02. November 2013
GmbHG § 46 Nr. 5; GmbHG § 38; HGB § 117; HGB § 161 Abs. 2

GmbHG & Co. KG; Einheitsgesellschaft; Abberufung des einzigen Geschäftsführers der Komplementär-GmbH

Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 127588
letzte Aktualisierung: 14. November 2013

GmbHG §§ 38, 46 Nr. 5; HGB §§ 161 Abs. 2, 117
GmbHG & Co. KG; Einheitsgesellschaft; Abberufung des einzigen Geschäftsführers der Komplementär-GmbH

I. Sachverhalt

An der X-GmbH & Co. KG sind die X-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin und die Kommanditisten A, B und C beteiligt. Die KG ist ihrerseits Alleingesellschafterin der X-GmbH.

Die Kommanditisten beabsichtigen nunmehr, beide Gesellschaften zu liquidieren. Sie haben den Ge¬schäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin aufgefordert, einen entsprechen¬den Liquidationsbeschluss zu fassen. Der Geschäftsführer verweigert jedoch derzeit seine Mitwirkung. Die Kommanditisten wollen ihn daher abberufen. Zu berücksichtigen ist, dass über das Vermögen des Kommanditisten A das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. A verfügt allerdings nur über eine Minderheitsbeteiligung.

II. Frage

Wie kann der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG abberufen werden, wenn alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH die KG ist und diese wiederum durch eben jenen Geschäftsführer vertreten wird?

III. Zur Rechtslage

1.    Einheitsgesellschaft: Vertretung der KG in Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH

a) Vertretung durch Komplementärgeschäftsführer

Vorliegend ist eine sog. Einheits-GmbH & Co. KG gegeben, bei der die KG zugleich Allein¬ge¬sellschafterin ihrer Komplementär-GmbH ist (vgl. Lüke, in: Hessel¬mann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 20. Aufl. 2009, § 2 Rn. 391). Diese wechselseitige Beteiligung hat grundsätzlich zur Folge, dass die Komplementär-GmbH als Vertreterin der KG die Gesellschafterrechte aus den Anteilen an ihrem Stammka¬pital selbst ausübt (Lüke, § 2 Rn. 401). Als Handelnder tritt dabei in der Gesellschafterver¬sammlung der GmbH der Geschäftsführer der GmbH auf. Die Rechtsprechung hat in jünge¬rer Zeit ausdrücklich klargestellt, dass die Vertretung dem Komplementärgeschäftsführer etwa auch bei der Kündigung des Komplementärgeschäftsführers obliegt (BGH GmbHR 2007, 1034 m. Anm. Werner = DNotZ 2008, 145; OLG Ham¬burg GmbHR 2013, 580 m. Anm. Haase). Damit ist ein Interessenkon¬flikt vorpro¬grammiert, wenn der Geschäftsführer dazu berufen ist, über die ihn selbst betref¬fende Kün¬digung, Entlastung, Bestellung oder Abberufung zu entscheiden (Lüke, § 2 Rn. 402).

b) Vertretung durch Kommanditisten – ergänzende Auslegung

Hat der Gesellschaftsvertrag der KG nicht entsprechende Vorsorge getroffen und etwa den Kommanditisten die Stimmrechtsausübung in der GmbH-Gesellschafterversammlung per Vollmacht übertragen (wobei das Vertretungsrecht den Kommanditisten als statutarisches Sonderrecht eingeräumt werden kann, vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2007, Anh. § 45 Rn. 59), kann allenfalls eine ergänzende Vertragsauslegung weiterhelfen. Es ist also zu fragen, ob den Kommanditisten das Recht zur Stimmrechtsausübung für die KG in den Fällen automatisch zuwächst, in denen der Geschäftsführer nach § 47 Abs. 4 GmbHG bei der Stimmrechtsausübung einem Stimmverbot unterläge. Dafür sprechen sich tendenziell K. Schmidt (in: Scholz, Anh. § 45 Rn. 59) und (im Ergebnis) Liebscher (in: Sudhoff, GmbH & Co. KG, 6. Aufl. 2005, § 3 Rn. 11) aus (wobei im Hinblick auf die Abberufung die Anwendbarkeit des § 47 Abs. 4 GmbHG nicht abschließend geklärt sein dürfte und ggf. eher auf § 181 BGB zurückzugreifen wäre). Die jüngere Rechtsprechung schließt dieses Verständnis u. E. nicht von vorneherein aus, denn in den entschiedenen Fällen existierte noch ein weiterer, nicht selbst betroffener Mitgeschäftsführer (vgl. Lüke, § 2 Rn. 402).

