BGB § 112
Reichweite der Ermächtigung nach § 112 BGB; Gründung einer Gesellschaft
I. Sachverhalt
Ein 17-jähriger ist von den Sorgeberechtigten mit Genehmigung des Familiengerichts zum Betrieb eines Einzelunternehmens ermächtigt worden (§ 112 BGB). Er möchte nunmehr das Unternehmen in Rechtsform einer UG (haftungsbeschränkt) betreiben.
II. Frage
Kann der Minderjährige unter Bezugnahme auf § 112 BGB eine UG (haftungsbeschränkt) als Alleingesellschafter selbst errichten, oder ist dafür eine erneute Mitwirkung von Sorgeberechtigten und Familiengericht (§ 1822 Nr. 3 BGB) erforderlich?
III. Zur Rechtslage
1. Allgemeines
Gem. § 112 BGB kann der gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des Familiengerichts den Minderjährigen zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigen. Ist dies wirksam geschehen, so wird der Minderjährige für die Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, unbeschränkt geschäftsfähig. Ihm steht daher eine partielle Vollgeschäftsfähigkeit zu (s. dazu BeckOGK-BGB/Ahrens/Heicke, Std.: 1.10.2019, § 112 Rn. 80 ff.).
2. Einschränkung
Die Ermächtigung erstreckt sich grundsätzlich auf sämtliche Geschäfte, die vom Betrieb des Erwerbsgeschäfts umfasst sind. Allerdings macht das Gesetz selbst in § 112 Abs. 1 S. 2 BGB eine Ausnahme von der vollständigen Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen in diesem Bereich. Soweit es sich um Rechtsgeschäfte handelt, bei denen der Vertreter des Minderjährigen der Genehmigung des Familiengerichts bedürfte, ist auch der Minderjährige selbst nicht dazu befugt, das Geschäft vorzunehmen. Es verbleibt in diesem Fall bei den allgemeinen Regeln der §§ 106 ff. BGB (MünchKommBGB/Spickhoff, 9. Aufl. 2021, § 112 Rn. 21).
Gem. § 1822 Nr. 3 BGB bedarf der Genehmigung des Familiengerichts auch der Abschluss eines Gesellschaftsvertrags, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob es sich bei der Gesellschaft um eine Personen- oder eine Kapitalgesellschaft handelt, da auch letztere vom Anwendungsbereich der Norm nach h. M. umfasst wäre (MünchKommBGB/Kroll-Ludwigs, 8. Aufl. 2020, § 1822 Rn. 26; Rust, DStR 2005, 1942, 1944; BeckOGK-BGB/Schöpflin, Std.: 1.3.2022, § 1822 Rn. 44; Erman/Schulte-Bunert, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1822 Rn. 15; Staudinger/Veit, BGB, 2020, § 1822 Rn. 86; Werner, GmbHR 2006, 737, 738; Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl. 2000, § 1822 Rn. 24). Nur gelegentlich wird die Genehmigungspflicht für die Gründung von Kapitalgesellschaften in der Literatur verneint (Klamroth, BB 1975, 528; Winkler, ZGR 1973, 182). Angesichts der stark überwiegenden Auffassung ist zumindest im Rahmen der notariellen Vorsicht davon auszugehen, dass eine entsprechende Genehmigung einzuholen ist.
Aus diesem Grund wird typischerweise auch die Gründung einer GmbH als nach § 1822 Nr. 3 BGB genehmigungspflichtig angesehen (MünchKommBGB/Kroll-Ludwigs, § 1822 Rn. 26; BeckOGK-BGB/Schöpflin, § 1822 Rn. 44; Erman/Schulte-Bunert, § 1822 Rn. 15), da die Gefahr einer persönlichen Haftung der Gesellschafter besteht, sie insbesondere für eine etwaige Unterbilanz einzustehen haben, so dass das Geschäft zumindest potenziell für den Minderjährigen mit rechtlichen Nachteilen verbunden ist. Für die UG (haftungsbeschränkt), die nach § 5a GmbHG im Grundsatz denselben Regeln wie die GmbH unterliegt, kann nichts anderes gelten, so dass auch für ihre Gründung eine Genehmigung nach § 1822 Nr. 3 BGB zumindest im Rahmen der notariellen Vorsicht angesichts der herrschenden Ansicht in der Literatur einzuholen ist.
3. Ergebnis
Mit der h. M. ist anzunehmen, dass der Minderjährige nicht im Rahmen des § 112 Abs. 1 S. 1 BGB eine UG (haftungsbeschränkt) gründen kann, da eine diesbezügliche Erklärung seines Vertreters der familiengerichtlichen Genehmigung gem. § 112 Abs. 1 S. 2 BGB i. V. m. § 1822 Nr. 3 BGB bedürfte. Vor diesem Hintergrund müssen die Erklärungen zur Gründung einer UG (haftungsbeschränkt) durch den Vertreter abgegeben oder von diesem zumindest genehmigt werden und darüber hinaus die Genehmigung des Familiengerichts eingeholt werden.