29. Oktober 2021
WEG § 5

Nutzung von Stellplatzflächen; Benutzungsbeschluss und Begründung von Sondernutzungsrechten

Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.:                            183925
letzte Aktualisierung:        29. Oktober 2021

WEG §§ 5, 10
Nutzung von Stellplatzflächen; Benutzungsbeschluss und Begründung von Sondernutzungsrechten

I. Sachverhalt

Die Eigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die im Jahr 1970 begründet wurde, möchte die Benutzung von Stellplätzen im Freien regeln. Seinerzeit wurden Stellplätze im Freien errichtet, aber nicht als Sondernutzungsrechte zugewiesen. Zudem waren ursprünglich weniger Stellplätze als Wohnungen vorhanden. Die Eigentümer haben im Jahr 2019 beschlossen, die vorhandenen Stellplätze in Stand zu setzen und gleichzeitig weitere Stellplätze auf dem Teilungsgrundstück zu schaffen, sodass je Wohnung ein Stellplatz vorhanden ist. Die Stellplätze wurden im Jahr 2020 entsprechend errichtet Die Wohnungseigentümer möchten nunmehr jedem Wohnungseigentümer einen Stellplatz „zuweisen“. Eine allgemeine Öffnungsklausel ent¬hält die Teilungserklärung nicht. Die Teilungserklärung enthält lediglich die Bestimmung, dass für den „Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums die Hausordnung maßgebend ist“, wobei nicht weiter geregelt ist, wie diese festgelegt wird. Soweit möglich soll der Weg über die Änderungen der Gemeinschaftsordnung vermieden werden.

II. Fragen

1.    Ist ein Beschluss (der nach dem 1.12.2020 gefasst wird) zulässig, der

–    die Benutzung einer vormaligen Rasenfläche als Stellplatzfläche beinhaltet?

–    die Benutzung von Stellplätzen im Freien dahingehend regelt, dass jeder Wohnungs-eigentümer nur einen Stellplatz gleichzeitig nutzen darf?

–    die Benutzung von Stellplätzen im Freien dahingehend regelt, dass jeder Wohnungs-eigentümer nur einen bestimmten Stellplatz nutzen darf?

2.    Bindet der gefasste Beschluss die Sonderrechtsnachfolger?

3.    Soweit eine Vereinbarung getroffen wird, ist dann die Zustimmung der dinglich Berechtig¬ten erforderlich?

III. Zur Rechtslage

1. Änderungen bzgl. der Benutzungsregelungen durch das WEMoG

Am 1.12.2020 trat das Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Moderni-sierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von kosten- und grundbuch-rechtlichen Vorschriften (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEMoG) in Kraft. Eine aus¬führliche Darstellung der für die notarielle Praxis relevanten Änderungen findet sich in DNotI-Report 22/2020 (S. 169 ff.). Soweit im Folgenden Para¬graphen des WEG zitiert werden, bezieht sich die Angabe auf die seit 1.12.2020 geltende Rechtslage. Zitierungen mit der Kennzeichnung „a. F.“ beziehen sich auf die bis zum 30.11.2020 geltende Rechtslage.

Gemäß § 15 Abs. 1 WEG a. F. konnten die Wohnungseigentümer den Gebrauch des Son¬dereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums durch Vereinbarung regeln. Gem. § 15 Abs. 2 WEG a. F. konnten die Wohnungseigentümer einen ordnungsmäßigen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums beschließen.

§ 15 WEG a. F. wurde im Rahmen des WEMoG vollständig aufgehoben und in andere Normen überführt. Eine Änderung der Regelung in der Sache sollte damit ausdrücklich nicht verbunden sein (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 4 Rn. 60). § 15 Abs. 1 WEG a. F. wurde in § 10 Abs. 1 S. 2 WEG integriert. § 15 Abs. 2 WEG a. F. entspricht bezüglich der Regelung der Benutzung dem neuen § 19 Abs. 1 WEG (vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 60). Der in § 15 Abs. 3 WEG a. F. enthaltene Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers wurde in § 18 Abs. 2 WEG überführt, wobei zu beachten ist, dass sich der Anspruch gem. § 18 Abs. 2 WEG nunmehr – der Systematik der Reform ent¬sprechend – gegen die Gemeinschaft richtet. Inhaltlich ist auch dieser Anspruch unverän¬dert (vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 59). Das neue Recht sieht daher insofern keine erweiter¬ten Beschlussmöglichkeiten für die Änderung einer Gebrauchsregelung vor.

