31. Juli 2020
GrEStG § 1 Abs. 3; GrEStG § 1 Abs. 3a

GrEStG § 1 Abs. 3, Abs. 3a Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzhaltenden GmbH; grunderwerbsteuerliche Beurteilung; geplante Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 175526
letzte Aktualisierung: 3 1 . Juli 2020

GrEStG § 1 Abs. 3 u 3a
Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzhaltenden GmbH; grunderwerbsteuerliche
Beurteilung; geplante Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes

I. Sachverhalt

Eine deutsche GmbH (Zielgesellschaft) ist Eigentümerin eines Grundstücks und Erbbauberechtigte
(Grundbesitz). Gesellschafter der GmbH (Zielgesellschaft) sind zwei zypriotische
limiteds, beteiligt zu 94 % und zu 6 %.

Ein Käufer möchte den Grundbesitz erwerben. Dies soll im Hinblick auf die Vermeidung von
Grunderwerbsteuer dadurch erfolgen, dass als Käufer zwei deutsche GmbHs auftreten, wovon
eine GmbH die 94%-Beteiligung und die andere GmbH die 6%-Beteiligung an der den Grundbesitz
haltenden deutschen GmbH erwerben sollen. Auf der Verkäuferseite stehen somit zwei
zypriotische limiteds und auf der Käuferseite zwei deutsche GmbHs.

II. Frage

Fällt in diesem Fall Grunderwerbsteuer an?

III. Zur Rechtslage

Vom Grundsatz her unterliegen Anteilsübertragungen an einer grundbesitzhaltenden GmbH der
Grunderwerbsteuer, wenn mindestens 95 % der Anteile an der GmbH übertragen werden oder
sich durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile in der Hand
des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden abhängigen Unternehmen oder abhängigen
Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt.
Eine „wirtschaftliche Beteiligung“ von mindestens 95 % ist nach dem neu gefassten § 1
Abs. 3a GrEStG ebenfalls ausreichend. Im einzelnen verweisen wir hierzu auf die nachfolgenden
Ausführungen unter Ziff. 1 und 2.

Hinweisen möchten wir ferner darauf, dass die Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes
insoweit geplant ist, als die 95 %-Grenze auf 90 % herabgesetzt werden soll und
auch ein neuer Ergänzungstatbestand zur Erfassung von Anteilseignerwechseln in
Höhe von mindestens 90 % bei Kapitalgesellschaften eingeführt werden soll (§ 1 Abs. 2b
Entwurf GrEStG). Im Einzelnen verweisen wir hierzu auf den Entwurf zur Änderung des
GrEStG vom 31.7.2019, der auf der Internetseite des DNotI unter „Aktuelles“ vom
3. Dezember 2019 veröffentlicht ist. Geplant war ursprünglich, dass diese Änderungen des
Grunderwerbsteuergesetzes zum 1.1.2020 in Kraft treten. Das Gesetzgebungsverfahren ist
jedoch bisher noch nicht zum Abschluss gebracht worden. Wann dies der Fall sein wird, ist ungewiss.
Die nachfolgenden Ausführungen zu § 1 Abs. 3 bzw. § 1 Abs. 3a GrEStG beziehen sich noch
auf die aktuelle Rechtslage mit 95 %. Träten die Änderungen des Grunderwerbsteuergesetzes in
Kraft, so reduzieren sich die 95 % auf 90 %.

1. Grunderwerbsteuertatbestand nach § 1 Abs. 3 GrEStG

Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG fällt Grunderwerbsteuer für ein Rechtsgeschäft
an, wenn unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft übertragen
werden.

Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer vom Grundsatz her
ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile
der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar
mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der
Hand von herrschenden abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder
in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt
wird (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG). Dasselbe gilt bei der Vereinigung unmittelbar oder
mittelbar von mindestens 95% Anteilen, wenn kein schuldrechtliches Rechtsgeschäft i. S. d.
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorausgegangen ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG, vgl. zur „mittelbaren“
Anteilsvereinigung Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. 2019, § 1 Rn. 1026-1047).

Wer als „abhängig“ i. S. v. § 1 Abs. 3 GrEStG angesehen wird, ist in § 1 Abs. 4 GrEStG
ausgeführt. Als „ abhängig“ gelten danach

1. natürliche Personen, soweit sie einzeln oder zusammengeschlossen in ein Unternehmen
so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers in Bezug auf
die Anteile zu folgen verpflichtet sind;
2. juristische Personen, die nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell,
wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert sind.

