31. März 2023
BGB § 491 Abs. 3; BGB § 1191; BGB § 1149

Verkaufsvollmacht beim Immobilienverzehrkredit; unzulässige Befriedigungsabrede

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
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letzte Aktualisierung: 31. März 2023

BGB §§ 491 Abs. 3 S. 4 Nr. 2, 1149, 1191
Verkaufsvollmacht beim Immobilienverzehrkredit; unzulässige Befriedigungsabrede

I. Sachverhalt

Eine Bank („B“) bietet ihren Kunden Immobilienverzehrkredite gemäß § 491 Abs. 3 S. 4 BGB
an. Zielgruppe dieses Produktes sind ältere Verbraucher („Darlehensnehmer“), die Eigentümer
einer selbstgenutzten Wohnimmobilie sind, diese als Gegenwert für eine Kapitalbeschaffung auf
Einmalzahlung oder „Rente“ einsetzen, aber gleichzeitig weiter als ihre Wohnung nutzen wollen.

Beim Immobilienverzehrkredit wird entsprechend den gesetzlichen Regelungen das von B
gewährte Darlehen in einer Summe oder in regelmäßigen Teilzahlungen ausgezahlt. Die
Rückzahlung des Darlehensbetrags und der anfallenden Zinsen kann regelmäßig nur nach dem
Tod des Darlehensnehmers und nur aus dem künftigen Veräußerungserlös der Wohnimmobilie
verlangt werden (außer bei außerordentlicher Kündigung durch B aus wichtigem Grund,
insbesondere bei Pflichtverletzung des Darlehensnehmers). Eine regelmäßige Tilgung des
Darlehens und Zahlung von Zinsen findet während der Laufzeit nicht statt. Die Immobilie wird
bei Fälligkeit, die mit dem Ableben des Darlehensnehmers eintritt, durch B oder die Erben des
Darlehensnehmers veräußert. Unabhängig von der Höhe des tatsächlich im Rahmen des Verkaufs
der Immobilie erzielten Erlöses erlöschen mit Eingang des Nettoverkaufserlöses bei B alle
Ansprüche gegen den Darlehensnehmer aus dem Darlehensvertrag. Das gilt insbesondere auch
dann, wenn der Nettoverkaufserlös geringer sein sollte als der Fälligkeitsbetrag. Ein über den
Fälligkeitsbetrag herausgehender Erlös steht den Rechtsnachfolgern des Darlehensnehmers zu.
Die Rechtsnachfolger des Darlehensnehmers haben zudem das Recht, den Fälligkeitsbetrag an B
zu zahlen und somit eine Veräußerung zu vermeiden. Zum Zwecke der Veräußerung der
Immobilie erteilt der Darlehensnehmer der B im Rahmen eines separaten Vertrags eine
unwiderrufliche Verkaufsvollmacht, welche über das Ableben des Darlehensnehmers hinaus
wirksam bleiben soll. Diese wird notariell beurkundet. Außerdem erwirbt B bei der
Darlehensgewährung, wie von § 491 Abs. 3 S.4 Nr. 2 a. E. BGB vorgesehen, bei der
Darlehensgewährung ein Recht an der Wohnimmobilie, nämlich eine Grundschuld. Diese dient
zur Sicherung vor Zwischenverfügungen des Darlehensnehmers während der Laufzeit und vor
abredewidrigen Verfügungen der Erben.

II. Frage

Stellt die Erteilung der Verkaufsvollmacht bei Darlehensgewährung eine nach § 1149 BGB
unzulässige Befriedigungsabrede dar?

III. Zur Rechtslage

1. Allgemeines zur Anwendbarkeit des § 1149 BGB

Gem. § 1149 BGB kann der Eigentümer eines mit einer Hypothek belasteten Grundstücks
dem Gläubiger, solange die Forderung ihm gegenüber nicht fällig geworden ist, nicht das
Recht einräumen, zum Zwecke der Befriedigung die Übertragung des Eigentums an dem
Grundstück zu verlangen oder die Veräußerung des Grundstücks auf andere Weise als im
Wege der Zwangsvollstreckung zu bewirken.

Ebenso wie § 1229 BGB für das Pfandrecht an beweglichen Gegenständen verbietet § 1149
BGB ein sog. „Verfallpfandrecht“ wegen seiner besonderen abstrakten Gefährlichkeit, die
der Darlehensnehmer bei Gewährung der Sicherheit ggf. geneigt ist, mangels Verhandlungsposition
zu akzeptieren. Dem Gläubiger soll nur die Möglichkeit der Befriedigung durch
Zwangsvollstreckung (§ 1147 BGB) zustehen. Auch eine Verkaufsvollmacht ist nach
überwiegender Ansicht eine nach § 1149 BGB unzulässige Befriedigungsabrede (Clemente,
Recht der Sicherungsgrundschuld, 4. Aufl. 2008, Rn. 650; MünchKommBGB/Lieder, 8. Aufl.
2020, § 1149 Rn. 10; Staudinger/Wolfsteiner, BGB, 2019, § 1149 Rn. 15; ebenso BNotKRundschreiben
Nr. 7/2008, Ziff. 2).

