01. Januar 1998
BayGO Art. 80; EGBGB Art. 184

Löschung altrechtlicher bayerischer Gemeinderechte (Nutzungsrechte)

DNotI
Deutsches Notarinstitut

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Gutachten des Deutschen Notarinstitut Dokumentnummer: 1178# letzte Aktualisierung: 29.10.1998

BayGO Art. 80; EGBGB Art. 184, 187 Löschung altrechtlicher bayerischer Gemeinderechte (Nutzungsrechte)

Zur Frage, wie altrechtliche bayerische Gemeinde rechte (Nutzungsrechte an Gemeindegrundstücken) ohne Zustimmung der Berechtigten im Grundbuch zur Löschung gebracht werden können. Nach dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt sind in den Grundbüchern einer kreisangehörigen Gemeinde verschiedene Nutzungsrechte (insbesondere Weiderechte) eingetragen. Nach Auffassung des zuständigen Landratsamtes handelt es sich um öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte gem. Art. 80 BayGBO. Das Landratsamt ist weiterhin der Auffassung, daß die genannten Nutzungsrechte infolge Veräußerung gemeindeeigener Grundstücke, Änderung der Beschaffenheit der der Nutzung unterliegenden Flächen etc. erloschen seien. Es sei jedoch davon auszugehen, daß eine entsprechende Erklärung der Berechtigten nicht zu erlangen sei. Der Bayerische Gemeindetag riet der Gemeinde zur Klärung der strittigen Rechtssituation, durch Verwaltungsakt das Erlöschen der Nutzungsrechte festzustellen und diesen den Berechtigten zuzustellen. Es bleibe dann abzuwarten, ob dagegen Widerspruch eingelegt bzw. Klage erhoben werden kann. Sie fragen nun nach der Rechtsgrundlage eines solchen Verwaltungsaktes und danach, ob aufgrund eines solchen Verwaltungsaktes die Löschung der Gemeinderechte im Grundbuch erfolgen könne. 1. Rechtsnatur der Gemeinderechte a) Nutzungsrechte am Gemeindevermögen können privat- oder öffentlich-rechtlicher Natur sein. Sie sind privatrechtlicher Natur, wenn sie sich auf einen Privatrechtstitel (wie etwa Pachtvertrag, Dienstvertrag, Nießbrauch, Reallast) gründen und von dem Verhältnis, in dem der Berechtigte zu der Gemeinde steht, unabhängig sind. Dagegen sind sie öffentlich-rechtlicher Natur, wenn sie im Gemeindeverbund wurzeln und ihre Grundlagen öffentlich-rechtlichen Beziehungen der Nutzungsberechtigten zur Gemeinde haben (BayObLG, Beschl. v. 18.11.1960, BayObLGZ 1960, 447, 450; BayObLG, Beschl. v. 18.07.1989, MittBayNot 1990, 33 = Rpfleger 1990, 54; Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 11. Aufl. 1997, Rn. 1175; Glaser, Gemeindenutzungsrechte in Bayern, MittBayNot 1988, 113; Bauer/Böhle/Masson/Samper, Bayer. Kommunalgesetze, Stand Dezember 1997, Art. 80 GO Rn. 7 ff.; Prandl/Zimmermann, Kommunalrecht in Bayern, Stand 01.11.1997, Art. 80 GO Rn. 1 ff.; Widtmann/Grasser, Bayer. Gemeindeordnung, Stand September 1997, Art. 80 GO Rn. 2).

b) Privatrechtliche Nutzungsrechte sind altrechtliche Dienstbarkeiten, die nach Art. 184 EGBGB fortbestehen. Eine Eintragung in das Grundbuch ist nach § 187 EGBGB i. V. m. dem Bayer. Landesrecht nicht für ihren Bestand erforderlich. Sie sind aber eintragungsfähig, wenn es sich um privatrechtliche Rechte handelt. Die Neueintragung privatrechtlicher Nutzungsrechte an Gemeindegrundstücken im Grundbuch setzt den Nachweis der privatrechtlichen Natur der

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Nutzungsrechte voraus (BayObLG, Urt. v. 06.12.1982, BayObLGZ 1982, 400, 403). Eines Nachweises der Rechtsnatur bedarf es allerdings nicht, sofern lediglich die Umschreibung eines bereits eingetragenen Nutzungsrechtes auf ein anderes Anwesen beantragt wird (BayObLG, Beschl. v. 08.05.1964, BayObLGZ 1964, 210 = MittBayNot 1964, 193 = NJW 1964, 1573; ebenso BayObLG, Beschl. v. 04.02.1970, BayObLGZ 1970, 21, 23 = MittBayNot 1970, 19 = Rpfleger 1970, 167). Allerdings wurden in Bayern regelmäßig bei der Anlegung des Grundbuchs ungeachtet der Rechtsnatur die Gemeinderechte beim berechtigten Grundstück eingetragen. Eine Vermutung für die privatrechtliche oder für die öffentlich-rechtliche Natur von Nutzungsrechten besteht nicht aufgrund der Eintragung (BayObLGZ 1960, 447, 450; BayObLG MittBayNot 1990, 33; Haegele/Schöner/Stöber, a. a. O., Rn. 1175; Widtmann/Grasser, a. a. O., Art. 80 BayGO Rn. 2). c) Allein aufgrund der von Ihnen gemachten Angaben können wir daher keinen Schluß ziehen, ob es sich bei dem eingetragenen Recht um eine privatrechtliche oder um ein öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht handelt. Eine eindeutige Feststellung wäre nur möglich, wenn man den Begründungsakt für das Recht kennt.

