EuErbVO Art. 21, 28, 34, 10, 11, 13
Philippinen: Erbausschlagung nach deutschem Erbrecht bei letztem gewöhnlichem Aufenthalt des Erblassers auf den Philippinen; internationale Zuständigkeit; Notzuständigkeit
I. Sachverhalt
Es soll eine Erbschaft ausgeschlagen werden. Der Erblasser war ausschließlich deutscher Staatsangehöriger und wohnte bis 2019 Deutschland. Seit 2019 befand sich der Wohnsitz des Erblassers auf den Philippinen in der Provinz Bataan. Der Erblasser ist am 9.1.2024 auf den Philippinen verstorben. Er hat keine Verfügung von Todes wegen hinterlassen und keine Rechtswahl getroffen. Der Erblasser hat in Deutschland keine aktiven Vermögenswerte hinterlassen.
Der Sohn des Erblassers möchte die Erbschaft ausschlagen. Er ist neben seinen Geschwistern (und ggf. seiner Mutter) als gesetzlicher Erbe berufen.
II. Fragen
1. Welcher Rechtsordnung unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen? Gilt dieses Recht auch für die Erbausschlagung?
2. Welches Gericht ist international und örtlich zuständig für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung?
III. Zur Rechtslage
1. Erbstatut
Die Erbfolge richtet sich aus deutscher Sicht nach den Vorschriften der Europäischen Erbrechtsverordnung, weil der Erbfall nach dem 17.8.2015 eingetreten ist (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO).
Die Verordnung knüpft das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO mangels einer vorrangig zu beachtenden Rechtswahl an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes an. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird in den Erwägungsgründen 23, 24 EuErbVO näher umschrieben. Danach ist eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände vorzunehmen, auch unter Berücksichtigung von Dauer und Regelmäßigkeit von Besuchen, der besonders engen Bindung an einen Staat, der Sprachkenntnisse, der familiären und sozialen Bindungen der betreffenden Person sowie der Lage des Vermögens (vgl. MünchKommBGB/Dutta, 9. Aufl. 2024, Art. 4 EuErbVO Rn. 4 f.; Dutta/Weber/Bauer, Internationales Erbrecht, 2. Aufl. 2020, Art. 21 EuErbVO Rn. 3 ff.; Köhler, in: Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Internationales Erbrecht, 2. Aufl. 2017, Teil 1 § 4 Rn. 13 ff.). Neben diesen objektiven Elementen zur Begründunge eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts kommt es auch auf den nach außen manifestierten Bleibe- und Aufenthaltswillen des Erblassers an. Allein der Aufenthaltswille ohne eine regelmäßige körperliche Anwesenheit reicht aber nicht aus, um einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen (EuGH NJW 2017, 2013 zu Art. 3 u. 8 Brüssel IIa-VO; BeckOGK-EuErbVO/J. Schmidt, Std.: 1.12.2024, Art. 4 Rn. 22; MünchKommBGB/Dutta, Art. 4 EuErbVO Rn. 4).
Letztlich ist zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts der tatsächliche Lebensmittelpunkt einer natürlichen Person zu ermitteln, der mittels einer Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und zum Zeitpunkt des Todes festzustellen ist (MünchKommBGB/Dutta, Art. 4 EuErbVO Rn. 4; Köhler, Teil 1 § 4 Rn. 13). Nach Dutta soll der gewöhnliche Aufenthalt in einem Staat jedoch vermutet werden können, wenn sich der Erblasser in diesem Staat über mehrere Jahre körperlich aufgehalten hat (MünchKommBGB/Dutta, Art. 4 EuErbVO Rn. 4).
Im vorliegenden Fall hatte der Erblasser offenbar lange in Deutschland gelebt; die letzten Jahre seines Lebens aber auf den Philippinen verbracht. Unklar ist jedoch, ob er auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt auf die Philippinen verlegt hat. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn der Erblasser dort neue soziale und familiäre Bindungen aufgebaut hat, sodass er auch dort einen entsprechenden dauerhaften Bleibewillen hatte und auch sein Vermögen auf die Philippinen verlegt hat.
