11. September 2019

Insolvenz des Verkäufers und Vollzug der Eigentumsumschreibung bei beurkundungsrechtlicher oder verfahrensrechtlicher Lösung hinsichtlich der Auflassung

InsO §§ 80, 117; BGB § 878
Insolvenz des Verkäufers und Vollzug der Eigentumsumschreibung bei beurkundungsrechtlicher oder verfahrensrechtlicher Lösung hinsichtlich der Auflassung

I. Sachverhalt
In der notariellen Praxis werden in Grundstückskaufverträgen vor allem zwei verschiedene Gestaltungen gewählt, um die Eigentumsumschreibung für den Käufer abzusichern: Die sog. beurkundungsrechtliche Lösung (Ausfertigungssperre) und die sog. verfahrensrechtliche Lösung (Bewilligungslösung), die mit einer Bevollmächtigung des Notars zur Abgabe der Eintragungsbewilligung nach Nachweis der Kaufpreiszahlung operiert.

II. Frage
Was gilt – in Bezug auf die beurkundungsrechtliche sowie die verfahrensrechtliche Lösung – mit Blick darauf, dass nach § 117 Abs. 1 InsO eine vom Insolvenzschuldner erteilte Vollmacht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen insoweit erlischt, als sie sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht? Kann der Notar auch im Fall der Insolvenz des Verkäufers die Eigentumsumschreibung für den Käufer noch herbeiführen?

III. Zur Rechtslage
1. Modelle zur Absicherung der Eigentumsumschreibung
Wegen der Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung nach § 925 Abs. 2 BGB kann diese nicht unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung erklärt werden. Andernfalls wäre sie unwirksam. Um den Käufer hinsichtlich der Kaufpreiszahlung dennoch vor einer ungesicherten Vorleistung zu schützen, sind in der notariellen Praxis derzeit im Wesentlichen zwei Modelle geläufig (hierzu statt aller Krauß, in: Beck'sches Notarhandbuch, 6. Aufl. 2015, A I Rn. 453 ff. und nunmehr – beide gängigen Modelle billigend – BGH NJW 2018, 3523 Tz. 20):

Einerseits wird die beurkundungsrechtliche Lösung der Vollzugs- und Ausfertigungssperre gewählt. Hier wird neben der Auflassung und dem Antrag auf Eigentumsumschreibung auch die entsprechende Eintragungsbewilligung anlässlich des Kaufvertrags bereits mitbeurkundet. Die Beteiligten weisen jedoch den Notar in der Urkunde nach § 53 BeurkG übereinstimmend an, vor Nachweis der Kaufpreiszahlung weder die Eigentumsumschreibung zu beantragen, noch dem Käufer oder dem Grundbuchamt eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der Urkunde zu erteilen, die die Auflassung enthält.

Andererseits wird die verfahrensrechtliche Lösung gewählt. Hier wird neben der Auflassung die Eintragungsbewilligung anlässlich des Kaufvertrages noch nicht mitbeurkundet. Die Beteiligten stellen dies ausdrücklich klar. Stattdessen weisen die Beteiligten den Notar an, die Eintragung des Eigentumswechsels durch Eigenurkunde zu bewilligen, sobald ihm die Kaufpreiszahlung nachgewiesen ist. Die Eigenurkunde ist dann Bestandteil des gesiegelten Antragsschreibens für den Endvollzug beim Grundbuchamt.

In jüngster Vergangenheit wurde zudem vorgeschlagen, eine aufschiebend bedingte Bewilligung zu beurkunden. Die Bedingung soll eintreten, wenn der Notar die Eigentumsumschreibung im Namen des Veräußerers oder des Erwerbers in notarieller Eigenurkunde beantragt (Weber/Wesiack, DNotZ 2019, 164, 172; diesen Vorschlag aufgreifend Krauß, notar 2019, 298, 302).

