11. Oktober 2024
LPartG § 21; LPartG § 9; BGB § 1746; AdVermiG § 9a; BGB § 1741

Stiefkindadoption bei eingetragener Lebenspartnerschaft; Beratungspflicht; Getrenntleben der Partnerinnen

BGB §§ 1741, 1746 ff.; AdVermiG § 9a; LPartG §§ 9, 21
Stiefkindadoption bei eingetragener Lebenspartnerschaft; Beratungspflicht; Getrenntleben der Partnerinnen

I. Sachverhalt
Frau I und Frau A leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Frau I hat einen Sohn M, der 2016 geboren wurde. Das Kind wurde durch anonyme Samenspende in den Niederlanden gezeugt. Die Lebenspartnerschaft der Damen bestand zum Zeitpunkt der Geburt des Sohnes M bereits. Inzwischen haben sich die Damen getrennt. Dennoch möchte Frau A den Sohn M als Kind annehmen, um das gemeinsame Sorgerecht mit der Mutter, Frau I, auszuüben. Frau I ist hiermit einverstanden.

II. Fragen
1. Ist bei der Annahme des Kindes eines Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner eine Beratung beim Jugendamt (Adoptionsvermittlungsstelle) nach § 9a AdVermiG erforderlich?

2. Ist eine Stiefkindadoption möglich, auch wenn die Lebenspartner inzwischen getrennt leben?

III. Zur Rechtslage
1. Beratungspflicht
In § 9a AdVermiG ist eine Beratungspflicht im Vorfeld von Stiefkindadoptionen geregelt, um den Beteiligten einen umfassenden Überblick über die weitreichenden und unumkehrbaren Folgen einer Adoption sowie den damit zusammenhängenden Fragestellungen zu verschaffen und dadurch die notarielle Beratung um psychosoziale Aspekte zu ergänzen (BeckOGK-AdVermiG/Löhnig, Std.: 1.2.2024, § 9a Rn. 2 f.; Keuter, NZFam 2021, 49, 50).

Die zwingende vorherige Beratung der Beteiligten im Rahmen einer Stiefkindadoption hat bereits während des Gesetzgebungsverfahrens zum Adoptionshilfe-Gesetz („Gesetz zur Verbesserung der Hilfen für Familien bei Adoption“, vgl. BGBl. 2021 I, S. 226) zahlreiche Kritik ausgelöst, u. a. von Seiten der Lesben- und Schwulenverbände. Diese erblickten in der Verschärfung der Anforderungen an die Stiefkindadoption eine weitere Diskriminierung von Zwei-Frauen-Paaren gegenüber heterosexuellen Paaren, nachdem nur letztere eine statusrechtliche Zuordnung gem. § 1592 Nr. 2 BGB im Wege der Vaterschaftsanerkennung herbeiführen können (Bernauer, notar 2021, 79, 80; Gutachten DNotI-Report 2022, 35, 37; Keuter, NZFam 2021, 49, 51).

Erst am Ende des Gesetzgebungsverfahrens wurde durch den Vermittlungsausschuss die Beratungspflicht eingeschränkt (Bernauer, notar 2021, 79, 80; Gutachten DNotI-Report 2022, 35, 37; Keuter, NZFam 2021, 49, 51). So wurde in § 9a Abs. 4 S. 1 AdVermiG eine Ausnahme aufgenommen (vgl. BT-Drucks. 19/25163, S. 2). Danach entfällt die Beratungspflicht, wenn der annehmende Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit dem Elternteil des Kindes verheiratet ist. Über § 21 LPartG gilt diese Bestimmung auch für eingetragene Lebenspartnerschaften.

Da Frau I und Frau A zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes M bereits in eingetragener Lebenspartnerschaft lebten, ist anzunehmen, dass die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes gem. § 9a Abs. 4 S. 1 AdVermiG (i. V. m. § 21 LPartG) erfüllt sind. Etwas anderes würde nach § 9a Abs. 4 S. 2 AdVermiG nur dann gelten, wenn das Kind im Ausland geboren wurde und der abgebende Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat.

