04. Januar 2019
EuGüVO Art. 22

Kanada: Auswirkungen des Inkrafttretens der Europäischen Ehegüterrechtsverordnung

EuGüVO Art. 22 ff.
Kanada: Auswirkungen des Inkrafttretens der Europäischen Ehegüterrechtsverordnung

I. Sachverhalt
Die Beteiligten werden im März 2019 heiraten. Der Verlobte ist deutscher Staatsangehöriger, die Verlobte ist Kanadierin. Derzeit leben die Verlobten nicht zusammen. Der Verlobte lebt in Deutschland, die Verlobte in Alberta (Kanada). Sie beabsichtigen, nach der Eheschließung zusammen zu ziehen. Es ist allerdings noch nicht ganz klar, ob sie in Deutschland oder in Kanada ihre erste eheliche Wohnung begründen werden.

Der künftige Ehemann hat Immobilien und bewegliches Vermögen in Deutschland. Die künftige Ehefrau hat Immobilien in Kanada und auch bewegliches Vermögen in Deutschland.

Durch Ehe- und Erbvertrag soll entweder die Gütertrennung vereinbart werden oder aber die Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts unter Ausschluss der Immobilien des Ehemanns vom Zugewinnausgleich.

II. Fragen
1. Welches Recht würde für die güterrechtlichen Folgen der Ehe gelten, wenn die Beteiligten im Januar 2019 heiraten?

2. Welches Recht gilt, wenn sie erst im März 2019 heiraten?

3. Können die Eheleute aus deutscher Sicht deutsches Recht wählen?

4. Sind bei Geltung kanadischen Rechts güterrechtliche Vereinbarungen möglich?

III. Zur Rechtslage
1. Bestimmung des Güterstatuts bei Eheschließung vor dem 29.1.2019
Der Rat der Europäischen Union hat am 24.6.2016 die Ehegüterrechtsverordnung (Verordnung [EU] 2016/1103 des Rates vom 24.6.2018 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstands) verabschiedet (Amtsblatt EU L 183/1). An der verstärkten Zusammenarbeit nehmen 18 Mitgliedstaaten der Europäischen Union teil, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland. Folgende Mitgliedstaaten nehmen hieran nicht teil: Großbritannien, Irland, Dänemark, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, die Slowakei und Ungarn.

Die EuGüVO gilt gem. Art. 70 EuGüVO ab dem 29.1.2019. Dabei bestimmt Art. 69 Abs. 3 EuGüVO, dass die Kollisionsnormen in Kapitel III der Verordnung nur für Ehegatten gelten, die am 29.1.2019 oder danach die Ehe eingegangen sind oder aber am 29.1.2019 oder danach eine Wahl des auf ihren Güterstand anzuwendenden Rechts getroffen haben (vgl. dazu die Korrektur von Art. 69 Abs. 3 EuGüVO vom 29.1.2017, ABl. L 113/62).

Folglich gilt für die Ehegatten im vorliegenden Fall auch nach dem 29.1.2019 die EuGüVO nicht, wenn sie noch vor dem 29.1.2019 heiraten und den Ehevertrag mit der güterrechtlichen Rechtswahl vor der Eheschließung, jedenfalls aber vor dem 29.1.2019 beurkunden lassen. Vielmehr bestimmt sich in diesen Fällen das auf die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe anwendbare Recht aus Sicht des deutschen IPR auch über den 29.1.2019 hinaus weiterhin nach Art. 15 EGBGB (vgl. Art. 229 § 47 Abs. 2 EGBGB).

Gem. Art. 15 Abs. 2 EGBGB ist zur Bestimmung des Güterstatuts vorrangig eine Rechtswahl der Eheleute zu beachten. So könnten die Beteiligten im vorliegenden Fall aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit des künftigen Ehemanns die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe dem deutschen Heimatrecht unterstellen. Sie leben dann im Güterstand der Zugewinngemeinschaft des deutschen Rechts und können diesen entsprechend den Vorgaben des deutschen Rechts modifizieren. Insbesondere können sie auch vereinbaren, dass bei der Berechnung des Anfangs- und Endvermögens des Ehemanns bestimmte Gegenstände nicht berücksichtigt werden oder aber auch ein Zugewinnausgleich vollständig ausgeschlossen wird.