2. Auswirkungen der Verkäuferinsolvenz auf die Bewilligungsvollmacht
Die verfahrensrechtliche Lösung arbeitet für die Eintragungsbewilligung nach dem Ausgeführten mit einer Vollmacht an den Notar, von der dieser erst noch Gebrauch machen muss. Wird jedoch über das Vermögen des Verkäufers das Insolvenzverfahren eröffnet, so erlöschen von ihm erteilte Vollmachten, die sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beziehen, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 117 Abs. 1 InsO). Dieses Erlöschen von Vollmachten nach § 117 Abs. 1 InsO betrifft grundsätzlich Vollmachten aller Art (Überblick bei Heckschen, in: Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenz­recht in der Gestaltungspraxis, 2. Aufl. 2018, § 7 Rn. 1 ff.; s. auch Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl. 2019, § 117 Rn. 3 ff.; MünchKommInsO/Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 117 Rn. 7 ff.).

Allerdings wird die Anwendbarkeit der §§ 116, 117 InsO auf die Vollzugstätigkeit des Notars nach § 24 Abs. 1 S. 1 BNotO bzw. § 53 BeurkG teilweise unter Hinweis auf die öffentlich-rechtliche Natur der notariellen Tätigkeit bestritten (Heckschen, in: Reul/Heckschen/Wienberg, § 7 Rn. 11 f., 14) Dazu wird auch auf vormalige Rechtsprechung des RG rekurriert, wonach der heutige § 116 InsO, der das Erlöschen von Geschäftsbesorgungsverträgen durch die Insolvenzverfahrenseröffnung bestimmt, auf die „amtliche Tätigkeit der preußischen Notare“ unanwendbar sei (RGZ 85, 409, 413 f.; 95, 214, 217). Von diesem Standpunkt hat sich später das BayObLG distanziert: Das Erlöschen von Vollmachten nach § 117 Abs. 1 InsO gelte auch für die einem Urkundsnotar erteilte Vollmacht, etwa jener zur Stellung eines Löschungsantrags (hierzu BayObLG NZI 2004, 499, 500; MünchKommInsO/Ott/Vuia, § 117 Rn. 8 a. E.). Im Anschluss hieran hat kürzlich das OLG München (in anderem Zusammenhang) wiederum angenommen, dass das Erlöschen von Vollmachten durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verkäufers nach § 117 Abs. 1 InsO auch die dem Notar bei der verfahrensrechtlichen Lösung erteilte Vollmacht zur Erklärung der Eintragungsbewilligung und Stellung des Eintragungsantrags betreffe (OLG München MittBayNot 2018, 586 Tz. 30 ff.).

U. E. ist diese neuere Rechtsprechung trotz der damit verbundenen Einbuße an insolvenzfesten Gestaltungsmöglichkeiten wertungsmäßig überzeugend: Aus der öffentlich-rechtlichen Natur der Amtstätigkeit des Notars folgt nicht zwingend, dass auch die vom späteren Insolvenzschuldner durch einseitige Erklärung an den Notar erteilte Vollmacht zur Durchführung eines privatrechtlichen Kaufvertrages ihrerseits öffentlich-rechtlicher Natur ist. Auch wenn man Letzteres annimmt, wäre weiter zu begründen, wieso eine ansonsten im öffentlichen Recht vielfach angeordnete analoge Anwendung privatrechtrechtlicher Grundsätze (etwa durch § 62 VwVfG zum öffentlich-rechtlichen Vertrag) hier zum Nachteil der durch § 117 InsO geschützten Insolvenzgläubiger ausscheiden soll. Ungeachtet der Einwände gegen die Richtigkeit der genannten Entscheidung des OLG München aus anderen Gründen (Lautner, MittBayNot 2018, 591, 591 f.) ist jedenfalls die hier interessierende Frage des Erlöschens von Notarvollmachten durch die neueren, § 117 Abs. 1 InsO anwendenden Judikate nach unserer Einschätzung für die Praxis entschieden. Ist über das Vermögen des Verkäufers das Insolvenzverfahren mit der Folge des § 80 Abs. 1 InsO eröffnet, so ist ein Vollzug der Eigentumsumschreibung im Grundbuch aufgrund der noch zu erstellenden Eigenurkunde des Notars also nicht mehr möglich.

