31. Juli 2023
BeurkG § 9; BGB § 1204; BGB § 1273; BGB § 1274

Bestimmbarkeit der verpfändeten Forderung; Umfang der Verlesungspflicht hinsichtlich der gesicherten Forderung

BGB §§ 1204, 1273, 1274; BeurkG § 9
Bestimmbarkeit der verpfändeten Forderung; Umfang der Verlesungspflicht hinsichtlich der gesicherten Forderung

I. Sachverhalt
In einem Vertrag, mit dem Geschäftsanteile an einer deutschen GmbH verpfändet werden, ist zum Sicherungszweck der Verpfändung Folgendes geregelt:

„Die Verpfändungen an den Pfandnehmer dienen der Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche des Pfandnehmers aus den Darlehensverträgen vom (…) unter der Darlehensnummer 123 zwischen der A-GmbH und der B-GmbH sowie unter der Darlehensnummer 456 zwischen der C-GmbH und der D-GmbH, insbesondere dem jeweiligen Rückzahlungs- und Zinsanspruch (einschließlich etwaiger Verzugszinsen) sowie aller weiteren im Zusammenhang mit dem vorgenannten Darlehensvertrag stehenden Ansprüche (z.B. Schadenersatz- und Kostenerstattungsansprüche).

Der Inhalt der vorgenannten bereits unterzeichneten Darlehensverträge ist den Vertragsteilen nach Angabe im Einzelnen genau bekannt. Die Vertragsteile stimmen darin überein, dass die vorgenannten Bezugnahmen zur ausreichenden Identifizierung der gesicherten Forderungen ausreichen. Die vorgenannten Darlehensverträge sind daher rein zu Dokumentationszwecken als Anlage zu dieser Urkunde genommen.“

Im Schrifttum findet sich die Aussage, der Kreditvertrag sei der Urkunde beizufügen und zu verlesen, wenn die gesicherte Forderung im Verpfändungsvertrag nicht hinreichend bestimmt genannt und lediglich auf den Kreditvertrag Bezug genommen werde. Zudem wird mitunter ausgeführt, dass die gesicherte Forderung nur dann hinreichend bestimmt sei, wenn Angaben zu Gläubiger, Schuldner, Zahlungsbetrag der Forderung sowie Entstehungsgrund und -datum enthalten seien. Dagegen wird eingewandt, dies erscheine im Hinblick auf die Komplexität von modernen Kreditverträgen im Geschäftsleben zu eng. Ansonsten müsste konsequenterweise der Kreditvertrag beigefügt und verlesen werden. Soweit vertreten werde, dass die Höhe der (Darlehens-)Forderung im Pfandvertrag ausdrücklich genannt werden müsse, stelle sich die Folgefrage, welchen Anwendungsbereich in diesem Fall § 1204 Abs. 2 BGB habe und wie eine Anteilsverpfändung bei einem Rahmenkreditvertrag möglich wäre, bei dem die Höhe der Forderung im Zeitpunkt der Verpfändung nicht feststehe.

II. Fragen
1. Ist die durch die Verpfändung gesicherte Forderung hinreichend bestimmt?

2. Ist eine Verpfändung wirksam, wenn beim Rechtsgrund der Verpfändung ausgeführt wird, dass die Verpfändung der Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus dem Darlehensvertrag vom (…) zwischen der A-GmbH und der X-Bank dient (Darlehens- bzw. Kreditvertragsnummer 12345)?

III. Zur Rechtslage
1. Problemaufriss
Der Geschäftsanteil an einer GmbH kann Gegenstand einer Rechtsverpfändung gem. §§ 1273 Abs. 1, 1274 BGB sein. Die Verpfändung erfolgt gem. § 1274 Abs. 1 BGB in derselben Form wie die Abtretung, also im Falle der Verpfändung von GmbH-Geschäftsanteilen gem. § 15 Abs. 3 GmbHG durch notariell beurkundeten Vertrag zwischen dem Gesellschafter als Verpfänder und dem Pfandnehmer (vgl. BeckOGK-BGB/Leinenweber, Std.: 1.2.2023, § 1274 Rn. 143). Das Formgebot bezieht sich auf die Pfandrechtsbestellung. Für die zugrunde liegende schuldrechtliche Vereinbarung genügt nach h. M. ein formloser Vertrag (RGZ 58, 223; Blath, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 5. Aufl. 2023, Kap. 13 Rn. 98; Kallrath, in: Hauschild/Kallrath/Wachter, Notarhandbuch Gesellschafts- und Unternehmensrecht, 3. Aufl. 2022, § 16 Rn. 740; MünchKommBGB/F. Schäfer, 9. Aufl. 2023, § 1274 Rn. 59; von Rom, WM 2007, 2223, 2224 f.; a. A. noch MünchKommBGB/Damrau, 8. Aufl. 2020, § 1274 Rn. 57; BeckOGK-BGB/Leinenweber, § 1274 Rn. 143).

