29. Januar 2019
BGB § 875; GBO § 19

Zeitpunkt des Bestehens einer Vollmacht bei Abgabe einer Löschungsbewilligung; Wegfall der Vertretungsmacht nach Abgabe einer Löschungsbewilligung aber, vor Vollzug im Grundbuch

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 166641
letzte Aktualisierung: 29. Januar 2019

GBO § 19; BGB § 875
Zeitpunkt des Bestehens einer Vollmacht bei Abgabe einer Löschungsbewilligung;
Wegfall der Vertretungsmacht nach Abgabe einer Löschungsbewilligung aber, vor
Vollzug im Grundbuch

I. Sachverhalt

Im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Grundstückskaufvertrages soll eine Grundschuld
zugunsten der Raiffeisen-Volksbank … gelöscht werden.

Die Löschungsurkunde liegt bereits vor. Sie wurde im Jahre 2005 erteilt und dem Eigentümer
zugeleitet. Der Eigentümer hat den Antrag auf Löschung bisher nicht gestellt.
Zwischen dem Zeitpunkt der Erteilung der Löschungsbewilligung und der Vorlage beim
Grundbuchamt hat der Vorstand der Raiffeisenbank gewechselt. Das Vorstandsmitglied, welches
unterschrieben hat, handelte gleichzeitig gemäß notarieller Vollmacht für das zweite
Vorstandsmitglied.

Nunmehr beanstandet das Grundbuchamt die Löschungsbewilligung, verlangt die „Zustimmung
des zweiten Vorstandsmitgliedes in notarieller Form, weil das Vorstandsmitglied, welches mit
Vollmacht gehandelt hat zwischenzeitlich ausgeschieden ist, und die Vollmacht nach seiner Meinung
nicht mehr besteht.

II. Fragen

1. Ist die Zwischenverfügung begründet?

2. Ist ein Rechtsmittel sinnvoll ?

3. Ist die Vollmacht des Vorstandsmitgliedes, welches ausgeschieden ist, somit erloschen?

4. Muss eine neue Löschungsbewilligung erteilt werden, wenn ja, auf wessen Kosten ?

III. Zur Rechtslage

1. Zeitpunkt des Bestehens der Vertretungsmacht

Grundsätzlich muss die Vertretungsmacht bei Abgabe der Erklärung vorliegen. Umstritten
und nicht abschließend geklärt ist jedoch, wann eine Eintragungsbewilligung abgegeben ist.

a) Unterzeichnung der Erklärung

Nach einer Ansicht kommt es bei Erklärung einer Eintragungsbewilligung durch einen
Vertreter hinsichtlich des Zeitpunktes der Vertretungsmacht auf den Moment der Abgabe
der Erklärung an. Schöner/Stöber führen diesbezüglich aus:
„Die Vollmacht (jede sonstige Vertretungsmacht) muss bei Erklärung
der Eintragungsbewilligung durch den Vertreter bestanden
haben; das ist der Zeitpunkt, in dem sie für Nachweis nach § 29
Abs. 1 GBO beurkundet oder beglaubigt (§ 129 Abs. 1 BGB)
wird.“

(Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 102a).

Demnach ist das Erlöschen der Vertretungsmacht zwischen Abgabe der Eintragungsbewilligung
in der Form des § 29 GBO und deren Vorlage beim Grundbuchamt unschädlich
für den Grundbuchvollzug (vgl. hierzu ausführlich: Schöner/Stöber,
Rn. 102a-102e, 3579).

b) Abgabe in den Rechtsverkehr

Nach der wohl überwiegenden Gegenansicht wird die Bewilligung erst in dem Augenblick
wirksam, in dem die grundbuchtaugliche Erklärung mit Willen des Erklärenden
dem Grundbuchamt oder dem Begünstigten bzw. – unter besonderen Umständen –
einem Dritten ausgehändigt wird oder Voraussetzungen vorliegen, die für den
Begünstigten einen unwiderruflichen gesetzlichen Anspruch auf Aushändigung der Bewilligung
oder Erteilung einer Ausfertigung begründen (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl.
2018, § 19 Rn. 47.2, 21, 24; KEHE/Munzig, 8. Aufl. 2019, § 19 Rn. 136, 101-117;
Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl. 2015, Einl. E Rn. 98, 9 i. V. m. § 19 Rn. 129; OLG
Düsseldorf Rpfleger 1961, 46, 47/48).

c) Nachweis des Bestehens der Vertretungsbefugnis gegenüber dem Grundbuchamt
Grundsätzlich hat das Grundbuchamt das Bestehen der Vertretungsmacht von Amts
wegen zu prüfen (statt aller: Meikel/Böttcher, Einl. E Rn. 98).