Die Formwirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung bestimmt Art. 15 Abs. 3 i. V. m. Art. 14 Abs. 4 EGBGB. Danach muss die Rechtswahl notariell beurkundet werden. Wird die Rechtswahl aber außerhalb von Deutschland vorgenommen, so genügt es für die Formwirksamkeit, wenn sie den Formerfordernissen für einen Ehevertrag nach dem gewählten Recht oder am Ort der Rechtswahl entspricht. Insoweit würde es bei Abschluss des Ehevertrags in Deutschland genügen, wenn dieser notariell beurkundet bzw. in Form eines Ehevertrags gem. § 1410 BGB zur Niederschrift eines Notars vereinbart wird. Bei Abschluss eines entsprechenden Vertrags in Alberta hingegen würde es genügen, wenn die sich aus dem Recht von Alberta ergebenden Anforderungen an einen Ehevertrag eingehalten werden (Ortsform). Dies bedeutet, dass die Vereinbarung in Schriftform abgeschlossen werden muss, Sec. 37 Alberta Matrimonial Property Act. Gem. Sec. 38 (1) Alberta Matrimonial Property Act muss aber zusätzlich jeder der Ehegatten vor einem Rechtsanwalt, der nicht für die andere Vertragspartei gehandelt hat, ein „acknowledgement“ abgeben, wonach (a) der Ehegatte bzw. Verlobte den Inhalt und die rechtlichen Wirkungen des Vertrags kennt, er (b) weiß, welche vermögensrechtlichen Ansprüche ihm nach dem Gesetz zustehen können und dass er auf diese Ansprüche nach Maßgabe des Vertrags verzichtet und schließlich, dass er (c) den Vertrag freiwillig ohne jegliche Einflussnahme des anderen Ehegatten abgeschlossen hat. Hält der Ehevertrag diese Anforderungen ein, so ist gem. Art. 15 Abs. 3 i. V. m. Art. 14 Abs. 4 S. 2 EGBGB die in Alberta vorgenommene Rechtswahlvereinbarung und gem. Art. 11 Abs. 1 Var. 2 EGBGB auch die materiell-rechtliche Vereinbarung zum Güterrecht aus deutscher Sicht formwirksam, und zwar auch dann, wenn die Anforderungen des deutschen Rechts an die Beurkundung nicht eingehalten worden sind.

Treffen die Eheleute keine Rechtswahl, so gilt gem. Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB das Recht des Staates, dem die Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung beide angehören werden. Da im vorliegenden Fall die Ehefrau die kanadische und der Ehemann die deutsche Staatsangehörigkeit hat, gibt es ein derartiges Recht nicht. Ersatzweise ist daher gem. Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben werden.

Sollte daher die Verlobte schon vor der Eheschließung nach Deutschland zu ihrem Verlobten ziehen, um hier dauerhaft mit ihm zu leben, haben beide Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Es gilt dann deutsches Recht.

Sollte dagegen noch vor der Eheschließung der Verlobte zu seiner Verlobten nach Alberta ziehen, so werden sie zum Zeitpunkt der Eheschließung beide dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. In diesem Fall käme das in Alberta geltende Recht zur Anwendung (vorbehaltlich einer Rückverweisung, dazu unten).

Sollten schließlich die Eheleute noch zum Zeitpunkt der Eheschließung getrennt leben und erst nach der Eheschließung beide gemeinsam in Deutschland bzw. in Alberta ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründen, so greift auch diese Stufe der Anknüpfung nicht ein. Es wäre dann gem. Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB auf die engste Verbindung der Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung abzustellen. Bei der Ermittlung der „engsten Verbindung“ in diesem Sinne sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu beachten. Nach wohl überwiegender Auffassung kommt dabei dem Wunsch der Beteiligten, nach der Eheschließung in einem Staat eine gemeinsame Ehewohnung zu begründen, bei der Anknüpfung eine besondere Bedeutung zu (MünchKommBGB/Looschelders, 7. Aufl. 2018, Art. 15 EGBGB Rn. 75: „jedenfalls dann, wenn er im Zeitpunkt der Eheschließung bereits konkretisiert war und von den Ehegatten später realisiert wurde“). Besteht eine derartige Planung zum Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht, wäre ggf. auf andere Faktoren abzustellen (also z. B. darauf, in welchem Staat sich die Eheleute kennengelernt haben).

