05. Juli 2024
WEG § 9a; WEG § 19; WEG § 9b

Erwerb von Wohnungs- oder Teileigentum durch die Wohnungseigentümergemeinschaft innerhalb der eigenen Anlage; Vertretung des Verbandes durch den Verwalter; Willensbildung im Verband

WEG §§ 9a, 9b, 19
Erwerb von Wohnungs- oder Teileigentum durch die Wohnungseigentümergemeinschaft innerhalb der eigenen Anlage; Vertretung des Verbandes durch den Verwalter; Willensbildung im Verband

I. Sachverhalt
Eine Gemeinde ist Eigentümerin eines Teileigentums (Fitnessraum). Das Teileigentum soll unentgeltlich in das Vermögen der Eigentümergemeinschaft übergehen.

II. Fragen
1. Kann eine Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, aufgrund eines Ermächtigungsbeschlusses ein Teileigentum aus derselben Wohnanlage unentgeltlich erwerben?

2. Bedarf es der Zustimmung sämtlicher Sondereigentümer?

3. Welche formalen Anforderungen sind zu beachten?

III. Zur Rechtslage
1. Erwerb von Sondereigentum innerhalb der eigenen Anlage
Der mitgeteilte Sachverhalt wirft zunächst die Frage nach der Zulässigkeit des Erwerbs von Wohnungs- bzw. Teileigentum durch die Wohnungseigentümergemeinschaft innerhalb der eigenen Anlage auf.

Ganz grundsätzlich ist infolge des WEMoG nunmehr gesetzlich in § 9a Abs. 1 S. 1 WEG geregelt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft in vollem Umfang rechtsfähig ist. Sie ist daher insbesondere in der Lage, Eigentum zu erwerben (BeckOK-WEG/Müller, Std.: 2.4.2024, § 9a Rn. 5). Die unter der früheren Rechtslage angenommene Beschränkung der Rechtsfähigkeit durch den Verbandszweck ist damit gegenstandslos (Weber, in: Weber, Kölner Formularbuch Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl. 2023; Kap. 4 Rn. 291 m. w. N.). Aus der Rechtsfähigkeit folgt weiterhin auch die Grundbuchfähigkeit des Verbandes (BeckOGK-WEG/Falkner, Std.: 1.4.2024, § 9a Rn. 55).

Mit Blick auf die Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft Einheiten innerhalb der eigenen Anlage erwerben kann, ist bedenklich, dass die Beteiligung an der Wohnungseigentümergemeinschaft untrennbar mit dem Eigentum an einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit verbunden ist. Dieser Vorgang ist somit vergleichbar mit dem Erwerb eigener Anteile durch eine GmbH oder AG.

Aus dem Fehlen einer den §§ 71 ff. AktG, § 33 GmbHG entsprechenden Regelung für die Wohnungseigentümergemeinschaft wurde vereinzelt geschlossen, der Erwerb eigener „Anteile“ durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft sei nicht zulässig (so zuletzt wohl nur noch BeckOK-WEG/Müller, Std.: 1.11.2019, § 10 Rn. 480, der allerdings selbst einräumt, der Selbsterwerb sei in der Praxis anerkannt; nunmehr wohl a. A. ders., in: BeckOK-WEG, Std.: 2.4.2024, § 9a Rn. 41 ff.).

Die ganz h. M. hat hingegen schon unter der vor dem WEMoG geltenden Rechtslage den Erwerb von Einheiten innerhalb der eigenen Anlage zugelassen (vgl. OLG München ZWE 2017, 93 Tz. 28; OLG Celle ZWE 2008, 237, 240; OLG Hamm NJW 2010, 1464, 1466; eingehend Armbrüster, NZG 2017, 441, 442 f.; Weber, Kap. 4 Rn. 292). Das Fehlen einer Parallelregelung zu den §§ 71 ff. AktG, § 33 GmbHG stehe dem Erwerb eigener Anteile nicht entgegen. Denn die Zulässigkeit des Erwerbs eigener Anteile folge auch bei einer GmbH oder AG nicht erst aus den genannten Vorschriften, sondern bereits aus der Rechtsfähigkeit selbst; die §§ 71 ff. AktG, § 33 GmbHG würden diese Möglichkeit lediglich einschränken (Armbrüster, NZG 2017, 441, 442). Die mit dem Erwerb eigener Anteile verbundenen Schwierigkeiten habe man bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft ähnlich wie im Gesellschaftsrecht zu lösen, sodass etwa das mit dem Anteil verbundene Stimmrecht zu ruhen habe, solange die Wohnungseigentümergemeinschaft Inhaberin des Wohnungseigentums sei. Die für die Einheit anfallenden Kosten seien auf die restlichen Einheiten zu verteilen (Weber, Kap. 4 Rn. 293).