Der Verpfändungsvertrag muss neben dem verpfändeten Recht (hier: Geschäftsanteile) zudem wegen der strengen Akzessorietät des Pfandrechts auch die Forderung bezeichnen, die gesichert werden soll (BeckOGK-BGB/Leinenweber, § 1274 Rn. 7; Kallrath, § 16 Rn. 741). Insofern reicht nach einhelliger Auffassung die Bestimmbarkeit hinsichtlich der gesicherten Forderung aus (vgl. Löbbe, in: GroßkommGmbHG, 3. Aufl. 2019, § 15 Rn. 163; von Rom, WM 2007, 2223, 2226; Blath, in: Heckschen/Heidinger, Kap. 13 Rn. 99; Kallrath, § 16 Rn. 741).

2. Bedeutung für die Mitbeurkundung des Darlehensvertrags
Die Frage der hinreichenden Bestimmtheit der gesicherten Forderung bei der Verpfändung von Geschäftsanteilen ist noch nicht abschließend geklärt. Im Schrifttum wird ausdrücklich empfohlen, die Passagen des Darlehensvertrags im Rahmen des Verpfändungsvertrags mit zu beurkunden, auf deren Regelungsinhalt verwiesen wird (Löbbe, § 15 Rn. 163; MünchKommGmbHG/Reichert/Weller, 4. Aufl. 2022, § 15 Rn. 285). Nach unserer Auffassung ist es hingegen grundsätzlich vertretbar, von einer Mitbeurkundung des zugrunde liegenden Darlehensvertrags abzusehen. Die zu sichernde Forderung muss lediglich bestimmbar, d. h. hinreichend in der notariellen Niederschrift konkretisiert sein, beispielsweise durch Angabe von Datum und Nummer des Darlehensvertrags, Bezeichnung von Darlehensgeber und Darlehensnehmer, Angabe der Höhe der Forderung und Nennung des Darlehenszwecks.

Der Inhalt des Darlehensvertrags – und zwar freilich wenn überhaupt nur auszugweise, nämlich soweit zur Bestimmung der gesicherten Forderung erforderlich – könnte allenfalls dann mitzubeurkunden sein, wenn dies zur Bestimmbarkeit der gesicherten Forderung zwingend erforderlich wäre (so die inzwischen wohl h. L., vgl. Blath, in: Heckschen/Heidinger, Kap. 13 Rn. 101; Kallrath, § 16 Rn. 741; Reymann, DNotZ 2005, 425, 428; Gerber, in: Beck’sches Formularbuch GmbH-Recht, 2010, D.V.1. Anm. 3). Dies dürfte indes grundsätzlich nicht der Fall sein. Vielmehr reicht eine Bestimmbarkeit in der oben genannten Form aus, wenn also die gesicherte Forderung konkret und zweifelsfrei im notariellen Pfändungsvertrag beschrieben wird. Insofern muss der Darlehensvertrag nicht, auch nicht auszugsweise, der notariellen Urkunde der Verpfändung beigefügt oder gar mitverlesen werden.

Demnach ist den folgenden Ausführungen Kallraths beizupflichten:

„Der der Forderung zugrundeliegende Vertrag ist nicht Gegenstand der Verpfändungsvereinbarung, also auch nicht mitzubeurkunden. Wenn die gesicherte Forderung in der Verpfändungsurkunde eindeutig bezeichnet ist, besteht also kein Erfordernis, den der Forderung zugrundeliegenden Vertrag als Anlage dem Verpfändungsvertrag beizufügen. (…) Etwas anderes gilt nur, wenn – was ohne weiteres vermieden werden kann – die Forderung in der Verpfändungsurkunde nicht hinreichend identifiziert ist.“

(Kallrath, § 16 Rn. 741; Herv. d. DNotI)

An dem letzten Satz Kallraths, der von einer leichten Vermeidbarkeit der fehlenden hinreichenden Identifizierung spricht, zeigt sich, dass es maßgeblich auf die präzise textliche Beschreibung des gesicherten Anspruchs ankommt. Wird diese eingehalten, bedarf es keiner Beifügung – und erst recht keiner Verlesung – des bereits abgeschlossenen Darlehensvertrags. Im Schrifttum wird daher zutreffend ausgeführt, dass der dem gesicherten Anspruch zugrundeliegende Kreditvertrag nicht – auch nicht auszugsweise – mitbeurkundet werden muss (vgl. von Rom, WM 2007, 2223, 2226; Scholz/Seibt, GmbHG, 13. Aufl. 2022, § 15 Rn. 174; Wentrup, in: Gebele/Scholz, Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, 14. Aufl. 2022, IX.22. Anm. 1).

3. Sonderfall: Höhe des gesicherten Anspruchs noch unklar
Zur Beantwortung der Frage, ob die konkrete Höhe der gesicherten Forderung zwingend angegeben werden muss, gilt es, den Begriff der Bestimmbarkeit, der übereinstimmend für ausreichend und erforderlich erachtet wird (dazu oben Ziff. 1), näher zu betrachten. Dass die Bestimmbarkeit ausreicht, geht auf das – insofern auch heute noch wegweisende – Urteil des RG v. 21.6.1932 – VII 467/31, RGZ 136, 422 zur Verpfändung einer Grundschuld zurück (vgl. Blath, in: Heckschen/Heidinger, Kap. 13 Rn. 99).