Sollte auf diese Weise das kanadische Recht anwendbar sein, ist zu berücksichtigen, dass in Kanada kein einheitliches Recht gilt. Vielmehr ist in Kanada das Familienrecht in jeder Provinz partikular geregelt. In diesem Fall ist gem. Art. 4 Abs. 3 S. 1 HS. 1 EGBGB aufgrund Anknüpfung des Güterstatus an den gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten unmittelbar das Recht derjenigen Provinz anzuwenden, in der die Eheleute ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits begründet haben bzw. mit dem sie – mangels eines gewöhnlichen Aufenthalts in derselben Provinz – zum Zeitpunkt der Eheschließung auf andere Weise am engsten verbunden sind. Insoweit ergibt sich aus dem Sachverhalt noch kein konkreter Bezug zu einer bestimmten Provinz. Im Weiteren sei allerdings unterstellt, dass der entsprechende gewöhnliche Aufenthalt in Alberta liegen wird.

Diese Verweisung auf das Recht von Alberta erfasst gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB auch das in Alberta geltende internationale Privatrecht. Insbesondere wäre über Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB eine Rückverweisung auf das deutsche Recht zu beachten.

Das auf die güterrechtlichen Folgen einer Ehe anwendbare Recht ist neuerdings in einigen kanadischen Provinzen (z. B. Ontario und British Columbia) gesetzlich geregelt worden. Danach ist regelmäßig das Recht der Provinz anwendbar, in der die Ehegatten ihre „most recent common habitual residence“, also ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt während der Ehe hatten. In den meisten übrigen Provinzen ergibt sich aus den Gesetzen ausschließlich die internationale Zuständigkeit der Gerichte. So bestimmt Sec. 3 (1) Alberta Matrimonial Property Act, dass ein Ehegatte vor den Gerichten der Provinz Alberta einen Beschluss in Bezug auf die güterrechtlichen Angelegenheiten beantragen kann, wenn (a) der gewöhnliche Aufenthalt beider Eheleute sich in Alberta befindet, unabhängig davon, ob sie noch zusammen leben, (b) der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Eheleute sich in Alberta befand oder aber (c) die Eheleute zwar keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (joint habitual residence) nach der Eheschließung begründet hatten, aber der gewöhnliche Aufenthalt beider (habitual residence of each of them) zum Zeitpunkt der Eheschließung sich in Alberta befand. Ist danach die Zuständigkeit der Gerichte in Alberta gegeben, so wenden diese immer ihr eigenes Recht an (lex fori; vgl. Pitel/Rafferty, Conflict of Laws, 2. Aufl. 2016, S. 506).

Dabei wird aus deutscher Sicht aus dieser Regelung, die für die Fälle der internationalen Zuständigkeit der inländischen Gerichte die Anwendbarkeit des in Alberta geltenden materiellen Güterrechts vorsieht, für alle Fälle, in denen sich eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte (hypothetisch) ergäbe, eine sog. versteckte Rückverweisung auf das deutsche Recht abgeleitet (KG FamRZ 2007, 1564; Staudinger/Hausmann, BGB, 2012, Art. 4 EGBGB Rn. 223). Hieraus ergibt sich, dass in Alberta, anders als in Deutschland, für die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe die Verhältnisse (gewöhnlicher Aufenthalt im selben Staat bzw. letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt der Ehe) maßgeblich sind. Eine Rückverweisung ist danach mithin anzunehmen, wenn beide Eheleute – sei es gemeinsam oder getrennt – in Deutschland leben. Sollten daher beide Eheleute nach Deutschland ziehen, würde sich aus der vorgenannten Regelung eine Rückverweisung auf das deutsche Recht ergeben. Ein mit der Scheidung befasstes deutsches Gericht hätte dann deutsches materielles Güterrecht anzuwenden.

2. Auf die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe anwendbares Recht bei Eheschließung am 29.1.2019 oder danach
Heiraten die Eheleute nach dem 28.1.2019 oder schließen sie nach diesem Zeitpunkt einen Ehevertrag mit einer ehevertraglichen Rechtswahl ab, so ist gem. Art. 69 Abs. 3 EuGüVO das auf den Güterstand anwendbare Recht auf Basis der EuGüVO zu bestimmen. Diese stellt – wie Art. 15 EGBGB – vorrangig auf eine ehevertragliche Rechtswahlvereinbarung der Eheleute ab. Diese können gem. Art. 22 Abs. 1 EuGüVO das auf den ehelichen Güterstand anwendbare Recht durch Vereinbarung bestimmen oder ändern. Insbesondere können sie das Recht des Staates wählen, in dem sie beide oder einer von ihnen zum Zeitpunkt der Ausübung der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat bzw. haben oder das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten bzw. künftigen Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt. Da im vorliegenden Fall der künftige Ehemann deutscher Staatsangehöriger ist und außerdem seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, können die Eheleute also durch Abschluss eines Ehevertrags nach Art. 22 EuGüVO vereinbaren, dass die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe dem deutschen Recht unterliegen sollen. Dies würde selbst dann noch gelten, wenn der Ehemann noch vor der Eheschließung nach Alberta zieht, also während der Dauer der Ehe keiner der Ehegatten mehr einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben wird. Voraussetzung wäre dann jedoch, dass die EuGüVO im intertemporalen Verhältnis anwendbar wäre. Dies ist der Fall, wenn die Eheschließung nach dem 28.1.2019 erfolgt.