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Löschung eingetragener Rechte a) Daß auch öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte häufig im Grundbuch in Bayern eingetragen sind, ändert nichts an der Unzulässigkeit der Eintragung. Im Bestandsverzeichnis eingetragene Gemeindenutzungsrechte sind daher von Amts wegen nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO zu löschen, wenn im Grundbuchamt die öffentlich-rechtliche Natur des Rechtes nachgewiesen wird. Steht die öffentlich-rechtliche Natur eines Gemeindenutzungsrechtes nicht fest, dann ist es ungeachtet dessen, ob es öffentlich-rechtlicher oder privat-rechtlicher Natur ist, nach § 22 GBO zu löschen, wenn sein Erlöschen nachgewiesen worden ist. Für den im Grundbuchverfahren erforderlichen Nachweis des Erlöschens eines Gemeindenutzungsrechtes reicht es grundsätzlich aus, daß die Beteiligten in notarieller Form erklären, daß das Recht erloschen sei (BayObLG MittBayNot 1990, 33 = Rpfleger 1990, 54; ebenso Haegele/Schöner/Stöber, a. a. O., Rn. 1175). - Denn bei einer Berichtigungsbewilligung der eingetragenen Berechtigten zur Löschung liegen die Löschungsvoraussetzungen in jedem Fall vor: Handelt es sich um ein privatrechtliches Recht, so kann die Berichtigungsbewilligung nach § 22 GBO durch Löschung des Rechtes erfolgen. Handelt es sich hingegen um ein öffentliches Recht, so wäre eine Löschung auch ohne Löschungsbewilligung von Amts wegen nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO vorzunehmen, sofern die öffentlich-rechtliche Natur nachgewiesen wird. b) Liegt hingegen, wie hier, keine Löschungsbewilligung der eingetragenen Berechtigten zur Grundbuchberichtigung vor, so kann eine Löschung nur im Wege der Amtslöschung nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO erfolgen. Dafür ist im Grundbuchamt der öffentlich-rechtliche Charakter des eingetragenen Nutzungsrechtes (und damit die Unzulässigkeit der Eintragung) nachzuweisen. (Ein Autor vertritt sogar, daß das Grundbuchamt eingetragene Rechte als privatrechtlich behandeln müsse - Glaser, MittBayNot 1988, 113. Dies ist wohl zu weitgehend. Nachdem die Rechte jedoch eingetragen sind, ist für eine Amtslöschung der volle Nachweis der Unzulässigkeit der Eintragung nach § 53 GBO zu fordern.)

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Dieser Nachweis kann etwa durch eine Gerichtsentscheidung erbracht werden, die feststellt, daß die eingetragenen Rechte öffentlich-rechtlicher Natur sind (Widtmann/ Grasser, a. a. O., Art. 80 BayGO Rn. 2). Als Nachweis hat die Rechtsprechung auch eine Ablösungsvereinbarung zwischen den Berechtigten und der Gemeinde nach Art. 82 Abs. 1 BayGO (bzw. nach dessen Vorläufervorschrift, Art. 70 BayGO a. F.) anerkannt (BayObLG, Beschl. v. 25.02.1970, BayObLGZ 1970, 45, 49 = MittBayNot 1970, 21 = Rpfleger 1970, 168; BayObLG, Beschl. v. 03.04.1978, MittBayNot 1978, 109 = Rpfleger 1978, 316). c) Eine Ablösung durch Verwaltungsakt kann die Gemeinde nach Art. 82 Abs. 1 S. 2 BayGO nur mit Zustimmung der Mehrheit der Berechtigten vornehmen (vgl. zur entsprechenden Vorgängervorschrift des Art. 81 BayGO a. F. auch das obiter dictum in: Bayer. Gerichtshof für Kompetenzkonflikte, Urt. v. 23.12.1966, BayObLGZ 1966, 447, 468). Gänzlich ohne Beteiligung der Berechtigten können Nutzungsrechte lediglich von der Rechtsaufsichtsbehörde auf Antrag der Gemeinde nach Art. 82 Abs. 2 BayGO aufgehoben werden, wenn die Gemeinde belastete Grundstücke ganz oder teilweise aus Gründen des Gemeinwohls zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigt. Im vorliegenden Fall kommt damit eine Aufhebung durch die Gemeinde allenfalls nach Art. 82 Abs. 1 S. 2 BayGO in Betracht. Dies setzt aber die Zustimmung zumindest der Mehrheit der Berechtigten voraus. Dabei muß die Zustimmung vor Erlaß des Verwaltungsakts erklärt werden (Brandl/Zimmermann, a. a. O., Art. 82 GO Rn. 3; Widtmann/Grasser, a. a. O., Art. 82 GO Rn. 3). Nach h. M. ist dies ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt (Bauer/Böhle/Masson/Samper, a. a. O., Art. 82 GO Rn. 11; Widtmann/Grasser, a. a. O., Art. 82 GO R. 3).