Hatte der Erblasser hingegen weiterhin soziale und familiäre Bindungen in seiner deutschen Heimat und hat er diese regelmäßig besucht, oder hatte er die Absicht, wieder nach Deutschland zurückzukehren, so könnte der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch in Deutschland beibehalten haben.
Vor diesem Hintergrund lässt sich letztlich aus dem vorliegenden Sachverhalt nicht ermitteln, ob der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland oder auf den Philippinen hatte. Im Ergebnis ist dies für die Bestimmung des Erbstatuts im vorliegenden Fall aber auch nicht entscheidend, da in beiden Fällen deutsches Erbrecht zur Anwendung gelangt:
Sofern der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt seines Todes in Deutschland hatte, wäre deutsches Recht nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO das Erbstatut.
Bei letztem gewöhnlichem Aufenthalt auf den Philippinen würde Art. 21 Abs. 1 EuErbVO auf das Recht der Philippinen verweisen. Bei dieser Verweisung handelt es sich nach Art. 34 Abs. 1 EuErbVO um eine Gesamtverweisung, sodass weiter zu prüfen ist, ob das philippinische IPR eine beachtliche Rück- oder Weiterverweisung ausspricht.
Im philippinischen Recht regelt Art. 16 Abs. 2 des philippinischen Code Civil (im Folgenden: phil. CC), welches Recht auf die gesetzliche Erbfolge anzuwenden ist. Diese Vorschrift lautet in der englischen Übersetzung (abrufbar unter https://www.officialgazette.gov.ph/1949/06/18/republic-act-no-386/):
„Art. 16.
Real property as well as personal property is subject to the law of the country where it is situated.
However, intestate and testamentary successions, both with respect to the order of succession and to the amount of successional rights and to the intrinsic validity of testamentary provisions, shall be regulated by the national law of the person whose succession is under consideration, whatever may be the nature of the property and regardless of the country wherein said property may be found.“
Das philippinische IPR unterstellt offenbar die gesetzliche Erbfolge (intestate succession) umfänglich dem Heimatrecht des jeweiligen Erblassers (vgl. hierzu Weishaupt, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Std.: 1.7.2004, Länderbericht Philippinen, Grdz. Rn. 15). Insoweit würde das philippinische Recht aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit des Erblassers auf das deutsche Recht zurückverweisen. Diese Rückverweisung ist auch nach Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO aus Sicht der EuErbVO beachtlich, sodass deutsches Recht das Erbstatut ist.
Nach dem Erbstatut richtet sich gem. Art. 23 Abs. 2 lit. e EuErbVO insbesondere auch der Übergang der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte, einschließlich der Bedingungen für die Annahme und die Ausschlagung der Erbschaft. Das deutsche Erbrecht gilt demnach umfassend auch für die Ausschlagung der Erbschaft (vgl. auch MünchKommBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, § 1945 Rn. 19).
2. Zur Erbausschlagung nach deutschem Recht
Nach § 1942 Abs. 1 BGB geht die Erbschaft auf die Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen. Bei der Ausschlagung handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige materielle Willenserklärung, die nach § 1945 Abs. 1 BGB gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden muss. Diese Willenserklärung wird damit erst mit Zugang beim Nachlassgericht wirksam, § 130 Abs. 1 u. 3 BGB (MünchKommBGB/Leipold, § 1945 Rn. 2).
3. Internationale Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte
Die Erbausschlagung muss nach dem deutschen Erbrecht gegenüber dem „Nachlassgericht“ erklärt werden. Damit diese Erklärung vor einem Nachlassgericht in Deutschland erklärt werden kann, müsste indes eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bestehen.
a) Zuständigkeit aufgrund Art. 4, 10 oder 13 EuErbVO?
Die internationale Zuständigkeit der Gerichte in Erbsachen richtet sich auch gegenüber Drittstaaten aus deutscher Sicht ausschließlich nach der EuErbVO; ein Rückgriff auf §§ 105, 343 FamFG ist nicht möglich (MünchKommBGB/Dutta, Vor. Art. 4 EuErbVO Rn. 30).