2. Grunderwerbsteuertatbestand des § 1 Abs. 3a GrEStG (Regelung seit 7.6.2013)
§ 1 Abs. 3a GrEStG gilt für alle Rechtsvorgänge, aufgrund derer ein Rechtsträger unmittelbar
oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar eine wirtschaftliche Beteiligung in
Höhe von mindestens 95 % an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein Grundstück
gehört, innehat und die nicht schon unter § 1 Abs. 3a GrEStG fallen.

Die grundlegende Neuerung des § 1 Abs. 3a GrEStG liegt darin, dass auch ein Innehaben
einer „wirtschaftlichen Beteiligung“ (von mindestens 95 %) zu einem grunderwerbsteuerlichen
Tatbestand führen kann. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 3a GrEStG
ergibt sich die wirtschaftliche Beteiligung aus der Summe der unmittelbaren und mittelbaren
Beteiligungen am Kapital oder am Vermögen der Gesellschaft (§ 1 Abs. 3a S. 2 GrEStG).

Nach der Neuregelung des § 1 Abs. 3a GrEStG ist somit steuerbar sowohl die erstmalige
wirtschaftliche Beteiligung in der Hand eines Rechtsträgers als auch die Weiterübertragung
einer bereits gegebenen tatbestandsmäßigen wirtschaftlichen Beteiligung auf einen anderen
Rechtsträger.

Die Finanzverwaltung hat zur Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3a GrEStG in einem gleichlautenden
Ländererlass vom 19.9.2018 (BStBl. I 2018, 1078) Stellung genommen. Nach den
Ausführungen der Finanzverwaltung sind steuerbar gem. §1 Abs. 3a GrEStG „Rechtsvorgänge,
die dazu führen, dass ein Rechtsträger erstmalig eine wirtschaftliche Beteiligung in
Höhe von mindestens 95 % an einer grundbesitzenden Gesellschaft innehat. Dabei ist es
unerheblich, ob der Rechtsträger diese wirtschaftliche Beteiligung unmittelbar,
mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar hält. Mit der Einführung der wirtschaftlichen
Beteiligung stellt die neue Regelung auf die unmittelbare und/oder mittelbare
Beteiligung am Kapital oder am Vermögen einer Gesellschaft ab (§ 1 Abs. 3a S. 2 GrEStG).

Damit gilt hier nicht die sachenrechtliche Betrachtungsweise. Vielmehr sind alle
Beteiligungen am Kapital oder im Vermögen einer Gesellschaft rechtsformneutral anteilig
zu berücksichtigen“ (Ziff. 4, 5 des Erlasses; Boruttau, § 1 Rn. 1219-1243).

3. Sachverhalte mit Auslandsberührung
Der Tatbestand des § 1 Abs. 3, 3a GrEStG wird unabhängig davon verwirklicht, ob die Anteilsvereinigung
bei einem inländischen oder ausländischen Gesellschafter oder bei einer
ausländischen Gesellschaft stattfindet (Meßbacher-Hönsch, in: Boruttau, § 1 Rn. 962,
Rn. 1216 m. Hinw. auf weitere Rspr.). Entscheidend ist die Belegenheit des von dem
Grunderwerb erfassten Grundstücks im Inland. Selbst ausländische Gesellschaften können
selbstständige Rechtsträger sein und damit den Tatbestand des § 1 Abs. 3, 3a GrEStG verwirklichen.

4. Ergebnis:

In dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt muss beachtet werden, dass sich eine Grunderwerbsteuerbelastung
auch beim Erwerb von 94 % Anteilen durch die GmbH 1 und 6 %
durch die GmbH 2 unter Umständen dann ergeben kann, wenn sich nach den vorgenannten
Kriterien (Ziff. 1 und Ziff. 2 des Gutachtens) ergibt, dass „einem“ Erwerber (mittelbar
oder unmittelbar oder wirtschaftlich) mehr als 95 % Anteile zugerechnet werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

175526

Erscheinungsdatum:

31.07.2020

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Grunderwerbsteuer

Normen in Titel:

GrEStG § 1 Abs. 3; GrEStG § 1 Abs. 3a