3. Auswirkungen der Verkäuferinsolvenz auch bei Wahl der beurkundungsrechtlichen Lösung
Im Ergebnis wird dieses Vollzugsproblem bei Wahl der beurkundungsrechtlichen Lösung der Vollzugs- und Ausfertigungssperre jedoch nach unserer Einschätzung nicht gelöst. Hier sind neben der Auflassung zwar auch Eintragungsbewilligung und Eintragungsantrag schon gemeinsam mit dem Kaufvertrag mitbeurkundet. Um den Verkäufer vor einer ungesicherten Vorleistung zu sichern, werden beide freilich aufgrund übereinstimmender Weisung der Parteien an den Notar noch nicht an das Grundbuchamt eingereicht, ehe die Kaufpreiszahlung nachgewiesen ist (§ 53 BeurkG).

Hier ist der Vollzug der Eigentumsumschreibung auf den Käufer bei vorzeitiger Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verkäufers ohne weitere Voraussetzungen ebenfalls nicht möglich: Grundsätzlich müssen nämlich die Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Verfügung noch im Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs gegeben sein, also im Zeitpunkt der Eintragung des Eigentumswechsels durch das Grundbuchamt (§ 873 Abs. 1 BGB; BeckOGK-BGB/Kesseler, Std.: 1.1.2019, § 878 Rn. 2; Staudinger/C. Heinze, BGB, 2018, § 878 Rn. 1). § 878 BGB macht von diesem Grundsatz nur für den Fall eine Ausnahme, dass der Berechtigte in der Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung für ihn gem. § 873 Abs. 2 BGB bindend geworden und der Antrag auf Eintragung beim Grundbuchamt gestellt worden ist. Zwar wird bei beiden hier vorgestellten Lösungen die dingliche Einigung i. S. v. § 873 Abs. 1 BGB bereits mitbeurkundet, sodass die Beteiligten gem. § 873 Abs. 2 Var. 1 BGB hieran gebunden sind. Jedoch fehlt auch bei der beurkundungsrechtlichen Lösung für das Eingreifen des Schutzes des § 878 BGB die Stellung des Antrags auf Eintragung beim Grundbuchamt. Es entspricht im Ergebnis allgemeiner Auffassung, dass der Eintragungsantrag hinsichtlich der Eigentumsumschreibung i. S. v. § 878 BGB, § 91 Abs. 2 InsO noch nicht gestellt ist, wenn der Notar erkennbar ausschließlich die Eintragung der Auflassungsvormerkung beantragt und nur in diesem Zusammenhang die Vertragsurkunde mit den auf Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch gerichteten Anträgen der Vertragsparteien vorlegt (OLG Naumburg FGPrax 2015, 61, 63; OLG Hamm Rpfleger 1973, 305; OLG Köln KTS 1968, 245, 249; Palandt/Herrler, BGB, 78. Aufl. 2019, § 878 Rn 14; Staudinger/C. Heinze, § 878 Rn. 41 m. w. N.). Sind also Eintragungsbewilligung und Eintragungsantrag bereits beurkundet, ist zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verkäufers jedoch der Antrag auf Eigentumsumschreibung mangels Kaufpreiszahlung noch nicht beim Grundbuchamt gestellt worden, so ist die bereits beurkundete Eintragungsbewilligung nebst Eintragungsantrag gleichfalls nicht mehr für den Vollzug der Eigentumsumschreibung tauglich. Übrigens hindert das Nichteingreifen von § 878 BGB auch den ungehinderten Vollzug der Eigentumsumschreibung bei der verfahrensrechtlichen Lösung, jedoch nur neben dem schon für sich genommen entscheidungstragenden Erlöschen der Notarvollmacht nach § 117 Abs. 1 InsO.

