Beurkundung von gesellschaftsrechtlichen Verträgen durch ausländische Notare
Beurkundung von gesellschaftsrechtlichen Verträgen durch ausländische Notare
I. Sachverhalt
Bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen, insbesondere Übertragung von Gesellschaftsanteilen und beim
Abschluß von Verschmelzungsverträgen, nimmt die Tendenz zu, daß die Urkundsbeteiligten die Beurkundung
im Ausland wegen der dort niedrigeren Gebühren in Anspruch nehmen. Es stellt sich hier insbesondere die
Frage, inwieweit solche Beurkundungen durch einen ausländischen Notar im Inland wirksam sind und
Grundlagen für registergerichtliche Eintragungen darstellen können.
II. Frage
Ist die Beurkundung von gesellschaftsrechtlichen Vorgängen (z. B. Abtretung von Geschäftsanteilen,
Verschmelzungsverträgen) durch einen ausländischen Notar auch im Inland wirksam?
III. Rechtslage
1. Die kollisionsrechtliche Ausgangslage
Die Formwirksamkeit eines Vertrages bestimmt sich gem.
internationalen Privatrecht alternativ nach dem Geschäftsrecht, d. h. dem Recht, dem das zugrundeliegende
Rechtsgeschäft unterliegt, oder nach dem Ortsrecht, d. h. dem Recht des Ortes der Vornahme des
Rechtsgeschäfts.
* wenn es die Formerfordernisse des Rechts erfüllt, das auf das seinen Gegenstand bildende
Rechtsverhältnis anzuwenden ist (sog. Geschäftsrecht),
* oder wenn es die Formerfordernisse des Rechtes des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird (sog.
Ortsform).
Während im Schuldrecht diese Alternativität der Form ohne Zweifel gilt, also auch etwa für einen
Grundstückskaufvertrag die Ortsform genügt (also auch die Beurkundung durch einen ausländischen Notar
und sogar ein privatschriftlicher Vertrag, wenn dies nach der Ortsform für Grundstückskaufverträge genügend
ist), ist im Hinblick auf gesellschaftsrechtliche Vorgänge umstritten, ob die Beachtung der Ortsform
grundsätzlich ausreichend ist oder ob bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen immer zwingend die Form des
Geschäftsrechtes, also des Rechtes, dem die Gesellschaft nach dem Internationalen Privatrecht unterliegt,
eingehalten werden muß.
Diese Frage, inwieweit
anwendbar ist, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Die Begründung zum Regierungsentwurf des
IPR-Gesetzes wies darauf hin, daß in
die Verfassung von Gesellschaften und juristischen Personen beziehen (Bundestagsdrucksache 10/504, S.
49). Im Gesetz kommt diese Einschränkung allerdings nicht zum Ausdruck. Es ist daher ein Teil der Literatur
der Auffassung, daß
anwendbar sei (so Palandt/Heldrich, 54. Aufl.,
Rz. 3; MünchKomm-Spellenberg, 2. Aufl.,
DNotI
Deutsches Notarinstitut
DNotI-Report - Gutachten
DNotI-Report 24/1995 Dezember 1995 219
Literatur auf
auf Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht Anwendung findet. Zwar stehe Art. 37 in einem anderen
Unterabschnitt des EGBGB als Art. 11, doch müsse man aus der Zusammenschau des Wortlauts von Art. 37
Nr. 2
EGBGB und der Entstehungsgeschichte folgern, daß
gesellschaftsrechtliche Vorgänge finde (so Lichtenberger
Schervier
Auch die Oberlandesgerichte sind zur Frage der Wirksamkeit der Ortsform bei der Beurkundung von
gesellschaftsrechtlichen Vorgängen unterschiedlicher Auffassung.
Das OLG Hamm (
Beurkundung einer Satzungsänderung dagegen ausgesprochen, daß auch die Ortsform genüge. Auch das
OLG Karlsruhe (RIW 1979, 567) war der Auffassung, daß die Ortsform nicht genüge.
