UmwG §§ 2, 6; EGBGB Art. 11
Abschluss eines Verschmelzungsvertrags; Auslandsbeurkundung
I. Sachverhalt
Eine GmbH soll zur Aufnahme auf eine GmbH & Co. KG verschmolzen werden. Der Verschmelzungsvertrag wird in Basel Stadt beurkundet. Die Handelsregisteranmeldungen werden in Deutschland beglaubigt.
II. Frage
Ist auf dieser Grundlage eine Eintragung der Verschmelzung möglich?
III. Zur Rechtslage
1. Beurkundung des Verschmelzungsvertrags
Die Verschmelzung einer GmbH auf eine GmbH & Co. KG ist nach §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 1 u. 2, Abs. 4, 39-45 UmwG zulässig (vgl. auch das Muster bei Widmann/Mayer/Heckschen, Umwandlungsrecht, Std.: 10/2010, Anh. 4, Mustersatz 4).
Die Verschmelzung setzt einen wirksamen Verschmelzungsvertrag voraus (§§ 4-6 UmwG). Der Verschmelzungsvertrag ist ein Organisationsakt, der in die Struktur der Gesellschaft eingreift (vgl. nur Limmer, in: Limmer, Handbuch der Unternehmensumwandlung, 5. Aufl. 2016, Teil 2 Kap. 1 Rn. 5). Die Verschmelzung verändert nicht nur die Beteiligungsverhältnisse, sondern bewirkt auch, dass das Vermögen unter Auflösung des übertragenden Rechtsträgers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Damit berührt die Verschmelzung außenstehende Dritte, insbesondere Gläubiger, Arbeitnehmer und Schuldner des übernehmenden und des übertragenden Rechtsträgers sowie künftig beitretende Gesellschafter.
Der Verschmelzungsvertrag bedarf der notariellen Beurkundung (§ 6 UmwG; zu den Formzwecken im Einzelnen Ziff. 3 a]). Sie erfolgt nach den Vorschriften der §§ 8 ff. BeurkG über die Niederschrift von Willenserklärungen. Ein bloßes Tatsachenprotokoll (§§ 36 f. BeurkG) ist nicht ausreichend (allg. M., vgl. Henssler/Strohn/Heidinger, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2016, § 6 UmwG Rn. 2; Semler/Stengel/Schröer, UmwG, 3. Aufl. 2012, § 6 Rn. 1).
Bei einer Auslandsbeurkundung des Verschmelzungsvertrags stellen sich zwei Fragen:
- Zunächst ist zu klären, wie die Formfrage kollisionsrechtlich anzuknüpfen ist. Von der Beantwortung dieser Frage hängt ab, ob § 6 UmwG überhaupt zwingend zur Anwendung berufen ist oder alternativ die Einhaltung der Form des Ortsrechts (Ortsform) genügt (hierzu Ziff. 2).
- Gelangt man zu dem Ergebnis, dass die Anknüpfung an die Ortsform ausscheidet und ausschließlich das anwendbare Gesellschaftsrecht (Wirkungsstatut) über die Formfrage entscheidet, fragt sich auf zweiter Stufe, ob die Beurkundung vor dem ausländischen Notar die Beurkundung vor dem deutschen Notar substituieren kann und den Formerfordernissen des § 6 UmwG genügt (hierzu Ziff. 3).
2. International-privatrechtliche Anknüpfung
Die Anwendung von § 6 UmwG hängt davon ab, wie man diese Formvorschrift kollisionsrechtlich anknüpft. Maßgeblich sind im vorliegenden Kontext die Kollisions-normen des EGBGB. Die Rom-I-VO klammert Fragen der Existenz, Gründung, Auflösung und Verfassung von Gesellschaften aus ihrem Anwendungsbereich aus (Art. 1 Abs. 2 lit. f Rom-I-VO). Sie gilt daher nicht für Umwandlungsvorgänge (allg. M., vgl. EuGH EuZW 2016, 339, 341 Tz. 52 = NZG 2016, 513 – KA Finanz; Staudinger/Magnus, BGB, Neubearb. 2011, Art. 1 Rom-I-VO Rn. 83; BeckOGK-BGB/Kindler, Std.: 15.2.2016, Art. 1 Rom-I-VO Rn. 57; MünchKommBGB/Martiny, 6. Aufl. 2015, Art. 1 Rom-I-VO Rn. 65; vgl. bereits Giuliano/Lagarde, BT-Drucks. 10/503, S. 44).
Nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB ist ein Rechtsgeschäft formgültig, wenn es entweder die Formerfordernisse des für das Rechtsverhältnis maßgeblichen Rechts (Wirkungsstatut, Var. 1) oder das Recht des Staates der Vornahme des Rechtsgeschäfts (Ortsform, Var. 2) einhält. Wirkungsstatut ist im vorliegenden Fall deutsches Recht, da beide an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger Gesellschaften deutschen Rechts sind (sog. Vereinigungstheorie, vgl. Mayer, in: Widmann/Mayer, Std.: 4/2014, § 122c UmwG Rn. 179 f.). Bei Anknüpfung an die Ortsform wäre eine notarielle Beurkundung nicht erforderlich, wenn die Ortsform einen privatschriftlichen Verschmelzungsvertrag genügen ließe.
