Änderung von Teileigentum in Wohnungseigentum; familiengerichtliche Genehmigung
Aus der Gutachtenpraxis des DNotI
WEG §§ 5, 10; BGB §§ 1643 Abs. 1, 1850 ff.
Änderung von Teileigentum in Wohnungseigentum; familiengerichtliche Genehmigung
I. Sachverhalt
Ein Miteigentümer eines nach WEG aufgeteilten Grundstücks möchte die Gebrauchsregelung betreffend seiner Sondereigentumseinheit von derzeit „Praxis“ in „Wohnung“ umwandeln lassen. Es wird kein Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum oder umgekehrt überführt. Die Gemeinschaftsordnung sieht keine Erleichterungen vor, es müssen mithin alle anderen Miteigentümer zustimmen. Ein Miteigentümer ist erst 15 Jahre alt. Dessen Eltern sind nicht selbst Miteigentümer und planen, den Minderjährigen bei Erteilung der Zustimmung zu vertreten.
II. Frage
Ist die Einholung einer familiengerichtlichen Genehmigung erforderlich?
III. Zur Rechtslage
1. Allgemeines zur Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum
Der umwandlungswillige Miteigentümer ist derzeit Inhaber von Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen (Teileigentum,
Die Frage, welche Anforderungen an die Änderung von Teileigentum in Wohnungseigentum und umgekehrt zu stellen sind, wurde in der Vergangenheit kontrovers diskutiert. Die Rechtsnatur der sog. Zweckbestimmung im weiteren Sinne ist (bzw. war) umstritten. Eine Ansicht geht davon aus, dass die Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum (oder umgekehrt) ein sachenrechtlicher Vorgang ist. Nach anderer Ansicht handelt es sich bei der Zweckbestimmung um den Gegenstand einer schuldrechtlichen Vereinbarung. Die letztgenannte Ansicht ist die mittlerweile herrschende (s. Weber, Kölner Formularbuch Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl. 2023, Kap. 4 Rn. 154; MünchKommBGB/Scheller, 9. Aufl. 2023,
An der Umwidmung sind grundsätzlich alle Sondereigentümer zu beteiligen. Von diesem Grundsatz kann allerdings (nach der h. M. zur Rechtsnatur der Zweckbestimmung) abgewichen werden. In Betracht kommen die Vereinbarung eines Änderungsvorbehalts sowie einer Öffnungsklausel (vgl. hierzu Weber, Kap. 4 Rn. 158-164). Vorliegend haben indes alle Miteigentümer an der Änderung mitzuwirken, da keine entsprechende Erleichterung in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen ist, die ein Außenvorlassen anderer Miteigentümer wie den Minderjährigen ermöglicht.
Die Wohnungseigentümer planen mithin die Änderung einer Vereinbarung betreffend den Gebrauch des Sondereigentums. Durch Eintragung von Vereinbarungen der Sondereigentümer im Grundbuch als Inhalt des Sondereigentums wird bewirkt, dass diese für und gegen Sonderrechtsnachfolger eines Sondereigentümers wirken,
2. Erfordernis der familiengerichtlichen Genehmigung
a) Familiengerichtliche Genehmigung bei Verfügungen über ein Grundstück
Nach
Fraglich ist nun, ob die Mitwirkung des Minderjährigen, der durch seine Eltern bei der Änderung der Zweckbestimmung betreffend eine andere Sondereigentumseinheit vertreten wird, eine Verfügung über ein Grundstück i. S. v.
Unter „Verfügung“ wird jedes Rechtsgeschäft verstanden, das unmittelbar auf ein Recht einwirkt, indem es ein Recht überträgt, belastet, aufhebt oder inhaltlich ändert (BeckOK-BGB/Kadelbach, § 1849 Rn. 2 m. w. N.; zum Begriff der Verfügung vgl. auch BGH
Nicht erfasst von
„Wenn § 1821 Abs 1 Nr 1 BGB die familiengerichtliche Genehmigung zu Verfügungen über Grundstücke und Rechte an Grundstücken verlangt, so sind damit nur Verfügungen gemeint, deren Gegenstand das Eigentum oder das sonstige Recht am Grundstück ist (
b) Genehmigungsbedürftigkeit einer im Grundbuch einzutragenden Vereinbarung betreffend den Gebrauch des Sondereigentums (Zweckbestimmung)
Mit der Frage, ob die Änderung einer im Grundbuch einzutragenden Vereinbarung betreffend die Zweckbestimmung eine Verfügung im Sinne von
Auch die Literatur geht von einer grundsätzlichen Genehmigungsbedürftigkeit aus (Weber, Kap. 6 Rn. 25-29;BeckOK-GBO/Kral, Std.: 28.4.2023, Sonderbereich WEG Rn. 195). Die Literatur nimmt dabei Bezug auf eine Entscheidung des OLG Hamm aus dem Jahr 2015 (
Wörtlich heißt es (OLG Hamm
„Mit dem Grundbuchamt ist der Senat der Auffassung, dass es sich bei einer Veränderung der Gemeinschaftsordnung um eine Verfügung über das Eigentum am Grundstück im Sinne des
c) Kritik an dieser Ansicht
Unterzieht man die Argumentation des OLG Hamm – und zwangsläufig auch die Argumentation des DNotI aus 2011 – einer genaueren dogmatischen Untersuchung, so erscheinen Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses angebracht.
(1) Unveränderte Rechtsnatur der schuldrechtlichen Vereinbarung
Die Zweckbestimmungsvereinbarung ist nach h. M. schuldrechtlicher Natur. An dieser Rechtsnatur vermag auch die grundbuchliche Verlautbarung gem.