Angesichts dieses eindeutigen Meinungsbildes in Rechtsprechung und Literatur wird man von der Zulässigkeit des Erwerbs eigener Anteile ausgehen können. Vor diesem Hintergrund ist es im Ergebnis möglich, die Teileigentumseinheit in das Eigentum des Verbandes zu überführen Die Einheit wird damit Gemeinschaftsvermögen i. S. d § 9a Abs. 3 WEG (aber nicht Gemeinschaftseigentum i. S. d § 1 Abs. 5 WEG, s. BeckOK-WEG/Müller, § 9a Rn. 41).

2. Praktische Umsetzung
Was die praktische Umsetzung des beabsichtigten Erwerbs betrifft, so ist zwischen dem Innenverhältnis des Verbandes und dessen Vertretung im Außenverhältnis zu unterscheiden.

a) Willensbildung innerhalb des Verbandes
Im Grundsatz obliegt die Willensbildung innerhalb des Verbandes den Eigentümern (vgl. BeckOK-WEG/Müller, § 9a Rn. 23). Näherer Betrachtung bedarf allerdings die Frage, ob zur verbandsinternen Willensbildung ein (Mehrheits-)Beschluss genügt oder ob es eines einvernehmlichen Handelns aller Wohnungseigentümer durch Vereinbarung bedarf.

Nach ganz h. M. in Rechtsprechung und Literatur folgt die Beschlusskompetenz für den Erwerb von Vermögen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft aus § 19 Abs. 1 i. V. m. § 9a Abs. 3 WEG. § 19 Abs. 1 WEG verleiht den Wohnungseigentümern eine Beschlusskompetenz für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Zwar handelt es sich bei Grundbesitz, den der Verband erwirbt, nicht um gemeinschaftliches Eigentum i. S. d. § 1 Abs. 5 WEG, sondern um Verbandsvermögen; § 9a Abs. 3 WEG ordnet aber die entsprechende Anwendung des § 19 Abs. 1 WEG auf Verbandsvermögen an. Der Begriff der „Verwaltung“ i. S. d. § 19 WEG soll weit auszulegen sein und insbesondere die interne Willensbildung in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum bzw. das Verbandsvermögen umfassen. Daher sei auch die Entscheidung über den Erwerb von Vermögen durch den Verband eine Verwaltungsmaßnahme (Weber, Kap. 4 Rn. 294; BeckOGK-WEG/Falkner, § 9a Rn. 257; vgl. zur alten Rechtslage BGH ZWE 2016, 268 Tz. 25 ff.). Überdies setzt auch § 9b Abs. 1 S. 1, 2. Hs. WEG, der die Vertretung des Verbands im Außenverhältnis regelt, implizit voraus, dass für die interne Willensbildung hinsichtlich des Abschlusses eines Grundstückskaufvertrags ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer genügt. Es wäre widersprüchlich, wenn ausschließlich zur Umsetzung, nicht aber zur Bildung des Willens des Verbandes ein Mehrheitsbeschluss erforderlich wäre (ähnl. Weber, Kap. 4 Rn. 294).

Dass dem einzelnen, ggf. überstimmten Wohnungseigentümer damit ein Erwerb gegen seinen Willen aufgezwängt werden kann, wird im Schrifttum hingenommen. Es sei allein eine mittelbare Folge der Beteiligung am Verband, dass der überstimmte Wohnungseigentümer dadurch Kosten zu tragen habe. Ferner könne es auch bei anderen Verwaltungsmaßnahmen zu einer Kostentragung gegen den Willen des überstimmten Wohnungseigentümers kommen (OLG Celle ZWE 2008, 237, 239; BeckOGK-WEG/Falkner, § 9a Rn. 260.2; kritisch Basty, ZWE 2009, 253, 257).

