27. August 2019
BGB § 1915 Abs. 1; BGB § 1795 Abs. 2; BGB § 181

Mehrfachvertretung; Ergänzungspfleger; Befreiung; Genehmigung; Heilung

BGB §§ 181, 1795 Abs. 2, 1915 Abs. 1
Mehrfachvertretung; Ergänzungspfleger; Befreiung; Genehmigung; Heilung

I. Sachverhalt
Es wird eine Erbauseinandersetzung beurkundet. Mitglied der Erbengemeinschaft ist u. a. ein Minderjähriger, der durch einen Ergänzungspfleger vertreten wird. Der Ergänzungspfleger handelt bei der Beurkundung gleichzeitig für ein weiteres Mitglied der Erbengemeinschaft. Die Bestallungsurkunde enthält keine Aussage darüber, ob der Ergänzungspfleger von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist.

II. Fragen
1. Ist § 181 BGB auf den Ergänzungspfleger anzuwenden?
    
2. Kann das Familiengericht den Ergänzungspfleger von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien?

3. Wird die Doppelvertretung des Ergänzungspflegers geheilt, wenn das Familiengericht die Urkunde genehmigt?

III. Zur Rechtslage
1. Grundsätzliche Anwendung des § 181 BGB auf den Ergänzungspfleger
Gem. § 1915 Abs. 1 S. 1 BGB sind auf den Ergänzungspfleger die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Damit ist u. a. auf § 1795 Abs. 2 BGB verwiesen, der die Anwendung des § 181 BGB ausdrücklich auch für den Vormund anordnet. Im Ergebnis ist deshalb davon auszugehen, dass § 181 BGB für den Ergänzungspfleger (ebenso wie für alle anderen gesetzlichen Vertreter) gilt (unstr., vgl. nur BeckOGK-BGB/Sonnenfeld, Std.: 1.8.2019, § 1795 Rn. 106; MünchKommBGB/Spickhoff, 7. Aufl. 2017, § 1795 Rn. 43).

2. Möglichkeit der Befreiung durch das Familiengericht
Rechtsgeschäftliche Vertreter können gem. § 181 BGB vom Vertretenen befreit werden (s. Gesetzeswortlaut: „soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist“). Eine Befreiung durch das Familiengericht im Falle der Vormundschaft oder Pflegschaft ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt.

Nach ständiger Rechtsprechung kommt eine solche Befreiung nicht in Betracht (OLG Hamm OLGZ 1975, 173; BGH NJW 1956, 1433, 1434; RGZ 67, 61, 63). Man argumentiert insoweit formal mit der Anordnung des § 1795 Abs. 2 BGB, ohne näher zu erörtern, warum die Gestattung nicht möglich sein soll. Die Literatur folgt der Rechtsprechung dennoch nahezu einhellig (Staudinger/Schilken, BGB, 2014, § 181 Rn. 57; BeckOK-BGB/Schäfer, Std.: 1.5.2019, § 181 Rn. 35; BeckOGK-BGB/Fröhler, Std.: 1.7.2019, § 181 Rn. 356; MünchKommBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 181 Rn. 91; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 11. Aufl.2016, § 49 Rn. 116; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, 4. Aufl. 1992, § 48 Ziff. 6). Als Begründung wird einerseits angeführt, dass das Gesetz eine Befreiung des gesetzlichen Vertreters von den Beschränkungen des § 181 BGB nicht vorsehe (Wolf/Neuner, § 49 Rn. 116). Andererseits wird darauf verwiesen, dass das Familiengericht nicht zur Vertretung des gesetzlich Vertretenen befugt sei, sondern lediglich fürsorgliche Aufgaben wahrnehme (Staudinger/Schilken, § 181 Rn. 57; MünchKommBGB/Schubert, § 181 Rn. 91). § 181 BGB setze aber gerade eine Gestattung der Mehrfachvertretung oder des Selbstkontrahierens durch den Vertretenen voraus.

Zwingend ist die ablehnende Ansicht nach dem Wortlaut des § 181 BGB freilich nicht. Die Norm enthält keine ausdrückliche Aussage dazu, wer die Gestattung zu erteilen hat. Eine Mindermeinung erkennt deshalb auch eine Befreiung durch das Familiengericht an (Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl. 1999, § 181 Rn. 42 m. w. N. in Fn. 263). Argumentiert wird allerdings mit „praktischen Vorteilen“, also vom Ergebnis her.

In der Praxis wird man weiterhin die Rechtsprechung und ganz h. M. beachten müssen, wonach eine Befreiung des gesetzlichen Vertreters durch das Familiengericht weder im Voraus noch nachträglich (durch Genehmigung) in Betracht kommt (vgl. Staudinger/Schilken, § 181 Rn. 47).

3. Fazit
§ 181 BGB ist auf den Ergänzungspfleger anzuwenden. Befreit werden kann der Ergänzungspfleger indes nicht. Auch eine Genehmigung des verbotenen In-sich-Geschäfts durch das Familiengericht kommt nicht in Betracht.

Gutachten/Abruf-Nr:

170921

Erscheinungsdatum:

27.08.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 131-132

Normen in Titel:

BGB § 1915 Abs. 1; BGB § 1795 Abs. 2; BGB § 181