a) Meinungsstand
Nach ganz überwiegender Meinung greift bei einem statusrelevanten Akt wie der Gesellschaftsgründung oder Verschmelzung nicht die Ortsformanknüpfung des Art. 11 Abs. 1 Var. 2 EGBGB Platz, sondern entscheidet stets das Gesellschaftsstatut über die zulässige Form (OLG Hamm NJW 1974, 1057; LG Augsburg NJW-RR 1997, 420 = MittBayNot 1996, 318; LG Mannheim BWNotZ 2000, 150; AG Berlin-Charlottenburg GmbHR 2016, 223 = RNotZ 2016, 119; Bayer/Meier-Wehrsdorfer, in: Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 2011, § 9 Rn. 6; Benecke, RIW 2002, 280, 282; Bredthauer, BB 1986, 1864, 1865; Böttcher, in: Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, 2015, § 6 UmwG Rn. 15; Goette, DStR 1996, 709, 711; GroßkommAktG/Röhricht/Schall, 5. Aufl. 2016, § 23 Rn. 70; Gutachten DNotI-Report 1995, 219 f.; Haerendel, DStR 2001, 1802, 1803; König/Götte/Bormann, NZG 2009, 881, 882; Kleba, RNotZ 2016, 273, 280; Kröll, ZGR 2000, 111, 115 f.; Kropholler, ZHR 140 [1976], 394, 403; Limmer, Teil 2 Kap. 1 Rn. 497; Lutter/Drygala, UmwG, 5. Aufl. 2014, § 6 Rn. 9; KölnKommUmwG/Simon, 2009, § 6 Rn. 9; Maulbetsch, in: Maulbetsch/Klumpp/Rose, UmwG, 2009, § 6 Rn. 13; Scholz/Priester, GmbHG, 11. Aufl. 2015, § 53 Rn. 73; Semler/Stengel/Schröer, § 6 Rn. 16; MünchKommBGB/Kindler, 6. Aufl. 2015, IntGesR Rn. 535; MünchKommGmbHG/J. Mayer, 2. Aufl. 2015, § 2 Rn. 44; Schervier, NJW 1992, 593, 595; Staudinger/Großfeld, BGB, Neubearb. 1998, IntGesR Rn. 467; Widmann/Mayer/Heckschen, Std.: 2/2008, § 6 Rn. 62, 67, 68; Wilken, EWiR 1996, 937, 938; Winkler, BeurkG, 17. Aufl. 2013, Einl. Rn. 89; Ziemons, in: Ziemons/Binnewies, Handbuch Aktiengesellschaft, Std.: 3/2016, Teil I Rn. 2.59; a. A. OLG Stuttgart NJW 1981, 1176; OLG Düsseldorf NJW 1989, 2200 [für Gesellschafterversammlung im Ausland]; Palandt/Thorn, BGB, 75. Aufl. 2016, Art. 11 EGBGB Rn. 13; offenlassend BGHZ 80, 76, 78 = NJW 1981, 1160 = DNotZ 1981, 451).
b) Stellungnahme
Für die ausschließliche Maßgeblichkeit des Gesellschaftsstatuts spricht die Tatsache, dass die Beurkundungspflichtigkeit des Verschmelzungsvertrags öffentlichen Interessen und insbesondere dem Verkehrsschutz und der Rechtssicherheit dient (hierzu im Einzelnen Ziff. 3 a]). Rechtsgeschäfte, deren Wirkung über den Kreis der an ihnen beteiligten Personen hinausreicht und die den allgemeinen Rechtsverkehr betreffen, sind kollisionsrechtlich anders als Schuldvertragsverhältnisse zu behandeln. Dies verdeutlicht Art. 11 Abs. 4 EGBGB: Bei einem Rechtsgeschäft, durch das ein Recht an einer Sache begründet oder über ein solches Recht verfügt wird, ist stets nur das Wirkungsstatut maßgeblich. Durch einen statusrelevanten Akt wie die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens unter Auflösung des Rechtsträgers werden Dritt- und Verkehrsschutzinteressen in gleicher Weise wie bei der Begründung und Übertragung von Rechten an Grundstücken berührt (Semler/Stengel/Schröer, § 6 Rn. 16; MünchKommGmbHG/J. Mayer, § 2 Rn. 44; Kropholler, ZHR 140 [1976], 394, 402; Bayer/Meier-Wehrsdorfer, § 9 Rn. 6; Goette, DStR 1996, 709, 710; MünchKommBGB/Kindler, IntGesR Rn. 535). Daher wird man den Rechtsgedanken dieser Vorschrift bei Beantwortung der vorliegenden Frage entsprechend anwenden können.
Die Ortsformanknüpfung lässt sich auch nicht mit der Funktionsfähigkeit und Verlässlichkeit des deutschen Handelsregisters vereinbaren. Die weitreichende Publizitätswirkung ist nur zu rechtfertigen, wenn sich die Registereintragung auf eine öffentliche Urkunde mit öffentlicher Beweiskraft stützt. Dem würde ein nur privatschriftlich abgeschlossener Verschmelzungsvertrag nach der Ortsformanknüpfung nicht gerecht (vgl. Limmer, Teil 2 Kap. 1 Rn. 497; Lutter/Drygala, § 6 Rn. 9; KölnKommUmwG/Simon, § 6 Rn. 9). Insbesondere die weitreichenden Heilungsvorschriften des § 20 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UmwG erfordern, dass der Verschmelzung ein Verschmelzungsvertrag in Form einer öffentlichen Urkunde zugrunde liegt.
Gegen die Ortsformanknüpfung spricht schließlich die Entstehungsgeschichte des Gesetzes (vgl. bereits Goette, DStR 1996, 709, 711; Kröll, ZGR 2000, 111, 115 f.; MünchKommGmbHG/J. Mayer, § 2 Rn. 44). In der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des IPR wurde ausdrücklich klargestellt, dass sich Art. 11 EGBGB wegen seines Standortes im Abschnitt „Recht der natürlichen Personen und der Rechtsgeschäfte“ nicht auf die Verfassung von Gesellschaften und juristischen Personen bezieht (BT-Drucks. 10/504, S. 49, liSp. oben; vgl. in diesem Sinne auch Art. 11 Abs. 6 EGBGB des Referentenentwurfs für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen). Die Anwendung der Ortsformanknüpfung liefe dem gesetzgeberischen Willen daher klar zuwider.
Wir halten mithin die h. M. für zutreffend: Über die Form statusrelevanter gesellschaftsrechtlicher Akte entscheidet ausschließlich das Wirkungsstatut. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Verschmelzungsvertrag gem. § 6 UmwG zwingend der notariellen Beurkundung bedarf.
3. Substitution
Richtet sich die Wirksamkeit des Verschmelzungsvertrags nach § 6 UmwG, so fragt sich, ob auch die Beurkundung vor einem Schweizer Notar das Beurkundungserfordernis erfüllt. Die Möglichkeit, das deutsche Beurkundungsverfahren durch eine ausländische Beurkundung zu substituieren, hängt vom Zweck der jeweiligen Beurkundungspflicht ab. Entscheidend ist, dass der Zweck der inländischen Sachnorm durch die Auslandsbeurkundung funktional verwirklicht wird (vgl. BGH DNotZ 2015, 207, 210 Tz. 17; Bayer, GmbHR 2013, 897, 913).