Die Frage, ob ein Beschluss über den Erwerb von Grundbesitz oder Wohnungseigentum einer ordnungsmäßigen Verwaltung i. S. d. § 19 Abs. 1 WEG entspricht, ist keine Tatbestandsvoraussetzung für die Beschlusskompetenz. Fehlt die Ordnungsmäßigkeit, kann der Beschluss auf eine Anfechtung hin zwar für ungültig erklärt werden, § 23 Abs. 4 S. 2 WEG; erfolgt aber keine fristgemäße Anfechtung, erwächst er in Bestandskraft (BeckOK-WEG/Elzer, Std.: 3.7.2023, § 19 Rn. 7 m. w. N.; BeckOGK-WEG/Falkner, § 9a Rn. 260). Ob der Beschluss über den Erwerb von Vermögen noch im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung liegt, ist eine Frage des Einzelfalls (vgl. BeckOGK-WEG/Falkner, § 9a Rn. 260.4; Weber, Kap. 4 Rn. 295), die an dieser Stelle für den vorliegenden Fall nicht abschließend entschieden werden kann. Für die Ordnungsmäßigkeit spricht zum einen, dass eine unentgeltliche Vermögensmehrung vorliegt; zudem könnte man vorbringen, dass die Nutzbarkeit des Gemeinschaftseigentums verbessert wird, wenn der Fitnessraum zum Verbandsvermögen gehört.

Der Beschluss über den Erwerb von Grundbesitz bedarf nicht gem. § 311b Abs. 1 BGB der Beurkundung, weil er die Eigentümergemeinschaft noch nicht zum Erwerb verpflichtet, sondern lediglich als Ergebnis eines internen Willensbildungsprozesses auf das Eingehen einer solchen Verpflichtung abzielt (BGH ZWE 2016, 268 Rn. 29; Weber, Kap. 4 Rn. 294).

b) Vertretung des Verbands im Außenverhältnis
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird durch den Verwalter vertreten, § 9b Abs. 1 S. 1, 1. Hs. WEG. Der Verwalter ist somit seit dem WEMoG organschaftlicher Vertreter des Verbandes, wobei seine Vertretungsmacht nicht mehr auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt ist, sondern sämtliche Rechtsgeschäfte, geschäftsähnliche Handlungen und Verfahrenserklärungen umfasst (Grüneberg/Wicke, BGB, 83. Aufl. 2024, § 9b WEG Rn. 1).

Näherer Betrachtung bedarf die Frage, ob im vorliegenden Fall der Verwalter gem. § 9b Abs. 1 S. 1, 2. Hs. WEG auch im Außenverhältnis einen Beschluss der Wohnungseigentümer benötigt. Nach dieser Vorschrift kann der Verwalter die Wohnungseigentümergemeinschaft beim Abschluss eines Grundstückskaufvertrags nur aufgrund eines Beschlusses der Wohnungseigentümer vertreten. Für den Abschluss eines Grundstückskaufvertrags ist die entsprechende Beschlussfassung somit nicht nur eine Frage der verbandsinternen Willensbildung, sondern auch eine Frage der Vertretungsmacht des Verwalters im Außenverhältnis (vgl. BeckOK-WEG/Leidner, Std.: 2.4.2024, § 9b Rn. 13).

Fraglich ist, ob diese Vorschrift auch für den unentgeltlichen Erwerb von Grundbesitz gilt. Die Reichweite des § 9b Abs. 1 S. 1, 2. Hs. WEG ist im Schrifttum im Einzelnen nicht unumstritten. Einerseits wird darauf hingewiesen, dass diese Vorschrift als Ausnahmevorschrift strikt zu handhaben und einer Analogie nicht zugänglich sei (Lehmann-Richter/Wobst, NJW 2021, 662 Rn. 8 f.). Andererseits wird man den Anwendungsbereich nicht streng auf Kaufverträge i. S. d. § 433 BGB beschränken können, denn dann würden bereits Tausch- oder Bauträgerverträge aus ihrem Anwendungsbereich herausfallen (BeckOK-WEG/Leidner, § 9a Rn. 14.1; vgl. auch MünchKommBGB/Burgmair, 9. Aufl. 2023, § 9b WEG Rn. 9).

