BGB §§ 174 S. 1, 469 Abs. 1 u. 2; VermG § 20a
Vorkaufsrecht; Mitteilungspflicht; Form; Bevollmächtigung; Zurückweisung; Fristbeginn
I. Sachverhalt
A und B haben einen Kaufvertrag über ein Grundstück geschlossen. Zugunsten von C ist ein dingliches Vorkaufsrecht nach § 20a VermG im Grundbuch eingetragen. Im Kaufvertrag haben A und B geregelt, dass der Notar in Vollmacht der Vertragsbeteiligten gegenüber C die Mitteilungspflicht nach § 469 Abs. 1 BGB übernimmt. Eine Ausfertigung der Urkunde sollte der C per Gerichtsvollzieher zugestellt werden.
Der Gerichtsvollzieher hat fälschlicherweise die Ausfertigung an den Notar samt Zustellungsurkunde zurückgesandt und der C nur eine Abschrift übergeben. Eine Woche nach Zustellung durch den Gerichtsvollzieher hat der Rechtsanwalt der C auf die Zustellung samt Inhalt Bezug genommen, ohne die Vollmacht zurückzuweisen (§ 174 BGB). Mittlerweile sind mehr als zwei Monate (sowohl seit Zustellung durch den Gerichtsvollzieher als auch seit dem Schreiben des Rechtsanwalts) vergangen.
II. Fragen
1. Hat die Ausübungsfrist des § 469 Abs. 2 BGB zu laufen begonnen? Wenn ja, wann?
2. Ist die Urkunde in Ausfertigung als Vollmachtsnachweis neu zuzustellen?
III. Zur Rechtslage
1. Erfüllung der Mitteilungspflicht
Nach § 469 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Verpflichtete (= Verkäufer) dem Vorkaufsberechtigten den Inhalt des Drittvertrags unverzüglich mitzuteilen. Dabei kann der Verpflichtete sich von einem Dritten – hier: Notar – vertreten lassen (vgl. OLG Frankfurt OLGZ 1991, 412; Staudinger/Rolfs, BGB, 2018, § 577 Rn. 56). Die Mitteilung nach § 469 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf nach einhelliger Auffassung grundsätzlich keiner besonderen Form (RGZ 58, 157, 159; BGH BeckRS 1959, 31206074 = DNotZ 1959, 472; BeckOGK-BGB/Daum, Std.: 1.1.2019, § 469 Rn. 14; MünchKommBGB/Westermann, 7. Aufl. 2016, § 469 Rn. 5; Staudinger/Schermaier, 2013, § 469 Rn. 9).
Die Übergabe der Abschrift der Kaufvertragsurkunde genügt demnach, um das Mitteilungserfordernis nach § 469 Abs. 1 BGB zu erfüllen. Dadurch wird der Dritte über den Inhalt des Drittvertrags nämlich hinreichend in Kenntnis gesetzt. Dass es sich „nur“ um eine Abschrift handelt, dem Dritten also insbesondere nicht – wie geplant – eine Ausfertigung der Kaufvertragsurkunde übermittelt worden ist, schadet nicht, da die Mitteilung wie gesagt keiner besonderen Form bedarf.
2. Unwirksamkeit wegen § 174 BGB?
Ebenso wenig dürfte die Erfüllung der Mitteilungspflicht an § 174 S. 1 BGB scheitern. Dieser besagt, dass einseitige Rechtsgeschäfte eines Bevollmächtigten unwirksam sind, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Entsprechend könnte zwar die Mitteilung durch den Notar als Bevollmächtigten unwirksam sein, weil die in der Kaufvertragsurkunde enthaltene Bevollmächtigung des Notars nur in Abschrift vorgelegt wurde und eine Vollmachtsurkunde i. S. v. § 174 S. 1 BGB eine Urschrift oder Ausfertigung erfordert (MünchKommBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, § 174 Rn. 16 m. w. N.; vgl. auch Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 8. Aufl. 2017, Rn. 2433 m. Fn. 5445). Dagegen lässt sich jedoch anführen, dass es sich bei der Mitteilung nach § 469 Abs. 1 BGB nicht um eine Willens-, sondern um eine Wissenserklärung handelt (BeckOGK-BGB/Daum, § 469 Rn. 13; MünchKommBGB/Westermann, § 469 Rn. 5; Staudinger/Schermaier, § 469 Rn. 8 m. w. N.). § 174 BGB soll für Wissenserklärungen weder unmittelbar noch entsprechend gelten, weil ein vergleichbares Gewissheitsinteresse fehlt (LAG Nürnberg ZIP 2012, 1476, 1478 = BeckRS 2012, 69876; MünchKommBGB/Schubert, § 174 Rn. 6).
Selbst wenn man dies speziell im Zusammenhang mit der Mitteilung nach § 469 Abs. 1 BGB anders sähe, bspw. weil der Empfänger angesichts der Rechtswirkung der Mitteilung – Ingangsetzung der Ausübungsfrist des § 469 Abs. 2 BGB – eben doch ein entsprechendes Gewissheitsinteresse hat, ist vorliegend jedenfalls das Merkmal der unverzüglichen Zurückweisung nicht erfüllt. Denn seit der Übergabe der Abschrift an C sind mehr als zwei Monate ohne Zurückweisung vergangen. Unverzüglich bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“ (§ 121 Abs. 1 BGB). Ohne besondere Umstände – für die vorliegend nichts ersichtlich ist – gilt bereits die Zurückweisung nach mehr als einer Woche als nicht mehr rechtzeitig (vgl. BAG NZA 2012, 495 Tz. 33 – Zurückweisung einer Kündigung).
3. Ergebnis
In der Übergabe der Kaufvertragsabschrift an C ist eine wirksame Mitteilung gem. § 469 Abs. 1 BGB zu sehen. Der Empfang der Abschrift hat demzufolge die Ausübungsfrist des § 469 Abs. 2 S. 1 ausgelöst. Einer erneuten Zustellung der Urkunde in Ausfertigung bedarf es deshalb nicht.