3.    „Abberufung“ durch Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis

Die ergänzende Auslegung steht jedoch nicht für einen gesicherten Weg. So wird auch vertre¬ten, dass die Gesellschafter mit den Folgen einer starken Stellung des (Fremd-)Ge¬schäftsführers (ähnlich wie im Fall einer drittbeherrschten Gesellschaft) leben müssten, wenn sie nicht gesellschaftsvertragliche Vorsorge getroffen hätten (Giehl, MittBayNot 2008, 268, 270). Die aus Sicht der Kommanditisten gegebene Blockade ist hiernach also keine Sackgasse, sondern eine in der Konstruktion und Ausgestaltung der Einheits-GmbH & Co. KG liegende Konsequenz, die in grundsätzlich zulässiger Weise zu einer beherrschenden Stellung des Geschäftsführers führt. Man akzeptiert folglich, dass die Abberufung des Ge¬schäftsführers praktisch nicht durchführbar ist und nur die Möglichkeit bleibt, der Komple¬mentär-GmbH (also nicht unmittelbar dem Geschäftsführer) gem. § 117 HGB die Ge¬schäfts¬führungsbefugnis zu entziehen (MünchKommHGB/Grunewald, 3. Aufl. 2012, § 161 Rn. 98).

Laut Binz/Sorg (Die GmbH & Co. KG, 11. Aufl. 2010, § 8 Rn. 13) sollen die Kom¬manditisten die Komplementär-GmbH zunächst unter Androhung einer entsprechenden Ent¬ziehungs¬klage zur Abberufung drängen (letztlich also den Komplementärgeschäftsführer zur eige¬nen Abberufung). Käme die GmbH dem nicht nach, läge ein wichtiger Grund für die Ent¬ziehung i. S. d. § 117 HGB (i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB) vor. Wäre die Entziehung im Inte¬resse der Gesellschaft dringend geboten, müssten alle übrigen Gesellschafter (Komman¬di¬tisten) mit¬wirken. Die Klage gegen einen Mitgesellschafter auf Zustimmung zu einem An¬trag nach § 117 HGB kann mit der Entziehungsklage verbunden werden (MünchKommHGB/Jickeli, 3. Aufl. 2011, § 117 Rn. 64; Oetker/Weitemeyer, HGB, 3. Aufl. 2013, § 117 Rn. 18). Die Klage auf Ent¬ziehung der Geschäftsführungsbefugnis gem. § 117 HGB lässt sich grundsätzlich wiederum im Wege objektiver Klagenhäufung mit der Klage auf Entziehung der Vertretungsmacht gem. § 127 HGB verbinden (Staub/Habersack, 5. Aufl. 2009, § 127 Rn. 3). Im Hinblick auf den einzigen vertretungsberechtigten Komplementär könnte die doppelte Entziehung zu¬mindest mit der Rechtsfolge zulässig sein, dass die Ge¬sellschaft – wie bei der Ausschließung des einzigen Komplementärs – aufgelöst und gem. § 146 HGB von sämtlichen Kommandi¬tisten vertreten wird (so Staub/Habersack, § 127 Rn. 8; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 127 Rn. 7). Im Übrigen käme eine Ausschließungs¬klage gem. §§ 140, 133 HGB in Betracht.

4.    Mitwirkung des insolventen Kommanditisten?

Im Hinblick auf den insolventen Kommanditisten ist schließlich auf § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB hinzuweisen. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist dieser Kommanditist aus der KG ausgeschieden, in die Insolvenzmasse fällt lediglich der Abfindungsanspruch (vgl. Oetker/Kamanabrou, § 131 Rn. 30). Der Insolvenzverwalter kann also keine Gesellschafter¬rechte des Ausgeschiedenen mehr ausüben (MünchKommHGB/K. Schmidt, § 131 Rn. 69). Eine abweichende Bestimmung des Gesellschaftsvertrags, wonach die Gesellschaft mit dem insolventen Gesellschafter fortgesetzt wird, wäre unzulässig (Staub/C. Schäfer, § 131 Rn. 89; Oetker/Kamanabrou, § 131 Rn. 29).

Gutachten/Abruf-Nr:

127588

Erscheinungsdatum:

02.11.2013

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

OHG
GmbH

Normen in Titel:

GmbHG § 46 Nr. 5; GmbHG § 38; HGB § 117; HGB § 161 Abs. 2