30. August 2017
BGB § 184; BGB § 2346

Genehmigung eines Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrages nach Tod des Erblassers

Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 156726
letzte Aktualisierung: 30. August 2017
BGB §§ 2346, 184
Genehmigung eines Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrages nach Tod des Erblassers

I. Sachverhalt
Bei der Beurkundung eines Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrages zwischen den Erblassern
(Eltern) und dem Verzichtenden (Sohn) wurde der im Ausland lebende Sohn vollmachtslos vertreten
vorbehaltlich nachträglicher Genehmigung, die mit Eingang bei Ihnen allen Vertragsbeteiligten
als zugegangen gelten soll.
Der Sohn hat die Genehmigungserklärung vor einem Notar im Ausland unterzeichnet. Zwischen
der Unterzeichnung und dem Eingang bei Ihnen lag überraschend eine erhebliche Zeitspanne.
Ein Elternteil ist nach Unterzeichnung der Genehmigung im Ausland, jedoch vor Eingang der
Genehmigungserklärung bei Ihnen, verstorben.

II. Fragen
1. Ist es richtig, dass – abweichend von § 184 Abs. 1 BGB – die Genehmigung bei Erb- und
Pflichtteilsverzichten keine Rückwirkung entfaltet und die Erklärung erst zum Zeitpunkt des
Zugangs bei Ihnen wirksam wird und damit der Erb- und Pflichtteilsverzicht zumindest
gegenüber dem zwischenzeitlich verstorbenen Elternteil unwirksam ist?
2. Ist es richtig, dass die Genehmigungserklärung, die vor Ableben des Erblassers
unterzeichnet wurde, nicht ausreicht?

III. Zur Rechtslage
1. Allgemeines zu den zeitlichen Schranken des Erbverzichts
Nach allgemeiner Auffassung kann der Erbverzicht nach § 2346 BGB nur zu Lebzeiten des
Erblassers geschlossen werden; bei seinem Tode muss die eintretende Erbfolge feststehen
(BGHZ 37, 319, 325; MünchKommBGB/Wegerhoff, 7. Aufl. 2017, § 2346 Rn. 10;
BeckOGK-BGB/Everts, Stand: 1.5.2017, § 2347 Rn. 4; BeckOK-BGB/Litzenburger, Stand:
1.2.2017, § 2346 Rn. 7; Staudinger/Schotten, BGB, Bearb. 2016, § 2347 Rn. 8, § 2346 Rn.
19). Die Genehmigung eines vollmachtlos geschlossenen Erbverzichtsvertrages kann dabei
aus diesem Grunde trotz der Rückwirkungsfiktion des § 184 BGB ebenfalls nicht erst nach
dem Tode des Erblassers erteilt werden (BGH NJW 1978, 1159; Staudinger/Schotten,
§ 2347 Rn. 8 m. w. N.). Die Sicherheit des Rechtsverkehrs erfordert es, dass die mit dem
Tod des Erblassers eingetretene Erbfolgeregelung auf einer festen Grundlage steht und nicht
noch nach beliebig langer Zeit durch eine Genehmigungserklärung wieder rückwirkend

beeinflusst werden kann.
2. BGH-Entscheidung zum Pflichtteilsverzicht durch Angebot und Annahme
Diese Grundsätze hat der BGH auf den Fall des Abschlusses eines Pflichtteilsverzichtsvertrages
im Angebot-Annahme-Modell übertragen (BGH NJW 1997, 521 = DNotZ 1997,
422 m. Anm. Albrecht = DNotI-Report 1997, 30). In der genannten Entscheidung hat der
BGH ausgeführt, dass zwar der auf das Pflichtteilsrecht beschränkte Verzicht im Gegensatz
zum Erbverzicht die gesetzliche Erbfolge nicht ändere. Vielmehr resultiere aus dem Pflichtteilsrecht
lediglich eine Nachlassverbindlichkeit, die – anders als die Erbfolge selbst – nicht
bereits im Zeitpunkt des Todes feststehen müsse (BGH NJW 1997, 521, 522).
Gleichwohl betreffe ein Pflichtteilsverzichtsvertrag ein Rechtsgeschäft, das seinem Gegenstand
und seiner Eigenart nach nur mit dem Erblasser zu dessen Lebzeiten abgeschlossen
werden könne, aber nicht mehr nach seinem Tode. Mit dem Tod des Erblassers bestehe
nämlich ein Pflichtteilsrecht nicht mehr. Vielmehr bestehe nur ein von diesem zu
unterscheidender Pflichtteilsanspruch. Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsanspruch seien derart
verschieden, dass selbst eine ergänzende Auslegung oder Umdeutung des Angebots auf den
Pflichtteilsverzichtsvertrag in ein Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrags nach § 397
nicht in Betracht komme (BGH NJW 1997, 521, 522).
Die Entscheidung des BGH ist in der Literatur vielfach auf Kritik gestoßen, da zwischen
Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsanspruch – anders als der BGH meine – kein „aliud“-
Verhältnis bestehe (so etwa J. Mayer, MittBayNot 1997, 85; vgl. auch Muscheler, JZ 1997,
853, 855; Reul, MittRhNotK 1997, 373, 382). Für die Praxis ist die Entscheidung des BGH
gleichwohl Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage, innerhalb welcher zeitlichen
Grenzen ein Pflichtteilsverzicht wirksam getroffen werden kann.

