16. August 2013
BeurkG § 16

Teilweise Übersetzung bei partieller Sprachunkenntnis

Teilweise Übersetzung bei partieller Sprachunkenntnis - BeurkG § 16

I. Sachverhalt

An der Beurkundung ist eine der deutschen Sprache nicht hinreichend kundige Person beteiligt. Die Person verfügt jedoch über deutsche Sprachkenntnisse, kann der Beurkundung in weiten Teilen folgen und versteht auch die Erläuterungen des Notars überwiegend. Daher soll ein Dolmetscher nur diejenigen Passagen der Urkunde übersetzen, welche die Beteiligte nicht versteht.

II. Frage

Ist gem. § 16 BeurkG stets die vollständige Übersetzung einer Urkunde in die Fremdsprache erforderlich, und zwar selbst dann, wenn der Beteiligte nur partiell sprachunkundig ist, weite Teile der Urkunde aber ohne Dolmetscher versteht?

III. Rechtslage

1. Möglichkeit einer partiellen Sprachunkundigkeit i. S. v. § 16 BeurkG?

Zunächst gilt es zu klären, ob der Notar für die Beurteilung der �hinreichenden Sprachkunde� i. S. v. § 16 BeurkG überhaupt zwischen Teilen der Urkunde differenzieren darf oder ob die Sprachkunde einheitlich für den gesamten Vertragstext zu beurteilen ist. Die (wenigen) einschlägigen Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur verneinen die Möglichkeit einer partiellen Sprachunkundigkeit. So führt das LG Dortmund (NJW-RR 2006, 196 = NotBZ 2005, 342) aus (Hervorhebung durch die DNotIRedaktion):
�Indem der Notar festgehalten hat, dass der Erschienene zu 2 der deutschen Sprache �weitgehend mächtig� ist, hat er zum Ausdruck gebracht, dass eine vollständige Sprachfähigkeit nicht vorliegt. Die nicht vollständige Sprachfähigkeit ist gleichbedeutend mit Sprachunkundigkeit, da auch die nicht vollständige (passive) Sprachfähigkeit die betroffene Person nicht in die Lage versetzt, den gesamten Vertrag zu verstehen. [�] Mit der Formulierung, dass eine nicht hinreichende Sprachkundigkeit in der Niederschrift festgestellt werden soll, wird [�] zum Ausdruck gebracht, dass es auf die Sprachkenntnisse im konkreten Einzelfall ankommt [�], so dass der Bet., über dessen Sprachkunde sich die Niederschrift verhält, in der Lage sein muss, die betreffende Urkunde komplett zu verstehen. Das Gegenteil dessen besagt aber der Vermerk des Notars, der eine nur �weitgehende� Sprachfähigkeit festhält.� Renner (in: Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/DONot, 6. Aufl. 2013, § 16 BeurkG Rn. 20) hält es ebenfalls für erforderlich, die Sprachkunde einheitlich für den gesamten Vertragstext zu beurteilen (Hervorhebung durch die DNotIRedaktion):
�Es gibt keine partielle Sprachkompetenz. Nichts anderes ergibt sich aus der Formulierung der �hinreichenden� Sprachkunde. Dies ermöglicht eine Berücksichtigung der Komplexität des Beurkundungsgegenstandes bei der Frage, ob überhaupt ein Dolmetscher hinzugezogen wird. Keinesfalls aber geht es darum, in einer Niederschrift abschnittsweise �hinreichende� und �fehlende� Sprachkunde festzustellen.�
Auch in der übrigen Literatur besteht � soweit ersichtlich � Einvernehmen, dass sich die Sprachkunde auf die gesamte Beurkundungsverhandlung und den gesamten Vertrag beziehen muss (Heinemann, in: Grziwotz/Heinemann, BeurkG, 2012, § 16 Rn. 11; BeckOK-BGB/Litzenburger, Std.: 1.5.2013, § 16 BeurkG Rn. 1; Staudinger/Hertel, BGB, Neubearb. 2012, Vor §§ 127a, 128 Rn. 541).
Diese Auffassung ist u. E. überzeugend. Durch die Formulierung �nicht hinreichend kundig� bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es graduelle Unterschiede der Sprachfähigkeit gibt, der Notar aber gerade feststellen soll, ob ein Beteiligter der Sprache im Hinblick auf das notarielle Amtsgeschäft �hinreichend kundig� ist oder nicht. Der Notar ist also verpflichtet, nach dem �Alles-oder-nichts- Prinzip� bzgl. der Sprachkundigkeit eine abschließende Entscheidung zu treffen. Partielle Sprachkunde bedeutet im Ergebnis nicht hinreichende Sprachkunde.