2. Stiefkindadoption bei getrenntlebenden Lebenspartnern
Gem. § 9 Abs. 7 LPartG kann ein Lebenspartner das Kind des anderen Lebenspartners allein annehmen. Die Stiefkindadoption hat gem. § 9 Abs. 7 S. 2 LPartG i. V. m. § 1754 Abs. 1, Abs. 3 BGB zur Folge, dass das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Lebenspartner erlangt und diesen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht.

a) Einwilligung des leiblichen Vaters
Zu den Annahmevoraussetzungen, die das Familiengericht nach Antragstellung (§ 1752 Abs. 1 BGB) prüft, zählen u. a. die Einwilligung des Kindes, seiner Eltern und des Ehegatten des Annehmenden, vgl. §§ 1746, 1747, 1749 BGB. Dass § 9 Abs. 7 S. 2 LPartG keinen ausdrücklichen Verweis auf diese Vorschriften enthält, steht ihrer Anwendbarkeit nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat zur Anwendung der Adoptionsvorschriften nur im Hinblick auf die Besonderheiten der Stiefkindadoption einzelne Regelungen getroffen, während die übrigen, nicht nur die Stiefkindadoption betreffenden Vorschriften des Adoptionsrechts ohne gesonderte gesetzliche Anordnung anwendbar sein sollen (BGH NJW 2015, 1820 Rn. 11 m. w. N.).

Die leibliche Mutter und Lebenspartnerin der Annehmenden, Frau I, ist mit der Annahme des Kindes M durch Frau A einverstanden, sodass hier von einer Erteilung der Einwilligung gem. §§ 1747, 1749 BGB ausgegangen werden kann.

Fraglich ist jedoch, ob es auch der Einwilligung des Samenspenders als leiblicher Vater des Kindes bedarf, die im Fall der Minderjährigenadoption gem. § 1747 Abs. 1 BGB prinzipiell erforderlich ist.

Mit Beschl. v. 18.2.2015 (NJW 2015, 1820 f.) hat der BGH festgestellt, dass auch der Samenspender aufgrund der besonderen Zweckrichtung der §§ 1747 Abs. 1 S. 2, 1600d Abs. 2 S. 1 BGB von der Regelung erfasst ist. Denn § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB i. V. m. § 1747 Abs. 1 S. 2 BGB diene dem Zweck, bei (noch) nicht feststehender rechtlicher Vaterschaft den als Vater in Betracht kommenden Mann zu bezeichnen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich am Adoptionsverfahren zu beteiligen. Der leibliche Vater solle hierdurch die Möglichkeit erhalten, seine Vaterschaft feststellen zu lassen und seine Elternrechte geltend zu machen. Daher sei es aufgrund Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geboten, dem vermuteten Vater eine Beteiligung am Adoptionsverfahren zu ermöglichen. Dies sei nicht auf die natürliche Zeugung beschränkt, sondern gelte auch für den Fall der Samenspende.

Nach dem BGH (NJW 2015, 1820 f.) ist eine Zustimmung des leiblichen Vaters zur Adoption gem. § 1747 Abs. 1 S. 2 BGB jedoch nur erforderlich, wenn er nach Unterrichtung von dem Verfahren seine Rechte aktiv wahrnimmt und die Möglichkeit seiner leiblichen Vaterschaft glaubhaft macht. Etwas anderes gilt dagegen dann, wenn der leibliche Vater seine rechtliche Vaterstellung von vornherein nicht wahrnehmen möchte, wie dies etwa bei einer anonymen Samenspende der Fall ist. In diesem Fall ergebe sich bereits aus den Umständen der medizinisch assistierten Zeugung, dass der leibliche Vater seine Grundrechtsposition nicht wahrnehmen wolle. Mithin sei dessen Einwilligung in die Adoption nicht erforderlich und es bedürfe auch nicht seiner Beteiligung am Verfahren.

Mit der vorgenannten Auffassung des BGH wäre eine Einwilligung des leiblichen Vaters des Kindes M für dessen Annahme durch Frau A somit nicht erforderlich.

Der Ansatz des BGH ist jedoch nicht unwidersprochen geblieben. Löhnig (in: BeckOGK-BGB, Std.: 1.2.2024, § 1747 Rn. 30 f.) kritisiert, dass die Erklärung des Samenspenders, anonym bleiben zu wollen, nicht verbindlich sei. Das Familiengericht müsse daher den Spender von Amts wegen ermitteln, um ihn nicht von seinem Einwilligungsrecht auszuschließen.

b) Auswirkungen des Getrenntlebens der Lebenspartnerinnen
Zudem besteht vorliegend die Besonderheit, dass die Lebenspartnerinnen inzwischen getrennt leben. Fraglich ist daher, wie sich dieser Umstand auf die geplante Adoption auswirkt.