3. Übertragung auf die Genehmigung eines vollmachtlos geschlossenen Pflichtteilsverzichtsvertrages
Die BGH-Entscheidung äußert sich lediglich zu der Frage, ob ein vom Erblasser usgehendes
Angebot noch nach dessen Tod angenommen werden kann. Die Frage, ob ein vollmachtlos
geschlossener Pflichtteilsverzichtsvertrag insbesondere infolge der Rückwirkungsfiktion des
§ 184 BGB noch nach dem Tod des Erblassers genehmigt werden kann, ist – anders als für
den Erbverzicht (vgl. oben 1.) – bislang nicht entschieden. So bezeichnet die Literatur die
Frage teilweise als offen (Bengel, in: Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 4. Aufl. 2014,
§ 31 Rn. 14).
Andere Stimmen weisen darauf hin, dass auf Grundlage der BGH-Entscheidung zum
Angebot-Annahme-Modell auch ein zunächst schwebend unwirksamer Pflichtteilsverzicht
nach dem Tode des Erblassers trotz der Rückwirkungsfiktion des § 184 BGB für unwirksam
erachtet werden könnte. Denn auch die nachträgliche Genehmigung führe genauso wie die
nachträgliche Annahme im Ergebnis dazu, dass nicht auf das durch seine Unsicherheit
geprägte Pflichtteilsrecht, sondern auf den Pflichtteilsanspruch verzichtet würde (Albrecht,
DNotZ 1997, 425, 426; Staudinger/Schotten, § 2347 Rn. 9).
Andere Stimmen gehen demgegenüber davon aus, dass § 184 Abs. 1 BGB auf den Pflichtteilsverzicht
angewendet werden muss und eine Genehmigung durch den Verzichtenden
auch noch nach dem Tod des Erblassers erfolgen kann (BeckOK-BGB/Litzenburger, § 2347
Rn. 3; BeckOGK-BGB/Everts, § 2347 Rn. 4 – anbei).
Unseres Erachtens ist die letztgenannte Auffassung zutreffend. Der Pflichtteilsverzicht ist
zwar vom Gesetz als Unterfall des Erbverzichts ausgestaltet, hat aber eine ganz andere
Wirkung. Er beeinflusst nicht die Erbquoten und die Erbenstellung, sondern lediglich einen
schuldrechtlichen Anspruch. Es lässt sich auch mit der Rechtssicherheit vereinbaren, dass
die Genehmigung rückwirkend erfolgt. Dies zeigt bereits § 2313 BGB, der nach dem Erbfall
eintretende Veränderungen bei der Bemessung der Pflichtteilsquote zulässt. Der BGH hat
ausgeführt, dass die Auffassung, es müsse bereits im Zeitpunkt der Erbfolge abschließend
das gesetzliche Erbrecht feststehen, nicht auf den Pflichtteilsverzicht übertragen werden
kann (BGH NJW 1997, 521, 522). Der BGH hat sich vielmehr maßgeblich auf das rechtsdogmatische
Argument zurückgezogen, dass man nach dem Tod des Erblassers auf ein
Pflichtteilsrecht nicht mehr verzichten kann, sondern nur noch auf einen gegenstandsverschiedenen
Pflichtteilsanspruch (BGH, a. a. O.). Die Annahme des Angebots kommt
daher zu spät. Bei einer Genehmigung liegen die Dinge aber gerade anders. Die
Genehmigung wirkt auf das im Zeitpunkt der abgegebenen Erklärung bestehende Pflichtteilsrecht
gerade zurück. Demzufolge dürfte es mit Blick auf den Pflichtteilsverzicht nicht
schaden, wenn die Genehmigung erst nach dem Tod des Erblassers wirksam geworden sein
sollte.
Es ist aber darauf hinzuweisen, dass die Rechtslage noch nicht geklärt ist und sich derzeit als
unsicher darstellt.

