Nachverpfändung eines Grundstücks; Entstehen einer Gesamtgrundschuld mit unterschiedlichen Fälligkeitsregelungen; anschließende Vereinigung der Grundstücke
BGB §§ 1132, 1191, 1193 Abs. 2 S. 2;
Nachverpfändung eines Grundstücks; Entstehen einer Gesamtgrundschuld mit unterschiedlichen Fälligkeitsregelungen; anschließende Vereinigung der Grundstücke
I. Sachverhalt
Zwei nebeneinander liegende Grundstücke sollen vereinigt werden. Auf einem Grundstück ist eine Grundschuld eingetragen, die vor dem Jahre 2008, also vor Inkrafttreten des heutigen
II. Frage
Steht die unterschiedliche Fälligkeit der (Gesamt-)Grundschuld einer Grundstücksvereinigung i. S. v.
III. Zur Rechtslage
1. Nachverpfändung eines Grundstücks mit einer vor Inkrafttreten des sog. Risikobegrenzungsgesetzes bestellten Grundschuld
Nach
Die Neufassung des
2. Keine Besorgnis der Verwirrung bei Vereinigung der mit einer solchen Gesamtgrundschuld belasteten Grundstücke
Mit der Frage, ob eine anschließende Vereinigung der Belastungsgegenstände gem.
Nach § 5 Abs. 1 S. 1 u. 2 GBO soll ein Grundstück nur dann mit einem anderen Grundstück vereinigt werden, wenn hiervon Verwirrung nicht zu besorgen ist (zum Begriff der Verwirrung vgl. BR-Drucks. 794/12, S. 21; BeckOK-GBO/Kral, Std.: 1.3.2025, § 5 Rn. 29 m. w. N). Eine Vereinigung soll insbesondere dann unterbleiben, wenn die Grundstücke im Zeitpunkt der Vereinigung mit unterschiedlichen Grundpfandrechten oder Reallasten, oder mit denselben Grundpfandrechten oder Reallasten in unterschiedlicher Rangfolge belastet sind. Im Falle der Belastung der zu vereinigenden Grundstücke mit unterschiedlichen Verwertungsrechten oder einer unterschiedlichen Rangfolge derselben kann dies zu erheblichen Schwierigkeiten im Zwangsversteigerungsverfahren führen (vgl. BR-Drucks. 794/12, S. 22), weshalb der Gesetzgeber vor einigen Jahren die Bestimmung des heutigen
Im vorliegenden Fall dient die Nachverpfändung der Herstellung einer „gleichen“ Belastungssituation (vgl. insbesondere § 19 Abs. 1 S. 2 AGBGB RP). Es stellt sich dennoch die Frage, ob angesichts des Umstands, dass die Gesamtgrundschuld in Ansehung ihrer Fälligkeit keinen einheitlichen Inhalt hat, eine Besorgnis der Verwirrung anzunehmen ist. Nach unserem Dafürhalten ist diese Frage zu verneinen, d. h. im Falle der Grundstücksvereinigung ist eine Verwirrung nicht zu besorgen.
a) Schicksal einer Gesamtgrundschuld, wenn sich anschließend sämtliche Belastungsgegenstände zu einem einzigen Grundstück (im Rechtsinne) vereinigen
aa) H. M.: Fortbestehen eines Gesamtgrundpfandrechts
Die Vereinigung der Grundstücke wirkt nur mit Wirkung für die Zukunft (vgl. Staudinger/Picker, 2025, § 890 Rn. 33). Demzufolge werden die an den beteiligten Grundstücken bereits bestehenden Belastungen von der Vereinigung nicht berührt. Insbesondere behält nach h. M. ein Gesamtgrundpfandrecht seine Rechtsnatur bei, d. h. es verwandelt sich trotz der Vereinigung der belasteten Grundstücke nicht in ein Einzelrecht am vereinigten Grundstück (vgl. OLG Karlsruhe OLGE 39, 223; Staudinger/Picker, § 890 Rn. 34 m. w. N.; MünchKommBGB/Lettmaier, 9. Aufl. 2023, § 890 Rn. 13; Böttcher, in: Meikel/Böttcher, GBO, 12. Aufl. 2021, § 5 Rn. 86; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 624).
