England: Statut eines Grundstückskaufvertrags
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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.: 151852
letzte Aktualisierung: 20. März 2019
England: Statut eines Grundstückskaufvertrags
I. Sachverhalt
Zwei deutsche Staatsangehörige sind Miteigentümer eines in München belegenen Grundstücks.
Dieses soll in Wohnungseigentum aufgeteilt werden. Der Rohbau ist bereits fertiggestellt. Die
eine Miteigentümerin will eine der beiden Wohnungen, die ihr zugeordnet werden, an in
Deutschland lebende Eheleute mit ebenfalls deutscher Staatsangehörigkeit verkaufen. Insoweit
soll ein „Kaufvertrag mit Herstellungsverpflichtung“ beurkundet werden.
Eine Besonderheit ergibt sich nun daraus, dass die veräußernde Miteigentümerin ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in London hat.
II. Fragen
Es stellt sich daher nun die Frage, welches Recht Anwendung finde, ob deutsches Recht vereinbart
werden könne, ob eine Vereinbarung deutschen Rechts erforderlich sei und ob schließlich
als Gerichtsstand München vereinbart werden könne. Dabei soll möglichst – wegen der damit
verbundenen kostenrechtlichen Folgen – eine Rechtswahl vermieden werden, dennoch aber die
Geltung deutschen Rechts sichergestellt werden.
III. Zur Rechtslage
1. Zur Gerichtsstandsvereinbarung
Da im vorliegenden Fall die Vertragsbeteiligten beide ihren Wohnsitz innerhalb der Europäischen
Union haben, richtet sich die internationale gerichtliche Zuständigkeit nach den Vorschriften
der Brüssel I-Verordnung. Gemäß Art. 23 Brüssel I-VO ist eine Vereinbarung
über die internationale Zuständigkeit der Gerichte zwischen Parteien, von denen
mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, zulässig. Diese
muss schriftlich geschlossen werden (Art. 23 Abs. 1 S. 2 Brüssel I-VO). Die Kaufmannseigenschaft
ist hier nicht erforderlich. Folge ist die ausschließliche Zuständigkeit der
Gerichte des vereinbarten Staates.
2. Zur Vereinbarung deutschen Rechts
Die Möglichkeit einer Vereinbarung des auf die Wirksamkeit und die schuldrechtlichen
Wirkungen des Kaufvertrags anwendbaren Rechts unterliegt gemäß Art. 3 Abs. 1 Rom IVO
vorrangig dem von den Vertragsparteien gewählten Recht. Eine derartige Rechtswahl
kann in ausdrücklicher Form erfolgen. Sie kann aber auch konkludent erfolgen, indem sie
sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Einzelfalles
ergibt. Dabei muss für das Vorliegen einer entsprechenden stillschweigenden Rechtswahl
zunächst ein entsprechender Rechtswahlwille vorliegen. Dann kann der Rechtswahlwille
aus zahlreichen äußeren Umständen hervorgeleitet werden. Insbesondere die Wahl
eines ausländischen Gerichtsstands soll ein starkes Indiz darstellen. Dies wird auch in
Erwägungsgrund 12 Rom I-VO so anerkannt (siehe NK-BGB/Leible, 2. Aufl. 2015, Art. 3
Rom I-VO Rn. 51). Weitere mögliche Indizien sind die Bezugnahme auf Vorschriften einer
bestimmten Rechtsordnung, die Vertragssprache, der Abschlussort etc. (vgl. Leible, Rn. 61).
Letztere Anhaltspunkte haben allerdings nicht eine so starke Wirkung wie die Gerichtsstandsvereinbarung
bzw. der konkreten Bezugnahme auf Vorschrift einer bestimmten
Rechtsordnung.
3. Objektive Anknüpfung
Ist keine Rechtswahl erkennbar, so gilt das gemäß Art. 4 Rom I-VO bestimmte Recht. Danach
unterliegen Verträge, die ein dingliches Recht an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand
haben, dem Recht des Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist (Art. 4
Abs. 1 lit. c Rom I-VO). Ausgenommen sind lediglich die Fälle, in denen der Vertrag eine
offensichtlich engere Verbindung zum Recht eines anderen Staates hat (Art. 4 Abs. 3 Rom
I-VO). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, da auch alle weiteren Umstände des
Einzelfalles (ausgenommen ist insoweit allein der W
ohnsitz und gewöhnliche Aufenthalt der
Verkäuferin) zum deutschen Recht führen.
Mithin wäre im vorliegenden Fall selbst dann deutsches Recht als Vertragsstatut anzuwenden,
wenn keine Rechtswahl vorliegt.
151852
Erscheinungsdatum:20.03.2019
RechtsbezugNational
Normen in Titel:Rom I-VO Art. 3; Rom I-VO Art. 4