Für die Formwirksamkeit einer Rechtwahlvereinbarung enthält die Güterrechtsverordnung ebenfalls eine Sondervorschrift. Die Rechtswahl ist gem. Art. 23 Abs. 1 EuGüVO jedenfalls in Schriftform zu vereinbaren, zu datieren und von beiden Ehegatten zu unterzeichnen (Mindestform).

Haben die Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt beide im selben Mitgliedstaat, so sind zusätzliche Vorschriften für Vereinbarungen über den ehelichen Güterstand dieses Mitgliedstaats anzuwenden (Art. 23 Abs. 2 EuGüVO.)

Hat zum Zeitpunkt der Rechtswahl nur einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat und sind in diesem Staat zusätzliche Formvorschriften für Vereinbarungen über den ehelichen Güterstand vorgesehen, so sind dieses Formvorschriften anzuwenden (Art. 23 Abs. 4 EuGüVO). Da im vorliegenden Fall allein der künftige Ehemann seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Mitgliedstaaten i. S. d. EuGüVO hat und das deutsche Recht mit der in § 1410 BGB vorgesehenen notariellen Beurkundung über die in Art. 23 Abs. 1 EuGüVO vorgesehene Mindestform hinausgehende Formerfordernisse für Vereinbarungen über den ehelichen Güterstand vorsieht, ist im vorliegenden Fall die güterrechtliche Rechtswahl also ausschließlich bei Einhaltung der in § 1410 BGB vorgesehenen notariellen Form formwirksam. Eine Rechtswahl in der in Sec. 37, 38 Alberta Matrimonial Property Act vorgesehenen Form wäre auch aus deutscher Sicht formunwirksam, wenn der Vertragsabschluss in Alberta erfolgt. Ein in Deutschland lebender Ehegatte und Verlobter kann also eine Rechtswahl ausschließlich durch Beurkundung nach den Vorschriften des deutschen Beurkundungsrechts vereinbaren.

Treffen die Eheleute keine Rechtswahl, so gilt das gem. Art. 26 Abs. 1 EuGüVO bestimmte Recht. Danach unterliegt der eheliche Güterstand vorrangig dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten nach der Eheschließung ihren ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 26 Abs. 1 lit. a EuGüVO). Anders als Art. 15 EGBGB wird also nicht erster Linie auf die Staatsangehörigkeit abgestellt. Auch sind nicht ausschließlich die Umstände zum Zeitpunkt der Eheschließung maßgeblich. Es genügt vielmehr, wenn der „erste gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt“ der Eheleute nach der Eheschließung begründet worden ist.

Insoweit ist unklar, wie viel Zeit nach der Eheschließung bis zur Begründung des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts verstreichen darf. Ausweislich von Erwägungsgrund 49 S. 2 EuGüVO kann hierbei nur der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten „kurz nach der Eheschließung“ berücksichtigt werden. Welche Vorgaben hieraus für die Auslegung des Art. 26 Abs. 1 lit. a EuGüVO folgen, ist unklar. Nach einer Ansicht ist eine zeitliche Grenze zu ziehen. Vorgeschlagen wird ein Zeitraum von drei Monaten (Coester-Waltjen, in: Dutta/Weber, Die Europäischen Güterrechtsverordnungen, 2017, S. 47 Rn. 21; Weber, DNotZ 2016, 659, 671). Eine andere Auffassung hält die Anknüpfung an das Rechts des ersten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts auch bei einer späteren Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts für denkbar, wenn die Ehegatten bereits im Zeitpunkt der Eheschließung die Absicht zur Begründung des Aufenthalts in einem anderen Staat gehabt haben (Dutta, FamRZ 2016, 1973, 1981 Fn. 58; Heiderhoff, IPRax 2018, 1, 5 [begrenzt auf sechs bis acht Monate nach Eheschließung]; gegen eine feste Frist auch Kroll-Ludwigs, GPR 2016, 231, 236).