Konsequenterweise steht dem Gläubiger auch weiterhin das Wahlrecht gem.
„c) Neben der Frage, wie Gesamtrechte bisher behandelt wurden, war aber auch die Funktion dieser Rechte als Verwertungsrecht in die Überlegung miteinzubeziehen: Eine unterschiedliche Fälligkeit wäre jedenfalls dann abzulehnen, wenn sie bei der Realisierung der Ansprüche im Wege der Zwangsversteigerung nicht lösbare Probleme mit sich brächte. Schon das Wahlrecht des Gläubigers aus
Unter Zugrundelegung der h. M., wonach die Grundstücksvereinigung nur ex-nunc-Wirkung entfaltet und sich demzufolge die Rechtsnatur eines bereits zuvor an den beteiligten Grundstücken bestehenden Gesamtgrundpfandrechts durch die Vereinigung nicht ändert, offenbart sich, dass das Ansinnen des Grundbuchamts jedenfalls mit Blick auf § 5 Abs. 1 S. 1 u. S. 2 GBO nicht gerechtfertigt sein kann. Denn auch dann, wenn die vom Grundbuchamt verlangte Vereinheitlichung der Fälligkeit der Grundschuld stattfinden würde, hätte dies auf die zuvor beschriebenen Möglichkeiten der Zwangsvollstreckung durch den Gläubiger, insbesondere sein Wahlrecht gem.
Eine Besorgnis der Verwirrung lässt sich auch nicht damit begründen, dass nach der Vereinigung der Grundstücke (und ihrer ggf. später nachfolgenden katastermäßigen Verschmelzung) der jeweilige ursprüngliche Belastungsgegenstand nicht mehr festgestellt werden könnte. Insoweit gelten vielmehr die Überlegungen des BGH in seiner Entscheidung vom 24.11.2005 (
„bb) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Antrag auch nicht deshalb zurückzuweisen, weil sich der Grundstücksteil, auf dem das Grundpfandrecht der Gläubigerin lastet, nicht mehr aus dem Grundbuch feststellen ließe und es dem Vollstreckungstitel deshalb an der erforderlichen Bestimmtheit fehlte.
Richtig ist zwar, dass die Zwangsvollstreckung in einen Grundstücksteil im Allgemeinen voraussetzt, dass dieser katastermäßig ein Flurstück darstellt (Meikel/Böttcher, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 5 Rdnr. 81). Ihren Grund hat dieses Erfordernis in dem Bestimmtheitsgrundsatz des Sachen- und Grundbuchsrechts (vgl. Senat, Urteil vom 2.5.1975, V ZR 131/73,
Keine Schwierigkeiten treten in dieser Hinsicht auf, wenn der im Vollstreckungstitel als belastet bezeichnete Grundstücksteil seine rechtliche Selbständigkeit infolge einer Vereinigung gemäß
Nichts anderes gilt, wenn der Grundstücksteil, in den vollstreckt werden soll, nach einer Verschmelzung zwar nicht mehr als Flurstück existiert, seine Benennung und Feststellung aber anhand der alten Grundbuchbezeichnung, mit der zugleich auf die katastermäßige Vermessung des alten Flurstücks Bezug genommen wird, noch möglich ist. Ist die Einzelbelastung des Grundstücksteils weiterhin aus dem Grundbuch ersichtlich und lässt sich daraus auch die Rangfolge der Belastungen entnehmen, ist der Flächenabschnitt, auf den sich das Recht des betreibenden Gläubigers bezieht, katastermäßig und damit in einer dem Bestimmtheitsgebot genügenden Weise feststellbar (so zutreffend Stöber,
Vor dem Hintergrund, dass aus dem Grundbuch das Schicksal des jeweiligen Belastungsgegenstandes (beispielsweise, dass er zu einem nicht wesentlichen Bestandteil eines vereinigten Grundstücks geworden ist) stets nachvollzogen werden kann, ist eine spätere Zwangsvollstreckung in den ursprünglichen Belastungsgegenstand möglich. An dem Umstand, dass das Nachvollziehen dieser Historie mit Aufwand verbunden sein kann, würde sich auch durch die vom Grundbuchamt verlangte einheitliche Fälligkeitsregelung des Gesamtgrundpfandrechts nicht ändern. Um eine getrennte Zwangsvollstreckung der ursprünglichen Belastungsgegenstände zu verhindern, müsste man vielmehr entgegen der h. M. davon ausgehen, dass sich das Gesamtrecht mit der Vereinigung sämtlicher belasteten Grundstücke ipso iure in ein Einzelrecht am vereinigten Grundstück wandelt.