Nach Art. 4 EuErbVO sind die Gerichte des Mitgliedsstaates zuständig, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hatte der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so wäre das Gericht international und örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 4 EuErbVO und § 47 Nr. 2 IntErbRVG i. V. m. § 343 Abs. 1 FamFG). Sofern der Erblasser im vorliegenden Fall seinen gewöhnlichen Aufenthalt aber auf den Philippinen hatte, ergibt sich aufgrund dieser Vorschrift keine Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaates der EuErbVO.
Vielmehr gilt insoweit Art. 10 EuErbVO. Hatte der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Todes nicht in einem Mitgliedsstaat, so sind gem. Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO die Gerichte des Mitgliedsstaates international zuständig, in dem sich Nachlassvermögen befindet, wenn der Erblasser die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedsstaates besaß. Dabei werden (zumindest) nach in Deutschland wohl überwiegender Auffassung Nachlasspassiva nicht als Vermögen in diesem Sinne behandelt (vgl. insoweit nur BeckOGK-EuErbVO/J. Schmidt, Art. 10 Rn. 8 m. w. N.). Örtlich wäre dann nach § 47 Nr. 2 IntErbRVG i. V. m. § 343 Abs. 2 FamFG das Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser in Deutschland zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Da der Erblasser im vorliegenden Fall allerdings keine aktiven Vermögenswerte in Deutschland hinterlassen hat, scheidet eine subsidiäre Zuständigkeit nach Art. 10 EuErbVO aber von vornherein aus.
Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte aus Art. 13 EuErbVO (i. V. m. § 31 IntErbRVG) dürfte ebenfalls nicht bestehen. Nach derzeit herrschender Lesart setzt diese konkurrierende Zuständigkeit voraus, dass die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaates i. S. d. EuErbVO besteht (Deixler-Hübner/Schauer/Glitschthaler, EuErbVO, 2. Aufl. 2020, Art. 13 Rn. 4; Emmerling de Oliveira, FS 25 Jahre Deutsches Notarinstitut, 2018, S. 765, 772; MünchKommBGB/Dutta, Art. 13 EuErbVO Rn. 3; MünchKommFamFG/Rauscher, 3. Aufl. 2019, Art. 13 EU-ErbVO Rn. 2; Nordmeier, IPRax 2021, 345, 347 ff.; a. A. mit beachtlichen Argumenten aber Mankowski, ErbR 2020, 548, 550 f.; jurisPK-BGB/Eichel, 10. Aufl. 2023, Art. 13 EuErbVO Rn. 4; offengelassen OLG Köln ErbR 2020, 561). Dies ist – soweit ersichtlich – jedoch nicht der Fall; der Erbfall hat keinerlei Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat i. S. d. EuErbVO. Würde man indes für die Anwendung des § 13 EuErbVO nicht verlangen, dass ein anderer Mitgliedstaat aufgrund der EuErbVO bereits zuständig ist, so wären die deutschen Gerichte für die Entgegennahme der Erbausschlagung – sollte der Erbe, wovon wir vorliegend ausgehen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben –international zuständig. Örtlich wäre dann nach § 31 S. 1 IntErbRVG das Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk der Erbe seinen gewöhnlichen Aufenthalt derzeit hat.
b) Notzuständigkeit nach Art. 11 EuErbVO
Da die Voraussetzungen der subsidiären Zuständigkeit nach Art. 10 EuErbVO nicht vorliegen und auch eine Zuständigkeit nach Art. 13 EuErbVO mit der derzeitigen h. M. nicht bestehen dürfte, kann sich eine Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Entgegennahme der Erbausschlagung nur aus der Notzuständigkeit nach Art. 11 EuErbVO ergeben. Nach Art. 11 EuErbVO können die Gerichte eines Mitgliedsstaates in Ausnahmefällen in einer Erbsache entscheiden, wenn es unmöglich oder unzumutbar ist, ein Verfahren in einem dritten Staat einzuleiten, wenn die Gerichte keines anderen Mitgliedsstaates nach der EuErbVO zuständig sind. Die Sache muss dabei einen ausreichenden Bezug zu dem Mitgliedsstaat aufweisen.