a) Formzwecke des § 6 UmwG
aa) Beratungs- und Belehrungsfunktion
Die Beurkundungspflicht des Verschmelzungsvertrags steht in gewisser Parallele zur Beurkundungspflicht gem. § 311b Abs. 3 BGB (vgl. BR-Drucks. 75/94, S. 83). Hiernach ist ein Vertrag notariell zu beurkunden, durch den sich jemand verpflichtet, sein gegenwärtiges Vermögen zu übertragen. So wie bei einem schuldrechtlichen Gesamtvermögensgeschäft soll die notarielle Beurkundung des Verschmelzungsvertrags die Beratung und Belehrung der Beteiligten gewährleisten. Hinzu kommen in diesem Zusammenhang die Übereilungsschutz- und Warnfunktion (Widmann/Mayer/Heckschen, § 6 UmwG Rn. 4).
bb) Materielle Richtigkeitsgewähr
Die Verschmelzung geht über ein schuldrechtliches Gesamtvermögensgeschäft weit hinaus. Sie ist ein Vorgang, der in die Struktur der Gesellschaft eingreift. Als solcher bleibt sie nicht ein gesellschafterliches Internum, sondern hat unmittelbare Auswirkungen auf den Rechtsverkehr und berührt damit auch die Interessen Dritter. Sie führt zu einer unmittelbaren Umgestaltung der Rechtsverhältnisse: So verändert sie unmittelbar die Zuordnung von Rechten und Verbindlichkeiten im Außenverhältnis; Gläubiger und Arbeitnehmer sehen sich mit einem Wechsel ihres Schuldners bzw. Arbeitgebers konfrontiert (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 UmwG). Die Verschmelzung hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die Zuordnung dinglicher Rechte (vgl. zur Spaltung insbes. § 126 Abs. 2 S. 1 UmwG). Sie bildet die Grundlage für die notwendigen Grundbuchberichtigungen (BeckOGK-UmwG/Wicke, Std.: 14.4.2016, § 6 Rn. 3 [im Erscheinen]).
Insbesondere wegen ihrer Auswirkungen auf Dritte, die nicht am Verschmelzungsvertrag beteiligt sind, besteht ein öffentliches Interesse daran, dass die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags materiell richtig ist und den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht (sog. materielle Richtigkeitsgewähr). Die Beurkundungspflicht stellt sicher, dass der Notar den Willen der Beteiligten ermittelt und überprüft, ob die gewünschten Vereinbarungen den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen (vgl. §§ 4, 17 Abs. 2 S. 1 BeurkG). Die notarielle Prüfung bietet eine rechtssichere Grundlage für die Gesamtrechtsnachfolge; sie gewährleistet, dass der Notar mögliche Fehlerquellen einer Umwandlung ausschließt (vgl. LG Augsburg
NJW-RR 1997, 420; BeckOGK-UmwG/Wicke, § 6 Rn. 3; KölnKommUmwG/Simon, § 6 Rn. 1; Böttcher, § 6 UmwG Rn. 1; Heckschen, DB 1990, 161, 163; Limmer, Teil 2 Kap. 1 Rn. 62; Lutter/Drygala, § 6 Rn. 1; Maulbetsch, § 6 Rn. 2; Semler/Stengel/Schröer, § 6 Rn. 2; Widmann/Mayer/Heckschen, § 6 UmwG Rn. 1; vgl. auch BR-Drucks. 75/94, S. 86).
Dass Beurkundungspflichten im Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Organisationsakten der materiellen Richtigkeitsgewähr dienen, unterstreicht der Supermarkt-Beschluss des BGH (BGHZ 105, 324, 338 = DNotZ 1989, 102). Der BGH sieht den Zweck der Beurkundungspflicht bei der Änderung eines Gesellschaftsvertrags auch in der materiellen Richtigkeitsgewähr durch die Mitwirkung des Notars. Diesen Gedanken wird man auf andere gesellschaftsrechtliche Organisationsakte wie etwa den Verschmelzungsvertrag übertragen können (Böttcher, § 6 UmwG Rn. 2 Fn. 2; Kleba, RNotZ 2016, 273, 280; Semler/Stengel/Schröer, § 6 Rn. 2; MünchKommGmbHG/J. Mayer, § 2 Rn. 51). Röhricht führt in seiner Kommentierung zur Beurkundung der Satzungsfeststellung prägnant aus:
„Wenn das Gesetz die Errichtung von Kapitalgesellschaften nur im Wege notarieller Beurkundung zuläßt, so geschieht dies unzweifelhaft nicht lediglich zu Beweiszwecken oder zum Schutz der Beteiligten vor der Eingehung übereilter Bindungen. Vielmehr verbindet das Gesetz damit zugleich im öffentlichen Interesse die generelle Erwartung, der Notar werde als unabhängiger und rechtskundiger Amtsträger den ihm unterstellten Sachverstand einbringen und dazu beitragen, daß die publizitätspflichtigen Akte der Gründung der Gesellschaft und der Feststellung ihrer Satzung von vornherein im Einklang mit dem geltenden Recht stehen. Die vom Gesetz zwingend vorgeschriebene Beurkundung hat mithin zugleich die Funktion, nicht nur im privaten Interesse der Beteiligten, sondern zugleich im öffentlichen Interesse die größtmögliche Gewähr für die materielle Rechtmäßigkeit des mit konstitutiver Wirkung einzutragenden Rechtsaktes zu bieten“
(GroßkommAktG/Röhricht, 4. Aufl., Std.: 1.8.1996, § 23 Rn. 53; Hervorhebungen durch das DNotI; vgl. zu Entstehungsgeschichte des § 23 AktG und historischem Normzweck dieser Vorschrift auch Hadding/Kießling, FS Hattenhauer, 2001, S. 159, 177 f.).
cc) Filterfunktion/Entlastung der Registergerichte
Die notarielle Beurkundung erfüllt außerdem eine Filterfunktion im Zusammenspiel von Notar und Registergericht. Da die Verschmelzung Belange des Rechtsverkehrs berührt, soll das Vier-Augen-Prinzip eine effiziente vorsorgende Rechtspflege gewährleisten (vgl. Henssler/Strohn/Heidinger, § 6 UmwG Rn. 1; Widmann/Mayer/Heckschen, § 6 UmwG Rn. 1.1; Bormann/Apfelbaum, ZIP 2007, 947, 949). Die vorbeugende Richtigkeitskontrolle entlastet dabei die Registergerichte. Um nachträgliche Rechtsstreitigkeiten über die Strukturmaßnahme zu vermeiden, sieht der Gesetzgeber ex ante einen strengeren Prüfungs- und Kontrollmechanismus vor.
