06. März 2017
GmbHG § 5a; GmbHG § 35; HGB § 48; BGB § 112

Minderjähriger als Geschäftsführer einer UG; Minderjähriger als Prokurist

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Abruf-Nr.: 152905
letzte Aktualisierung: 6. März 2017

BGB § 112; HGB § 48; GmbHG §§ 5a, 35

Minderjähriger als Geschäftsführer einer UG; Minderjähriger als Prokurist

I. Sachverhalt
Zwei 17-Jährige möchten mit Ermächtigung ihrer Eltern und Genehmigung des Familiengerichts
nach § 112 BGB eine UG (haftungsbeschränkt) gründen und beide auch Geschäftsführer sein.
Zumindest möchten sie Prokura erhalten.

II. Rechtsfragen:

1. Ist es möglich, dass ein 17-Jähriger im Rahmen der Ermächtigung zum selbstständigen
Betrieb eines Erwerbsgeschäfts durch die Eltern gem. § 112 BGB zum Geschäftsführer einer
UG (haftungsbeschränkt) bestellt wird oder steht dem zwingend § 6 Abs. 2 GmbHG entgegen?

2. Kann dem 17-Jährigen zumindest Prokura erteilt werden?

III. Rechtslage

1. Rechtswirkungen einer Ermächtigung nach § 112 BGB
Die Ermächtigung nach § 112 BGB bewirkt eine echte Statusveränderung des Minderjährigen.
Dieser wird für alle Rechtsgeschäfte, die der konkrete selbstständige Betrieb des
Erwerbsgeschäfts unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung erfordert, partiell unbeschränkt
geschäftsfähig. In diesem Rahmen verliert der gesetzliche Vertreter seine Befugnis,
den Minderjährigen zu vertreten. Der Minderjährige muss damit alle zum Betrieb des
Erwerbsgeschäfts erforderlichen Rechtsgeschäfte selbst vornehmen. Die Ermächtigung
erstreckt sich aber nicht auf die Vornahme solcher Geschäfte, für die der gesetzliche Vertreter
der Genehmigung des Familiengerichts bedarf. Dies betrifft insbesondere die Kreditaufnahme,
die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten und die Erteilung der Prokura (vgl.
zum Ganzen BeckOK-BGB/Wendtland, Stand: 1.11.2016, § 112 Rn. 6 ff.; Staudinger/
Knothe, BGB, 2012, § 112 Rn. 2).

2. Minderjähriger als Geschäftsführer einer UG
Da der Minderjährige somit jedoch trotz der Ermächtigung nach § 112 BGB noch einigen
Beschränkungen unterliegt, kann er nicht wirksam zum Geschäftsführer einer GmbH (oder
UG) bestellt werden. Dies ergibt sich bereits aus § 6 Abs. 2 S. 1 GmbHG (BeckOKBGB/
Wendtland, § 112 Rn. 10; Staudinger/Knothe, § 112 Rn. 3; Bürger, RNotZ 2006, 156,
170). Hiernach kann Geschäftsführer nämlich nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige
Person sein. Auch die Rechtsprechung lehnt daher die Möglichkeit ab, einen Minderjährigen
zum Geschäftsführer zu bestellen (OLG Hamm NJW-RR 1992, 1253).

3. Minderjähriger als Prokurist
Die Erteilung der Prokura i. S. d. §§ 48 ff. HGB ist als Erteilung einer Vollmacht i. S. d.
§ 166 Abs. 2 S. 1 BGB ein einseitiges Rechtsgeschäft, das gem. § 167 Abs. 1 durch Erklärung
gegenüber dem zu Bevollmächtigenden vorgenommen werden kann (vgl.
MünchKommHGB/Krebs, 4. Aufl. 2016, § 48 Rn. 44).

Nach § 131 Abs. 2 S. 2 BGB wird eine gegenüber einem beschränkt Geschäftsfähigen abgegebene
Erklärung mit dem Zugang bei ihm wirksam, wenn sie dem beschränkt Geschäftsfähigen
lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt.

Diese lediglich rechtliche Vorteilhaftigkeit ist im Fall der einem Minderjährigen erteilten
Vollmacht generell anzunehmen, weil die Vollmacht als solche den Bevollmächtigten lediglich
zum Handeln im Namen des Vertretenen berechtigt, ihn hierzu jedoch nicht verpflichtet
(Staudinger/Knothe, BGB, 2011, § 107 Rn. 19). Zumindest wird die Erteilung der Vollmacht
für den Bevollmächtigten als rechtlich neutral angesehen, wobei rechtlich neutrale
Geschäfte lediglich rechtlich vorteilhaften nach allgemeiner Meinung gleichstehen
(MünchKommBGB/Einsele, 7. Aufl. 2015, § 131 Rn. 5; Staudinger/Singer, BGB, 2012,
§ 131 Rn. 5).

Dies wird letztlich bestätigt durch § 165 BGB, wonach die Wirksamkeit der von einem
beschränkt Geschäftsfähigen als Vertreter abgegebenen Willenserklärungen nicht durch die
beschränkte Geschäftsfähigkeit beeinträchtigt wird; dieser Vorschrift liegt der Gedanke
zugrunde, dass das Vertretergeschäft für den Vertreter niemals rechtlich nachteilig sein
kann, weil seine Wirkungen für und gegen den Vertretenen eintreten (Staudinger/Schilken,
BGB, 2014, § 165 Rn. 1). Wenn aber die als Vertreter vorgenommenen Geschäfte nicht
rechtlich nachteilig sein können, besteht auch kein Anlass, die Vollmachtserteilung selbst als
nachteilig anzusehen.

Auch in Bezug auf die Erteilung der Prokura geht die ganz h. M. nicht von abweichenden
Grundsätzen aus, sondern erkennt an, dass ein beschränkt Geschäftsfähiger gem. § 165 BGB
Prokurist sein kann, trotz etwaiger Haftungsrisiken (h. M., vgl. Roth, in:
Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, 8. Aufl. 2015, § 48 Rn. 5; MünchKommHGB/Krebs,
§ 48 Rn. 28 m. w. N.).

Nur ganz vereinzelt wird die Bestellung eines beschränkt Geschäftsfähigen zum Prokuristen
für – dann allerdings generell – unzulässig gehalten (Weber, in: Ebenroth/
Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 48 Rn. 15); dieser Auffassung, die lediglich
auf „Sinn und Zweck der Prokura“ verweist, fehlt es u. E. jedoch an einer tragfähigen
Begründung.

Gutachten/Abruf-Nr:

152905

Erscheinungsdatum:

06.03.2017

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
GmbH

Normen in Titel:

GmbHG § 5a; GmbHG § 35; HGB § 48; BGB § 112