Demgegenüber haben sich das OLG Stuttgart (
1990, 169), das OLG Frankfurt (
565, 655) und das LG Köln (GmbH-Rundschau 1990, 171) ebenfalls für die Ortsform ausgesprochen. Diese
Urteile lassen jedenfalls dann die Ortsform genügen, wenn ein ausländischer "Notar" eingeschaltet werde.
Das OLG Düsseldorf (
Geschäftsrecht gleichberechtigt seien. Ein besonderes Interesse an der Ortsform sei nicht zu fordern. Die
Analogie zu
Verfügungsgeschäft sei. Der Gesetzgeber habe den Vorschlag des Deutschen Rates für internationales
Privatrecht bewußt nicht aufgegriffen, daraus sei zu folgern, daß ein Ausschluß der Ortsform für
Rechtsgeschäfte, die die Verfassung der Gesellschaft betreffen, nicht dem Willen des Gesetzgebers
entspreche.
2. Analyse
Bei der Frage, ob die Ortsform ausreicht oder das Geschäftsrecht beachtet werden muß, ist zu beachten, daß
es hier noch nicht um die Frage der Gleichwertigkeit der Beurkundung durch den ausländischen Notar geht.
Grundsätzlich stellen sich nämlich bei der Beurteilung von ausländischen Beurkundungen zwei
unterschiedliche Fragestellungen:
* Zuerst stellt sich die Frage, die unter 1. behandelt wurde: Genügt die Ortsform? Ist man der Auffassung, daß
die Ortsform genügt, dann kann selbstverständlich ein Notar, der am Ort ansässig ist, die Beurkundung, die
nach seinem eigenen Recht wirksam ist, vornehmen.
* Nur wenn man diese Frage verneint, also zu dem Ergebnis kommt, daß zwingend die Geschäftsform
erforderlich ist, stellt sich die weitere Frage der sog. Substitution. Es stellt sich dann die Frage, ob die nach
deutschem Gesellschaftsrecht notwendige Beurkundung nach deutschem Recht auch durch einen
ausländischen Notar erfüllt werden kann.
Es geht also bei der zweiten Frage nicht darum, welches Recht die Form bestimmt, sondern um die Frage,
welche Anforderungen das deutsche Recht, wenn dieses als Geschäftsrecht ausschließlich anwendbar ist, an
den Begriff der notariellen Beurkundung als Formvoraussetzung stellt und ob diese Form des
Geschäftsrechts auch von ausländischen Urkundspersonen erfüllt werden kann (vgl. zu diesem
Anerkennungsproblem Kropholler ZHR 140 (1976), 394 ff.; Mayer-Reimer
1032 ff.; Wolfsteiner
3. Die Auffassung des BGH zur Frage: Ortsform oder Geschäftsform?
Der BGH hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 16.02.1981 (
die Frage - Ortsform oder Geschäftsrecht - letztendlich offengelassen, allerdings darauf hingewiesen:
"Es spricht viel für die Richtigkeit der Ansicht des OLG Stuttgart,
also auch für gesellschaftsrechtliche Vorgänge. Doch braucht der Senat die streitige Rechtsfrage nicht zu
entscheiden."
DNotI-Report 24/1995 Dezember 1995 220
Der BGH hat die Vorfrage deswegen offengelassen, weil er die zweite Frage - Gleichwertigkeit der
Beurkundung durch einen ausländischen Notar - bejahte, also der Auffassung war, daß ein Notar der Züricher
Altstadt auch die deutschen Formerfordernisse erfülle. Die Frage, ob das Ortsrecht oder Geschäftsrecht
erforderlich ist, ist daher immer noch im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung offen, wenngleich
der BGH doch in der Tendenz wohl auch die Ortsform für genügend hält. Ausdrücklich entschieden hat er
diese Frage allerdings noch nicht.
4. Substitution durch einen ausländischen Notar
Es stellt sich dann weiter die Frage, inwieweit der ausländische Notar, wenn man der Auffassung ist, daß das
Geschäftsrecht eingehalten werden muß, also eine Beurkundung nach deutschem Recht erforderlich ist,
diese Erfordernisse erfüllen kann.