dd) Beweissicherungsfunktion
Daneben verfolgt § 6 UmwG eine Beweissicherungsfunktion. Es sollen keine Zweifel verbleiben, dass die Beteiligten einen Verschmelzungsvertrag des jeweiligen Inhalts geschlossen haben (Lutter/Drygala, § 6 Rn. 1; Maulbetsch, § 6 Rn. 2; Semler/Stengel/Schröer, § 6 Rn. 2; Widmann/Mayer/Heckschen, § 6 UmwG Rn. 1). Schließlich gewährleistet die Beurkundung die dauerhafte Verfügbarkeit der Urkunde; die Urschrift der Niederschrift bleibt in der Verwahrung des Notars (§ 45 Abs. 1 BeurkG) und es können jederzeit Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften erstellt werden.
b) Meinungsstand zur Substitution bei Verschmelzungsverträgen
Ob die Beurkundung des Verschmelzungsvertrags durch einen ausländischen Notar der Beurkundung durch einen deutschen Notar potenziell gleichwertig ist, wird unterschiedlich beurteilt.
aa) Auslandsbeurkundung nicht gleichwertig
Nach einer Ansicht ist die Beurkundung vor dem ausländischen Notar für die Zwecke des § 6 UmwG generell nicht als gleichwertig anzusehen. Diese Ansicht stützt sich maßgeblich darauf, dass ein ausländischer Notar nicht über die erforderlichen Kenntnisse des deutschen Rechts verfügt und daher die materielle Richtigkeit des Verschmelzungsvertrags nicht gewährleisten kann. Nur ein inländischer Notar kann demzufolge den Verschmelzungsvertrag formwirksam beurkunden (LG Augsburg NJW-RR 1997, 420; LG Mannheim BWNotZ 2000, 150 [allg. für satzungsrelevante Maßnahmen]; Bayer, GmbHR 2013, 897, 913; ders.,/Meier-Wehrsdorfer, § 9 Rn. 9; BeckOGK-UmwG/Wicke, § 6 Rn. 22; Goette, DStR 1996, 709, 713; Heckschen, DNotZ 2007, 444, 457; Krüger, in: Beck’sches Handbuch Umwandlungen international, 2013, 2. Teil Rn. 39; Limmer, Teil 2 Kap. 1 Rn. 497; Kallmeyer/Zimmermann, UmwG, 5. Aufl. 2013, § 6 Rn. 10; Kulpa/Krause, ZHR 171 [2007], 38, 59; Staudinger/Großfeld, IntGesR Rn. 488; Widmann/Mayer/Heckschen, § 6 UmwG Rn. 70; Mayer, in: Widmann/Mayer, § 122c UmwG Rn. 183; Wilken, EWiR 1996, 937, 938; Winkler, Einl. Rn. 96; wohl auch Henssler/Strohn/Heidinger, § 6 UmwG Rn. 6; Veith, in: Beck’sches Handbuch Umwandlungen international, 3. Teil Rn. 207 [zur Spaltung]; skeptisch gegenüber Auslandsbeurkundung auch KölnKommUmwG/Simon, § 6 Rn. 11; für Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung nur in einem Ausnahmefall der Verschmelzung LG Kiel BB 1998, 120).
Diese Auffassung geht im Wesentlichen auf einen Beitrag des damaligen BGH-Richters und späteren Vorsitzenden des II. Zivilsenats Goette (DStR 1996, 709) zurück. Goette hielt darin eine Auslandsbeurkundung bei gesellschaftsverfassungsrelevanten Akten für unzulässig. Die Beurkundung betreffe Drittinteressen, die nur durch Beurkundung vor einem sachkundigen inländischen Notar gewahrt werden könnten. Es sei den Beteiligten nicht möglich, diesen Schutzstandard durch eine Auslandsbeurkundung zu unterlaufen (DStR 1996, 709, 713; ders., FS Boujong, 1996, S. 135). In diese Richtung zielen auch Stellungnahmen, die unter Berufung auf die materielle Richtigkeitsgewähr die Beurkundung der Gründung einer Kapitalgesellschaft nur vor dem deutschen Notar zulassen (zu § 2 GmbHG: AG Berlin-Charlottenburg GmbHR 2016, 223; BeckOK-GmbHG/C. Jaeger, Std.: 15.1.2016, § 2 Rn. 14; Bayer/Meier-Wehrsdorfer, § 9 Rn. 9; MünchKommGmbHG/J. Mayer, § 2 Rn. 46 ff., 56b; HK-GmbHG/Pfisterer, 2. Aufl. 2013, § 2 Rn. 20; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 2 Rn. 19, Schäfer; in: Bork/Schäfer, GmbHG, 3. Aufl. 2015, § 2 Rn. 34; Henssler/Strohn/Schäfer, § 2 GmbHG Rn. 17; Bedenken gegen Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung: Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 2 Rn. 23a; zu § 23 AktG: Heidel/Braunfels, Aktienrecht, 4. Aufl. 2014, § 23 AktG Rn. 5; Hölters/Solveen, AktG, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 12; Staudinger/Großfeld, IntGesR Rn. 488; Spindler/Stilz/Limmer, 3. Aufl. 2015, § 23 Rn. 11).
bb) Gleichwertigkeit im Einzelfall denkbar
Die Gegenauffassung schließt die Auslandsbeurkundung des Verschmelzungsvertrags nicht aus und lässt es auf die Gleichwertigkeit des Beurkundungsverfahrens im Einzelfall ankommen (LG Köln MittRhNotK 1990, 21 = GmbHR 1990, 171; LG Nürnberg-Fürth NJW 1992, 633 = MittBayNot 1992, 65; Böttcher, § 6 UmwG Rn. 16; Kropholler, ZHR 140 [1976], 394, 411 f.; Lang/Weidmüller in: Lang/Weidmüller, GenG, 38. Aufl. 2015, § 6 UmwG Rn. 4; Maulbetsch, § 6 Rn. 14; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, 6. Aufl. 2013, § 6 UmwG Rn. 17; Semler/Stengel/Schröer, § 6 Rn. 17; Kröll, ZGR 2000, 149, 150). In Parallele hierzu stehen Stellungnahmen, die auch die Gründung der Kapitalgesellschaft vor dem ausländischen Notar im Einzelfall zulassen (so zu § 2 GmbHG Michalski, in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 2 Rn. 23; Schmidt-Leithoff, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 3. Aufl. 2015, § 2 Rn. 42; zu § 23 AktG GroßkommAktG/Röhricht/Schall, 5. Aufl. 2016, § 23 Rn. 75; KölnKommAktG/Arnold, 3. Aufl. 2011, § 23 Rn. 39; Lutter/Schmidt/Seibt, AktG, 3. Aufl. 2015, § 23 Rn. 18; MünchKommAktG/Pentz, 4. Aufl. 2016, § 23 Rn. 35; Ziemons, in: Ziemons/Binnewies, Teil I Rn. 2.60).
c) Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung
Der BGH hat über die Auslandsbeurkundung bei gesellschaftsrechtlichen Organisationsakten noch nicht entschieden, soweit sich die Beurkundung – wie im Fall des § 6 UmwG – nach den Vorschriften über die Niederschrift von Willenserklärungen (§§ 8 ff. BeurkG) richtet.
aa) Entscheidungen zum notariellen Tatsachenprotokoll
Die Entscheidung vom 16.2.1981 (BGHZ 80, 76 = DNotZ 1981, 451) betraf lediglich die Satzungsänderung bei der GmbH (§ 53 Abs. 2 GmbHG), die auch durch notarielles Tatsachenprotokoll erfolgen kann (vgl. Bayer, GmbHR 2013, 897, 910). In seinem Urteil zur Zulässigkeit der Hauptversammlung im Ausland vom 21.10.2014 (BGHZ 203, 68 = DNotZ 2015, 207) hat sich der BGH darauf berufen, dass der Notar nur ein Tatsachenprotokoll zu errichten habe (§ 130 AktG i. V. m. §§ 36 f. BeurkG). Den Notar träfen in diesem Zusammenhang lediglich reduzierte Prüfungs- und Belehrungspflichten. Insbesondere sei § 17 BeurkG nicht anwendbar (DNotZ 2015, 207, 211 Tz. 19).
Aus der letztgenannten Entscheidung wird deutlich, dass zwischen Tatsachenprotokoll und Willenserklärungsbeurkundung strikt zu unterscheiden ist und dass sich aus den Ausführungen zur Substitution bei Tatsachenprotokollen keine belastbaren Schlussfolgerungen für die Auslandsbeurkundung von Willenserklärungen ziehen lassen (vgl. bereits jurisPK-BGB/Süß, 7. Aufl. 2014, Art. 11 EGBGB Rn. 66 f.; Mohr, GmbH-StB 2011, 310, 312; MünchKommGmbHG/J. Mayer, § 2 Rn. 48, 53; Reithmann, NJW 2003, 385, 387).
bb) Entscheidungen zur Anteilsabtretung
Auch die BGH-Entscheidungen zur Auslandsbeurkundung der Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen (BGH NJW-RR
1989, 1259, 1261; BGHZ 199, 270 = DNotZ 2014, 457) können für den vorliegenden Fall nicht fruchtbar gemacht werden (vgl. bereits Lutter/Drygala, § 6 Rn. 13). Die Anteilsabtretung lässt sich nicht mit einem statusrelevanten Vorgang wie dem Verschmelzungsvertrag vergleichen. Die Verschmelzung ist ein Organisationsakt, der die Konstituierung einer juristischen Person und ihre Existenz berührt und damit in besonderem Maße unbeteiligte Dritte (Gläubiger, Schuldner, Arbeitnehmer) betrifft. Vor diesem Hintergrund besteht ein besonderes öffentliches Interesse an einem materiell richtigen Verschmelzungsvertrag.
d) Gewährleistung der materiellen Richtigkeit und der Beratungs- und Belehrungsfunktion
Das ausländische Beurkundungsverfahren wird dem Formzweck des § 6 UmwG nur gerecht, wenn der ausländische Notar die materielle Richtigkeit und Wirksamkeit des Vertrags gewährleisten kann. Entsprechendes gilt für die mit der Beurkundung verbundene Beratung und Belehrung. Dieser Aufgabe kann der Notar nur nachkommen, wenn er die erforderlichen Rechtskenntnisse für die Überprüfung des Vertrags hat (LG Augsburg NJW-RR 1997, 420; LG Mannheim BWNotZ 2000, 150; Henssler/Strohn/Heidinger, § 6 UmwG Rn. 6; Bayer/Meier-Wehrsdorfer, § 9 Rn. 9; Kleba, RNotZ 2016, 273, 280; Limmer, Teil 2 Kap. 1 Rn 497). Ein ausländischer Notar verfügt über keine besondere Qualifizierung im deutschen Recht. Im deutschen Gesellschaftsrecht sind ausländische Notare „institutionell unerfahren“ (Bayer, GmbHR 2013, 897, 913; so auch Staudinger/Großfeld, IntGesR Rn. 484). Dies betont auch der BGH, wenn er ausführt, dass die Beteiligten einer Auslandsbeurkundung vom ausländischen Notar regelmäßig keine genaue Kenntnis des deutschen Gesellschaftsrechts und von vornherein keine umfassende Belehrung erwarten könnten (BGH DNotZ 1981, 451, 453; DNotZ 2014, 457, 460 Tz. 14). Gerade in komplexen Angelegenheiten wie der Beurkundung von Gesellschafts- und Verschmelzungsverträgen sind institutionell gewährleistete Rechtskenntnisse aber unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Beurkundung ihren Zweck erfüllt. Dass deutsche Notare über die Fähigkeit verfügen, die Wirksamkeit von Geschäften mit Bezug zur Allgemeinheit verantwortungsvoll zu überprüfen, wird in einem strengen Zulassungsverfahren sichergestellt (vgl. § 6 BNotO). Da jeder Notar zwingend auch gesellschaftsrechtliche Vorgänge beurkunden muss (Urkundsgewähranspruch, § 15 BNotO), ist mit der Verleihung des Notaramts die Verpflichtung und Erwartung verbunden, dass der Notar die materielle Richtigkeit in allen Bereichen des deutschen Gesellschaftsrechts umfassend gewährleistet. Flankiert wird dies mit einer unbeschränkten und unbeschränkbaren Haftung (vgl. § 19 BNotO). Über dem Notar steht eine Dienstaufsicht, die die Einhaltung der Bestimmungen des deutschen Rechts überprüfen kann. Die Beurkundung vor dem ausländischen Notar kann eine entsprechende Richtigkeit nicht gewährleisten; der ausländische Notar verfügt über keine formelle Qualifikation und keine institutionell abgesicherte Erfahrung im deutschen Recht. Auch der Dienstaufsicht des Notars fehlen insoweit die erforderlichen Kenntnisse (vgl. Limmer, Teil 2 Kap. 1 Rn 497).
