01. Januar 2003
AktG § 8; AktG § 241; AktG § 213

Bildung von Teilrechten bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln; Zulässigkeit der Bildung von Teilaktien; Rechtsfolgen eines fehlerhaften Kapitalerhöhungsbeschlusses

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Dokumentnummer: letzte Aktualisierung:

13121 23.9.2003

AktG §§ 8, 213, 241 Bildung von Teilrechten bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschafts mitteln; Zulässigkeit der Bildung von Teilaktien; Rechtsfolgen eines fehlerhaften Kapitalerhöhungsbeschlusses I. Sachverhalt Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft beschloss im Jahre 2002 eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln um 100.000,75 auf 200.000,75 durch Ausgabe 100.000,75 neuer Stückaktien. Dem Beschluss lag die Bilanz zum 31.12.2001 zugrunde, die eine entsprechend hohe Kapitalrücklage auswies. II. Rechtsfragen 1. Verstößt der Beschluss der Aktiengesellschaft zur Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln gegen § 8 AktG? Ist der Kapitalerhöhungsbeschluss, wenn er denn gegen § 8 AktG verstoßen sollte, anfechtbar oder gem. § 241 Abs. 1 AktG nichtig? Welche Rechtsfolgen hat eine Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit des Beschlusses bei erfolgter Eintragung der Kapitalerhöhung im Register der AG?

2.

3.

III. Zur Rechtslage 1. Verletzung des § 8 Abs. 3 AktG - Unzulässigkeit von Teilaktien a) Gem. § 8 Abs. 3 S. 2 AktG sind Stückaktien einer Gesellschaft am Grundkapital in gleichem Umfang beteiligt. Gem. § 8 Abs. 3 S. 3 AktG darf der auf die einzelne Aktie entfallende anteilige Betrag am Grundkapitals 1,00 nicht unterschreiten. Hieraus wird allgemein entnommen, dass Stückaktien notwendig den gleichen Umfang haben, also nicht unterschiedlich am Grundkapital der Gesellschaft beteiligt sein können (vgl. Hüffer, AktG, 5. Aufl. 2002, § 8 Rn. 20). Vorliegend ist eine ,,Teilaktie" gebildet worden, in dem 100.000,75 neue Stückaktien ausgegeben worden sind. Fraglich ist, ob die Bestimmungen des § 8 Abs. 3 S. 2, 3 AktG gegen die Bildung von Teilaktien sprechen. Eine ausdrückliche Stellungnahme zur Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit der Bildung von Teilaktien konnten wir nicht finden. Für eine derartige Zulässigkeit könnten die §§ 212, 213 AktG sprechen. Bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verlangt § 212 AktG zwingend, dass die neuen Aktien den Aktionären im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Grundkapital zugeteilt werden. Ein entgegenstehender Be schluss der Hauptversammlung ist nichtig. Diese Verteilung der neuen Aktien auf die Aktionäre im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligungen kann zur Entstehung von SpitDeutsches Notarinstitut · Gerberstraße 19 · 97070 Würzburg · Telefon 09 31/3 55 76-0 · Telefax 09 31/ 3 55 76-2 25 email: dnoti@dnoti.de · internet: http://www.dnoti.de
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Seite 2 zenbeträgen führen, die bei Stückaktien den anteiligen Betrag des Grund kapitals einer neuen Aktie nicht erreichen. Daher gestattet § 213 Abs. 1 AktG in einem solchen Fall die Entstehung von Teilrechten. Es handelt sich hierbei um selbständige Mitgliedschaftsrechte, die sich von einer vollen Aktie nur quantitativ unterscheiden. Sie sind veräußerlich und vererblich, können gepfändet, verpfändet und in sonstiger Weise belastet werden (vgl. Krieger, in: MünchHdb-GesR, AG, 2. Aufl. 1999, § 59 Rn. 42; Hüffer, § 213 AktG Rn. 1; Hirte, in: GroßKomm-AktG, 4. Aufl. 1999, § 213 Rn. 3 ff.; Wagner, in: Heidel, Aktienrecht, 2003, § 213 Rn. 2). b) § 213 AktG spricht jedoch lediglich von Teilrechten, nicht von Teilaktien. Aus § 8 Abs. 3 S. 2 AktG ist vielmehr zu entnehmen, dass Stückaktien im gleichen Umfang am Grundkapital der Gesellschaft beteiligt sein müssen, dementsprechend eine Teilaktie, die zur unterschiedlichen Beteiligung am Grundkapital führt, nicht zulässig ist (vgl. Hüffer, § 8 AktG Rn. 20). Zudem verstößt die Bildung einer derartigen Teilaktie auch gegen § 8 Abs. 3 S. 3 AktG, wenn der auf sie entfa llende anteilige Betrag am Grundkapital 1,00 unterschreitet, wie dies vorliegend geschehen ist, indem die Teilaktie nur mit 75 Cents am Grundkapital beteiligt ist. Dementsprechend ist der Kapitalerhö hungsbetrag so zu wählen, dass alle Teilrechte zusammen volle Aktien ergeben, Teilaktien also vermieden werden (so auch Krieger, in: MünchHdbGesR, AG, § 59 Rn. 42). In der Literatur wird daher im Rahmen der Nennbetragsaktie auch immer angeführt, dass der Erhöhungsbetrag einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht in jeder beliebigen Höhe festgelegt werden könne. Vielmehr müsse der Kapitalerhöhungsbetrag durch den Mindestnennbetrag (gegenwärtig also nach § 8 Abs. 2 S. 1 AktG 1,00 ) teilbar sein (so Lutter, in: KölnKomm-AktG, 2. Aufl. 1995, § 207 Rn. 10; Than, WM Festgabe für Theodor Heinsius, 1991, S. 54, 56). c) Als Zwischenergebnis kann somit festgehalten werden, dass u. E. der Kapitalerhöhungsbeschluss der Aktiengesellscha ft gegen § 8 Abs. 3 S. 2, 3 AktG verstößt. 2. Rechtsfolgen der Verletzung des § 8 Abs. 3 AktG a) Rechtsfolge der Verletzung des § 8 Abs. 3 AktG könnte die Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses sein. In Betracht kommt vorliegend wohl allein eine Nichtigkeit gem. § 241 Nr. 3 AktG. Nach dieser Vorschrift ist ein Hauptversammlungsbeschluss nichtig, der durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. Wir konnten in Rechtsprechung und Literatur keine Äußerungen zu der Frage finden, ob ein Verstoß gegen § 8 Abs. 3 AktG als eine Verletzung einer gläubigerschützenden Vorschrift anzusehen ist. U. E. ist jedoch nicht zu erkennen, dass diese Norm gläubigerschützende Funktion hat. Denkbar ist jedoch, dass § 8 Abs. 3 AktG ausschließlich oder überwiegend dem öffentlichen Interesse dient. Der Begriff des öffentlichen Interesses ist weit auszulegen (allg. M., OLG Düsseldorf AG 1968, 19, 22; Zöllner, in: KölnKomm, § 241 AktG Rn. 106; Hüffer, § 241 AktG Rn. 18). Er deckt zunächst ein weit verstandenen ordre public herkömmlichen Zuschnitts ab und schließt aber darüber hinaus auch Vorschriften, die das Strukturbild der AG als eine Organisationsform prägen,

