28. Juni 2021
BGB § 94; WEG § 5 Abs. 2; WEG § 5 Abs. 1; BGB § 93; WEG § 3 Abs. 2

Eigentum an baulichen Anlagen auf Freiflächen-Sondereigentum/Annex-Sondereigentum; Sondereigentumsfähigkeit der Grundfläche des Ausgangsgebäudes

WEG §§ 3 Abs. 2; § 5 Abs. 1 u. 2; BGB §§ 93, 94, 912
Eigentum an baulichen Anlagen auf Freiflächen-Sondereigentum/Annex-Sondereigentum; Sondereigentumsfähigkeit der Grundfläche des Ausgangsgebäudes

I. Sachverhalt
Ein einheitliches Grundstück, das mit zwei Doppelhaushälften bebaut ist, wurde im Jahr 1982 im Wege einer Quasi-Realteilung in Wohnungs- und Teileigentum aufgeteilt, da eine Teilungsgenehmigung nicht zu erlangen war. Wie auch heute noch üblich wurden den beiden Wohnungseigentümern an den Flächen, auf denen die jeweilige Doppelhaushälfte steht und die das jeweilige Doppelhaus umgeben, Sondernutzungsrechte eingeräumt.
Die derzeitigen Eigentümer beider Einheiten (Eltern) beabsichtigen, je eine Doppelhaushälfte, d. h. je ein Wohnungseigentumsrecht, auf ihren Sohn und ihre Tochter zu übertragen. Beide Kinder wollen an ihre jeweilige Doppelhaushälfte anbauen. Eine Realteilung des Grundstücks ist nach wie vor nicht möglich, da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Teilungsgenehmigung nicht vorliegen. Wegen der geplanten Anbauten ist angedacht, das Sondereigentum an der jeweiligen Doppelhaushälfte auf die umliegende Freifläche zu erstrecken.

II. Fragen
1. Wenn gem. § 3 Abs. 2 WEG n. F. das Sondereigentum auf Freiflächen außerhalb des Gebäudes erstreckt wird, steht das Eigentum an Gebäuden wie beispielsweise Anbauten an Doppel- und/oder Reihenhäusern, die auf solchen Flächen errichtet werden, automatisch dem jeweiligen Sondereigentümer zu, dem die Fläche zugeordnet ist, § 5 Abs. 1 Satz 2 WEG n. F. i. V. m. § 94 BGB?

2. Bedarf es in diesen Fällen einer (weiteren) Änderung der Teilungserklärung, um diese Räumlichkeiten dem betreffenden Sondereigentum zuzuordnen? Ist eine neue Abgeschlossenheitsbescheinigung erforderlich?

3. Sind die Flächen, auf denen die jeweilige Doppelhaushälfte steht, sondereigentumsfähig nach § 3 Abs. 2 WEG n. F. oder findet § 3 Abs. 2 WEG n. F. nur auf Flächen außerhalb eines Gebäudes Anwendung, sodass die Flächen, auf denen die Doppel- und/oder Reihenhäuser errichtet sind, nach wie vor zwingend Gemeinschaftseigentum sind und das Sondereigentum darauf nicht „erstreckt“ werden kann?

III. Zur Rechtslage
1. Sondereigentumsfähigkeit der Grundfläche des Ausgangsgebäudes
Seit der zum 1.12.2020 in Kraft getretenen Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEMoG, vgl. BGBl. I v. 22.10.2020, 2187; s. nun auch die vollständige Bekanntmachung der Neufassung des WEG vom 12.1.2021, BGBl. I v. 20.1.2021, 34) ist es möglich, gem. § 3 Abs. 2 WEG Sondereigentum auf einen außerhalb des Gebäudes liegenden Teil des Grundstücks zu erstrecken, soweit die Wohnung oder die nicht zu Wohnzwecken dienenden Räume dadurch wirtschaftlich nicht ihre Eigenschaft als Hauptsache verlieren. In der Literatur besteht – soweit ersichtlich – Einigkeit dahingehend, dass die Grundstücksfläche, auf der das aufgeteilte Gebäude steht, weiterhin zwingend Gemeinschaftseigentum ist (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 3 Rn. 66; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform, 2020, § 16 Rn. 1690; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht, 2021, Kap. 1 Rn. 24). Lediglich Wicke geht davon aus, dass die Auswirkungen des § 3 Abs. 2 WEG auf die Gestaltung von Reihen- und Mehrhausanlagen als offen zu bezeichnen sind (Palandt/Wicke, BGB, 80. Aufl. 2021, § 3 Rn. 11). Letzterer betont jedoch, dass diesbezüglich in der Praxis Zurückhaltung gegenüber einer extensiven Auslegung des § 3 Abs. 2 WEG anzuraten sei. U. E. dürfte sich aufgrund des klaren Wortlauts des § 3 Abs. 2 WEG ergeben, dass sich das „Freiflächen-Sondereigentum“ nicht auf die unter dem Hauptgebäude belegene Grundstücksfläche erstrecken kann, da diese nicht „außerhalb des Gebäudes“ liegt. Hinzu kommt, dass diese Fläche gem. § 5 Abs. 2 WEG für den Bestand und die Sicherheit des Gebäudes erforderlich ist, sodass die Grundstücksfläche unter dem Gebäude schon deshalb zwingend Gemeinschaftseigentum ist. Dass der Gesetzgeber diesbezüglich etwas an der bestehenden Rechtslage (vgl. BGH NJW 1968, 1230; explizit zu Doppelhaushälften OLG Düsseldorf FGPrax 2004, 267) ändern wollte, ist nicht ersichtlich. Deswegen wird man wohl auch keine Aus­nahme für Doppelhaushälften annehmen können. Denn die Besonderheiten bei Doppelhaushälften, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorgaben mittels „Hilfskonstruktion“ in WEG unterteilt wurden, bestanden gleichermaßen auch schon vor der Reform. Auch der eindeutige Wortlaut des § 3 Abs. 2 WEG dürfte dagegensprechen, denn diese Flächen liegen auch bei Doppelhaushälften zweifelsohne nicht „außerhalb des Gebäudes“.

