10. April 2019
GmbHG § 15; GmbHG § 34

Unbefristetes Angebot zur Veräußerung eines Geschäftsanteils ggü. Nichtgesellschafter; Anwendung der Hinauskündigungsgrundsätze

GmbHG §§ 34, 15
Unbefristetes Angebot zur Veräußerung eines Geschäftsanteils ggü. Nichtgesellschafter; Anwendung der Hinauskündigungsgrundsätze

I. Sachverhalt
Ein GmbH-Gesellschafter gibt gegenüber einem Nichtgesellschafter ein Angebot zur Veräußerung seines Geschäftsanteils ab (Call-Option). Das Angebot ist unbefristet.

II. Frage
Fällt ein solches Angebot unter die Hinauskündigungsrechtsprechung des BGH?

III. Zur Rechtslage
1. Allgemeines zum Hinauskündigungsverbot
Im GmbH- und Personengesellschaftsrecht gilt das sog. Hinauskündigungsverbot: Gesellschafter dürfen einem Mitgesellschafter nicht ohne sachlichen Grund die Mitgliedschaft entziehen; der Gesellschafter soll nicht fürchten müssen, seine Gesellschafterstellung zu verlieren, wenn er seine Gesellschafterrechte (insbesondere sein Stimmrecht) in der einen oder anderen Weise ausübt („Damoklesschwert“ der Ausschließung, vgl. BGH NJW 2005, 3641, 3642 = DNotZ 2006, 137; DNotZ 2004, 865, 866; speziell zur Hinauskündigung im GmbH Recht BGH NJW 1990, 2622 f. = DNotZ 1991, 917; OLG München, Urt. v. 5.10.2016, BeckRS 2016, 19878, Tz. 22 f. = RNotZ 2017, 328; MünchKommGmbHG/Strohn, 3. Aufl. 2018, § 34 Rn. 57). Grundsätzlich nichtig gem. § 138 Abs. 1 BGB sind sowohl statutarische Mechanismen als auch „einfache“ rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, die auf eine jederzeitige Beendigung der Mitgliedschaft zielen (BGH NJW 2005, 3641). Es macht also keinen Unterschied, ob die Hinauskündigungsmöglichkeit auf einer statutarischen Ausschlussregelung (etwa einer Einziehungsklausel) oder auf einem langfristig annehmbaren Veräußerungsangebot beruht. Kritisch kann daher auch eine Call-Option in Gestalt eines Angebots sein (vgl. BGH NJW 1990, 2622), denn sie vermittelt dem (künftigen) Erwerber das Recht und die Möglichkeit, eine Veräußerung zu seinen Gunsten zustande zu bringen (vgl. zum Begriff der Call-Option MünchKommBGB/Busche, 8. Aufl. 2018, Vor § 145 Rn. 70; MünchKommGmbHG/Reichert/Weller, § 15 Rn. 95).

Die Hinauskündigung ist allerdings – wie oben angedeutet – nicht kategorisch verboten, sondern kann im Einzelfall gerechtfertigt sein. Es geht also letztlich darum, dass die Mitgliedschaft des Gesellschafters nicht willkürlich, sondern aus sachlichem Grund beendigt wird. Allgemeine Kriterien lassen sich dafür nicht benennen, sondern lediglich Fallgruppen, in denen die Rechtsprechung die Hinauskündigung akzeptiert hat (z. B.: Managermodell – BGH NJW 2005, 3641; Mitarbeitermodell – BGH NJW 2005, 3644 = DNotZ 2006, 140; Russian-Roulette-Klausel – OLG Nürnberg NZG 2014, 222 = RNotZ 2014, 180; zum Manager-Modell jüngst auch LG Stuttgart GmbHR 2019, 116 m. Anm. Höfer).

2. Hinauskündigungsrecht des Nichtgesellschafters?
Ein Rechtfertigungsbedürfnis ist freilich nur dann gegeben, wenn der Tatbestand der verbotenen Hinauskündigung überhaupt einschlägig ist. Im vorliegenden Fall gibt der Gesellschafter das Veräußerungsangebot gegenüber einem Nichtgesellschafter ab. „Berechtigt“, die Gesellschafterstellung des Gesellschafters durch Annahme des Angebots zu beenden, ist also eine außerhalb der Gesellschaft stehende Person. Soweit die Rechtsprechung den Tatbestand der Hinauskündigung definiert, spricht sie jedoch stets nur das Verhältnis unter Mitgesellschaftern an, d. h. das Recht einer „Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit“ gegenüber einem „Mitgesellschafter“ (so BGH NJW 2005, 3641, 3642; vgl. auch BGH NJW 1990, 2622 f.; DNotZ 2004, 865, 866). Dies ist nicht nur dem konkret zu entscheidenden Fall geschuldet, sondern verweist u. E. auf den Kerngedanken der Hinauskündigungsrechtsprechung: Es geht um das Druckmittel des Mitgesellschafters gegenüber dem Mitgesellschafter. Das Risiko einer unzulässigen Beeinflussung bei der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte kann sich typischerweise nur im Innenverhältnis der Gesellschaft realisieren, wozu insbesondere die Willensbildung innerhalb des Gesellschaftsorgans der Gesellschafterversammlung gehört (vgl. auch BGH NJW 1990, 2622 f., der eine ‚nicht zu billigende Willkürherrschaft der Mehrheit oder der mit dem Ausschließungsrecht ausgestatteten Gesellschafter‘ befürchtet). Regelmäßig wird ein Nichtgesellschafter gar keinen Einblick in diese Sphäre haben. Dass dies faktisch durchaus anders sein kann, dürfte bei einer typisierten Betrachtung, wie sie einem rechtlichen Tatbestand notwendigerweise zugrunde liegt, nicht ins Gewicht fallen. Dagegen könnte die Einflussnahme auf rechtlicher Grundlage – soweit sie zulässig ist – sogar im Rahmen des Hinauskündigungstatbestands sachlich rechtfertigend wirken. Zu denken wäre insoweit etwa an einen Treuhandvertrag, bei dem der Treuhändergesellschafter nach Weisung des (außenstehenden) Dritten handeln muss und durch Vertragsverletzung einen Rückabtretungsgrund liefern würde (vgl. auch BGH NJW 1990, 2622, 2623). Ein solcher Treuhandvertrag wäre auch mit einem Mitgesellschafter denkbar und würde – trotz Rückübertragungsoption – wohl keine Bedenken aufwerfen (tendenziell ebenso anscheinend MünchKommGmbHG/Strohn, § 34 Rn. 141).

Eine andere Frage ist, ob dem Nichtgesellschafter in besonderen Ausnahmefällen die Gesellschafterposition eines Gesellschafters wie eine eigene zugerechnet werden muss. Für eine Sonderkonstellation gibt der Sachverhalt aber nichts her.

Gutachten/Abruf-Nr:

168858

Erscheinungsdatum:

10.04.2019

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

GmbH

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 53-54

Normen in Titel:

GmbHG § 15; GmbHG § 34