Stiefkindadoption bei eingetragener Lebenspartnerschaft; Beratungspflicht; Getrenntleben der Partnerinnen
BGB §§ 1741, 1746 ff.;
Stiefkindadoption bei eingetragener Lebenspartnerschaft; Beratungspflicht; Getrenntleben der Partnerinnen
I. Sachverhalt
Frau I und Frau A leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Frau I hat einen Sohn M, der 2016 geboren wurde. Das Kind wurde durch anonyme Samenspende in den Niederlanden gezeugt. Die Lebenspartnerschaft der Damen bestand zum Zeitpunkt der Geburt des Sohnes M bereits. Inzwischen haben sich die Damen getrennt. Dennoch möchte Frau A den Sohn M als Kind annehmen, um das gemeinsame Sorgerecht mit der Mutter, Frau I, auszuüben. Frau I ist hiermit einverstanden.
II. Fragen
1. Ist bei der Annahme des Kindes eines Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner eine Beratung beim Jugendamt (Adoptionsvermittlungsstelle) nach
2. Ist eine Stiefkindadoption möglich, auch wenn die Lebenspartner inzwischen getrennt leben?
III. Zur Rechtslage
1. Beratungspflicht
In
Die zwingende vorherige Beratung der Beteiligten im Rahmen einer Stiefkindadoption hat bereits während des Gesetzgebungsverfahrens zum Adoptionshilfe-Gesetz („Gesetz zur Verbesserung der Hilfen für Familien bei Adoption“, vgl. BGBl. 2021 I, S. 226) zahlreiche Kritik ausgelöst, u. a. von Seiten der Lesben- und Schwulenverbände. Diese erblickten in der Verschärfung der Anforderungen an die Stiefkindadoption eine weitere Diskriminierung von Zwei-Frauen-Paaren gegenüber heterosexuellen Paaren, nachdem nur letztere eine statusrechtliche Zuordnung gem.
Erst am Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde durch den Vermittlungsausschuss die Beratungspflicht eingeschränkt (Bernauer,
Da Frau I und Frau A zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes M bereits in eingetragener Lebenspartnerschaft lebten, ist anzunehmen, dass die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes gem.
2. Stiefkindadoption bei getrenntlebenden Lebenspartnern
Gem.
a) Einwilligung des leiblichen Vaters
Zu den Annahmevoraussetzungen, die das Familiengericht nach Antragstellung (
Die leibliche Mutter und Lebenspartnerin der Annehmenden, Frau I, ist mit der Annahme des Kindes M durch Frau A einverstanden, sodass hier von einer Erteilung der Einwilligung gem.
Fraglich ist jedoch, ob es auch der Einwilligung des Samenspenders als leiblicher Vater des Kindes bedarf, die im Fall der Minderjährigenadoption gem.
Mit Beschl. v. 18.2.2015 (
Nach dem BGH (
Mit der vorgenannten Auffassung des BGH wäre eine Einwilligung des leiblichen Vaters des Kindes M für dessen Annahme durch Frau A somit nicht erforderlich.
Der Ansatz des BGH ist jedoch nicht unwidersprochen geblieben. Löhnig (in: BeckOGK-BGB, Std.: 1.2.2024, § 1747 Rn. 30 f.) kritisiert, dass die Erklärung des Samenspenders, anonym bleiben zu wollen, nicht verbindlich sei. Das Familiengericht müsse daher den Spender von Amts wegen ermitteln, um ihn nicht von seinem Einwilligungsrecht auszuschließen.
b) Auswirkungen des Getrenntlebens der Lebenspartnerinnen
Zudem besteht vorliegend die Besonderheit, dass die Lebenspartnerinnen inzwischen getrennt leben. Fraglich ist daher, wie sich dieser Umstand auf die geplante Adoption auswirkt.
Gem.
Die Annahme dient dem Wohl des Kindes, wenn nach einer Gesamtbetrachtung der Umstände davon auszugehen ist, dass die Perspektiven für die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit durch die Annahme im Vergleich zur Situation ohne Annahme nachhaltig und nicht nur vorübergehend verbessert würden (BeckOGK-BGB/Löhnig, § 1741 Rn. 5; Staudinger/Helms, BGB, 2023, § 1741 Rn. 18).
Nachdem es sich stets um eine einzelfallbezogene Abwägung der konkreten Lebensumstände des Kindes und des Annehmenden handelt (Grüneberg/Götz, BGB, 83. Aufl. 2024, § 1741 Rn. 3), die dem Familienrichter vorbehalten bleibt, kann an dieser Stelle keine verbindliche Einschätzung abgegeben werden.