2. Einordnung der beabsichtigten Beschlüsse

Nach § 19 Abs. 1 WEG beschließen die Wohnungseigentümer eine ordnungsmäßige Ver-waltung und Benutzung. Dabei wirken Beschlüsse der Wohnungseigentümer grundsätzlich auch ohne grundbuchliche Verlautbarung gegen Sondernachfolger (vgl. § 10 Abs. 3 S. 2 WEG).

Benutzungsbeschlüsse sind jedoch nicht grenzenlos zulässig. So darf weder eine vom Ge¬setz oder einer Vereinbarung erlaubte Benutzung vollständig verboten oder ausgeschlossen werden (LG Koblenz NZM 2017, 377; AG Würzburg ZMR 2015, 423) noch eine Be¬nutzung erlauben, die von Gesetzes wegen oder aufgrund einer Vereinbarung verboten ist (LG München I ZMR 2012, 477; Schmid ZWE 2014, 114, 115; Merle, DWE 1986, 2). Als weitere Grenze ist darüber hinaus der Kernbereich des Wohnungs¬eigentums zu berück¬sichtigen (BGH NJW 2019, 2083 Rn. 7; BGH NJW 2015, 549 Rn. 15; BGH NZM 2004, 227 unter Ziff. III. 2. c) bb) (1); BGH NJW 1995, 2036).

Berührt sein kann im vorliegenden Fall dabei insbes. die erstgenannte Grenze. Die bloße Benutzung einer vormaligen Rasenfläche als Stellplatzfläche überschreitet diese jedoch nicht. Denn ein Benutzungsbeschluss kann eine nach §§ 13 Abs. 1, 16 Abs. 1 S. 3 WEG i. V. m. §§ 903, 1004 BGB grundsätzlich erlaubte Benutzung jederzeit einschränken, kon-kretisieren oder ändern (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 19 Rn. 21). Als zulässig wird daher auch eine Bestimmung angesehen, einen Stellplatz künftig als Grillplatz zu ge-brauchen (Hügel/Elzer, § 19 Rn. 21). Dies lässt sich mit dem vorliegenden Sachverhalt ver¬gleichen.

Eine Benutzungsbestimmung durch Benutzungsbeschluss setzt aber stets einen weiterhin vorliegenden Mitgebrauch voraus (BGH NZM 2016, 861 Rn. 15; NJW 2000, 3500). Anhand der Kriterien Ausschließlichkeit, Bestimmtheit, Dauer, Gegenleistung, Kompensation, Widerruflichkeit ist daher zu ermitteln, ob ein Sondernutzungsrecht oder ein bloßer Benutzungsbeschluss vor¬liegt (Wenzel, ZWE 2001, 231). Wesentlicher Prüfstein ist die Frage, ob der Mitgebrauch (und in der Regel auch die Mitnutzung) des gemein¬schaftlichen Eigentums entzogen und allein einem einzelnen Wohnungseigentümer zugewie¬sen wird (BGH NJW 2000, 3500); OLG München ZMR 2008, 560; LG Köln ZWE 2012, 187). Hiervon ist die Konkreti¬sierung des weiterhin gemeinschaftlichen Gebrauchs (BayObLG FGPrax 2005, 113) abzu¬grenzen.

Die Regelung, dass jeder Wohnungseigentümer nur gleichzeitig einen Stellplatz nutzen darf, kann man dabei einer Konkretisierung des weiterhin gemeinschaftlichen Gebrauchs zu¬ordnen. Denn Turnusregelungen – also die Regelung, welcher Wohnungs-eigentümer wann und wie lange einen Gebrauch an einem im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Raum oder einer Fläche hat,– sind grundsätzlich eine Konkretisierung des gemeinschaftlichen Ge¬brauchs und kein Sondernutzungsrecht und stehen diesem auch nicht gleich (BGH NZM 2016, 861 Rn. 18; NJW 2014, 1879 Rn. 16). Anders ist dies dann zu beurteilen, wenn die zeitabschnittsweise alleinige Nutzung länger andauert (Hügel/Elzer, § 19 Rn. 26).

