die Gerichte nicht ohne konkrete Betrachtung des Einzelfalls feststellbar ist, wann eine Änderung der Gemeinschaftsordnung sich wirtschaftlich auf das Sondereigentum des Minderjährigen und somit auf dessen Vermögen auszuwirken vermag, erscheint es ohnehin schwierig, für die Praxis handhabbare Kriterien festzulegen, in welchen Fällen auf die Einholung einer Genehmigung verzichtet werden kann. Die Änderung der Zweckbestimmung betreffend fremde Sondereigentumseinheiten kann sich im Einzelfall auch negativ auf den Wert der Einheit des Minderjährigen auswirken, etwa dann, wenn alle anderen Einheiten von Wohnungseigentum in Teileigentum umgewandelt werden und sich das Gepräge der Gemeinschaft hierdurch spürbar ändert. Eine aufgrund teleologischer Reduktion genehmigungsfreie Fallgruppe „Änderung der Zweckbestimmung fremder Einheiten“ kann daher wohl nicht gebildet werden.

3. Ergebnis
Im Ergebnis ist für die Praxis aufgrund der Rechtsprechung des OLG Hamm davon auszugehen, dass die Änderung der Zweckbestimmung einer familiengerichtlichen Genehmigung gem. §§ 1643 Abs. 1, 1850 Nr. 1 BGB bedarf. Es wäre indes wünschenswert, dass sich die Rechtsprechung künftig mit der Frage auseinandersetzt, ob und wieso die mittels §§ 5 Abs. 4 S. 1, 10 Abs. 3 S. 1 WEG angeordnete Durchbrechung des inter-partes-Grundsatzes die Änderung einer schuldrechtlichen Vereinbarung über den Gebrauch des (Sonder-)Eigentums zu einer sachenrechtlichen Verfügung im Sinne des BGB macht, zumal es sich nicht um eine Inhaltsänderung i. S. v. §§ 876, 877 BGB handelt, sondern diese Vorschriften auf Eigentumsinhaltsänderungen lediglich analog anwendbar sind.

Gutachten/Abruf-Nr:

197673

Erscheinungsdatum:

22.06.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 89-93

Normen in Titel:

BGB § 1643 Abs. 1; BGB § 1850; WEG § 10; WEG § 5