Anderer Ansicht ist, soweit ersichtlich, lediglich Wenzel, soweit – wie vorliegend – ein
Kreditinstitut als Grundpfandrechtsgläubiger in Erscheinung tritt:
„Soweit es sich bei dem Gläubiger um ein Kreditinstitut, ein
Versicherungsgeschäft oder eine vergleichbar zuverlässige und
bonitätsmäßig einwandfreie Institution handelt, steht § 1149
(BGB) der Möglichkeit nicht entgegen, dass der Eigentümer eine
Verkaufsvollmacht für die auch grundpfandrechtlich(e) belastete
Immobilie mit der Maßgabe erhält [gemeint wohl: erteilt], davon
nur im Fall der Fälligkeit mit der gesicherten Forderung und unter
Anlegung banküblicher Sorgfaltspflichten Gebrauch zu machen.
Die Gefahr der Verfallabrede besteht hier nicht, da der Gläubiger
sicherstellt, von der Vollmacht nur insoweit Gebrauch zu machen,
als er auch zur zwangsweisen Verwertung des Beleihungsobjekts
berechtigt wäre.“

(Erman/Wenzel, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1149 Rn. 3)

In der übrigen Literatur wird eine derartige teleologische Reduktion (soweit ersichtlich) nicht
diskutiert. Auch u. E. ist die Auffassung nicht überzeugend. Denn es ist davon auszugehen,
dass der Gesetzgeber bewusst eine klare Grenze setzen wollte, unabhängig von
wirtschaftlichen Erwägungen.

2. Ausnahme für Immobilienverzehrkredite?

Es wurde in der Anfrage angemerkt, dass berücksichtigt werden müsse, dass die neu
eingeführten Regelungen zum Immobilienverzehrkredit gem. § 491 Abs. 3 S.4 Nr. 2 BGB
ausdrücklich die Abrede zur Tilgung des Darlehens durch Veräußerung der Immobilie
ermöglichen, ja sogar voraussetzen würden. Gleichzeitig sei in § 491 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 BGB
der Erwerb eines Rechts an der Immobilie vorgesehen.

Zutreffend ist, dass der Gesetzgeber in § 491 Abs. 3 S. 4 BGB Immobilienverzehrkredite
bewusst von den Regelungen der Immobiliarverbraucher-Darlehensverträge ausgenommen
hat. Die Vorschrift wurde aus der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (RL 2014/17/EU des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.2.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge
für Verbraucher, Amtsblatt L 60/34) eins-zu-eins in das deutsche Recht übernommen. Die
Terminologie ist also europarechtlich determiniert und nicht vollständig an das deutsche
Recht angepasst. Gleichzeitig ist anzumerken, dass § 491 BGB sich nur auf
Verbraucherdarlehensverträge und Immobiliarverbraucher-Darlehensverträge bezieht, also
auf die schuldrechtliche Ebene, wohingegen § 1149 BGB eine Vorschrift des Sachenrechts
ist, die sich allein auf Hypothek und Grundschuld bezieht.

Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber durch die Einfügung der Sondervorschriften für
Immobilienverzehrkredite den Anwendungsbereich des § 1149 BGB modifizieren wollte,
vermögen wir nicht zu erkennen. Der Wortlaut des Gesetzes sieht zudem nicht beides vor (also
Veräußerung der Immobilie und Erwerb eines Rechts an der Immobilie). Der Wortlaut geht
vielmehr davon aus, dass nur ein Betrag aus dem künftigen Erlös des Verkaufs einer
Immobilie zu zahlen ist oder ein Recht an einer Wohnimmobilie erworben wird und erst nach
dem Tod des Verbrauchers eine Rückzahlung gefordert werden kann. Das Gesetz sieht an
dieser Stelle also den Erwerb des Rechts an der Immobilie als Alternative zur Befriedigung
aus dem künftigen Erlös vor. Maßgeblich für die Einordnung als Immobilienverzehrkredit ist
insofern, dass der Darlehensnehmer nicht persönlich mit seinem gesamten Vermögen haftet,
sondern ausschließliches Haftungsobjekt die Immobilie ist (Jungmann, in:
Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 56 Rn. 94). Verschiedene in
Betracht kommende Gestaltungsmodellen können der Literatur entnommen werden
(Allstadt, Die zivilrechtlichen Aspekte des Immobilienverzehrkreditvertrags, S. 231-246;
Kulms, ZfIR 2002, 614 ff.). Ob man statt der Verkaufsvollmacht auf einen betagten
Kaufvertrag zurückgreifen kann, scheint durch die Rechtsprechung nicht geklärt, wird in der
Literatur aber erwogen (Allstadt, S. 238 ff. m. w. N.). Ginge man hiervon aus, so wäre zu
berücksichtigten, dass damit die Verpflichtung des Gläubigers einhergeht, die Immobilie auch
tatsächlich zu übernehmen.