Es stellt sich daher die Frage, ob die Erklärung der Erbausschlagung auf den Philippinen möglich und zumutbar ist. Hierfür ist notwendig, dass die Erbausschlagung auf den Philippinen auch aus Sicht des anwendbaren deutschen Erbrechts wirksam ist.
Grundsätzlich kennt auch das philippinische Recht die Erbausschlagung (Art. 1041 ff. phil. CC). Nach Art. 1051 phil. CC muss die Ausschlagung der Erbschaft mittels öffentlicher oder als echt feststehender Urkunde oder durch einen Antrag an das für das Nachlassverfahren zuständige Gericht erfolgen. Auch würde wohl eine internationale Zuständigkeit auf den Philippinen bestehen, da die internationale Zuständigkeit der philippinischen Gerichte von der örtlichen abgeleitet wird und nach Rule 73 Sec. 1 der Revised Rules of Court – Civil Procedure das Gericht der Provinz örtlich zuständig ist, in dem sich der Erblasser (auch ein ausländischer) im Zeitpunkt seines Todes aufgehalten hat (Emmerling de Oliveira, S. 770 ff.).
Die Erbausschlagung könnte somit wohl vor einem philippinischen Gericht erklärt werden. Allerdings stellt sich die Frage, ob aus Sicht des anwendbaren deutschen materiellen Erbrechts die Erklärung vor einem philippinischen Gericht auch ausreichend ist, um die Erbschaft wirksam auszuschlagen.
aa) Keine Wirksamkeit der Erbausschlagung auf den Philippinen aufgrund von Art. 28 lit. b EuErbVO
Zunächst stellt sich die Frage, ob sich die Wirksamkeit der Erbausschlagung gegenüber einem Gericht auf den Philippinen nicht bereits aus Art. 28 lit. b EuErbVO ergibt. Art. 28 lit. b EuErbVO bestimmt, dass eine Ausschlagungserklärung hinsichtlich ihrer Form wirksam ist, wenn sie den Formerfordernissen des Rechts des Staates entspricht, in der der Erklärende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Vor diesem Hintergrund ist der Generalanwalt Szpunar davon ausgegangen, dass die Frage, gegenüber wem die erbrechtliche Erklärung abgebeben werden muss, also insbesondere die Frage der Amtsempfangsbedürftigkeit, nicht dem Erbstatut unterliege, sondern vom Formstatut des Art. 28 lit. b EuErbVO erfasst sei und sich damit nach dem Recht des Staates richte, in dem der Ausschlagende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts/der Generalanwältin vom 20.1.2022, C-617/20, Celex-Nr. 62020CC0617 Rn. 57 ff.; so auch schon Margonski, ZEV 2015, 141, 145). Auch wäre Art. 28 EuErbVO in Drittstaatenfällen anwendbar (MünchKommBGB/Dutta, Art. 28 EuErbVO Rn. 4). Diese Ansicht hätte daher zur Folge, dass die Erbausschlagung nicht einem Gericht zugehen muss, um wirksam zu sein, wenn das Recht des Staates, in dem der Ausschlagende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, dies nicht voraussetzt. Auch wenn deutsches Erbrecht anzuwenden ist, wäre die Erbausschlagung demnach nicht mehr amtsempfangsbedürftig, wenn das Recht des Staates, in dem der Ausschlagende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, keine Amtsempfangsbedürftigkeit vorsieht (krit. daher J. P. Schmidt, ErbR 2022, 481, 482 f.: Die Ansicht des Generalanwalts könnte zur Formfreiheit der Erbausschlagung in einem Drittstaat führen).
Im vorliegenden Fall würde dies mithin dazu führen, dass die Erbausschlagung auf den Philippinen keinem Gericht mehr zugehen müsste, wenn der ausschlagende Erbe seinen gewöhnlichen Aufenthalt auf den Philippinen hätte. Denn Art. 1051 phil. CC setzt für die Wirksamkeit der Erbausschlagung lediglich voraus, dass diese in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist.