Zum Teil weist die Literatur darauf hin, dass es im Einzelfall sehr wohl ausländische Notare mit Kenntnissen im deutschen Gesellschaftsrecht geben könne (Maulbetsch, § 6 Rn. 14; Sick/Schwarz, NZG 1998, 540, 543). Dies mag zwar zutreffen, führt aber an der Sache vorbei. Im Registerverfahren lässt sich weder sicher noch mit praktikablem Aufwand feststellen, ob der Notar über die gebotene Sachkunde im deutschen Recht verfügt (Bayer/Meier-Wehrsdorfer, § 9 Rn. 6; BeckOGK-UmwG/Wicke, § 6 Rn. 22; Goette, DStR 1996, 709, 713; Haerendel, DStR 2001, 1802, 1804; KölnKommUmwG/Simon, § 6 Rn. 11; Kallmeyer/Zimmermann, § 6 Rn. 11; Scholz/Priester, § 53 Rn. 74). Davon abgesehen muss die Rechtsordnung hinsichtlich der verlangten Qualifikationen und Kenntnisse stets eine typisierende Betrachtung vornehmen.
Eine solche typisierende Betrachtung hat umso mehr Bedeutung, als die Verschmelzung mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam wird und insoweit eine Heilung eintritt (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 u. Abs. 2 UmwG). Da die Beteiligten und insbesondere außenstehende Dritte keine Gelegenheit mehr haben, wirksamen nachträglichen Rechtsschutz zu erlangen, ist eine umso genauere Prüfung durch Notar und Registergericht nötig. Auch der Gläubigerschutz und der Schutz des Rechtsverkehrs erfordern eine entsprechende Kontrolle (Limmer, Teil 2 Kap. 1 Rn. 497). Weil von der Gesamtrechtsnachfolge bei Verschmelzung insbesondere Grundstücke erfasst sein können, streiten auch die Belange der Rechtssicherheit des Grundstücksverkehrs für eine fachkundige notarielle Prüfung (vgl. BeckOGK-UmwG/Wicke, § 6 Rn. 22).
Das Beurkundungsverfahren vor einem ausländischen Notar kann weder die materielle Richtigkeit noch die erforderliche Beratung und Belehrung der Beteiligten gewährleisten.
e) Verzicht auf Belehrung und Prüfung möglich?
Die Formzwecke der materiellen Richtigkeitsgewähr und der notariellen Beratung und Belehrung könnten jedoch im Rahmen der Substitutionsprüfung außer Betracht bleiben, wenn man es für möglich hielte, dass die Beteiligten auf die notarielle Prüfung und Belehrung verzichteten und den Notar aus seiner Verantwortung entließen.
aa) Verzicht der Beteiligten auf Belehrungspflichten ihnen gegenüber?
Der II. Zivilsenat des BGH hat in seinen Entscheidungen zur Auslandsbeurkundung der Geschäftsanteilsabtretung ohne nähere Begründung ausgeführt, dass die Beteiligten auf die Prüfungs- und Belehrungspflichten nach § 17 Abs. 1 BeurkG verzichten könnten (DNotZ 1981, 451, 453; DNotZ 2014, 457, 460 Tz. 14). Diese Auffassung steht im Widerspruch zur einhelligen Auffassung im beurkundungsrechtlichen Schrifttum (Armbrüster, in: Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/DONot, 7. Aufl. 2015, § 17 BeurkG Rn. 24; Eylmann/Vaasen/Frenz, BNotO/BeurkG, 4. Aufl. 2016, § 17 BeurkG Rn. 15; Herrler, GmbHR 2014, 225, 229; Hölters/Solveen, § 23 Rn. 12; jurisPK-BGB/Süß, Art. 11 EGBGB Rn. 68; Winkler, Einl. Rn. 91, § 17 Rn. 1). Der Notar hat lediglich ausnahmsweise die Möglichkeit, die notarielle Belehrung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu verkürzen, wenn die Beteiligten nach der Überzeugung des Notars bereits ausreichend informiert und beraten sind (vgl. MünchKommGmbHG/J. Mayer, § 2 Rn. 47; Soergel/J. Mayer, BGB, 13. Aufl. 2003, § 17 BeurkG Rn. 4; Eylmann/Vaasen/Frenz, § 17 BeurkG Rn. 15). Um das Belehrungsbedürfnis der Beteiligten zu klären, muss der Notar jedoch über entsprechende Rechtskenntnisse verfügen (AG Berlin-Charlottenburg GmbHR 2016, 223, 225; GroßkommGmbHG/Ulmer/Löbbe, 2. Aufl. 2013, § 2 Rn. 21).
Die Grundnorm des § 17 BeurkG zu den notariellen Belehrungspflichten ist eine „Kernregelung“ des BeurkG (vgl. die Rspr. des III. Zivilsenats, BGH DNotZ 2015, 461, 463 Tz. 29; Armbrüster, § 17 BeurkG Rn. 1). Es kann nicht möglich sein, dass die Beteiligten auf die Kardinalpflichten des Beurkundungsverfahrens und seinen wesentlichen Zweck verzichten. Auch die Beurkundungspflicht als solche steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Unseres Erachtens ist es ausgeschlossen, dass die Beteiligten durch einen in der Urkunde erklärten Verzicht den Notar tatsächlich von seinen Belehrungspflichten entbinden. Zumindest ist es äußerst unwahrscheinlich, dass der Notar- und Notarhaftungssenat des BGH einen entsprechenden Verzicht akzeptieren würden (vgl. zu § 17 Abs. 2a BeurkG BGH DNotZ 2013, 552).
bb) Verzicht auf materielle Richtigkeitsgewähr und Prüfung im Interesse der Allgemeinheit?
Ob die Beteiligten auf die zu ihrem Schutz bestehenden notariellen Beratungs- und Belehrungspflichten verzichten können, mag jedoch dahinstehen, wenn die Beurkundung der Verschmelzung zugleich dem Schutz unbeteiligter Dritter und der Allgemeinheit dient.
Die überwiegende Auffassung in der Literatur hält den Verzicht auf die Prüfung durch Einschaltung eines ausländischen Notars nicht für zulässig. Es sei den Urkundsbeteiligten nicht gestattet, auf die im öffentlichen Interesse stehende Prüfung durch den rechtskundigen Notar zu verzichten (Bayer/Meier-Wehrsdorfer, § 9 Rn. 9; BeckOGK-UmwG/Wicke, § 6 Rn. 22; Benecke, RIW 2002, 280, 284 f.; Goette, DStR 1996, 709, 713; Haerendel, DStR 2001, 1802, 1804; Heidel/Braunfels, § 23 AktG Rn. 5; KölnKommUmwG/Simon, § 6 Rn. 11; Kulpa/Krause, ZHR 171 [2007], 38, 59; Schervier, NJW 1992, 593, 596; Staudinger/Großfeld, IntGesR Rn. 481 ff.).