Gem. § 1741 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Annahme als Kind zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Selbst wenn vorliegend unterstellt wird, dass zwischen dem Kind und Frau A in den vergangenen Jahren bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist (Tatfrage), könnte sich aufgrund des Getrenntlebens der Lebenspartnerinnen ein Problem hinsichtlich der Beurteilung des Kindeswohls ergeben.
Die Annahme dient dem Wohl des Kindes, wenn nach einer Gesamtbetrachtung der Umstände davon auszugehen ist, dass die Perspektiven für die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit durch die Annahme im Vergleich zur Situation ohne Annahme nachhaltig und nicht nur vorübergehend verbessert würden (BeckOGK-BGB/Löhnig, § 1741 Rn. 5; Staudinger/Helms, BGB, 2023, § 1741 Rn. 18).

Nachdem es sich stets um eine einzelfallbezogene Abwägung der konkreten Lebensumstände des Kindes und des Annehmenden handelt (Grüneberg/Götz, BGB, 83. Aufl. 2024, § 1741 Rn. 3), die dem Familienrichter vorbehalten bleibt, kann an dieser Stelle keine verbindliche Einschätzung abgegeben werden.

Allerdings lässt sich feststellen, dass bei einer Stiefkindadoption der Dauer und dem Zustand der Ehe zwischen dem leiblichen Elternteil und dem annehmenden Stiefelternteil in der Kommentarliteratur eine entscheidende Bedeutung für die Beurteilung des Kindeswohls beigemessen wird (BeckOGK-BGB/Löhnig, § 1741 Rn. 89; BeckOK-BGB/Pöcker, Std.: 1.8.2024, § 1741 Rn. 31; Erman/Teklote, BGB, 17. Aufl. 2023, § 1741 Rn. 10; MünchKommBGB/Maurer, 9. Aufl. 2024, § 1741 Rn. 88, 101; Staudinger/Helms, § 1741 Rn. 30). So betonen Grünewald/Nunez (in: Behrentin, Handbuch Adoptionsrecht, 2017, Kap. A Rn. 104), dass es eine wesentliche Voraussetzung für eine gedeihliche Entwicklung des Adoptivkindes ist, dass es in auf Dauer angelegten Familienbeziehungen aufwachsen kann. Die Erwägungen dürften jedenfalls nach dem Rechtsgedanken des § 21 LPartG entsprechend für eine eingetragene Lebenspartnerschaft gelten.

Anders als in ausländischen Rechtsordnungen ist in Deutschland zwar keine gesetzliche Mindestdauer der Ehe (bzw. eingetragenen Lebenspartnerschaft) vor einer Adoption vorgesehen, das OLG Nürnberg hielt jedoch eine Dauer von zwei Jahren für erforderlich, um davon ausgehen zu können, dass die Ehe zwischen dem leiblichen Elternteil und dem Annehmenden Bestand haben wird (Beschl. v. 29.10.2018 – 7 UF 958/18, BeckRS 2018, 29484 Rn. 61).

Neben der zeitlichen Komponente ist jedoch auch der Zustand und die Stabilität der Beziehung in die Beurteilung des Kindeswohls einzubeziehen. Die Ehe (bzw. Lebenspartnerschaft) müsse Bestand versprechen. Dadurch sollen dem Kind erneute Beziehungsabbrüche erspart bleiben und es soll verhindert werden, dass es in den Mittelpunkt von Elternkonflikten rückt (Staudinger/Helms, § 1741 Rn. 30). Zudem stelle eine Kindesannahme ein untaugliches Mittel dar, um eine gefährdete Ehe zu retten (MünchKommBGB/Maurer, § 1741 Rn. 88, 101).

Teklote (in: Erman, § 1741 Rn. 10) spricht sich daher ausdrücklich dafür aus, dass ein Getrenntleben der Eheleute einer positiven Prognose im Rahmen der Beurteilung des Kindeswohls gem. § 1741 Abs. 1 S. 1 BGB regelmäßig entgegenstehen soll, zu unsicher wäre die Hoffnung, dass ein Adoptivkind die gefährdete Ehe stabilisieren könnte.