Der EuGH ist dem Generalanwalt in der Entscheidung „T.N./N.N.“ (ZEV 2022, 521) aber nicht (ausdrücklich) gefolgt, sodass unklar ist, ob auch er die Frage der Empfangszuständigkeit als eine Formfrage qualifiziert. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass derzeit die h. M. in der deutschen Literatur davon ausgeht, dass das Erbstatut und nicht das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Ausschlagenden darüber entscheidet, ob und vor welchem Gericht die erbrechtliche Erklärung abzugeben ist (K. W. Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 29, 31; J. P. Schmidt/Kottke, ErbR 2021, 10, 12 f.; J. P. Schmidt, ZEV 2014, 455, 458; MünchKommBGB/Dutta, Art. 28 EuErbVO Rn. 5; jurisPK-BGB/Nordmeier, 10. Aufl. 2023, Art. 28 EuErbVO Rn. 21; a. A. Margonski, ZEV 2015, 141, 145).
Selbst wenn man mit dem Generalanwalt die Frage der Amtsempfangsbedürftigkeit der Ausschlagungserklärung als Formfrage i. S. v. Art. 28 lit. b EuErbVO qualifizieren möchte, führt dies im vorliegenden Fall jedoch nicht zur Wirksamkeit der Erbausschlagung auf den Philippinen. Die weiteren Voraussetzungen des Art. 28 lit. b EuErbVO liegen hier jedenfalls nicht vor: Der erklärende Erbe hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt nämlich in Deutschland und nicht auf den Philippinen. Selbst nach Ansicht des Generalanwalts Szpunar wäre also deutsches Recht auf die Frage der Empfangszuständigkeit anzuwenden. Die Wirksamkeit der Erbausschlagung setzt daher nach § 1945 Abs. 1 BGB in jedem Fall den Zugang der Erklärung beim Nachlassgericht voraus.
bb) Das philippinische Gericht als Nachlassgericht i. S. v. § 1945 Abs. 1 BGB
Es stellt sich daher die Frage, ob eine Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht i. S. v. § 1945 Abs. 1 BGB vorliegt, wenn der Erbe im vorliegenden Fall die Erbausschlagung gegenüber einem Gericht auf den Philippinen erklärt. Nachlassgericht i. S. v. § 1945 Abs. 1 BGB ist im Ausgangspunkt jedoch das örtlich zuständige Nachlassgericht in Deutschland (J. P. Schmidt/Kottke, ErbR 2021, 10, 11; Staudinger/Dörner, 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 117). Ob auch die Erklärung gegenüber einem ausländischen Gericht ausreicht, ist keine verfahrensrechtliche Frage, sondern eine materiell-rechtliche Frage der Substitution (s. zur Substitution allgemein MünchKommBGB/v. Hein, 9. Aufl. 2024, Einl. IPR Rn. 247 ff.).
Hinzuweisen ist zunächst darauf, dass sich die Substitutionswirkung im vorliegenden Fall nicht aus Art. 13 EuErbVO ergeben kann. Diese Vorschrift begründet nach herrschender Ansicht nicht nur eine internationale Zuständigkeit, sondern bewirkt auch, dass die Abgabe der Erklärung gegenüber dem nach Art. 13 EuErbVO zuständigen Gericht die Abgabe der Ausschlagungserklärung vor einem inländischen Nachlassgericht substituiert (vgl. statt aller BeckOGK-EuErbVO/J. Schmidt, Art. 13 Rn. 31 ff.; Deixler-Hübner/Schauer/Glitschthaler, Art. 13 Rn. 11; K. W. Lange/Holtwiesche, ZErb 2016, 29, 31; Looschelders, IPRax 2019, 510, 511; MünchKommBGB/Dutta, Art. 13 Rn. EuErbVO 11; J. P. Schmidt/Kottke, ErbR 2021, 10, 12 f., jeweils m. w. N.; a. A. jurisPK-BGB/Eichel, Art. 13 EuErbVO Rn. 13). Bei einer Erbausschlagung vor einem drittstaatlichen Gericht kommt die Substitutionswirkung aus Art. 13 EuErbVO aber nicht in Betracht. In diesem Fall entscheidet schlicht das Erbstatut nach allgemeinen Regeln über die Substitutionswirkung der Erbausschlagung (vgl. hierzu MünchKommBGB/Dutta, Art. 13 EuErbVO Rn. 11; J. P. Schmidt/Kottke, ErbR 2021, 10, 13 f.; so auch Margonski, ZEV 2015, 141, 144).