Während Beschlüsse über die Benutzung einer ehemaligen Rasenfläche als Stellplatzfläche und die Benutzung nur eines Stellplatzes folglich aus unserer Sicht möglich sind, über-schreitet die dauerhafte Benutzung eines bestimmten Stellplatzes die Grenzen eines zulässi¬gen Benutzungsbeschlusses, da der Mitgebrauch der anderen Wohnungseigen¬tümer dauer¬haft ausgeschlossen wird. Der Stellplatz wird dann jeweils zum Alleingebrauch und unter dauerndem Entzug eines Mitgebrauchs zugewiesen, sodass ein Sondernutzungs-recht vor¬liegt (vgl. BGH NZM 2016, 861 Rn. 11; OLG Düsseldorf NZM 2003, 767; KG NJW-RR 1987, 653; OLG Karlsruhe MDR 1983, 672; LG Karlsruhe ZWE 2012, 102).

3. Begründung von Sondernutzungsrechten

a) Beschluss

Die Begründung eines Sondernutzungsrechtes im Wege eines Beschlusses ist grund-sätzlich nicht möglich (BGH NJW 2014, 1879 Rn. 16; NJW 2000, 3500). Die Frage, ob ein Sondernutzungsrecht aber dann durch einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungs¬eigen¬tümer begrün¬det werden kann, wenn die Teilungserklärung eine sog. Öffnungs¬klausel enthält, ist umstritten und noch nicht höchstrichterlich geklärt. Ein Teil der Literatur hält eine allgemeine Öffnungsklausel für ausreichend (vgl. BeckOK-BGB/Hügel, 57. Ed. 1.2.2021, § 10 WEG Rn. 20 m. w. N.; Rapp, in: Beck´sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 3 Rn. 62d m. w. N.), ein anderer Teil verlangt eine spezielle Öffnungs¬klausel (BeckOK-WEG/Müller, 42. Ed. 1.8.2020, § 15 Rn. 284 m. w. N.), während wiederum andere Stimmen die Begründung von Sondernutzungsrechten aufgrund Öff¬nungsklausel gänzlich ablehnen (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 2885b, 2912d m. w. N.; vgl. zum Meinungsspektrum auch Francastel, RNotZ 2015, 385, 404).

Eine allgemeine Öffnungsklausel enthält die Teilungserklärung nach dem uns mitgeteil¬ten Sachverhalt aber nicht. Ob die Bestimmung, dass für den „Gebrauch des ge¬meinschaft¬lichen Eigentums die Hausordnung maßgebend ist“, als Öffnungsklausel einzuordnen ist, lässt sich von uns mangels Kenntnis aller Umstände des Einzelfalls nicht abschließend beurteilen. Wir würden aber dazu tendieren, dies zu verneinen. Die Klausel gibt letztlich nicht mehr als die geltende Rechtslage wieder (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 1 WEG).

Eine in der Teilungserklärung enthaltene Öffnungsklausel ist letztlich eine Ver-einbarung i. S. v. § 10 Abs. 1 S. 2 WEG mit dem Inhalt, dass Vereinbarungs-angelegenheiten durch die Mehrheit der Wohnungseigentümer mittels Beschluss geregelt werden können (vgl. BeckOGK WEG/Falkner, Std.: 1.12.2020, § 10 Rn. 158-161; Hügel/Elzer, § 10 Rn. 169). Die betreffende Bestimmung enthält aber keinerlei Aussagen oder Anhalts¬punkte dafür, dass Regelungen durch Beschlüsse über die im Gesetz vorgesehenen Fälle hinaus möglich sein sollen. Vielmehr bezieht sich diese auf den „Gebrauch“, was u. E. auch lediglich eine Bezugnahme auf die gesetzlich vor¬gesehene Möglichkeit des Treffens von Benutzungsbeschlüssen sein kann. Auf die Frage, ob die Vereinbarung eines Sondernutzungsrechts bei einer Öffnungsklausel in der Teilungserklärung möglich ist, kommt es daher nach unserer Auffassung vorliegend nicht an. Rein ergänzend sei darauf hingewiesen, dass dann im Gegensatz zur Rechts¬lage vor dem Inkrafttreten des WEMoG zum 1.12.2020 aber in jedem Fall eine Ver¬lautbarung des Beschlusses im Grundbuch erforderlich wäre, damit dieser für und gegen Sondernachfolger wirkt (vgl. §§ 5 Abs. 4 S. 1, 7 Abs. 2 WEG).

b) Vereinbarung

Begründen lässt sich ein Sondernutzungsrecht aber durch eine Vereinbarung i. S. v. § 10 Abs. 1 S. 2 WEG. Gegen Sondernachfolger wirken Vereinbarungen nach § 10 Abs. 3 S. 1 WEG nur dann, wenn sie im Grundbuch eingetragen sind. Bei dieser sog. Verdinglichung der Sondernutzungsrechte ist aber die Zustimmung der dinglich Be¬rechtigten der anderen Wohnungseigentümer erforderlich (Hügel/Elzer, § 10 Rn. 126), sofern nicht ein Unschädlichkeitszeugnis vorgelegt wird (Schöner/Stöber, Rn. 739, 741). Rechts¬grundlage sind gemäß dem Vorbehalt in Art. 120 Abs. 1 EGBGB die ent¬sprechenden lan¬desrechtlichen Vorschriften. Für Bayern ist dies Art. 72 AGBGB, der nach Art. 72 Abs. 2 Nr. 2 AGBGB auch auf die Einräumung von Sondernutzungs¬rechten Anwendung findet.