Der BGH hat in der grundlegenden Entscheidung vom 16.02.1981 eine sog. Gleichwertigkeitsprüfung
vorgenommen. Voraussetzung sei, daß die ausländische Beurkundung der deutschen gleichwertig sei (BGHZ
80, 78). Gleichwertigkeit sei gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung
im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübe und für die
Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten habe, das den tragenden Grundsätzen des
deutschen Beurkundungsrechts entspreche. Im konkreten Fall war der BGH der Auffassung, daß dies bei
Züricher Notaren der Fall sei.
Das OLG Karlsruhe (RIW 1979, 567) und das OLG Hamm (
Auffassung als der BGH. Sie lehnten die Gleichwertigkeit ab, da die Prüfungs- und Belehrungspflicht des
deutschen Notars eine genaue Kenntnis des deutschen Gesellschaftsrechts erfordere, die der ausländische
Notar regelmäßig nicht besitze, so daß von einer Gleichwertigkeit der Beurkundung nicht gesprochen werden
könne.
Dieser Argumentation ist der BGH nicht gefolgt. Er ist der Auffassung, daß zwangsläufige Folge dieser
Begründung wäre, daß die Urkunden ausländischer Notare niemals deutschen Anforderungen genügen
würden. Außerdem ist der
BGH der Auffassung, daß die Prüfungs- und Belehrungspflicht nach
Wirksamkeitsvoraussetzung der Beurkundung, sondern verzichtbar sei.
Im Beschluß vom 22.05.1989 (
Gleichwertigkeit auch für den Fall der Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils bejaht, wenn die Beurkundung
in der Schweiz stattgefunden hat. Er hat sich dabei allerdings ohne weitere Begründung auf die BGH-
Entscheidung im 80. Band gestützt.
5. Die Gegenbewegung der Literatur und der Untergerichte
a) Kritik an der BGH-Rechtsprechung
Insbesondere ein Teil der Literatur übte bereits frühzeitig Kritik an der Entscheidung des BGH zur
Anerkennung von Beurkundungen durch Schweizer Notare. Hier wurde insbesondere vorgebracht, daß
Beurkundungen durch einen Züricher oder Baseler Notar nicht den deutschen Normen entsprechen würden
(so Schervier
wies darauf hin, daß zum einen bereits die persönlichen Voraussetzungen für die Bestellung zum Notar im
Kanton Zürich oder Basel in keiner Weise den Qualitätsanforderungen des Deutschen Notariats entsprechen
würden. Im übrigen würde auch das Beurkundungsverfahrensrecht in Zürich nicht dem des
Beurkundungsgesetzes entsprechen. Hier wurde insbesondere darauf hingewiesen, daß bei beabsichtigtem
Gebrauch der Urkunde im Ausland die Züricher Notare regelmäßig die Unterzeichnung einer sog.
Entlastungserklärung verlangten, in der die Urkundsperson und die Stadt Zürich von jeder Haftung entlastet
würden, falls die öffentliche Urkunde im Ausland nicht anerkannt werden sollte oder aus dem Wortlaut der
Urkunde irgendwelche Streitigkeiten, z. B. wegen Unklarheiten wie Widersprüchen, Auslegungsfragen etc.,
entstehen sollten. Der zuständige Notar würde hierbei also einen Haftungsausschluß vereinbaren, der nach
deutschem Recht nicht zulässig wäre.
