08. Juni 2017
BGB § 2177; BGB § 2162; BGB § 2163

Anordnung eines aufschiebend bedingten Vermächtnisses; Eintritt der Bedingung in ferner Zukunft; Unwirksamwerden des Vermächtnisses

BGB §§ 2162, 2163, 2177
Anordnung eines aufschiebend bedingten Vermächtnisses; Eintritt der Bedingung in ferner Zukunft; Unwirksamwerden des Vermächtnisses

I. Sachverhalt
Ein Erblasser möchte in seinem Testament ein bedingtes Vermächtnis anordnen, wonach sein Erbe oder dessen Rechtsnachfolger an eine andere Person einen Geldbetrag herausbezahlen muss, falls er vor dem 31.12.2100 landwirtschaftliche Grundstücke veräußert. Obwohl der Notar auf die extrem lange Frist hingewiesen und dazu geraten hat, die Frist zu reduzieren, besteht der Erblasser auf der Regelung.

II. Frage
Ist ein solches bedingtes Vermächtnis zulässig, wenn sich der Bedingungseintritt erst in ferner Zukunft klären wird und zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch aus einem unbedingten Vermächtnis schon längst verjährt wäre?

III. Zur Rechtslage
1.    Zulässigkeit des bedingten Vermächtnisses
Ein Vermächtnis kann zulässigerweise unter einer Be-dingung angeordnet werden (vgl. §§ 2074, 2075 BGB). Einschränkungen gelten hinsichtlich der Bedingung grundsätzlich nicht; selbst die Zuwendung unter einer Potestativbedingung – also einer Bedingung, die vom Willen des Bedachten oder eines Dritten abhängt – ist zulässig (vgl. § 2075 BGB).

Abweichend vom Grundsatz des § 2176 BGB fällt ein aufschiebend bedingtes Vermächtnis nicht mit dem Erbfall, sondern mit dem Eintritt der Bedingung an (vgl. § 2177 BGB).

2.    Zeitliche Begrenzung
Der Wirksamkeit eines aufschiebend bedingten (oder befristeten) Vermächtnisses sind allerdings zeitliche Grenzen gesetzt. So wird gem. § 2162 Abs. 1 BGB ein Vermächtnis, das unter aufschiebender Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins angeordnet ist, mit Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall unwirksam, wenn nicht vorher die Bedingung oder der Termin eingetreten ist. Grundsätzlich werden aufgeschobene Vermächtnisse ähnlich wie Nacherbschaften (vgl. § 2109 BGB) zeitlich beschränkt, um eine „Verewigung“ der Vermächtniswirkung zu verhindern (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl. 2017, § 2162 Rn. 1).

3.    Ausnahmen
Ähnlich wie bei der Vor- und Nacherbschaft (vgl. § 2109 Abs. 1 S. 2 BGB) gibt es jedoch Ausnahmen von der 30-jährigen Frist. Sie sind in § 2163 BGB niedergelegt.

So bleibt nach § 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB ein Vermächtnis auch nach Ablauf von 30 Jahren wirksam, wenn es für den Fall angeordnet ist, dass in der Person des Beschwerten oder des Bedachten ein bestimmtes Ereignis eintritt, und derjenige, in dessen Person das Ereignis eintreten soll, zur Zeit des Erbfalls lebt. Dabei versteht man die Worte „Ereignis“ und „in der Person“ im weitesten Sinne (vgl. MünchKommBGB/Rudy, 7. Aufl. 2017, § 2163 Rn. 1; BeckOGK-BGB/Hölscher, Std.: 1.2.2017, § 2163 Rn. 5).

Zu den „Ereignissen in der Person des Beschwerten“ zählen bspw. dessen Tod oder andere Ereignisse, die vom Willen des Beschwerten oder Bedachten unabhängig sind, etwa Erwerbsunfähigkeit, Krankheit, Naturkatastrophen etc. (BeckOGK-BGB/Hölscher, § 2163 Rn. 5 m. w. N.). Aber auch Ereignisse, die willentlich geschehen und sich steuern lassen, wie z. B. die Veräußerung eines Grundstücks, Wiederheirat, Scheidung, Erzeugung von Nachkommen etc. sollen hierunter fallen (BeckOGK-BGB/Hölscher, § 2163 Rn. 5). Man ist sich einig, dass das Ereignis lediglich eine rechtliche oder wirtschaftliche Beziehung zum Beschwerten oder Bedachten haben muss und dass irgendwelche allgemeinen Vorgänge nicht ausreichen (BeckOK-BGB/Müller-Christmann, Std.: 1.2.2017, § 2163 Rn. 2; BeckOGK-BGB/Hölscher, § 2163 Rn. 5).

Versteht man die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2163 BGB weit (wie vorstehend ausgeführt), dann dürfte sich auch die Veräußerung der landwirtschaftlichen Grundstücke, an die die Bedingung vorliegend anknüpft, noch als „Ereignis in der Person des Beschwerten“ ansehen lassen können. Rechtsprechung zu dieser Frage existiert aber – soweit ersichtlich – bisher nicht.

Weitere Voraussetzung der wirksamen Anordnung des aufschiebend bedingten Vermächtnisses wäre allerdings, dass die betreffende Person i. S. v. § 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB (hier: der Beschwerte) zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits lebt. Dies wird voraussichtlich für den Erben, nicht aber ohne Weiteres für dessen Rechtsnachfolger (bspw. dessen Abkömmlinge) anzunehmen sein. Das aufschiebend bedingte Vermächtnis wäre im vorliegenden Fall daher etwa nach § 2162 BGB unwirksam, wenn der Rechtsnachfolger des Erben 30 Jahre nach Eintritt des Erbfalls landwirtschaftliche Grundstücke veräußern würde und der Veräußerer zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht am Leben gewesen wäre.

4.    Ergebnis
Ein Vermächtnis, das unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins angeordnet ist, wird grundsätzlich 30 Jahre nach dem Erbfall unwirksam, wenn es bis dahin nicht zur Entstehung gelangt (§ 2162 Abs. 1 BGB). Im vorliegenden Fall dürfte jedoch eine der gesetzlich geregelten Ausnahmen (§ 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB) eingreifen.

Gutachten/Abruf-Nr:

154851

Erscheinungsdatum:

08.06.2017

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Vermächtnis, Auflage

Erschienen in:

DNotI-Report 2017, 75-76

Normen in Titel:

BGB § 2177; BGB § 2162; BGB § 2163