Brasilien: Gemeinschaftliches Testament/Erbvertrag eines deutsch-brasilianischen Ehepaares
DNotI
Deutsches Notarinstitut
GUTACHTEN Dokumentnummer: letzte Aktualisierung: 14163 25.06.2004
2.
3.
III. Zur Rechtslage 1. Das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht a) Deutsches IPR Aus deutscher Sicht richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen gem.
Deutsches Notarinstitut · Gerberstraße 19 · 97070 Würzburg · Telefon 09 31/3 55 76-0 · Telefax 09 31/3 55 76-2 25 e-mail: dnoti@dnoti.de · Internet: http://www.dnoti.de
mr pool
Seite 2
b) Brasilianisches IPR Soweit das brasilianische Recht berufen ist, ist gem.
Art. 10. A sucessão por morte ou por ausência obedece à lei do país em que era domiciliado o defunto ou o desaparecido, qualquer que seja a natureza e a situação dos bens. Art. 10. Die Erbfolge wegen Todes oder Verschollenheit richtet sich nach dem Gesetz des Landes, in dem der Verstorbene oder der Verschollene seinen Wohnsitz gehabt hat, welches auf die Natur und die Lage der Güter sei. § 1 Die Erbfolge in Güter eines Ausländers, die sich in Brasilien befinden, wird nach dem brasilianischen Recht zugunsten des brasilianischen Ehegatten oder der ehelichen Kinder geregelt, sofern nicht das Personalstatut des Erblassers für sie günstiger ist. § 2 Das Gesetz des Wohnsitzes des Erben oder des Vermächtnisnehmers bestimmt ihre Fähigkeit zu erben.
§ 1 A sucessão de bens de estrangeiros situados no País será regulada pela lei brasileira, em benefício do cônjuge ou dos filhos brasileiros, sempre que lhes não seja mais favorável a lei pessoal do de cujus.
§ 2 A lei do domicílio do herdeiro ou legatário regula a capacidade para suceder.
Das brasilianische IPR knüpft also grundsätzlich an das Wohnsitzrecht des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes an und zwar sowohl hinsichtlich der Zulässigkeit als auch hinsichtlich des Inhalts der letztwilligen Verfügung (Ferid/Firsching/Weishaupt, Internationales Erbrecht, Brasilien, Stand: 1.9.1997, Rn. 14). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht Art. 10 § 1 L.I. 1942. Eine dem Art. 10 § 1 L.I. 1942 im Wortlaut ähnliche und in der Zielsetzung vergleichbare Vorschrift enthält die brasilianische Verfassung vom 5.10.1988 in ihrem Art. 5 XXXI. Diese Bestimmung schreibt vor, dass sich die Nachfolge in das in Brasilien belegene Vermögen eines Ausländers ,,zugunsten des (brasilianischen) Ehegatten und der brasilianischen Kinder" nach brasilianischem Recht richtet, sofern das ,,persönliche Gesetz" des Verstorbenen diese Personen nicht günstiger stellt (vgl. Staudinger/Dörner, Neubearb. 2000, Anh. zu
Seite 3
Wortlaut gleichermaßen für Ausländer und brasilianische Staatsangehörige, die mit letztem Wohnsitz im Ausland verstorben sind und somit nach deren letztem Wohnsitzrecht beerbt werden (Ferid/Firsching/WeishauptRn. 11). c) Zwischenergebnis Unter Zugrundelegung des mitgeteilten Sachverhalts wird die brasilianische Staatsangehörige zum Zeitpunkt ihres Todes voraussichtlich in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaft sein, so dass das brasilianische Kollisionsrecht grundsätzlich auf die deutsche Rechtsordnung zurückverweist. Brasilianisches Erbrecht findet allerdings jedenfalls im Hinblick auf das in Brasilien befindliche Vermögen bei Beerbung durch ggf. vorhandene Abkömmlinge. 2. Zulässigkeit eines gemeinschaftlichen Testaments/Erbvertrages a) Maßgeblichkeit des Errichtungsstatutes Die Zulässigkeit eines gemeinschaftlichen Testaments/Erbvertrages bestimmt sich aus deutscher Sicht nach dem Errichtungsstatut,