Schlussendlich darf nicht übersehen werden, dass
bb) A. A.: Änderung der Rechtsnatur in ein Einzelrecht am vereinigten Grundstück
Hilfsweise soll der Frage nachgegangen werden, ob sich an der rechtlichen Beurteilung etwas ändert, wenn man mit der Gegenansicht davon ausgeht, dass sich ein Gesamtgrundpfandrecht infolge der Vereinigung der Belastungsgegenstände ipso iure in ein Einzelrecht am vereinigten Grundstück umwandelt.
Doch auch unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht würde jedenfalls die Bestimmung des
b) Vermeintlich abweichende Kommentaransicht
In einem (vermeintlichen) Widerspruch zu der hier vertretenen Rechtsauffassung stehen die Ausführungen von Böttcher in seiner aktuellen Kommentierung zu
Andererseits vertritt Böttcher im Einklang mit der vorgenannten h. M. zum Schicksal eines Gesamtgrundpfandrechts im Falle der Grundstücksvereinigung die Rechtsauffassung, dass eine Zwangsvollstreckung, insbesondere eine Zwangsversteigerung in ein früheres Einzelgrundstück, auch nach der Grundstücksvereinigung möglich sei, und zwar als gesonderte Vollstreckung in diesen Grundstücksteil. Hierzu sei der katastermäßige Fortbestand des ursprünglichen Belastungsgegenstands nicht erforderlich. Seien die ursprünglichen Grundstücke auch katastermäßig verschmolzen worden, so werde diese katastermäßige Verschmelzung im Rahmen der Zwangsversteigerung durch Neuvermessung wieder rückgängig gemacht. Erfolge die Zwangsversteigerung eines realen Grundstücksteils, könne die grundbuchliche Abschreibung zwar grds. nur auf Antrag des Eigentümers erfolgen; gegen seinen Willen sei dies allerdings nach Rechtskraft des Zuschlags in Ausführung des Grundbuchersuchens (
Nach unserem Dafürhalten lassen sich die Ausführungen von Böttcher nur dann widerspruchsfrei verstehen, wenn man unterstellt, er gehe im Falle der Vereinigung „unter gleichzeitiger Pfanderstreckung auf den neuen Grundstücksteil“ (Rn. 86) davon aus, dass zuerst der Antrag auf Vereinigung (Antrag Nr. 1) und anschließen der Antrag auf Pfanderstreckung (Antrag Nr. 2) gestellt wird. In diesem Fall entsteht quasi eine juristische Sekunde zuvor das vereinigte Grundstück, das ab diesem Moment nur noch mit einem Einzelrecht am vereinigten Grundstück belastet werden kann. In diesem Fall ist die Entstehung eines Gesamtgrundpfandrechts denklogisch ausgeschlossen. Unseres Erachtens übersieht Böttcher allerdings, dass zuerst der Antrag auf Nachverpfändung (Antrag Nr. 1) gestellt werden muss, damit der spätere Antrag auf Vereinigung (Antrag Nr. 2) überhaupt vollzugsfähig ist; anderenfalls stünde der Vereinigung die Bestimmung des
3. Ergebnis
Im Ergebnis gehen wir daher davon aus, dass das Ansinnen des Grundbuchamts nur dann gerechtfertigt wäre, wenn zunächst der Antrag auf Vereinigung (Antrag Nr. 1) und sodann der Antrag auf Pfanderstreckung (Antrag Nr. 2) gestellt worden wäre. Diese Reihenfolge wäre allerdings mit Blick auf
209105
Erscheinungsdatum:27.06.2025
RechtsbezugNational
Erschienen in:DNotI-Report 2025, 88-92
Normen in Titel:GBO § 5; BGB § 1132; BGB § 1193 Abs. 2; BGB § 1191