b) Die Beschlüsse des AG Köln und des AG Fürth
DNotI-Report 24/1995 Dezember 1995 221
Die untergerichtliche Rechtsprechung hat sich durch diese Literaturkritik überzeugen lassen und war daher
der Auffassung, daß insbesondere schweizerische Beurkundungen nicht der deutschen gleichwertig seien
und daher auch nicht Grundlage für die Eintragung in das Handelsregister sein könnten. So hat das AG Köln
(
einem deutschen Notar gleichgestellt sei. Darüber hinaus sei auch das Beurkundungsverfahren nicht
gleichwertig. Unabhängig davon habe der BGH zur Beurkundungs- und Eintragungspflicht für die Wirksamkeit
von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen ausgeführt, daß auch bei für den Gründungsvorgang
geltenden Vorschriften zum Zweck der notariellen Richtigkeitsgewähr und somit aus Beweissicherungs- und
damit Rechtssicherheitsgründen eine Prüfung und Belehrung zu erfolgen habe. Das AG war nicht davon
überzeugt, daß diese durch einen Züricher Notar ordnungsgemäß erfolgen könne. In einem weiteren
Beschluß bestätigte das AG Köln seine Auffassung, daß bei der Gleichwertigkeitsprüfung weder der Züricher
Notar noch das Züricher Verfahrensrecht dem deutschen Beurkundungsgesetz genügen würden (AG Köln
Verschmelzungsvertrag die "Beurkundung" durch den Züricher Notar genügen. Das sei ein Gebot der
Rechtssicherheit, weil die Praxis auf den Standpunkt des BGH vertraue.
Die gleichen Bedenken äußerte auch das AG Fürth gegenüber der Beurkundung eines
Verschmelzungsvertrages durch einen Baseler Notar (AG Fürth
(
den deutschen Anforderungen gleichwertig seien. Genaue Kenntnisse des deutschen Rechts seien nicht
nötig, weil die Parteien durch Wahl des ausländischen Notars auf Prüfung und Belehrung verzichtet hätten.
c) Der "Supermarktbeschluß" des BGH
Insbesondere die neuere Literatur und auch das AG Köln bezogen sich in ihrer Argumentation auf die
Entscheidung des BGH zu Unternehmensverträgen, dem sog. "Supermarktbeschluß" (
"Die Änderung des Gesellschaftsvertrages unterliegt aus Beweissicherungs- und damit
Rechtssicherheitsgründen ... aber auch zum Zwecke der materiellen Richtigkeitsgewähr ... sowie zur
Gewährleistung einer Prüfungs- und Belehrungsfunktion ... der Beurkundungspflicht".
In dieser Entscheidung entwickelte der BGH im GmbH-Recht im Wege der freien Rechtsfortbildung die
Beurkundungs- und Eintragungspflicht im Handelsregister von Unternehmensverträgen mit der GmbH, die
gesetzlich nicht geregelt ist. Wie diese Ausführungen zeigen, war auch die besondere Richtigkeitsgewähr, die
mit der notariellen Beurkundung verbunden ist, für die Entscheidung maßgebend. Wenngleich der BGH in
dieser Entscheidung selbstverständlich nicht über die Frage der Auslandsbeurkundung entschied, so zeigt sie
doch deutlich, daß der BGH der Belehrungs- und Prüfungsfunktion des Notars im Gesellschaftsrecht eine
erhebliche Bedeutung beimißt. Mit diesen Aussagen sind die Aussagen des BGH im 80. Band, in denen er
die Belehrung für verzichtbar hält, nur schwer vereinbar. Ob der BGH allerdings aus seinen Ausführungen
aus dem "Supermarktbeschluß" auch die Konsequenz ziehen würde, ausländische Beurkundungen,
zumindest Schweizer Notare, für unwirksam zu erklären, bleibt zweifelhaft. Das AG Köln und das AG Fürth
und auch die notarrechtliche Literatur haben die Ausführungen des BGH im Supermarktbeschluß als
Argument gesehen, insbesondere Schweizer Beurkundungen die Gleichwertigkeit abzusprechen.
d) Die Entscheidung des OLG Hamburg
Die neueste Entscheidung zu diesem Problemkreis kommt vom OLG Hamburg (
von Bar/Krothe
ausländischen Notar zu beurkunden, unter Berufung auf eine fehlende Gleichwer- tigkeit verneinte. Das OLG
Hamburg führt hierbei folgendes wörtlich aus (
Werbeseite
"Entscheidend für die Auffassung des Senats ist die in
aufzunehmende notarielle Niederschrift getroffene Regelung, die Spezialvorschriften gegenüber dem BeurkG
enthält. Nach diesen Bestimmungen, die zwingendes Recht sind, ist insbesondere die Beurkundung von
Beschlüssen und Minderheitsverlangen in bestimmter Weise vorgeschrieben. Über die in
DNotI-Report 24/1995 Dezember 1995 222
DNotI-Report 24/1995 Dezember 1995 223
enthaltenen Vorschriften hinaus ist anerkannt, daß den Notar bei seiner Mitwirkung in einer
Hauptversammlung zwar wohl nicht mangels Beurkundung von Willenserklärungen die Aufklärungs- und
Belehrungspflicht gem.