Nach einer sehr weitgehenden Ansicht sollen sogar alle nach § 311b Abs. 1 BGB beurkundungsbedürftigen Geschäfte – und damit auch der hier beabsichtigte Vertrag über die unentgeltliche Übertragung des Teileigentums – unter § 9b Abs. 1 S. 1, 2. Hs. WEG fallen (so Grüneberg/Wicke, § 9b WEG Rn. 1). Angesichts des Normzwecks erscheint dies bei einem unentgeltlichen Erwerb jedoch kaum vertretbar. Zielsetzung der Vorschrift ist unmittelbar der Schutz der Eigentümergemeinschaft und mittelbar der Schutz der einzelnen Wohnungseigentümer. Die regelmäßig umfangreichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Erwerb (oder der Veräußerung) von Grundbesitz wurden deshalb einem zwingenden internen Willensbildungsprozess der Eigentümergemeinschaft unterstellt, den der Verwalter auch nicht im Außenverhältnis durch eigenmächtiges Handeln, also einen Missbrauch seiner organschaftlichen Vertretungsmacht, umgehen kann (vgl. BeckOK-WEG/Leidner, § 9a Rn. 14 f.). Wenn die Eigentümergemeinschaft aber gar keine unmittelbaren Verpflichtungen eingeht, weil sie unentgeltlich erwirbt, ist dieser Schutzzweck nicht betroffen. Im Übrigen ist es auch mit dem Wortlaut des § 9b Abs. 1 S. 1, 2. Hs. WEG nicht in Einklang zu bringen, die Norm auf den unentgeltlichen Erwerb von Grundbesitz anzuwenden. Hätte der Gesetzgeber die Norm auf jeglichen Vertrag über die Veräußerung oder den Erwerb von Grundbesitz anwendbar machen wollen, so hätte er wohl kaum den deutlich engeren Begriff des „Grundstückskaufvertrages“ gewählt. Faktisch liefe eine Anwendung der Vorschrift somit auf eine Analogie hinaus, die vom Normzweck ausgehend nicht geboten erscheint und dem Charakter der Vorschrift als Ausnahmevorschrift nicht gerecht wird.

Im Ergebnis kann der Verwalter hier den Verband im Außenverhältnis auch ohne Beschluss vertreten, § 9a Abs. 1 S. 1, 1. Hs. WEG. Gleichwohl sollte selbstverständlich ein Beschluss über den Erwerb gefasst werden, damit sich der Verwalter gar nicht erst dem Vorwurf des Missbrauchs der organschaftlichen Vertretungsmacht aussetzt.

c) Grundbuchverfahrensrechtliche Aspekte
Im Grundbuchverfahren ist der Beschluss der Eigentümergemeinschaft über den Erwerb der Teileigentumseinheit nicht nachzuweisen.

Die organschaftliche Vertretungsmacht des Verwalters besteht grundsätzlich unabhängig von einem Beschluss, § 9b Abs. 1 S. 1, 1. Hs. und S. 3 WEG.     

Anders ist dies nur im Anwendungsbereich des § 9b Abs. 1 S. 1, 2. Hs. WEG, der hier u. E nicht anwendbar ist (s. o.). Selbst wenn man aber entgegen der hier vertretenen Ansicht von der Anwendbarkeit dieser Vorschrift ausgehen möchte, bedürfte der Beschluss keines Nachweises gegenüber dem Grundbuchamt (zur Prüfung der Vertretungsmacht durch den Notar s. Bremkamp/Echternach, DNotZ 2021, 162, 167). Denn das Grundbuchamt hat gem. §§ 19, 20 GBO nur die verfahrensrechtliche Bewilligung der Eigentumsumschreibung und die Auflassung zu prüfen. Beide unterfallen nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht § 9b Abs. 1 S. 1, 2. Hs. WEG (allg. M., BT-Drucks. 19/22634, S. 43; Grüneberg/Wicke, § 9b WEG Rn. 1; BeckOGK-WEG/Greiner, § 9b Rn. 14 m. w. N.). Die schuldrechtliche causa, auf die sich § 9b Abs. 1 S. 1, 2. Hs. WEG allein beziehen kann, ist vom Grundbuchamt nicht zu prüfen. Dies gilt selbst dann, wenn – wofür der Sachverhalt keinen Anlass gibt – zunächst eine Vormerkung für die Eigentümergemeinschaft eingetragen werden soll.

Nachzuweisen ist somit allein die organschaftliche Vertretungsmacht und damit die Verwalterbestellung, vgl. § 26 Abs. 4, § 24 Abs. 6 WEG (vgl. zum Ganzen Weber, Kap. 4 Rn. 299; BeckOK-WEG/Leidner, § 9b Rn. 15a; BeckOGK-WEG/Greiner, § 9b Rn. 14).

Gutachten/Abruf-Nr:

205185

Erscheinungsdatum:

05.07.2024

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

WEG

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 101-104

Normen in Titel:

WEG § 9a; WEG § 19; WEG § 9b