d) Neben dem im Gesetz geregelten kommen noch andere Erlöschensgründe von Nutzungsrechten in Betracht: Nutzungsrechte erlöschen bei einer Veräußerung der gemeindlichen Grundstücke, da nur Gemeindeeigentum mit solchen Nutzungsrechten belastet sein kann (BayVGH 18, 43), wobei auch eine ohne Zustimmung der Berechtigten vorgenommene Veräußerung der belasteten Grundstücke durch die Gemeinde gültig ist (Masson/Samper, a. a. O., Art. 82 Rn. 3; Widtmann/Grasser, a. a. O., Art. 82 GO Rn. 1 b). Auch eine Änderung der Nutzungsart der den Nutzungsrechten unterliegenden Grundstücke, die die weitere Ausübung der Nutzungsrechte unmöglich macht (wie z. B. die Überflutung des Grundstückes infolge der Anlegung eines Stausees) bringt die öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechte zum Erlöschen - oder auch durch Änderung der Kulturart, durch Rodung oder durch Umwandlung einer Weide in Ackerland (BayVGH, Urt. v. 05.10.1962, BayVBl 1963, 86; Bauer/Böhle/Masser/Samper, a. a. O., Art. 82 GO Rn. 7; Widtmann/Grasser, a. a. O., Art. 82 GO Rn. 1 c). Auch wenn die öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechte tatsächlich erloschen sein sollten, besagt dies noch nicht, daß die Gemeinde dies auch durch feststellenden Verwaltungsakt feststellen kann. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts bedürfen belastende Verwaltungsakte stets einer gesetzlichen Ermächtigungsnorm. Auch feststellende Verwaltungsakte können aufgrund ihrer abschließend feststellenden Wirkung ein belastendes Element enthalten (Knack/Henneke,

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Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl. 1996, vor § 35 VwVfG Rn. 7.22). Dies kann man allerdings durch den allgemeinen Satz des ungeschriebenen Rechts ergänzen, das in hoheitlichen Über- und Unterordnungsverhältnissen die Behörden im Zweifel auch dann zum Erlaß von Verwaltungsakten befugt sind (einschließlich feststellende Verwaltungsakte), wenn diese Befugnis nicht ausdrücklich geregelt ist (Kopp, VwVfG, 6. Aufl. 1996, § 35 VwVfG Rn. 3). Hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechte besteht aber gerade kein hoheitliches Überund Unterordnungsverhältnis. Vielmehr ist eine Ablösung nach Art. 82 Abs. 1 BayGO nur entweder vertraglich durch Vereinbarung mit dem Berechtigten oder durch Verwaltungsakt bei Zustimmung jedenfalls der Mehrheit der Berechtigten durch die Gemeinde möglich. Daraus kann man wohl auch schließen, daß die Gemeinde nicht einseitig mit bindender Wirkung Bestand oder Erlöschen eines derartigen Nutzungsrechtes durch feststellenden VA feststellen kann. U. E. fehlt es damit schon an einer Ermächtigungsgrundlage der Gemeinde zu Erlaß eines derartigen Verwaltungsaktes. e) Auch wenn die Gemeinde einen derartigen feststellenden Verwaltungsakt erlassen und dieser bestandskräftig werden sollte, würde dies u. E. nicht als Grundlage einer Amtslöschung im Grundbuch nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO genügen. Denn Inhalt des feststellenden VA's kann allenfalls sein, daß allfällige öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte erloschen sind. Die Feststellung, ob es sich bei den Nutzungsrechten um privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte handelt, kann hingegen u. E. nicht Inhalt des Verwaltungsaktes sein, da sie über den Bereich des öffentlichen Rechts hinausgeht. Insoweit kann der Verwaltungsakt damit gegenüber dem Grundbuchamt keinen Nachweis erbringen. Er genügt damit nicht zur Löschung der eingetragenen Rechte. Die Gemeinde sollte sich daher u. E. um eine Löschungsbewilligung der eingetragenen Berechtigten bemühen. Soweit sie diese nicht erlangen kann, wird ihr nichts anderes übrig bleiben, als die eingetragenen Berechtigten entweder auf Löschungsbewilligung zu verklagen bzw. ihnen gegenüber Feststellungsklage auf Erlöschen des Rechtes zu erheben.

Gutachten/Abruf-Nr:

1178

Erscheinungsdatum:

01.01.1998

Rechtsbezug

National

Normen in Titel:

BayGO Art. 80; EGBGB Art. 184