03. Januar 2020
GrEStG § 8; GrEStG § 9

Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage; "symbolischer Kaufpreis"

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 173653
letzte Aktualisierung: 3. Januar 2019

GrEStG §§ 8, 9
Grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage; "symbolischer Kaufpreis"

I. Sachverhalt

Es soll ein Kaufvertrag über ein altes Wasserkraftwerk beurkundet werden. Das Gebäude steht
unter Denkmalschutz und ist in großen Teilen sanierungsbedürftig. Als Kaufpreis soll
symbolisch € 1,00 vereinbart werden. Zusätzlich zahlt die Verkäuferin an den Käufer einen
Betrag in Höhe von etwa € 195.000,00 mit dem Zweck, dass der Käufer die Verkäuferin von
sämtlichen Verpflichtungen freihält, was Naturschutz, Wasserrecht und Denkmalschutz betrifft.
Das Grundstück an sich ist in diesem Zustand anderweitig nicht verkäuflich, ohne dass ein
potentieller Käufer die kostenträchtigen Verpflichtungen übernimmt.

II. Fragen

Wie hoch ist die zu erwartenden Grunderwerbsteuer?

III. Zur Rechtslage

Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer in der Regel nach dem Wert der
Gegenleistung. Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerlichen Sinn gilt jede Leistung, die der
Erwerber als Entgelt für den Erwerb von Grundstücken gewährt oder die der Veräußerer als
Entgelt für die Veräußerung von Grundstücken empfängt. Ist eine Gegenleistung in diesem
Sinne nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, wird die Steuer nach den Grundbesitzwerten
i. S. d. § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 157 Abs. 1-3 BewG bemessen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1
GrEStG).

Auch ein Kaufpreis von einem Euro kann Gegenleistung sein, wenn er ernsthaft vereinbart
worden ist und nicht lediglich einen „symbolischen Kaufpreis“ darstellt. Gründe, die für eine
ernsthafte Vereinbarung eines Kaufpreises von einem Euro sprechen, können beispielsweise
sein (so Finanzgericht Hamburg v. 29.12.2008, 3 K 128, 08, juris; Sächsisches Finanzgericht v.
22.6.2017, 6 K 1514/15, juris):

- hohe Kosten verursachender Gebäudezustand bei mangelnder Gewähr für Beschaffenheit
und Verwendbarkeit

oder

- bei fehlender Gewinn- oder Überschusserwartung negativer oder gegen null gehender
Ertragswert.

Ist daher in dem geschilderten Sachverhalt der Kaufpreis ernsthaft vereinbart worden, so ist
auch davon auszugehen, dass dieser als grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage anerkannt
wird und insoweit keine Grunderwerbsteuer anfällt (so im Ergebnis auch Sächsisches Finanzgericht
v. 22.6.2017, 6 K 10514/15, juris, Revision anhängig unter Az.: II R 37/18). Gründe, die
dafür sprechen, sind nach dem geschilderten Sachverhalt, dass das Gebäude unter Denkmalschutz
steht und in großen Teilen sanierungsbedürftig ist. Der Käufer muss zudem kostenintensive
Verpflichtungen übernehmen. Der Verkäufer bezahlt dem Käufer hierfür sogar noch
einen Betrag i. H. v. 195.000,00 Euro (negativer Kaufpreis). Zwar kann die Übernahme von
Verpflichtungen dann eine grunderwerbsteuerliche Gegenleistung darstellen, wenn der Verkäufer
zur Beseitigung von „Altlasten“ bereits in Anspruch genommen wird und diese Verpflichtung
nun vom Erwerber übernommen wird (insoweit auch Erlass des Finanzministeriums
Schleswig-Holstein v. 13.4.2010, VI 355-S 4520-009, juris). Selbst wenn eine solche Verpflichtung
bestünde, wäre dies in dem geschilderten Fall nach unserer Auffassung nur dann
grunderwerbsteuerlich relevant, wenn die bereits bestehenden Verpflichtungen höher wären als
der Betrag in Höhe von 195.000€, der vom Verkäufer an den Käufer bezahlt wird.

Eine andere Beurteilung würde sich dann ergeben, wenn man lediglich von einem
„symbolischen Kaufpreis“ ausgeht, der nicht als Gegenleistung i. S. d. § 8 Abs. 1
GrEStG angesehen werden kann. Dies wird angenommen, wenn der Kaufpreis in einem so
krassen Missverhältnis zum Wert des Grundstücks steht, dass er sich dazu in keinerlei Relation
bringen lässt und daher nicht ernsthaft vereinbart ist (so BFH v. 12.7.2006 – II R 65/04, juris,
Rn. 10). Ein „krasses Missverhältnis zum Wert des Grundstücks“ wird nicht bereits deshalb
angenommen, wenn der vereinbarte Kaufpreis den Wert des Grundstücks unterschreitet; denn
der Verkehrswert des Grundstücks stellt keine hilfsweise heranzuziehende Bemessungsgrundlage
dar (so BFH v. 12.7.2006 – II R 65/04). Auch ist das Motiv, das die Beteiligten zu
einem niedrigen Kaufpreis veranlasst hat, für die grunderwerbsteuerliche Betrachtung unerheblich,
es kann aber u. U. schenkungsteuerliche Auswirkungen haben. Zur Frage, in welchen
Fällen ein lediglich „symbolischer Kaufpreis“ nicht mehr als ernsthafte vereinbarte Gegenleistung
anzusehen ist, haben wir Ihnen einschlägige Kommentarliteratur beigefügt (Boruttau,
GrEStG, 19. Aufl. 2019, § 9 Rn. 208-210; § 8 Rn. 53-56 m. Hinweisen auf weitere Rechtsprechung
zur Frage, in welchem ein lediglich „symbolischer Kaufpreis“ nicht mehr als ernsthafte
vereinbarte Gegenleistung anzusehen ist; Pahlke, GrEStG 6.Aufl. 2017, § 8 Rn. 8 – 10; § 9
Rn. 70 - 77).

Kommt man zum Ergebnis, dass ein symbolischer Kaufpreis vorliegen sollte (wovon man nach
dem geschilderten Sachverhalt u. E. nicht ausgehen muss), der nicht als Gegenleistung
angesehen werden kann, ermittelt sich die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nach
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Danach wird die Steuer nach den Grundbesitzwerten i. S. d. § 151
Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 157 BewG bemessen.

Gutachten/Abruf-Nr:

173653

Erscheinungsdatum:

03.01.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Grunderwerbsteuer

Normen in Titel:

GrEStG § 8; GrEStG § 9