Ferner könnte der Rechtsgedanke des § 1766a BGB u. E. darauf hindeuten, dass das Getrenntleben der Lebenspartnerinnen einer Annahme des Kindes M durch Frau A entgegensteht. Denn danach ist eine Stiefkindadoption innerhalb einer nichtehelichen Paarbeziehung nur möglich, wenn die Partner gem. § 1766a Abs. 2 BGB eheähnlich zusammenleben. Dass der Gesetzgeber dieses Merkmal derart in den Fokus rückt, könnte dafür sprechen, dass es bei der Beurteilung des Kindeswohls nicht nur auf das rechtliche Band einer Ehe bzw. eingetragenen Lebenspartnerschaft, sondern vor allem auf das Bestehen einer tatsächlich intakten Beziehung ankommt, um dem Kind ein stabiles Umfeld in einem beständigen Zuhause zu ermöglichen (diesen Aspekt betonend BeckOGK-BGB/Löhnig, § 1741 Rn. 74.1).

In der geschilderten Konstellation könnten sich jedoch auch Aspekte ergeben, die sich für eine Kindeswohldienlichkeit der Annahme anführen lassen und daher als Vorteile in die Gesamtabwägung einzustellen wären. Insbesondere könnte vorliegend von Bedeutung sein, dass der biologische Vater des Kindes infolge der anonymen Samenspende nicht bekannt ist und daher eine Übernahme der rechtlichen Elternrolle durch diesen nicht in Betracht kommt. M würde erst infolge der Adoption durch Frau A einen zweiten sorgeberechtigten Elternteil und die damit einhergehenden materiellen Vorteile eines Unterhaltsanspruchs sowie der erbrechtlichen Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes erhalten. Daneben werden auch Umstände wie die persönliche Eignung der Frau A zur Erziehung und Betreuung des Kindes sowie ihre sozialen Lebensverhältnisse, insbesondere die Beziehung zur leiblichen Kindsmutter nach der Trennung, die vorliegend jedoch nicht näher bekannt sind, von Bedeutung sein (zu den Abwägungsfaktoren s. nur MünchKommBGB/Maurer, § 1741 Rn. 72 ff.).

Auch das OLG Schleswig hat in seiner Entscheidung vom 25.10.2023 – 8 UF 124/23 (NJW 2024, 367 = NZFam 2024, 231 m. zust. Anm. Keuter) betont, dass die Stabilität der Ehe der Adoptiveltern einen wichtigen Faktor im Rahmen der Beurteilung des Kindeswohls darstellt. Dennoch sei dieser nicht allein entscheidend. Eine Trennung der annehmenden Eheleute lasse die Kindeswohldienlichkeit der Annahme nicht zwingend entfallen. Maßgeblich sei stets, ob die Annahme nach einer Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu einer Verbesserung der Situation des Kindes führt (zust. BeckOK-BGB/Pöcker, § 1741 Rn. 31). Das Gericht kam daher in dem konkreten Fall trotz einer zwischenzeitlichen Trennung der annehmenden Ehegatten zu dem Ergebnis, dass die Annahmevoraussetzungen gem. § 1741 Abs. 1 BGB vorliegen.

3. Ergebnis
In dem geschilderten Sachverhalt besteht keine Beratungspflicht gem. § 9a Abs. 1 AdVermiG, sofern die Voraussetzungen des § 9a Abs. 4 S. 2 AdVermiG nicht kumulativ erfüllt sind.

Das Getrenntleben der Lebenspartnerinnen könnte nach der sich in der Literatur abzeichnenden Auffassung negative Auswirkungen auf die Beurteilung des Kindeswohls haben. Dennoch handelt es sich nur um einen Abwägungsfaktor, der in die Beurteilung des Kindeswohls einzustellen ist. Das Familiengericht hat im Rahmen der Entscheidung über den Adoptionsantrag (§ 1741 Abs. 1 S. 1 BGB) stets eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Trotz der Trennung der Lebenspartnerinnen ist es daher nicht völlig ausgeschlossen, dass eine Kindeswohldienlichkeit der Annahme bejaht wird, sofern das Gericht bei seiner Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Vorteile des Kindes bei einer Adoption durch Frau A überwiegen.

Gutachten/Abruf-Nr:

206141

Erscheinungsdatum:

11.10.2024

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Abstammung (incl. künstliche Befruchtung), Adoption

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 146-149

Normen in Titel:

LPartG § 21; LPartG § 9; BGB § 1746; AdVermiG § 9a; BGB § 1741