Dort führte das RG aus:

„Die Erklärung über die Verpfändung einer Grundschuld muss also auch die Forderung nennen, die durch die Verpfändung gesichert sein soll (…). Nicht erforderlich ist allerdings, daß die Forderung in allen ihren Einzelheiten in der Urkunde angegeben ist; (…); es dürfen zur Auslegung Umstände außerhalb der Urkunde herangezogen werden; aber die Forderung muß doch irgendwie, wenn auch nur unvollkommen, in der Urkunde bezeichnet sein, sodaß sie wenigstens in Verbindung mit anderen Umständen festgestellt werden kann. Dies ist z.B. der Fall, wenn eine Sache oder ein Recht wegen aller gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen verpfändet wird (…); dann kann kein Zweifel über die pfandgesicherten Forderungen entstehen, sie sind in der Urkunde hinreichend deutlich bestimmt.“

(RGZ 136, 422, 424 f.; Herv. d. DNotI)

Demnach ist es möglich, ohne Beurkundung des Darlehensvertrags eine Verpfändung von Geschäftsanteilen für künftige Forderungen, die (nur) der Höhe nach noch unbestimmt sind, vorzunehmen (das Problem der Übersicherung hier einmal ausgeklammert). Jedoch ist es stets – und allein – erforderlich, dass aus der Urkunde hinreichend deutlich hervorgeht, welche Forderungen gesichert sind. Es zeigt sich, dass es – vor dem Hintergrund der Akzessorietät des Pfandrechts (vgl. oben Ziff. 1) – nicht um eine Formfrage, sondern eine Frage des Inhalts und der Bestimmtheit der gesicherten Forderung geht. Denn selbst wenn der Darlehensvertrag mitbeurkundet würde, könnte die zu sichernde Forderung nicht hinreichend deutlich bestimmt sein. Die Frage ist also nicht, ob die konkrete Höhe der Forderung anzugeben ist, sondern wie präzise die gesicherte Forderung bezeichnet werden muss, damit sie hinreichend bestimmt ist. Sollte der Darlehensvertrag insofern Unklarheiten beinhalten, würde auch eine Verlesung dessen vollständigen Inhalts nicht helfen.

Es lässt sich aus der oben zitierten Passage der Reichsgerichtsentscheidung ableiten, dass es möglich ist, in der Urkunde textlich eine präzise Beschreibung auch eines künftigen gesicherten Anspruchs vorzunehmen. Es ist nicht erforderlich, die konkrete Höhe der Forderung festzulegen. Entscheidend ist jedoch eine so genaue Beschreibung, dass der gesicherte (ggf. künftige, §§ 1273 Abs. 2 S. 1, 1204 Abs. 2 BGB) Anspruch aus der Urkunde heraus zweifelsfrei bestimmbar und identifizierbar ist (vgl. auch von Rom, WM 2007, 2223, 2226 Fn. 31).

Eine Verpfändung ist daher grds. wirksam, wenn beim Rechtsgrund der Verpfändung ausgeführt wird, dass die Verpfändung der Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus dem Darlehensvertrag vom (…) zwischen der A-GmbH und der X-Bank dient (Darlehens- bzw. Kreditvertragsnummer 12345). Das vom Reichsgericht aufgestellte Erfordernis, wonach die Forderung „irgendwie, wenn auch nur unvollkommen“ in der Urkunde bezeichnet sein muss, sodass sie zumindest in Verbindung mit anderen Umständen festgestellt werden kann, dürfte hier grundsätzlich erfüllt sein. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass es sich auch um Ansprüche „aus dem Darlehensvertrag“ handeln muss, wenn diese durch eine solche Verpfändung gesichert sein sollen. Dies dürfte bei Schadenersatzansprüchen der Fall sein, sofern es sich um solche handelt, die ihre Grundlage in der Verletzung von Pflichten aus dem Darlehensvertrag haben (§§ 280 ff. BGB), nicht hingegen, wenn es beispielsweise um deliktische Ansprüche sonstiger Art ginge. Ähnliches gilt u. E. für Kostenerstattungsansprüche – resultieren diese aus dem Darlehensvertrag, liegt eine hinreichende Bestimmbarkeit vor. Handelt es sich aber beispielsweise um Kostenerstattungsansprüche aus einem neben dem Darlehensvertrag bestehenden allgemeinen Zahlungsdiensterahmenvertrag, so läge die erforderliche Bestimmtheit der Forderung nicht vor. Daran würden aber auch die Beurkundung und Mitverlesung des (gesamten) Darlehensvertrags nichts ändern, was erneut aufzeigt, dass es nicht um eine Frage der Form, sondern des Inhalts und der Bestimmtheit der gesicherten Forderung geht.

Gutachten/Abruf-Nr:

197440

Erscheinungsdatum:

31.07.2023

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 113-115

Normen in Titel:

BeurkG § 9; BGB § 1204; BGB § 1273; BGB § 1274