einzelne Situationen der Hauptversammlung. Insgesamt hat der Notar in der Hauptversammlung eine
wichtige Funktion, in der er auch öffentliche Interessen wahrt. Die dem Notar zugewiesenen Aufgaben
können bei Stattfinden der Hauptversammlung im Ausland regelmäßig nicht vollständig erfüllt werden."
Das OLG Hamburg grenzt sich auch von der Entscheidung des BGH im 80. Band deutlich ab:
"Auch diese Entscheidung (des BGH) rechtfertigt vorliegend keine andere Beurteilung. In jenem Fall ging es
um die Beurkundung eines Beschlusses des einzigen Gesellschafters der GmbH. Die Hinzuziehung eines
Notars durch ihn sollte nur einen bestimmten Satzungsakt ermöglichen und bedeutete keinen allgemeinen
Verzicht auf die Wahrnehmung der Prüfungs- und Belehrungsfunktion gem.
Beschluß der Hauptversammlung vom ..., bezogen auf die etwas andersartige Aufgabe des Notars in der
Hauptversammlung der AG. Die Bedeutung der Beteiligung eines Notars, der jener Aufgabe gerecht wird, hat
der BGH im Beschluß vom 24.10.1988 (
hervorgehoben; danach unterliegt die Änderung des Gesellschaftsvertrages aus Beweissicherungs- und
damit Rechtssicherheitsgründen, aber auch zum Zwecke materieller Richtigkeitsgewähr sowie zur
Gewährleistung einer Prüfungs- und Belehrungsfunktion der Beurkundungspflicht. Diese Gesichtspunkte
gelten gleichermaßen für die Mitwirkung des Notars in der Hauptversammlung der AG. Die eingeschränkte
Wahrnehmung der Funktion des Notars würde zudem zu einer Ausdehnung der Aufgabe des Registergerichts
führen, wenn es Satzungsänderungen, wie zu ihrer Wirksamkeit nötig, im Handelsregister einzutragen hat."
Das OLG Hamburg war bisher das einzige Obergericht, das sich dezidiert mit der Entscheidung des BGH im
80. Band auseinandersetzte und diese im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des BGH im
"Supermarktbeschluß" zumindest in großen Teilen einschränkte. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß
auch diese Entscheidung des OLG Hamburg in der Literatur Kritik erfahren hat (vgl. von Bar/Grothe IPRax
1994, 270; Bungert WIB 1995, 806).
e) Die Beurkundungspflicht nach neuem Umwandlungsrecht
Das neue Umwandlungsrecht enthält u. E. weitere Argumente, die gegen eine Beurkundung durch einen
Schweizer, insbesondere Züricher Notar sprechen. Die Begründung zum Regierungsentwurf zu
hat folgenden Wortlaut (vgl. Bundesratsdrucksache 75/94 v. 04.02.1994 zu § 13, abgedruckt bei Limmer,
Text- und Dokumentationsband Umwandlungsrecht, S. 281):
"Die in Abs. 3 Satz 1 vorgesehene notarielle Beurkundung des Verschmelzungsbeschlusses dient der
Rechtssicherheit durch die Kontrolle des Notars, der die Verantwortung dafür übernimmt, daß die
Versammlung der Anteilsinhaber ordnungsgemäß abgewickelt wird. ... der Verschmelzungsbeschluß ist
jedoch ein wirtschaftlich und rechtlich sehr bedeutsamer Vorgang. Bei übertragenden Rechtsträgern führt er
zur Auflösung, bei übernehmenden Rechtsträgern zur Übernahme von u. U. erheblichen Verbindlichkeiten.
Deshalb ist eine Überwachung durch den Notar schon allgemein wünschenswert ..."