Noch nicht abschließend geklärt ist, ob die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt nur zum Tragen kommt, wenn die Ehegatten in einer gemeinsamen Wohnung leben. Die h. M. im deutschsprachigen Schrifttum geht davon aus, dass die Ehegatten ihren Aufenthalt nur in ein und demselben Staat haben müssen. Es ist nicht erforderlich, dass die Ehegatten an demselben Ort oder in derselben Wohnung leben (Coester-Waltjen, S. 47 Rn. 21; Döbereiner, notar 2018, 244, 248; Hausmann, Internationales Familienrecht, 2. Aufl. 2018, B. Rn. 351; Heiderhoff, IPRax 2018, 1, 5; Kroll-Ludwigs, GPR 2016, 231, 237; Martiny, ZfPW 2017, 1, 22; Rudolf, ZfRV 2017, 171, 178; Weber, DNotZ 2016, 659, 671; a. A. Süß, FS 25 Jahre DNotI, 2018, S. 815, 817).

3. Wirksamkeit der Rechtswahl aus der Sicht von Alberta
Eine gesetzliche Regelung zur Rechtsanwendung auf güterrechtliche Vereinbarungen enthält das Gesetzesrecht von Alberta nicht. Nach allgemeiner Lehre in Kanada soll für die Wirksamkeit eines marriage contract das allgemeine Vertragsstatut (proper law of contract) gelten. Dies bedeutet, dass grundsätzlich vorrangig eine Rechtswahlvereinbarung der Eheleute zu beachten ist (Pitel/Rafferty, S. 508). Unklar ist insoweit, ob bei Scheidung in Alberta die Wirksamkeit des Vertrags auch dann davon abhängt, dass die in Sec. 37, 38 Alberta Matrimonial Property Act vorgesehenen besonderen Formerfordernisse eingehalten wurden, wenn das Recht eines anderen Staates als proper law of contract vereinbart worden ist. Diese Frage ist offenbar umstritten (Pitel/Rafferty, S. 509). Insoweit würde sich u. E. empfehlen, zusätzlich zu den Erfordernissen der Beurkundung nach § 1410 BGB die in Sec. 38 Alberta Matrimonial Property Act vorgesehenen Formerfordernisse einzuhalten, auch wenn dies durch Art. 23 EuGüVO nicht verlangt wird.

4. Zum Güterrecht in Alberta
Das materielle Güterrecht von Alberta entspricht dem der anderen kanadischen Provinzen. Dort besteht während der Dauer der Ehe der sog. common-law-Güterstand der Gütertrennung. Im Rahmen einer Scheidung der Ehe oder nach Trennung der Eheleute kann jeder der Ehegatten bei Gericht einen Antrag darauf stellen, dass das Gericht das Vermögen der Eheleute teilt. Bei der Teilung wird gem. Sec. 7 Abs. 2 Alberta Matrimonial Property Act der Marktwert des Vermögens, welches die Eheleute durch Schenkung oder Erbfolge erworben haben oder das sie in die Ehe eingebracht haben, zum Zeitpunkt der Eheschließung bzw. des Erwerbs von der Teilung ausgenommen. Damit läuft die Teilung des Vermögens durch das Gericht im Wesentlichen auf einen Zugewinnausgleich i. S. d. deutschen Rechts hinaus. Anders als im deutschen Recht hat das Gericht allerdings erheblich mehr Rücksicht auf die finanziellen Verhältnisse der Eheleute zu nehmen. Das Gericht kann gem. Art. 9 Alberta Matrimonial Property Act anordnen, dass statt einer Ausgleichszahlung Vermögenswerte übertragen oder verkauft werden. Dabei können die Eheleute gem. Sec. 37 Alberta Matrimonial Property Act diese gerichtliche Teilung in Bezug auf das Vermögen eines von ihnen oder beider ausschließen, indem sie eine schriftliche Vereinbarung treffen, die den Formerfordernissen des Sec. 38 Alberta Matrimonial Property Act (dazu oben) entspricht.

Erscheinungsdatum:

04.01.2019

Rechtsbezug

International

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 5-9

Normen in Titel:

EuGüVO Art. 22