Es stellt sich mithin die Frage, ob die Erklärung der Erbausschlagung gegenüber dem Gericht auf den Philippinen die Erklärung der Erbausschlagung gegenüber einem inländischen Nachlassgericht substituiert. Hierbei ist schon fraglich, ob § 1945 Abs. 1 BGB überhaupt eine Substitution zulässt, oder schlicht stets die Erklärung gegenüber einem deutschen Nachlassgericht erfordert (sog. geschlossene Norm; vgl. MünchKommBGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 252). In jedem Fall müsste der Zugang der Erklärung vor dem philippinischen Gericht nach philippinischem Erbrecht in den wesentlichen Grundzügen funktional gleichwertig zum Zugang der Ausschlagungserklärung bei einem deutschen Nachlassgericht sein (vgl. MünchKommBGB/v. Hein, Einl. IPR Rn. 255 ff.).
Nach Art. 1051 phil. CC ist die Erbausschlagung durch öffentliche oder als echt feststehende Urkunde oder durch einen Antrag bei dem für das Nachlassverfahren zuständigen Gericht zu erklären. Nach unserem Verständnis handelt es sich hierbei lediglich um eine Formvorschrift. Diese Vorschrift begründet keine Amtsempfangsbedürftigkeit der Erklärung. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Ausschlagungserklärung einem Gericht auf den Philippinen zugehen muss, um wirksam zu werden. Vielmehr scheint nach Art. 1051 phil. CC die Ausschlagung mittels Antrags beim zuständigen Gericht nur eine von mehreren möglichen Formen der Erbausschlagung zu sein. Auch die Erklärung durch öffentliche oder „als echt feststehende Urkunde“ würde für eine wirksame Erbausschlagung ausreichen. Anders als im deutschen Recht würde damit die Erklärung also nicht erst dann wirksam, wenn diese dem Nachlassgericht nach § 130 Abs. 3 BGB auch zugegangen ist.
Insoweit dürfte die Funktion des Gerichts auf den Philippinen eine andere sein: Das Gericht protokolliert lediglich die Erbausschlagung des Erben; es ist aber gerade nicht zwingend Adressat der Ausschlagungserklärung. Es steht damit zu befürchten, dass die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung durch ein Gericht auf den Philippinen nicht die in § 1945 BGB vorausgesetzte Funktion erfüllen kann und damit auch nicht als gleichwertig und ausreichend anerkannt werden könnte (so Emmerling de Oliveira, S. 770 ff.).
Sofern daher die Substitutionswirkung der Erklärung abzulehnen ist, erweist sich ein Verfahren vor einem philippinischen Gericht als unmöglich, da der Erbe in diesem Forum den für das deutsche Erbrecht erforderlichen Rechtschutz – eine nach § 1945 Abs. 1 BGB wirksame Erbausschlagung – nicht erhalten kann. Diese rechtfertigt die Eröffnung einer Notzuständigkeit nach Art. 11 EuErbVO. Der von Art. 11 EuErbVO geforderte ausreichende Bezug der Erbsache zu Deutschland würde bereits durch die Anwendbarkeit des deutschen Erbrechts vermittelt werden, sodass dann eine deutsche Notzuständigkeit bestünde.
Örtlich wäre dann nach § 47 Nr. 2 IntErbRVG i. V. m. § 343 Abs. 2 FamFG das Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser in Deutschland zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
4. Praktische Umsetzung
In praktischer Hinsicht würde sich im vorliegenden Fall daher folgendes Vorgehen anbieten: Es werden Erbausschlagungserklärungen in deutscher und englischer (evtl. sogar philippinischer) Sprache erstellt, vom Erben unterschrieben und dessen Unterschrift vom Notar beglaubigt. Anschließend wird die eine Erklärung dem deutschen Nachlassgericht unter Hinweis auf die Notzuständigkeit und die andere Erklärung dem philippinischen Gericht übermittelt. Alternativ wäre bei einer beurkundeten Erbausschlagung auch die rechtzeitige Übermittlung je einer Ausfertigung möglich.