Die Gegenauffassung lässt auch insoweit einen Verzicht der Beteiligten zu (LG Nürnberg-Fürth NJW 1992, 633; GroßkommAktG/Röhricht/Schall, § 23 Rn. 75; Michalski, § 2 Rn. 23; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 33).
Unseres Erachtens ist die überwiegende Auffassung vorzugswürdig. Soweit es um die materielle Rechtmäßigkeitsprüfung und insbesondere die Pflichten aus den §§ 4, 17 Abs. 2 S. 1 BeurkG geht, kann die notarielle Prüfung und Belehrung nicht zur Disposition der Beteiligten stehen. Die Einschaltung eines ausländischen Notars liefe auf einen Verzicht zulasten Dritter und der Allgemeinheit hinaus. Damit überschritten die Beteiligten den Kreis der Privatautonomie und die daraus folgenden Befugnisse.
Das Argument, dass das Registergericht die materielle Wirksamkeit ohnehin prüfen müsse, überzeugt demgegenüber nicht. § 6 UmwG dient der materiellen Richtigkeit des Verschmelzungsvertrags. Damit will die Norm bei einem Eingriff in die Gesellschaftsstruktur mit Bedeutung für die Allgemeinheit die Wahrung der gesetzlichen Voraussetzungen durch ein Vier-Augen-Prinzip (Notar und Registergericht) absichern. Verzichtete man darauf, würde außerdem die Filterfunktion der notariellen Beurkundung beeinträchtigt. Das Vier-Augen-Prinzip verstärkt dabei nicht nur die Rechtssicherheit, sondern entlastet auch die Registergerichte (Heckschen, DB 1990, 161, 164; vgl. bereits lit. a sublit. cc).
f) „Soll“-Charakter der notariellen Amtspflichten und Gleichwertigkeitsprüfung
§ 17 Abs. 1 u. 2 BeurkG sprechen davon, dass der Notar die dort niedergelegten Pflichten einhalten „soll“. Verletzt der Notar seine Pflichten aus § 17 BeurkG, ändert dies nichts an der formellen Wirksamkeit der Urkunde. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei den Pflichten aus § 17 BeurkG um unbedingte Amtspflichten handelt, von denen der Notar nicht nach seinem Ermessen abweichen darf (vgl. Armbrüster/Preuß/Renner, in: Armbrüster/Preuß/Renner, Einl. Rn. 23).
Der II. Zivilsenat des BGH hat sich in seinen Entscheidungen zur Geschäftsanteilsabtretung und Satzungsänderung darauf gestützt, dass die Einhaltung der Pflichten des § 17 BeurkG keine Voraussetzung für die Formwirksamkeit sei (DNotZ 1981, 451, 452 f.; DNotZ 2014, 457, 460 Tz. 14). Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass diese Pflichten im Rahmen der Substitutionsprüfung nicht zu berücksichtigen sind (so etwa KölnKommAktG/Arnold, § 23 Rn. 39).
Dies überzeugt jedoch nicht. Dass der Gesetzgeber bei einer Verletzung der notariellen Pflichten im Interesse der Rechtssicherheit die Formwirksamkeit der Urkunde unberührt lässt, ändert nichts daran, dass nach dem gesetzlichen Leitbild die Einhaltung dieser Pflichten zum Kern des Beurkundungsverfahrens gehört. Die Substitutionsprüfung muss nach den positiven Kriterien des Normzwecks fragen, nicht negativ nach den formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen. Für den Normzweck der gesetzlichen Beurkundungspflichten spielt es keine Rolle, dass eine Verletzung der zur Absicherung des Normzwecks bestehenden Pflichten die Formwirksamkeit der Urkunde unberührt lässt. So dient etwa § 311b Abs. 1 BGB unstreitig der Beratung und Belehrung der Beteiligten, obwohl die Einhaltung der damit korrespondierenden Pflicht aus § 17 BeurkG keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Im Rahmen der Substitutionsprüfung geht es um die Frage, ob der Zweck der inländischen Sachnorm durch die Auslandsbeurkundung funktional erfüllt wird (BGH DNotZ 2015, 207, 210 Tz. 17). Demzufolge darf es nicht nur auf die bloßen Voraussetzungen der Formwirksamkeit, sondern muss es auch auf die Erfüllung des mit der Beurkundungspflicht verbundenen Normzwecks ankommen (Heidel/Braunfels, § 23 AktG Rn. 5). Bei einem beurkundungspflichtigen Vertrag über eine gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahme entfaltet die Beurkundungspflicht ihren Sinn und Zweck nur dann, wenn ein – typisiert betrachtet – rechtskundiger Notar die materielle Richtigkeit des Vertrags gewährleisten kann.
Im Übrigen würde eine auf die Formwirksamkeit beschränkte Substitutionsprüfung dazu führen, dass nicht einmal die Pflicht des Notars zur Unparteilichkeit (§ 14 Abs. 1 S. 2 BNotO) zu berücksichtigen wäre. Denn auch die Einhaltung der Verpflichtung zu unparteilichem Verhalten ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. § 4 BeurkG). Eine derart weitgehende Verengung der Substitutionsprüfung würde den Zweck der notariellen Beurkundung grundlegend infrage stellen.
g) Kein Umkehrschluss aus § 17 Abs. 3 BeurkG
Gem. § 17 Abs. 3 S. 2 BeurkG ist der deutsche Notar zur Belehrung über den Inhalt ausländischer Rechtsordnungen nicht verpflichtet. Für die Substitutionsprüfung könnte sich hieraus folgender Umkehrschluss ergeben: Wenn der deutsche Notar nicht über ausländisches Recht belehren muss, kann man umgekehrt vom ausländischen Notar nicht erwarten, dass er über den Inhalt des deutschen Rechts belehrt (vgl. etwa Kropholler, ZHR 140 [1976], 394, 409).