2. Sondereigentumsfähigkeit von nachträglich auf Freiflächen-Sondereigentum errich­teten Gebäuden
Gem. § 5 Abs. 1 S. 2 WEG gilt § 94 BGB entsprechend, soweit sich das Sondereigentum auf außerhalb des Gebäudes liegende Flächen bezieht. Gem. § 94 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks die mit dem Grund und Boden fest verbunde­nen Sachen, insbesondere Gebäude. Liest man § 5 Abs. 1 S. 2 WEG und § 94 Abs. 1 S. 1 BGB zusammen, bedeutet dies, dass die auf dem Freiflächen-Sondereigentum errichteten Gebäude wesentliche Bestandteile des Sondereigentums sind (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, Kap. 1 Rn. 30; Lehmann-Richter/Wobst, Rn. 1726; Hügel/Elzer, § 5 Rn. 18). Es stellt sich allerdings die Frage, wie sich diese Norm zu § 5 Abs. 2 WEG verhält, ob also die Anordnung des § 5 Abs. 1 S. 2 WEG auch für konstruktive Teile des Gebäudes Geltung beanspruchen kann. Die h. M. sieht mit den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drucks. 19/18791, 40) einen Vorrang des § 5 Abs. 1 S. 2 WEG dahingehend, dass die Anordnung der Anwendung des § 94 BGB insofern § 5 Abs. 2 WEG überlagert und auch die konstruktiven Bestandteile des auf dem Freiflächen-Sondereigentum errichteten Gebäudes wesentliche Bestandteile des Sondereigentums werden (Becker/Schneider, ZfIR 2020, 281, 285; Hügel/Elzer, § 5 Rn. 18; BeckOK WEG/Leidner, Std.: 2.4.2021, § 5 Rn. 26). Teilweise wird dies mit der Erwägung bestritten, dass der Gesetzgeber einen Vorrang des § 5 Abs. 1 S. 2 WEG weder dort noch in § 5 Abs. 2 WEG zum Ausdruck gebracht habe. Der Gesetzgeber habe § 5 Abs. 2 WEG vielmehr sogar um den Zusatz ergänzt, dass dieser auch gelte, wenn sich die Gebäudeteile im Bereich der im Sondereigentum stehenden „Teile des Grundstücks“ befänden (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, Kap. 1 Rn. 30).

Unseres Erachtens überzeugt jedenfalls für Gebäude, die getrennt vom Hauptgebäude errichtet werden, die erstgenannte Ansicht. Die in § 5 Abs. 2 WEG aufgenommene Klarstellung, dass Teile des Gebäudes auch dann lediglich Gegenstand des Gemeinschaftseigentums sein können, wenn sie sich im Bereich des Freiflächen-Sondereigentums („Teile des Grundstücks“) befinden, bezieht sich ersichtlich auf solche Anlagen, die dem „Hauptgebäude“ dienen, also dem Gebäude, von dem aus das Sondereigentum gem. § 3 Abs. 2 WEG erstreckt wird. Dies zeigt sich auch an den vom Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung genannten Fällen, wie beispielsweise Versorgungsleitungen, die unterhalb der im Sondereigentum stehenden Freifläche verlegt sind (BT-Drucks. 19/18791, 40). § 5 Abs. 2 WEG ist also dahingehend zu verstehen, dass er von vornherein nur Anwendung auf Teile des Gebäudes findet, von dem aus sich das Freiflächen-Sondereigentum erstreckt. § 5 Abs. 1 S. 2 WEG ist insofern lex specialis.