Seite 3 ein (Hüffer, a. a. O.). § 8 AktG regelt, welche der verschiedenen grundsätzlich möglichen Aktienformen nach dem AktG zulässig sind. Die Norm dient damit u. E. zumindest überwiegend dem öffentlichen Interesse. Mithin ist der Kapitalerhöhungsbeschluss gem. § 241 Abs. 3, 3. Alt. als nichtig anzusehen. Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass mangels entsprechender Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur die Rechtslage unsicher ist. b) Die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses trotz seiner Nichtigkeit führt nicht zu seiner Heilung. Gem. § 242 Abs. 1 AktG werden nur Mängel der Beurkundung durch eine Eintragung in das Handelsregister sofort geheilt. Ist ein Hauptversammlungsbeschluss nach § 241 Nr. 3 nichtig, so kann die Nichtigkeit allerdings nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Beschluss in das Handelsregister eingetragen worden ist und seitdem 3 Jahre verstrichen sind (§ 242 Abs. 2, S. 1 AktG). c) Bis zum Ablauf der 3-Jahresfrist kann jedoch die Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses durch eine Feststellungsklage geltend gemacht werden. Wird die Nichtigkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses durch ein rechtskräftiges Urteil festgestellt, so sind die Rechtsfolgen in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die ältere Rechtsprechung und eine Mindermeinung in der Literatur gehen davon aus, dass die Kapitalerhöhung mit rückwirkender Wirkung als unwirksam anzusehen ist (RGZ 85, 311 ff. für die GmbH; RGZ 143, 394, 399; RGZ 144, 138, 141; Schleyer, AG 1957, 157; Lutter, in: KölnKomm-AktG, § 191 Rn. 5). Die ganz h. M. in der Literatur geht jedoch mittlerweile davon aus, dass bei einer fehlerhaften Kapitalerhöhung die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft Anwendung finden (Zöllner, AG 1993, 68, 71; Zöllner/Winer, ZHR 1994, 59 ff.; Kort, ZGR 1994, 291, 306 ff.; Wiedemann, in: GroßKomm- AktG, § 189 AktG Rn. 34 ff.; Krieger, ZHR 1994, 35, 47; für die GmbH auch: OLG Stuttgart, DB 2000, 1220). Rechtsfolge dieser Meinung ist im wesentlichen, dass bis zur Rechtskraft der Nichtigkeitsklage die Zeichner der neuen Aktien als vollwertige Aktionäre behandelt werden. Insbesondere sind nachfolgende Hauptversammlungsbeschlüsse nicht aufgrund der Berücksichtigung ,,fehlerhafter" Stimmrechte angreifbar. Eine Rückabwicklung der Kapitalerhöhung erfolgt erst mit Wirkung für die Zukunft, wenn die Nichtigkeit rechtskräftig durch ein Urteil festgestellt wurde. Dieser Auffassung ist u. E. zu folgen. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass Mängel der gesellschaftsrechtlichen Erklärung bei der Gründung einer Kapitalge sellschaft grundsätzlich nicht eine rückwirkende Vernichtung der Gesellschaft zur Folge haben (BGHZ 3, 285, 288; BGHZ 13, 320, 324; Palandt/Sprau, BGB, 62. Aufl. 2002, § 705 Rn. 17). Auch wenn die genaue dogmatische Begründung der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nach wie vor umstritten ist, sind die dahinterstehenden Motive doch größtenteils identisch. Im Innenverhältnis ist eine Rückabwicklung bei einer fehlerhaften Gründung häufig praktisch nicht möglich oder zumindest nicht interessengerecht. Im Außenverhältnis sollen die Gläubiger der Gesellschaft geschützt werden, die im Vertrauen auf den Bestand der Gesellschaft mit dieser Rechtsgeschäfte abgeschlossen haben. Diese Interessenlage ist bei einer Kapitalerhöhung identisch. Auch dort wäre eine Rückabwicklung nicht möglich oder zumindest nicht interessengerecht. Ferner haben auch hier die Gläubiger auf die erhöhte Kapitalziffer vertraut.