Die Vorschrift des § 491 Abs. 3 S. 4 BGB regelt zur Gestaltungsfrage nur abstrakt, dass der
Darlehensgeber aus dem künftigen Erlös des Verkaufs einen Betrag erhält. In der Vorschrift
ist weder geregelt, auf welche Weise der Verkauf zu erfolgen hat, noch, dass der Verkauf
durch den Gläubiger (=Darlehensgeber) zu erfolgen habe. Der Grundschuldgläubiger soll
jedoch grundsätzlich nur im Wege der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld
Befriedigung suchen können. Zur Grundschuld bzw. Hypothek selbst ist aber in § 491 Abs. 3
S. 4 BGB nichts geregelt. Insofern vermögen wir auch nicht zu erkennen, dass der
Gesetzgeber § 1149 BGB durch § 491 Abs. 3 S. 4 BGB modifizieren wollte.
Zweifelhaft erscheint zudem, eine Grundschuld nur zu dem Zwecke zu bestellen, um
abredewidrige Zwischenverfügungen auszuschließen. Im Rahmen des § 17 Abs. 1 BeurkG
wird man zu ermitteln haben, ob dann eine Grundschuld tatsächlich dem Parteiwillen
entspricht und geeignet ist, das rechtsgeschäftliche Ziel zu verwirklichen. Denn eine Grundschuld
hindert zwar faktisch, keinesfalls aber rechtlich die Weiterveräußerung des
Grundstücks. Soll die Weiterveräußerung des Grundstücks verhindert werden, käme
beispielsweise die Bestellung eines vormerkungsgesicherten Ankaufsrechts (dann ohne
Grundschuldbestellung) in Betracht.

3. Rechtsfolge einer unwirksamen Regelung

Das Verbot des § 1149 BGB gilt nach § 1192 Abs. 1 BGB für Grundschulden entsprechend
(BGHZ 130, 101; Erman/Wenzel, § 1149 Rn. 4; MünchKommBGB/Lieder, § 1149 Rn. 13;
Staudinger/Wolfsteiner, § 1149 Rn. 25). Umstritten ist die Anwendung auf nicht
pfandrechtlich abgesicherte Gläubiger, insbesondere für Bürgschaftsgläubiger, weil hier dem
Gläubiger kein Verwertungsrecht nach § 1147 BGB zusteht (BGHZ 130, 101; BGH DNotZ
2003, 127 m. Anm. Wolfsteiner = NJW 2003, 1041; BayObLG DNotZ 1997, 727 m. Anm.
Eickmann = MittBayNot 1997, 100; a. A. Gaul, AcP 168 (1968), 351, 368, 374; Tiedtke, ZIP
1996, 57; MünchKommBGB/Lieder, § 1149 Rn. 12).

Eine nach § 1149 BGB unzulässige Befriedigungsabrede ist nichtig (§ 134 BGB) (BGH
DNotZ 2003, 127 MünchKommBGB/Lieder, § 1149 Rn. 5). Lediglich nach (Teil)Fälligkeit
getroffene Vereinbarungen verstoßen nicht gegen § 1149 BGB (Erman/Wenzel, § 1149
Rn. 3; MünchKommBGB/Lieder, § 1149 Rn. 11; Staudinger/Wolfsteiner, § 1149 Rn. 14).

Wirksam ist eine Abrede zudem, wenn die Verpflichtung völlig unabhängig von der
Nichtzahlung des Eigentümers am Fälligkeitstag eingegangen wird. Entscheidend dafür ist
nicht der Wortlaut der Vereinbarung, sondern ihr wirtschaftlicher Zweck. Bei der Beurteilung
einer solchen Vereinbarung muss jedoch davon ausgegangen werden, dass regelmäßig eine
im äußeren oder zeitlichen Zusammenhang mit einer Grundpfandrechtbestellung getroffene
Abrede nach der Lebenserfahrung nur den wirtschaftlichen Sinn haben kann, den Gläubiger
im Hinblick auf seinen Anspruch zu sichern (MünchKommBGB/Lieder, § 1149 Rn. 8;
Staudinger/Wolfsteiner, § 1149 Rn. 10).

4. Zusammenfassung/Ergebnis

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nach unserem Dafürhalten § 491 Abs. 3 BGB keine
Abweichung von § 1149 BGB rechtfertigt. Insofern ist der abstrakte Begriff des
„Immobilienverzehrkredits“ durch im Übrigen wirksame zivilrechtliche Gestaltungen
umzusetzen, was u. E. auch ohne Kombination von Grundschuld und Verkaufsvollmacht
möglich erscheint.

Gutachten/Abruf-Nr:

193474

Erscheinungsdatum:

31.03.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Grundpfandrechte

Normen in Titel:

BGB § 491 Abs. 3; BGB § 1191; BGB § 1149