4. Zeitpunkt der Wirksamkeit der Genehmigung
Die Genehmigung wird wirksam, wenn sie dem einen oder anderen Vertragsteil gegenüber
erklärt wird (§ 182 Abs. 1 BGB). Handelt jemand als Vertreter ohne Vertretungsmacht
(§ 177 Abs. 1 BGB) und genehmigt der Vertretene das Geschäft nach, muss die
Genehmigung gegenüber dem Vertreter oder dem Vertragspartner erklärt werden (BGH
WM 1959, 63; Staudinger/Schilken, BGB, Bearb. 2014, § 177 Rn. 10a). Die Genehmigung
ist selbst eine empfangsbedürftige Willenserklärung (MünchKommBGB/Schubert, 7. Aufl.
2015, § 177 Rn. 30). Nur vereinzelt haben ältere Gerichtsentscheidung es genügen lassen,
dass die Genehmigung erklärt wurde (KGJ 27 A 305, 307 f.; OLG Stettin LZ 1917, 617,
618).
Nach der wohl überwiegenden Auffassung ist der Zugang der Genehmigung entbehrlich,
wenn die Genehmigung beurkundet wurde. § 152 BGB, der eigentlich nur den Fall der
Annahme eines Angebots regelt, soll in diesem Fall analog gelten (OLG Karlsruhe NJW
1988, 2050; MünchKommBGB/Busche, § 152 Rn. 2; Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl.
2017, § 152 Rn. 1; Staudinger/Bork, BGB, Neubearb. 2010, § 152 Rn. 3; a. A. BeckOGKBGB/
Regenfus, Stand: 1.3.2017, § 182 Rn. 51). Eine Beurkundung der Genehmigung ist im
vorliegenden Fall jedoch offensichtlich nicht erfolgt, sondern nur eine Beglaubigung vor
einem ausländischen Notar.
Demzufolge hätte die Genehmigungserklärung dem bevollmächtigten Notar zugehen
müssen, damit die Erklärung gegenüber dem Vertreter bzw. anderen Vertragsteil wirksam
wird. Geht man entgegen der hier vertretenen Ansicht davon aus, dass die Genehmigung
noch zu Lebzeiten des Erblassers wirksam werden muss, wäre in der Konsequenz auch der
Zugang der unterschriftsbeglaubigten Erklärung zu Lebzeiten des Erblassers erforderlich
gewesen.

5. Auslegung oder Umdeutung in einen Erlass des Pflichtteilsanspruchs?
Nimmt man an, dass die nach dem Tode des Erblassers wirksam gewordene Genehmigungserklärung
nicht mehr geeignet war, die Wirkung eines Pflichtteilsverzichts nach § 2346
BGB zu begründen, so dürfte auf Grundlage der Entscheidung des BGH auch eine
Umdeutung oder Auslegung des abgeschlossenen Rechtsgeschäfts in einen Erlassvertrag
hinsichtlich des entstandenen Pflichtteilsanspruchs nicht in Betracht kommen. Kommt
nämlich hiernach, wie schon angesprochen, „eine Auslegung oder Umdeutung des Angebots
auf einen Pflichtteilsverzicht in ein Angebot auf Erlaß eines Pflichtteilsanspruchs im
Allgemeinen nicht in Betracht“ (BGH NJW 1997, 521, 522), so kann in der Konsequenz
nichts anderes für die hier in Rede stehende Frage der Auslegung bzw. Umdeutung des nicht
im Angebot-Annahme-Modell, sondern aufgrund vollmachtlosen Handelns mit
anschließender Genehmigung geschlossenen Pflichtteilsverzichts gelten.

6. Ergebnis
Ob der vollmachtlos geschlossene und erst nach dem Tode des Erblassers genehmigte
Pflichtteilsverzicht wirksam ist, ist nach dem derzeitigen Stand der Diskussion in Rechtsprechung
und Literatur unsicher. Unseres Erachtens ist der Verzicht wirksam. Geklärt ist
dies jedoch nicht.

Gutachten/Abruf-Nr:

156726

Erscheinungsdatum:

30.08.2017

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbverzicht
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung

Normen in Titel:

BGB § 184; BGB § 2346