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d) Als Zwischenergebnis kann somit festgehalten werden, dass der Kapitalerhöhungsbeschluss u. E. nichtig ist. Eine Heilung des Kapitalerhöhungsbeschlusses durch Eintragung im Handelsregister erfolgt erst 3 Jahre nach der Eintragung. Sollte bis zu diesem Zeitpunkt die Nichtigkeit durch ein rechtskräftiges Urteil festgestellt werden, so führt dies jedoch nicht zu einer rückwirkenden Vernichtung der Kapitalerhöhung. Vielmehr ist die Kapitalerhöhung bis zur Rechtskraft dieses Urteils als wirksam anzusehen. 3. Reparaturmöglichkeit a) Da die Kapitalerhöhung durch die Eintragung zumindest vorläufig als wirksam anzusehen ist, könnte vorliegend daran gedacht werden, die 3-Jahresfrist des § 242 Abs. 2 AktG abzuwarten. Freilich besteht bei dieser Vorgehensweise die Gefahr, dass einer der Aktionäre eine Feststellungsklage erhebt. Ob diese Gefahr aus praktischer Sicht tatsächlich Relevanz besitzt, können wir freilich nicht beurteilen. b) Zu beachten ist zudem, dass gem. § 242 Abs. 2 S. 3 AktG eine Löschung des Kapitalerhöhungsbeschlusses von Amts wegen nach § 144 Abs. 2 FGG durch den Zeitablauf nicht ausgeschlossen wird. Eine Löschung von Amts wegen kann also auch nach Ablauf der 3-Jahresfrist erfolgen. Nach § 144 Abs. 2 FGG kann ein im Handelsregister eingetragener Beschluss einer Hauptversammlung als nichtig gelöscht werden, wenn er durch seinen Inhalt zwingende Vorschriften des Gesetzes verletzt und seine Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich erscheint. Ob diese Voraussetzungen bei einer Verletzung des § 8 Abs. 3 AktG vorliegen, wird in Rechtsprechung und Literatur ­ soweit ersichtlich ­ nicht erörtert. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen unter Ziffer 2 a) lässt sich dieser Frage aber möglicherweise bejahen, sofern man davon ausgeht, dass § 8 Abs. 3 AktG dem öffentlichen Interesse dient c) Soll daher jegliches Risiko ausgeschlossen werden, so ist u. E. eine Kapitalherabsetzung in Höhe des ursprünglichen Kapitalerhöhungsbetrages zu empfehlen. Anschließend kann dann durch eine (ordnungsgemäße) erneute Kapitalerhöhung der ursprünglich gewollte Zustand wieder herbeigeführt werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

13121

Erscheinungsdatum:

01.01.2003

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Aktiengesellschaft (AG)

Normen in Titel:

AktG § 8; AktG § 241; AktG § 213