Dieser Umkehrschluss ist nicht zu ziehen. Wie bereits Röhricht zutreffend ausgeführt hat, geht es bei der Substitution um die Frage, was nach den Gesetzen desjenigen Landes, in dem die notarielle Urkunde ihre Wirkung entfalten soll, die Qualität einer notariellen Urkunde ausmacht (GroßkommAktG/Röhricht, 4. Aufl., Std.: 1.8.1996, § 23 Rn. 55). Sowenig wie § 17 Abs. 3 BeurkG den Anspruch erhebt, dass eine Urkunde des deutschen Notars die Erfordernisse einer notariellen Beurkundung nach ausländischem Sachrecht erfüllt, sowenig folgt aus der Vorschrift im Umkehrschluss, dass das deutsche Sachrecht eine Beurkundung durch den ausländischen Notar zulassen müsste (vgl. Brambring, NJW 1975, 1255, 1260; Heckschen, DB 1990, 161, 164; MünchKommGmbHG/J. Mayer, § 2 Rn. 50; Dignas, GmbHR 2004, 139, 143; jurisPK-BGB/Süß, Art. 11 EGBGB Rn. 68; Schervier, NJW 1992, 593, 596). Entscheidend ist, ob nach der jeweiligen sachrechtlichen Bestimmung (hier: § 6 UmwG) ein ausländisches Beurkundungsverfahren dem Beurkundungszweck funktional äquivalent Rechnung tragen kann. Auf § 17 Abs. 3 BeurkG kommt es im Rahmen der Substitutionsprüfung nicht an. Zielt das Beurkundungserfordernis auf die Gewährleistung der materiellen Richtigkeit, setzt es die besonderen Rechtskenntnisse der Urkundsperson in der betroffenen Rechtsordnung voraus, und diese kann ein ausländischer Notar nicht gewähren.
h) Keine Kompensation durch Haftung ex post
Die Vertreter der großzügigeren Auffassung lassen eine Auslandsbeurkundung des Verschmelzungsvertrags zwischen zwei deutschen Gesellschaften im Einzelfall zu, wenn der ausländische Notar unbegrenzt für die materielle Richtigkeit der Urkunde haftet, für diese Richtigkeit also einstehen muss (Böttcher, § 6 UmwG Rn. 16; Lutter/Drygala, § 6 Rn. 10; Maulbetsch, § 6 Rn. 14; Semler/Stengel/Schröer, § 6 Rn. 17). Zumindest bei Verträgen betreffend gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen kann die Auffassung nicht überzeugen. Denn die materielle Richtigkeitsgewähr dient bei solchen Rechtsgeschäften auch dem Schutz Dritter. Die vertragliche Haftung des Urkundsnotars gegenüber den urkundsbeteiligten Personen stellt kein Äquivalent dar, um eine institutionalisierte „Lücke“ bei der Prüfung zum Schutze der Allgemeinheit zu schließen. Außerdem entspricht es gerade dem Zweck des Beurkundungserfordernisses, die materielle Richtigkeit ex ante zu gewährleisten. Nur in diesem Fall kann das Beurkundungsverfahren der Zielsetzung der vorsorgenden Rechtspflege gerecht werden. Davon abgesehen erscheint es äußerst fraglich, wie das Registergericht die Existenz einer entsprechenden Haftung soll prüfen können. So ist eine Haftungsfreizeichnung des Notars außerhalb der beim Registergericht eingereichten Urkunde möglich, wodurch eine registergerichtliche Prüfung ins Leere ginge (vgl. hierzu bereits Heckschen, DB 1990, 161).
i) Steuerliche Mitteilungspflichten
Gegen die Zulässigkeit der Auslandsbeurkundung lässt sich schließlich ein Transparenzdefizit in steuerlicher Hinsicht anführen (vgl. BeckOGK-UmwG/Wicke, § 6 Rn. 19; Hölters/Solveen, § 23 Rn. 12; Widmann/Mayer/Heckschen, § 6 UmwG Rn. 71.1; Winkler, Einl. Rn. 95; dagegen Lutter/Drygala, § 6 Rn. 10a). Denn anders als der deutsche Notar unterliegt der ausländische Notar keinen steuerlichen Mitteilungspflichten. Insbesondere wäre der ausländische Notar nicht verpflichtet, die Verschmelzung nach § 54 Abs. 1 EStDV dem Finanzamt anzuzeigen.
j) Schlussfolgerung und Stellungnahme
- Das Beurkundungserfordernis des § 6 UmwG dient nicht nur der Beweissicherheit, der Beratung und Belehrung der Beteiligten und der Entlastung der Registergerichte (Vier-Augen-Prinzip), sondern vor allem der materiellen Richtigkeitsgewähr.
- Ein im Ausland zugelassener Notar kann die materielle Richtigkeit nicht in gleicher Weise wie ein inländischer Notar gewährleisten. Es fehlt an einer Vermutungsgrundlage dafür, dass er über entsprechende Kenntnisse im deutschen Recht verfügt; diese Vermutungsgrundlage vermittelt die inländische Zulassung. Auf individuelle Rechtskenntnisse des ausländischen Notars kann es aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität nicht ankommen.
- Beurkundungspflichten im Zusammenhang mit Verträgen über gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen – etwa nach § 6 UmwG – dienen dem Schutz der Allgemeinheit und des Rechtsverkehrs. Auf die mit dem Beurkundungserfordernis verbundene materielle Richtigkeitsgewähr können die Beteiligten nicht verzichten, indem sie im Ausland beurkunden lassen. Ein Verzicht liefe auf einen Verzicht zulasten Dritter und der Allgemeinheit hinaus. Aus dem Umstand, dass die Verletzung der notariellen Prüfungspflichten betreffend die materielle Rechtmäßigkeit die formelle Wirksamkeit der Urkunde nicht berührt, lassen sich keine belastbaren Schlüsse ziehen. Entsprechendes gilt für die eingeschränkten Prüfungspflichten des inländischen Notars im Zusammenhang mit § 17 Abs. 3 BeurkG. Schließlich bedeutet auch eine Haftung ex post keine taugliche Kompensation für das Fehlen einer Rechtmäßigkeitskontrolle ex ante.
- Das Beurkundungserfordernis des § 6 UmwG würde entwertet, wenn man den Sinn und Zweck der Beurkundungspflicht auf die Beweisfunktion reduzierte. Das Beurkundungsverfahren vor einem ausländischen Notar kann allenfalls dem Beweiszweck gerecht werden, nicht jedoch die Beratung und Belehrung, die notarielle Filterfunktion und die materielle Richtigkeitsgewähr ersetzen.
4. Ergebnis
Demzufolge scheidet eine Substitution durch Auslandsbeurkundung im Rahmen des § 6 UmwG aus. Nur die Beurkundung vor dem inländischen Notar kann den Formzweck dieser Vorschrift erfüllen. Auf eine Gleichwertigkeitsprüfung im Einzelfall kommt es daher nicht an.