31. März 2011

Haager Kinderschutzübereinkommen am 1.1.2011 in Kraft getreten

Haager Kinderschutzübereinkommen am
1.1.2011 in Kraft getreten

Am 1.1.2011 ist für Deutschland das Haager Übereinkommen
über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht,
die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf
dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen
zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 (KSÜ)
in Kraft getreten (BGBl. 2009 I, S. 603). Es löst das bis dahin
geltende Haager Minderjährigenschutzabkommen vom
5.10.1961 (MSA) ab. Derzeit gilt das KSÜ auch für Albanien,
Armenien, Australien, Bulgarien, die Dominikanische
Republik, Ecuador, Estland, Finnland, Frankreich, Irland,
Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Monaco, Marokko,
Polen, Rumänien, die Schweiz, Slowakei, Slowenien,
Spanien, die Tschechische Republik, Ukraine, Ungarn,
Uruguay und Zypern. Die jeweils aktuelle Länderliste kann
über die Homepage der Haager Konferenz für Internationales
Privatrecht (www.hcch.net) abgefragt werden.
Anders als das MSA, das in erster Linie bestimmt hat, die
Behörden welchen Staates zuständig sind, Maßnahmen
zum Schutz der Person oder des Vermögens eines Kindes
zu treffen und welches Recht sie dabei anzuwenden haben,
regelt das KSÜ darüber hinausgehend – also auch in Fällen,
in denen es nicht um Schutzmaßnahmen geht – das
auf die elterliche Verantwortung anzuwendende Recht
(Art. 1 Abs. 1 lit. c KSÜ). In persönlicher Hinsicht erfasst
das KSÜ Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
(Art. 2 KSÜ).
Für Schutzmaßnahmen knüpft das KSÜ, wie bisher das
MSA, nach dem lex-fori-Prinzip an: Das nach dem KSÜ
zuständige Gericht bzw. die zuständige Behörde (zur internationalen
Zuständigkeit vgl. Art. 5 ff. KSÜ) wendet grundsätzlich
sein/ihr eigenes Recht an (Art. 15 Abs. 1 KSÜ).
Nach der nicht abschließenden Aufzählung in Art. 3 KSÜ
sind Schutzmaßnahmen insbesondere die Zuweisung und
die Entziehung der elterlichen Verantwortung sowie deren
Übertragung, die Einsetzung eines Vormunds oder Pflegers
o. Ä. sowie die Verwaltung und Erhaltung des Kindesvermögens
oder die Verfügung darüber. Die Zuweisung, die
Ausübung und das Erlöschen der elterlichen Verantwortung
kraft Gesetzes richten sich nach dem Recht des
Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes (Art. 16
Abs. 1, 17 KSÜ).
Grundsätzlich wird in Art. 15-17 KSÜ auf die Sachnormen
des berufenen Rechts verwiesen, Art. 21 Abs. 1 KSÜ.
Anders als im Rahmen des Art. 21 EGBGB, den die Bestimmungen
des KSÜ verdrängen (Palandt/Thorn, BGB,
70. Aufl. 2011, Art. 21 EGBGB Rn. 6), ist eine Rück- oder
Weiterverweisung ausgeschlossen. Nach Art. 20 KSÜ gelten
– mit Ausnahme der ausdrücklich auf Vertragsstaaten
beschränkten Vorschrift des Art. 15 Abs. 1 und 3 KSÜ – alle
Regelungen des KSÜ über das anzuwendende Recht selbst
dann, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in
einem Staat hat, der nicht Vertragsstaat ist, also weltweit.
Das KSÜ regelt auch die internationale Zuständigkeit
der Gerichte bzw. Verwaltungsbehörden der Vertragsstaaten
und stellt insoweit auf den gewöhnlichen Aufenthalt des
Kindes ab (Art. 5 Abs. 1 KSÜ). Vorrangig vor den Zuständigkeitsregeln
des KSÜ sind allerdings die Bestimmungen
der Brüssel IIa-VO (Art. 61 lit. a Brüssel IIa-VO) zu beachten,
sodass Art. 5 ff. KSÜ, soweit das Kind in einem
EG-Mitgliedsstaat mit Ausnahme Dänemarks seinen gewöhnlichen
Aufenthalt hat, keine Anwendung finden. Das
Zuständigkeitssystem des KSÜ wird also in diesem Fall
durch die Brüssel IIa-VO verdrängt.
Die Anerkennung und Vollstreckung der von den Behörden
eines Vertragsstaates getroffenen Schutzmaßnahmen ist
in Art. 23 ff. KSÜ geregelt.
Bedeutung für den Notar hat das KSÜ insbesondere hinsichtlich
des auf die gesetzliche Vertretung Minderjähriger
und das Erfordernis einer gerichtlichen oder behördlichen
Genehmigung anwendbaren Rechts. Dieses
beurteilt sich nun nicht mehr nach Art. 21 EGBGB, sondern
nach Art. 16 Abs. 1, 17 KSÜ. Die danach ausgesprochene
Verweisung erfasst nicht das Kollisionsrecht der berufenen
Rechtsordnung, ein renvoi ist also ausgeschlossen. Im
Hinblick auf eine möglicherweise erforderlich werdende
(familien-)gerichtliche oder behördliche Genehmigung ist
weiter zu beachten, dass sich die gerichtliche Zuständigkeit
vorrangig nach Art. 8 ff. Brüssel IIa-VO richtet, sofern
das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet
eines Mitgliedsstaates der EU hat.

Erscheinungsdatum:

31.03.2011

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2011, 46