Allerdings lässt sich feststellen, dass bei einer Stiefkindadoption der Dauer und dem Zustand der Ehe zwischen dem leiblichen Elternteil und dem annehmenden Stiefelternteil in der Kommentarliteratur eine entscheidende Bedeutung für die Beurteilung des Kindeswohls beigemessen wird (BeckOGK-BGB/Löhnig, § 1741 Rn. 89; BeckOK-BGB/Pöcker, Std.: 1.8.2024, § 1741 Rn. 31; Erman/Teklote, BGB, 17. Aufl. 2023, § 1741 Rn. 10; MünchKommBGB/Maurer, 9. Aufl. 2024, § 1741 Rn. 88, 101; Staudinger/Helms, § 1741 Rn. 30). So betonen Grünewald/Nunez (in: Behrentin, Handbuch Adoptionsrecht, 2017, Kap. A Rn. 104), dass es eine wesentliche Voraussetzung für eine gedeihliche Entwicklung des Adoptivkindes ist, dass es in auf Dauer angelegten Familienbeziehungen aufwachsen kann. Die Erwägungen dürften jedenfalls nach dem Rechtsgedanken des
Anders als in ausländischen Rechtsordnungen ist in Deutschland zwar keine gesetzliche Mindestdauer der Ehe (bzw. eingetragenen Lebenspartnerschaft) vor einer Adoption vorgesehen, das OLG Nürnberg hielt jedoch eine Dauer von zwei Jahren für erforderlich, um davon ausgehen zu können, dass die Ehe zwischen dem leiblichen Elternteil und dem Annehmenden Bestand haben wird (Beschl. v. 29.10.2018 – 7 UF 958/18,
Neben der zeitlichen Komponente ist jedoch auch der Zustand und die Stabilität der Beziehung in die Beurteilung des Kindeswohls einzubeziehen. Die Ehe (bzw. Lebenspartnerschaft) müsse Bestand versprechen. Dadurch sollen dem Kind erneute Beziehungsabbrüche erspart bleiben und es soll verhindert werden, dass es in den Mittelpunkt von Elternkonflikten rückt (Staudinger/Helms, § 1741 Rn. 30). Zudem stelle eine Kindesannahme ein untaugliches Mittel dar, um eine gefährdete Ehe zu retten (MünchKommBGB/Maurer, § 1741 Rn. 88, 101).
Teklote (in: Erman, § 1741 Rn. 10) spricht sich daher ausdrücklich dafür aus, dass ein Getrenntleben der Eheleute einer positiven Prognose im Rahmen der Beurteilung des Kindeswohls gem.
Ferner könnte der Rechtsgedanke des
In der geschilderten Konstellation könnten sich jedoch auch Aspekte ergeben, die sich für eine Kindeswohldienlichkeit der Annahme anführen lassen und daher als Vorteile in die Gesamtabwägung einzustellen wären. Insbesondere könnte vorliegend von Bedeutung sein, dass der biologische Vater des Kindes infolge der anonymen Samenspende nicht bekannt ist und daher eine Übernahme der rechtlichen Elternrolle durch diesen nicht in Betracht kommt. M würde erst infolge der Adoption durch Frau A einen zweiten sorgeberechtigten Elternteil und die damit einhergehenden materiellen Vorteile eines Unterhaltsanspruchs sowie der erbrechtlichen Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes erhalten. Daneben werden auch Umstände wie die persönliche Eignung der Frau A zur Erziehung und Betreuung des Kindes sowie ihre sozialen Lebensverhältnisse, insbesondere die Beziehung zur leiblichen Kindsmutter nach der Trennung, die vorliegend jedoch nicht näher bekannt sind, von Bedeutung sein (zu den Abwägungsfaktoren s. nur MünchKommBGB/Maurer, § 1741 Rn. 72 ff.).
Auch das OLG Schleswig hat in seiner Entscheidung vom 25.10.2023 – 8 UF 124/23 (
3. Ergebnis
In dem geschilderten Sachverhalt besteht keine Beratungspflicht gem.
Das Getrenntleben der Lebenspartnerinnen könnte nach der sich in der Literatur abzeichnenden Auffassung negative Auswirkungen auf die Beurteilung des Kindeswohls haben. Dennoch handelt es sich nur um einen Abwägungsfaktor, der in die Beurteilung des Kindeswohls einzustellen ist. Das Familiengericht hat im Rahmen der Entscheidung über den Adoptionsantrag (
206141
Erscheinungsdatum:11.10.2024
RechtsbezugNational
Rechtsgebiete:Abstammung (incl. künstliche Befruchtung), Adoption
Erschienen in: Normen in Titel:LPartG § 21; LPartG § 9; BGB § 1746; AdVermiG § 9a; BGB § 1741