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Deutsches Notarinstitut
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Gutachten des Deutschen Notarinstitut Dokumentnummer: 1406# letzte Aktualisierung: 14. Juni 2004
Leider kam es im DNotI-Report 21/96 zu einem Druckfehler. Das dort unter der Dokumentennummer 1406 angekündigte Gutachten zum Grundstücks-, und Erbrecht der Schweiz finden Sie unter der Dokumentennummer 1407. Wir bedauern diesen Fehler.
USA/Washington, Testamentsform, Testamentseröffnung
I. Zum Sachverhalt Eine im Jahre 1969 verstorbene U.S.-amerikanische Erblasserin hat eine letztwillige Verfügung vom 8. September 1969 hinterlassen. Darin hat sie ihre Nichte und ihren Neffen zu Erben zu jeweils gleichen Teilen eingesetzt. Die im Jahre 1995 verstorbene Nichte wollte das ihr vermachte, in Gräfenhainichen/Deutschland belegene Grundvermögen schenkungsweise einem Freund zuwenden und hat zu diesem Zweck ein mit ,,Schenkungsurkunde" überschriebenes, von einem notary public in den USA beglaubigtes Schenkungsangebot abgegeben.
II. Fragestellung 1. 2. 3. Entspricht die letztwillige Verfügung den in den USA geltenden Formvorschriften? Welche Behörde ist für die Eröffnung dieser letztwilligen Verfügung zuständig? Ist die ,,Schenkungsurkunde" als gültiges Schenkungsangebot oder als Vollmacht zu werten?`
III. Zur Rechtslage 1. Formwirksamkeit der letztwilligen Verfügung Die Formgültigkeit letztwilliger Verfügungen bestimmt sich in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich nach dem Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 05.10.1961, welches für die Bundesrepublik am 01.01.1966 in Kraft getreten ist und gem. seinem Art. 6 ohne Rücksicht darauf anzuwenden ist, ob der Testator
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Angehöriger eines Vertragsstaates war oder ist. Nach Art. 1a des Haager
Testamentsübereinkommens ist das Testament aus unserer Sicht u. a. dann formgültig, wenn zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments die Ortsform gewahrt wurde. Bestimmungen über die Formerfordernisse eines Testaments im Staate Washington enthält der Revised Code of Washington (RCW) Titel 11 Probate Law and Procedure, Chapter 11.12.020. Diese Vorschrift bestimmt im Wortlaut: Requisites of wills. Foreign wills. Every will shall be in writing signed by the testator or by some other person under his direction in his presence, and shall be attested by two or more competent witnesses, subscribing their names to the will in the presence of the testator by his direction or request: Provided, That a last will and testament, executed without the state, in the mode prescribed by law, either of the place where executed or of the testator's domicile shall be deemed to be legally executed, and shall be of the same force and effect as if executed in the mode prescribed by the laws of this state. (Gesetzestext aus Ferid/Firsching/Lichtenberger, Internationales Erbrecht, USA, Texte III Nr. 46, Washington, Stand: 01.01.1986, S. 7).
Erforderlich ist also das schriftliche Zwei-Zeugen-Testament. Diesen Erfordernissen ist u. E. vorliegend Genüge getan: sowohl die Erblasserin als auch zwei Zeugen haben das schriftlich abgefaßte Testament unterzeichnet. 2. Eröffnungszuständigkeit Unter welchen Voraussetzungen eine internationale Zuständigkeit der deutschen Nachlaßgerichte besteht, ist heftig umstritten. Die gerichtliche Praxis geht in ständiger Rechtsprechung von dem als Gewohnheitsrecht angesehenen Grundsatz aus, daß ein deutsches Gericht (soweit keine staatsvertraglichen Verpflichtungen bestehen) grundsätzlich nur tätig werden darf, wenn auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen deutsches Erbrecht Anwendung findet (,,Gleichlaufgrundsatz", vgl. BayObLG, NJW-RR 1991, 1099; OLG Zweibrücken, OLGZ 1985, 414). Aus der Sicht dieser Rechtsprechung sind inländische Nachlaßgerichte demnach nur zuständig beim Tode eines deutschen Erblassers (Art. 25 Abs. 1 EGBGB), sofern sich die Erbfolge gem. Art. 3 Abs. 3 EGBGB nicht nach ausländischem Belegenheitsrecht richtet. Beim Tode ausländischer Erblasser besteht eine Zuständigkeit nur insoweit, als der Verstorbene gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB von der Wahlmöglichkeit zugunsten des deutschen Rechts Gebrauch gemacht hat,