Es sollte zudem nicht übersehen werden, dass die grundbuchliche Verlautbarung von Vereinbarungen gem.
(2) Keine Verfügung i. S. v.
Ferner ist zu beachten, dass die Bestimmung des
M. Müller weist aber mit Blick auf das WEG darauf hin, dass der historische BGB-Gesetzgeber den Inhalt des Eigentums für nicht abänderbar hielt. Vielmehr war nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers der Inhalt des Eigentums einer privatautonomen Gestaltung nicht zugänglich. Erst mit dem „Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht“ vom 15.3.1951 (BGBl. I, S. 175) hat der Gesetzgeber diese Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Ausgestaltbarkeit des Inhalts von Grundstückseigentum geschaffen (vgl. BeckOGK-WEG/M. Müller, Std.: 1.3.2023, § 1 Rn. 62 m. w. N.).
Die mit dem WEG eröffnete Möglichkeit, den Inhalt des Grundstückseigentums rechtsgeschäftlich ausgestalten zu können (vgl. hierzu auch BeckOGK-WEG/Monreal, Std.: 1.12.2021, § 5 Rn. 2-14), hatte der historische BGB-Gesetzgeber also noch gar nicht vor Augen. Dies bringt das BayObLG zum Ausdruck, wenn es ausführt (BayObLG
„
Ebenso wie das BayObLG geht auch der BGH davon aus, dass auf die Inhaltsänderung von Wohnungseigentum die Vorschriften der
Vor dem Hintergrund, dass bei einer Eigentumsinhaltsänderung keine Verfügung im Sinne des BGB vorliegt, sondern die entsprechenden Vorschriften nur analog anwendbar sind, käme somit auch hier allenfalls eine analoge Anwendung des
Angesichts dessen, dass die Zweckbestimmung als „Wohnungseigentum“ oder „Teileigentum“ nach heute herrschender und zutreffender Ansicht eine schuldrechtliche Gebrauchsregelung (vgl. oben Ziff. 1) darstellt, ist eine analoge Anwendung indes nicht angezeigt. Eine analoge Anwendung des
(3) Zwischenergebnis
U. E. ist dem OLG Hamm mithin nicht zu folgen; es handelt sich bei der Änderung der Zweckbestimmung nicht um eine Verfügung i. S. v.
Für die notarielle Praxis ist die Entscheidung des OLG Hamm gleichwohl zu beachten, so dass dem Gebot des sichersten Weges folgend sicherheitshalber von einem Genehmigungsbedürfnis auszugehen ist.
d) (Keine) Teleologische Reduktion mangels unmittelbarer Betroffenheit des Vermögens des Minderjährigen
Geht man mit dem OLG Hamm von der Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung der Zweckbestimmung aus, so käme noch in Betracht, im vorliegenden Fall aufgrund teleologischer Reduktion die Genehmigungsbedürftigkeit zu verneinen. Eine Besonderheit des Falles liegt darin, dass nicht die Zweckbestimmung für das dem Minderjährigen gehörende Sondereigentum in Rede steht, sondern die Umwandlung des Sondereigentums eines anderen Miteigentümers.
Weber geht von der Möglichkeit einer teleologischen Reduktion aus und führt an (Kap. 6 Rn. 28 – Hervorhebungen durch DNotI):
„Denkbar ist es lediglich, Änderungen der Gemeinschaftsordnung von dem Genehmigungserfordernis auszunehmen, die eindeutig das Wohnungseigentum des gesetzlich Vertretenen nicht berühren, und zwar mit Rücksicht auf den auch sonst zur (einschränkenden) Auslegung des
Dass das Genehmigungserfordernis grundsätzlich einer teleologischen Reduktion offensteht, wird auch von der Rechtsprechung anerkannt. So heißt es im vorstehend bereits zitierten Beschluss des OLG Hamm (
„Auch eine teleologische Reduktion des Genehmigungserfordernisses ist nicht angebracht. Grundsätzlich ist der Kreis der nach
In der Entscheidung gelangte das OLG Hamm allerdings nicht zur Genehmigungsfreiheit aufgrund teleologischer Reduktion. Es hielt fest, dass eine Änderung der Gemeinschaftsordnung wirtschaftlich ebenso belastend wirken könne wie die dingliche Belastung eines im Alleineigentum stehenden Grundstücks (
Da für die Gerichte nicht ohne konkrete Betrachtung des Einzelfalls feststellbar ist, wann eine Änderung der Gemeinschaftsordnung sich wirtschaftlich auf das Sondereigentum des Minderjährigen und somit auf dessen Vermögen auszuwirken vermag, erscheint es ohnehin schwierig, für die Praxis handhabbare Kriterien festzulegen, in welchen Fällen auf die Einholung einer Genehmigung verzichtet werden kann. Die Änderung der Zweckbestimmung betreffend fremde Sondereigentumseinheiten kann sich im Einzelfall auch negativ auf den Wert der Einheit des Minderjährigen auswirken, etwa dann, wenn alle anderen Einheiten von Wohnungseigentum in Teileigentum umgewandelt werden und sich das Gepräge der Gemeinschaft hierdurch spürbar ändert. Eine aufgrund teleologischer Reduktion genehmigungsfreie Fallgruppe „Änderung der Zweckbestimmung fremder Einheiten“ kann daher wohl nicht gebildet werden.
3. Ergebnis
Im Ergebnis ist für die Praxis aufgrund der Rechtsprechung des OLG Hamm davon auszugehen, dass die Änderung der Zweckbestimmung einer familiengerichtlichen Genehmigung gem.
197673
Erscheinungsdatum:22.06.2023
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:
WEG
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
BGB § 1643 Abs. 1; BGB § 1850; WEG § 10; WEG § 5