Nach Art. 72 Abs. 1 AGBGB darf die Feststellung der Unschädlichkeit nur erfolgen, wenn die Rechtsänderung für den Berechtigten unschädlich ist. Nach Art. 72 Abs. 3 AGBGB setzt dies voraus, dass der Umfang und der Wert des belasteten Grundstücks nur geringfü¬gig geschmälert werden. Für den eigentlichen Anwendungsbereich des Art. 72 Abs. 1 AGBGB kommt es somit nicht auf die Größe und den Wert des abge¬schriebenen Teil¬stücks im Verhältnis zum Restgrundstück an, sondern auf die Größe und den Wert des ver¬bleibenden Restgrundstücks im Verhältnis zum ursprünglichen Grundstück (noch zum BayUnschZG Sprau, Justizgesetze in Bayern, 1988, Einf. UnschZG Rn. 27). Eine allgemei¬ne Regel, wann eine Minderung als gering anzusehen ist, lässt sich grundsätzlich nicht auf¬stellen. Maßstab für die Beurteilung ist, ob das Recht, dem gegenüber das Zeugnis erteilt werden soll, durch die Ablösung des Trenn¬stücks beeinträchtigt wird. Hierbei sind alle Um¬stände des Einzelfalls zu berücksichti¬gen (noch zum BayUnschZG Sprau, Rn. 30). Nach der überwiegenden Meinung konnte eine Unschädlichkeit angenommen werden, wenn die Min¬derung von Wert und Umfang maximal 5 % bis 10 % beträgt (Staudinger/J. Mayer, BGB, 2013, Art. 120 EGBGB Rn. 26 m. w. N.).

Ob diese Anforderungen auch für Art. 72 AGBGB und die Begründung von Son-dernutzungsrechten gelten, wird in Literatur und Rechtsprechung – soweit für uns er-sicht¬lich – nicht erörtert. Ob hiernach die Er¬teilung eines Unschädlichkeitszeugnisses möglich ist, lässt sich von uns mangels Kenntnis aller Umstände des Einzelfalls nicht beurteilen, erscheint uns angesichts der umfangreichen Neubegründung von Sonder-nutzungsrechten aber eher als fernliegend.

4. Ergebnis

Ein Beschluss über die Nutzung einer vormaligen Rasenfläche als Stellplatzfläche ist nach unserer Einschätzung ebenso zulässig wie der Beschluss, dass jeder Wohnungseigentümer gleichzeitig nur einen Stellplatz gleichzeitig nutzen darf. Diese Beschlüsse wirken dabei ohne Eintragung im Grundbuch für und gegen Sonderrechtsnachfolger (§ 10 Abs. 3 S. 2 WEG).

Ein Beschluss über die dauerhafte Nutzung eines bestimmten Stellplatzes für einen Woh-nungseigen¬tümers ist hingegen nach unserer Auffassung nicht möglich. Hierbei kommt es aus unserer Sicht nicht auf die Frage an, ob bzw. ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Beschlussfassung bei einer Öffnungsklausel in der Teilungserklärung möglich ist, da wir das Vorliegen einer Öffnungsklausel nach dem uns mitgeteilten Sachverhalt tendenziell vernei¬nen würde. Eine Begründung von Sondernutzungsrechten ist daher nur im Wege einer Ver¬einbarung möglich. Für und gegen Sonderrechtsnachfolger wirkt diese nur bei ihrer Ein¬tragung im Grundbuch. Dies erfordert die Zustimmung der dinglich Berechtigten der ande¬ren Wohnungseigentümers, sofern nicht die Erteilung eines Unschädlichkeits¬zeugnisses möglich ist, was uns im vorliegenden Fall eher als fernliegend erscheint.

Gutachten/Abruf-Nr:

183925

Erscheinungsdatum:

29.10.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG

Normen in Titel:

WEG § 5