Zu einer anderen Beurteilung wird man jedoch für die vorliegende Konstruktion kommen müssen, in der unmittelbar an das Hauptgebäude angebaut wird. Denn dann gerät das Prinzip der Rechtseinheit zwischen Gebäude und Grundstück gem. § 94 BGB – vergleichbar mit einem Überbau – in Konflikt mit dem Prinzip der Rechtseinheit zwischen einzelnen Teilen eines einheitlichen Gebäudes gem. § 93 BGB (vgl. MünchKommBGB/Stresemann, 8. Aufl. 2018, § 94 Rn. 8). Ein Überbau im klassischen Sinne des § 912 BGB dürfte zwar nicht vorliegen, da nicht über eine Grundstücksgrenze gebaut wird. Die Situation ist jedoch insofern vergleichbar, als an der Grenze der bisherigen Bebauung in diesem Fall eine „Eigentumsgrenze“ zwischen Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum verläuft. Es stellt sich also die Frage, wie das Verhältnis zwischen § 94 BGB und § 93 BGB in diesen Fällen zu beurteilen ist. Man könnte sich zwar auf den Standpunkt stellen, dass der Gesetzgeber diesen Konflikt durch Bezugnahme auf § 94 BGB in § 5 Abs. 1 S. 2 WEG auflösen wollte. Unseres Erachtens ist der Verweis jedoch eher dahingehend zu verstehen, dass die allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze für die Einheitlichkeit der Eigentumsverhältnisse auch bezüglich des Freiflächen-Sondereigentums gelten sollen. Dies würde aber bedeuten, dass im vorliegenden Fall das Eigentum an dem Gebäude als Ganzen dem „Stammgrundstück“ (also dem Gemeinschaftseigentum) zuzurechnen ist.

Geht man davon aus, dass bei einem Anbau an das Hauptgebäude das Eigentum am Anbau dem Eigentum am Hauptgebäude folgt, so handelt es sich grundsätzlich um Gemeinschaftseigentum, soweit es nicht dem Sondereigentümer als Sondereigentum zugeordnet wird. Sonder- und Gemeinschaftseigentum werden über den Aufteilungsplan abgegrenzt, auch wenn sich bei natürlicher Betrachtungsweise diese Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht zeigt. Die Abgrenzung erfolgt dann durch sog. „Luftschranken“ (BGH NZM 2008, 688, 689; BGH NZM 2016, 132, 134), wobei diese Schranken durch den Aufteilungsplan vorgegeben werden. Es empfiehlt sich deshalb auch nach neuer Rechtslage vorsorglich eine sachenrechtliche Änderung der Teilungserklärung (Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum) nebst Anpassung des Aufteilungsplans.

3. Erforderliche Pläne bei Umwandlung eines Sondernutzungsrechts in Freiflächen-Sondereigentum
Gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2 WEG ist dem Grundbuchamt eine Bescheinigung der Baubehörde vorzulegen, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 WEG vorliegen. Die Bezeichnung als „Abgeschlossenheitsbescheinigung“ ist insofern unter Geltung des neuen Rechts irreführend. Die Baubehörde muss künftig nicht nur bescheinigen, dass die Abgeschlossenheit vorliegt, sondern auch, dass die Maßangaben den Anforderungen des Gesetzes genügen. Dies sieht § 6 AVA n.F. ausdrücklich vor (vgl. BR.-Drs. 312/21 v. 15.4.2021 mit Zustimmung durch den Bundesrat am 28.5.2021, s. Plenarprotokoll 1005 des Bundesrats vom 28.5.2021, S. 255). Dementsprechend ist auch bei der Umwandlung von Sondernutzungsrechten in Freiflächen-Sondereigentum eine Bescheinigung gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2 WEG erforderlich.

Für die Umwandlung von Sondernutzungsrechten in Sondereigentum ist materiell-rechtlich eine Auflassung in der Form des § 925 Abs. 1 BGB und die Eintragung im Grundbuch erforderlich. Grundbuchrechtlich muss die Bewilligung aller Wohnungseigentümer und sämtlicher Drittberechtigten (Lehmann-Richter/Wobst, Rn. 1745) sowie ein ergänzender Aufteilungsplan samt „Abgeschlossenheitsbescheinigung“ vorliegen.

4. Fazit
Die Umwandlung von Sondernutzungsrechten in Freiflächen-Sondereigentum bedarf der Vorlage eines neuen Aufteilungsplans samt Abgeschlossenheitsbescheinigung, in der die Maßangaben bestätigt sind. Bei der Errichtung von weiteren Gebäuden auf Freiflächen-Sondereigentum separat vom Hauptgebäude, die gem. § 5 Abs. 1 S. 2 WEG i. V. m. § 94 BGB wesentlicher Bestandteil des Sondereigentums werden, dürfte anschließend kein weiterer Aufteilungsplan erforderlich sein, da diese Änderung der tatsächlichen Baulichkeiten grundbuchrechtlich nicht zu vollziehen ist.

Wird jedoch – wie hier offenbar geplant – an das bestehende Gebäude angebaut, gelten u. E. die gleichen Grundsätze wie für den Überbau, was bedeutet, dass der Anbau Bestandteil des Hauptgebäudes wird. Aufgrund der Rechtsprechung des BGH, nach der sich die Grenze zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum vorrangig nach dem Aufteilungsplan richtet, sind bei jedem Anbau entsprechende neue Aufteilungspläne samt Abgeschlossenheitsbescheinigung vorzulegen.

Gutachten/Abruf-Nr:

183192

Erscheinungsdatum:

28.06.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG
Sachenrecht allgemein

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 97-99

Normen in Titel:

BGB § 94; WEG § 5 Abs. 2; WEG § 5 Abs. 1; BGB § 93; WEG § 3 Abs. 2