Der Gesetzgeber weist daher selbst bei der Begründung zum Beurkundungserfordernis der
Verschmelzungsbeschlüsse - Gleiches gilt wohl auch für den Verschmelzungsvertrag - darauf hin, daß die
notarielle Beurkundung Aufgaben der Rechtssicherheit und auch der Präventivkontrolle hat. Diesem
Erfordernis wird u. E. eine Beurkundung durch einen Züricher Notar nicht gerecht, der in der Regel keine
Verantwortung für den Text der Urkunde übernimmt. Es bleibt abzuwarten, ob aus dieser
Gesetzesbegründung weitergehende Schlußfolgerungen zur Wirksamkeit von Auslandsbeurkundungen zu
ziehen sind. Es wäre wünschenswert, wenn die Rechtsprechung klare und strengere Kriterien an die
Zulässigkeit der Auslandsbeurkundungen stellen würde, dies gilt um so mehr, als die Anforderungen an den
inländischen Notar aufgrund Haftungsrechtsprechung auch immer größer werden. Es wäre hier
wünschenswert, wenn zumindest ein gewisser Gleichklang zwischen Auslands- und Inlandsbeurkundung
garantiert wäre.
6. Zusammenfassung der Argumente
Der Notar nimmt insbesondere bei der Beurkundung von gesellschaftsrechtlichen Vorgängen verschiedenste
Funktionen wahr:
* Beweisfunktion,
* Belehrungs- und Prüfungsfunktion,
* vorbeugende Richtigkeitskontrolle und damit Entlastung der Registergerichte,
* Gewährleistung materieller Richtigkeitsgewähr im Hinblick auf Minderheitsgesellschafter.
Mit dieser Vielzahl von Funktionen der Beurkundung im Gesellschaftsrecht ist es nicht vereinbar, wenn
ausländische Beurkundungen anerkannt werden, die nicht einmal annähernd diesen Kriterien entsprechen,
wenn etwa auf Prüfungs- und Belehrungsfunktion verzichtet und auch keine Haftung übernommen wird. In der
Literatur, wohl auch der notarrechtlichen, scheint sich daher die Tendenz zu verfestigen, daß zwar
grundsätzlich gegen eine Anerkennung von Auslandsbeurkundungen nichts spricht, daß aber eine
Anerkennung immer eine Einzelfallprüfung im Hinblick auf die
Gleichwertigkeit des Notars und des Beurkundungsvorganges voraussetzt (vgl. zuletzt Schervier NJW 1992,
593 ff.; Staudinger/Großfeld, 13. Aufl. 1993, Internationales Gesellschaftsrecht, Rz. 432 ff.):
* Persönliche Gleichwertigkeit: Der ausländische Notar muß nach Vorbildung und Aufgabenstellung einen
entsprechenden Rang wie ein deutscher Notar haben. Dafür kommt es nicht nur auf die typische Vorbildung
an, sondern entscheidend auch auf die Einordnung in entsprechende disziplinäre und haftungsrechtliche
Zusammenhänge.
* Sachliche Gleichwertigkeit des Beurkundungsvorganges: Die Beurkundung muß den tragenden
Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entsprechen. Dies setzt anders als die BGH-Entscheidung
nicht nur voraus, daß der Notar die wesentlichen formellen Kriterien erfüllt: Verlesen der Urkunde,
Unterschriftszeichnung etc. Er muß auch die inhaltlichen Kriterien der Beurkundung erfüllen: Prüfungs- und
Belehrungspflicht, Garantie materieller Richtigkeitsgewähr durch Haftungsübernahme.
DNotI-Report 24/1995 Dezember 1995 224
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Verantwortlicher Schriftleiter: Notar a.D. Christian Hertel
Hinweis: Die im DNotI-Report veröffentlichten Gutachten und
Stellungnahmen geben die Meinung der Gutachter des Deutschen
Notarinstituts und nicht die der Bundesnotarkammer wieder.
31.12.1995
RechtsbezugNational
Erschienen in: Normen in Titel:EGBGB Art. 11; UmwG § 6; GmbHG § 15