2. Zulässigkeit einer nur teilweisen Übersetzung?

Nach ganz überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur hat sich die Übersetzung auch dann auf die gesamte Niederschrift zu beziehen, wenn der sprachunkundige Beteiligte einige Teile des deutschen Texts der Urkunde selbst versteht (LG Dortmund NJW-RR 2006, 196, 197; Lerch, BeurkG, 4. Aufl. 2011, § 16 Rn. 4; Eylmann/Vaasen/ Limmer, BNotO/BeurkG, 3. Aufl. 2011, § 16 Rn. 18; Renner, § 16 BeurkG Rn. 19; Winkler, BeurkG, 17. Aufl. 2013, § 16 Rn. 12). Einzig das OLG Schleswig spricht in seinem Urteil vom 6.4.2000 (OLGR 2000, 275, 276) davon, dass der Text der Urkunde �zumindest auszugsweise� hätte übersetzt werden müssen.
Begründen lässt sich das Erfordernis der vollständigen Übersetzung damit, dass die Übersetzung gem. § 16 Abs. 2 S. 1 BeurkG an die Stelle des Verlesens tritt (�Niederschrift [�] muß [�] anstelle des Vorlesens übersetzt werden�). Daraus wird gefolgert, dass die Niederschrift mindestens in dem Umfang zu übersetzen ist, in dem sie gem. § 13 BeurkG vorzulesen wäre (BeckOK-BGB/ Litzenburger, § 16 BeurkG Rn. 5). So hat der Notar auch darauf hinzuwirken, dass der Dolmetscher nicht nur zusammenfassend übersetzt (Renner, § 16 BeurkG Rn. 19; Staudinger/Hertel, Vor §§ 127a, 128 Rn. 544). Da sie an die Stelle des Verlesens tritt, muss die Übersetzung nach strenger Auffassung möglichst wortgetreu erfolgen (LG Dortmund NJW-RR 2006, 196; BeckOK-BGB/Litzenburger, § 16 BeurkG Rn. 6; Staudinger/Hertel, Vor §§ 127a, 128 Rn. 544), denn der sprachunkundige Beteiligte verdient keinen geringeren Schutz als derjenige, der die deutsche Sprache beherrscht. Dieses Verständnis dient nicht zuletzt der Rechtssicherheit, weil der Notar ansonsten bei jeder Passage gesondert entscheiden müsste, ob es insoweit einer Übersetzung bedürfte oder nicht.

3. Kein Verzicht auf mündliche Übersetzung

Auf die mündliche Übersetzung der Urkunde kann von den Beteiligten nicht verzichtet werden (BeckOK-BGB/ Litzenburger, § 16 BeurkG Rn. 4; Winkler, § 16 Rn. 12). Dies folgt unmittelbar aus § 16 BeurkG, wonach lediglich der Verzicht auf eine schriftliche Übersetzung und auf eine Vereidigung des Dolmetschers gestattet ist.

4. Folgen einer nur teilweisen Übersetzung

Eine nur teilweise Übersetzung trotz Feststellung der Sprachunkundigkeit stellt einen Verstoß gegen die Mussvorschrift des § 16 Abs. 2 S. 1 BeurkG dar. Die Beurkundung ist daher unwirksam. Diese Rechtsfolge tritt jedoch nur dann ein, wenn die Niederschrift eine Feststellung über die Sprachunkundigkeit enthält. Die Sprachunkundigkeit muss sich stets aus der Urkunde selbst ergeben. Soweit der Notar keinen entsprechenden Vermerk aufnimmt (und keine oder eine nur unvollständige Übersetzung erfolgt), liegt zwar eine Pflichtwidrigkeit des Notars vor, die Wirksamkeit der Niederschrift wird jedoch nicht beeinträchtigt (LG Dortmund NJW-RR 2006, 196; BayObLG NJW-RR 2000, 1175, 1176 = DNotI-Report 2000, 84; BeckOK-BGB/Litzenburger, § 16 BeurkG Rn. 7 u. 10; Staudinger/Hertel, Vor §§ 127a, 128 Rn. 543 m. w. N.). § 16 Abs. 1 BeurkG, der die Pflicht des Notars zur Feststellung der Sprachkundigkeit enthält, ist nämlich eine bloße Sollvorschrift.

Gutachten/Abruf-Nr:

126644

Erscheinungsdatum:

16.08.2013

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren

Erschienen in:

DNotI-Report 2013, 129-130

Normen in Titel:

BeurkG § 16