4. Freigabe des Grundstücks aus der Insolvenzmasse
Ein Unterschied kann sich jedoch ergeben, wenn der Insolvenzverwalter das Grundstück aus der Insolvenzmasse freigibt. Ob eine Bewilligungsvollmacht nach Freigabe durch den Insolvenzverwalter wiederauflebt, erscheint indes mehr als zweifelhaft (Weber/Wesiack, DNotZ 2019, 164, 167). Das OLG München hat dies in jüngster Vergangenheit mit der h. M. verneint (OLG München MittBayNot 2018, 586, Tz. 36 m. w. N.). Die beurkundungsrechtliche Lösung kann also über die Abwicklungsschwierigkeiten im Falle der Insolvenz des Veräußerers nicht vollständig hinweghelfen, bietet jedoch im Falle der Freigabe des Grundstücks durch den Insolvenzverwalter Vorteile. Dies dürfte gleichfalls für die neuerdings vorgeschlagene Lösung mit aufschiebend bedingter Bewilligung gelten (Weber/Wesiack, DNotZ 2019, 164, 174). Allen Lösungen ist jedoch gemein, dass die Mitwirkung des Insolvenzverwalters in irgendeiner Form (sei es durch erneute Abgabe der Eintragungsbewilligung, sei es durch Freigabe des Grundstücks) erforderlich ist.

5. Absicherung durch Vormerkung
Die entscheidende Absicherung des Käufers gegenüber der Insolvenz des Verkäufers liegt deswegen in allen Fällen – also sowohl bei der beurkundungsrechtlichen als auch der verfahrensrechtlichen Lösung (und gleichermaßen bei der neuerdings vorgeschlagenen aufschiebend bedingten Bewilligung) – in der Eintragung einer Auflassungsvormerkung nach § 883 BGB. Die Vormerkung macht auch Verfügungen durch den Insolvenzverwalter unwirksam, soweit sie den durch Vormerkung gesicherten Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würden (§ 883 Abs. 2 S. 2 BGB). Folgerichtig kann der durch Vormerkung gesicherte Käufer im Fall der Insolvenz des Verkäufers für seinen Anspruch auf Eigentumsübertragung Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen (§ 106 Abs. 1 S. 1 InsO). An der Unverwertbarkeit der bereits vorliegenden Erklärung für den Grundbuchvollzug der Eigentumsumschreibung ändert § 106 Abs. 1 S. 1 InsO in allen hier vorgestellten Fällen zwar nichts. Jedoch ist der Insolvenzverwalter nach dieser Bestimmung verpflichtet, den vorgemerkten Anspruch gegenüber dem Vormerkungsberechtigten so zu erfüllen, wie es außerhalb des Insolvenzverfahrens der Schuldner tun müsste. Im Fall der Auflassungsvormerkung muss der Insolvenzverwalter folglich den Vormerkungsberechtigten dadurch das Eigentum an dem Grundstück verschaffen, dass er neuerlich die Auflassung gem. §§ 873 Abs. 1, 925 BGB erklärt und die erforderliche grundbuchrechtliche Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO abgibt (Uhlenbruck/Wegener, § 106 Rn. 28; MünchKommInsO/Ott/Vuia, § 106 Rn. 18).

In allen hier vorgestellten Fällen der Kaufvertragsgestaltung müsste also der Insolvenzverwalter notfalls (aufgrund von § 106 InsO erfolgreich) auf Abgabe der Auflassungserklärung verklagt werden. Praktisch dürfte es dazu freilich kaum kommen, weil der Insolvenzverwalter durch die Führung offensichtlich aussichtsloser Prozesse eine Masseverkürzung verschuldet, für die er grundsätzlich auch persönlich auf Schadensersatz haftet (§ 60 InsO; s. nur Uhlenbruck/Sinz, § 60 Rn. 14 ff.). Im Ergebnis ist jedenfalls festzuhalten, dass nur auf dem Weg der Durchsetzung des vormerkungsgesicherten Übereignungsanspruches nach § 106 InsO mittels neuerlicher beiderseitiger Erklärung der Auflassung, aber in keinem Fall aufgrund der mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 878 BGB unwirksam gewordenen, bereits vorliegenden Erklärungen des Verkäufers, der Vollzug der Eigentumsumschreibung im Grundbuch erreicht werden kann.

Gutachten/Abruf-Nr:

167310

Erscheinungsdatum:

11.09.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Insolvenzrecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 137-140