Seite 4
richtung eines gemeinschaftlichen Testaments bzw. den Abschluss eines Erbvertrages, es sei denn ein ggf. in Brasilien bestehendes Verbot wäre dort Teil des ordre public, mit der Folge, dass dann aus brasilianischer Sicht eine Rückverweisung ausgeschlossen wäre. c) Verbot von Erbvertrag und gemeinschaftlichen Testament nach brasilianischem IPR Nach brasilianischem Recht ist das gemeinschaftliche Testament bzw. der Erbvertrag in keiner Form zulässig; jedes Rechtsgeschäft dieser Art wird als nichtig angesehen (Art. 1863 Novo Código Civil vom 10.1.2003 NCC , vgl. auch Ferid/Firsching/Weishaupt, Rn. 120 zur alten Rechtslage). Unter dieses Verbot fallen auch die gleichzeitigen Testamente (zwei Personen vereinbaren die Errichtung am gleichen Tage oder die Testamente sind so abgefasst, dass beide in der ,,wir"-Form sprechen oder in dem zwei Personen in ihren Verfügungen eine dritte Person einsetzen, vgl. Ferid/Firsching/Weishaupt, Rn. 120). Die gegenseitige Einsetzung von Ehepartnern in verschiedenen Testamenten ist gültig, sofern sich keine derartige Wechselbezüglichkeit feststellen lässt. Zeitlich Nähe beider Testamente oder ein auffällige Ähnlichkeit im Wortlaut können jedoch als Hinweis auf die Wechselbezüglichkeit dienen (Ferid/Firsching/Weishaupt, Rn. 120). Umstritten ist jedoch, ob gemeinschaftliche Testamente bzw. Erbverträge, wenn sie im Ausland errichtet werden, in Brasilien nicht möglicherweise doch anerkannt werden. Nach wohl überwiegender Meinung sind sie als gültig anzusehen, wenn sie nach dem Erbstatut und der lex loci zulässig sind (Ferid/Firsching/Weishaupt, Rn. 18, 39 unter Berufung auf Valladão, Direito internacional privado, Bd. II (1977), S. 227). Mangels einschlägiger Rechtsprechung des Obersten Bundesgerichts bleibt jedoch eine große Rechtsunsicherheit bestehen. Es sollten daher jedenfalls zusätzlich zum gemeinschaftlichen Testament zwei Einzeltestamente mit der jeweiligen Einsetzung des anderen Ehepartners errichtet werden und zwar mit einem entsprechenden zeitlichen Abstand. Allenfalls im Hinblick auf das in Deutschland belegene Grundvermögen könnte problemlos eine Bindungswirkung über eine Rechtswahl nach
Seite 5
Hinweise S. 2). Abkömmlinge der brasilianischen Ehefrau hätten somit, wenn sie brasilianische Staatsangehörige wären, in jedem Fall ein Noterbrecht im Hinblick auf das in Brasilien belegene Nachlassvermögen. 4. Form der letztwilligen Verfügung Aus deutscher Sicht findet hinsichtlich der Frage der bei Testamentserrichtung einzuhaltenden Form das Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 Anwendung. Art. 1a des Testamentsübereinkommens lässt u.a. die Einhaltung der Ortsform genügen Brasilien, das dem Haager Testamentsübereinkommen nicht beigetreten ist, lässt für die formelle Gültigkeit letztwilliger Verfügungen die Ortsform ausreichen (Ferid/Firsching/Weishaupt, Rn. 17). Sind die formellen Vorschriften des Errichtungsorts eingehalten, wird das Testament in Brasilien anerkannt, auch wenn es nicht den Vorschriften des brasilianischen Rechts entspricht. Ein von einem deutschen Notar errichtetes Testament ist damit sowohl aus der Sicht des deutschen als auch aus der Sicht des brasilianischen Rechts formwirksam.
14163
Erscheinungsdatum:01.01.2004
RechtsbezugInternational
Normen in Titel:EGBGB Art. 25