Folgt man der ersten unter lit. a) genannten Auffassung wäre die Vertretungsberechtigung
im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Löschungsbewilligung nachzuweisen.
Dies wäre z. B. durch eine Vertretungsbescheinigung, der Beifügung der Vollmacht
zur Urkunde oder durch einen Verweis auf das Handelsregister möglich.

Nach der unter lit. b) genannten Auffassung ist der Nachweis für den Zeitpunkt des
Wirksamwerdens der Bewilligung zu führen. Problematisch ist in diesem Falle jedoch
schon, dass der Zeitpunkt des Wirksamwerdens dem Grundbuchamt schon nicht in der
Form des § 29 GBO nachgewiesen werden kann. Da insofern eine Beweisnot vorliegt,
hat das Grundbuchamt diese Frage im Wege der freien Beweiswürdigung unter Verwendung
von Erfahrungssätzen beurteilen (vgl. Meikel/Böttcher, Einl. E Rn. 104 m.
zahlr. Nachw. auch aus der Rechtsprechung; BeckOK-GBO/Reetz, Std. 1.9.2018,
Rn. 130; Schaub, in: Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl. 2018, AT G Rn. 172).

Gerade bei der Abgabe von Löschungsbewilligungen besteht die Praxis der Banken Löschungsbewilligungen
nach Unterzeichnung direkt an die Eigentümer/
Darlehensnehmer zu übersenden. Eine Art „Vorratslöschungsbewilligung“ ist in
der Praxis unüblich. Für das Grundbuchverfahren bedeutet dies u. E., dass – ohne
besondere anderweitige Anhaltspunkte – das Grundbuchamt von einem Wirksamwerden
der Löschungsbewilligung zeitnah zur Unterzeichnung der Löschungsbewilligung
ausgehen muss. So formuliert auch Böttcher:

„Soweit die Vollmacht vor dem Wirksamwerden der Bewilligung
wirksam wurde, kann jedoch grundsätzlich vom Fortbestehen der
Vollmacht bis zum Wirksamwerden der Bewilligung ausgegangen
werden.“

(Meikel/Böttcher, Einl. E Rn. 98)

Nur wenn dem Grundbuchamt konkrete Anhaltspunkte für das Erlöschen der
Vertretungsmacht im Zeitpunkt des Wirksamwerdens bekannt sind, kann es weitere
Nachweise zum Fortbestand der Vollmacht verlangen (BeckOK-GBO/Reetz, Rn. 130).
Dies setzt u. E. jedoch zunächst voraus, dass das Grundbuchamt Anhaltspunkte dafür
haben muss, dass die Löschungsbewilligung nicht zeitnah nach Unterzeichnung durch
Übersendung an den Berechtigten wirksam geworden ist. Ein solcher Anhaltspunkt
kann u. E. nicht bereits in einem langen Zeitraum zwischen Unterzeichnung der
Erklärung und Einreichung der Urkunde beim Grundbuchamt liegen. Vielmehr ist es in
der Praxis sogar üblich, dass ein Eigentümer eine Grundschuld trotz Vorliegens der
Löschungsbewilligung nicht sofort löschen lässt (z. B. um Löschungskosten zu sparen
oder um diese Grundschuld eventuell später nochmal neuvalutieren zu können).

2. Ergebnis

Im Ergebnis halten wir daher, sofern

a) die Vertretungsbefugnis zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Löschungsbewilligung
in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist und

b) es keinerlei Anhaltspunkte für ein von der normalen Praxis abweichendes Verhalten der
Bank (Nichtinverkehrbringen der Löschungsbewilligung nach Unterzeichnung) gibt
die Zwischenverfügung für nicht berechtigt. Dies gilt u. E. unabhängig davon welcher der
unter lit. a) und lit. b) genannten Meinungen sich das Grundbuchamt anschließt. Eine neue
Löschungsbewilligung muss daher vorliegend nicht erteilt werden.

Gutachten/Abruf-Nr:

166641

Erscheinungsdatum:

29.01.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht

Normen in Titel:

BGB § 875; GBO § 19