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Art. 3 Abs. 3 EGBGB zugunsten des deutschen Belegenheitsrechts eingreift oder aber ausländisches Kollisionsrecht auf deutsches Recht zurückverweist (Art. 4 Abs. 1 EGBGB). Ein partieller Renvoi reicht aus (Staudinger/Dörner, 13. Aufl. 1995, Art. 25 EGBGB, Rn. 798). Es ist also vorliegend zu prüfen, welches Recht aus deutscher Sicht auf die Erbfolge anzuwenden ist. Grundsätzlich beurteilt sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen aus deutscher Sicht nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB. Gem. Art. 236 § 1 EGBGB bleibt jedoch auf vor dem Wirksamwerden des Beitritts abgeschlossene Vorgänge das bisherige IPR der ehemaligen DDR anwendbar. Die Weiteranwendung des bisherigen IPR der ehemaligen DDR kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn der Sachverhalt nach den Regeln des innerdeutschen Kollisionsrechts nach dem Recht der früheren DDR zu beurteilen ist (streitig, wie hier Palandt/Heldrich, 55. Aufl., Art. 236 EGBGB, Rn. 7; a. A. LG Berlin, FamRZ 1991, 1361). Ist dies nicht der Fall, bleibt es bei der Anwendung des bundesdeutschen Kollisionsrechts. Ob nach innerdeutschem Kollisionsrecht vorliegend das Recht der ehemaligen DDR oder das der Bundesrepublik Deutschland zur Anwendung kommt, kann jedoch dahinstehen, da vor dem 01.01.1976 und damit für den hier maßgeblichen Zeitpunkt (Erbfall im Jahre 1969) auch im Gebiet der ehemaligen DDR die Art. 24 - 31 EGBGB a. F. galten. Gem. Art. 24, 25 EGBGB a. F. richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen grundsätzlich nach dem Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes, vorliegend also nach dem Recht des Staates Washington/USA. Der Verweis auf das Recht eines fremden Staates ist gem. Art. 27 EGBGB a. F. als Gesamtverweisung zu verstehen, so daß zunächst das IPR der berufenen Rechtsordnung zu beachten ist. Washington unterscheidet wie die übrigen Common-Law-Staaten bei gesetzlicher wie testamentarischer Erbfolge zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen, wobei es den unbeweglichen Nachlaß der lex rei sitae unterstellt, den beweglichen des Rechts des Domizils des Erblasser zur Zeit seines Todes (Ferid/Firsching/Lichtenberger, a. a. O., S. 1). Für unbewegliches, in Deutschland belegenes Vermögen kommt es mithin zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht und damit zur internationalen Zuständigkeit der deutschen Nachlaßgerichte. Es ist also festzuhalten, daß die deutschen Nachlaßgerichte international zur Eröffnung des U.S.amerikanischen Testaments zuständig sind. 3. Schenkungsangebot
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Hinsichtlich des ,,Schenkungsangebots" ist zunächst zu prüfen, welches Recht Anwendung findet. Zu diesem Zwecke ist zu fragen, ob das ,,Schenkungsangebot" schuldrechtlich oder erbrechtlich zu qualifizieren ist. a) Qualifikation Da vorliegend die Miterbengemeinschaft, bestehend aus Nichte und Neffen der Erblasserin wohl noch nicht auseinandergesetzt ist, ist das ,,Schenkungsangebot" rechtlich als Angebot zur schenkweisen Übertragung eines Miterbenanteils zu werten. Zwar kann ein Miterbe grundsätzlich nicht über seinen Anteil an einzelnen Nachlaßgegenständen (hier am unbeweglichen in Deutschland belegenen Vermögen) verfügen (§ 2033 Abs. 2 BGB), jedoch gilt dieser Grundsatz nicht, soweit die vom U.S.-amerikanischen Recht angeordnete Nachlaßspaltung zu zwei völlig getrennt zu beurteilenden Erbmassen führt. Dies ist aber hier eben der Fall. Die - auch schenkweise - Verpflichtung zur Übertragung eines Miterbenanteils richtet sich nach herrschender Meinung nach dem Erbstatut (KG, IPR-Rspr. 1972 Nr. 6, S. 16; MünchKomm-Birk, 2. Aufl., Art. 26 EGBGB, Rn. 155; Palandt/Heldrich, 55. Aufl., Art. 25 EGBGB, Rn. 10; a. A. Staudinger/Dörner, a. a. O., Art. 25 EGBGB, Rn. 416 - Schuldstatut). Folgt man der herrschenden Meinung, so ist nunmehr das Erbstatut nach dem anzuwendenden Recht zu befragen. b) Anwendbares Recht Wie bereits oben ausgeführt, kommt es hinsichtlich unbeweglichen Vermögens zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht. Inwieweit das Schenkungsangebot nach deutschem Recht wirksam abgegeben wurde, kann jedoch vorliegend dahinstehen, da das Angebot jedenfalls nicht formgültig abgegeben sein dürfte. Ein Rechtsgeschäft ist gem. Art. 11 Abs. 1 EGBGB dann formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist, oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird. Die Ortsform beurteilt sich vorliegend nach U.S.-amerikanischem Recht. Dieses allerdings bestimmt keine Form für einen Schenkungsvertrag, da es bereits die Schenkung als Vertrag nicht kennt. Auf das Ortsrecht kann dann nicht abgestellt werden, wenn es das Geschäft nicht kennt und deshalb keine Formregelung bereithält (Erman/Hohloch, 9. Aufl., Art. 11 EGBGB, Rn. 24). Voraussetzung für einen Vertrag nach U.S.-amerikanischem Recht ist,
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daß dem abgegebenen Versprechen eine consideration, d. h. eine Gegenleistung gegenübersteht (Hay, Einführung in das amerikanische Recht, 4. Aufl., S. 72). Ein Vertrag ohne consideration ist leer, illusory, und verpflichtet nicht. Mit der Abschaffung der contracts under seal, in denen die Form und nicht die consideration Verpflichtungsgrundlage war, ist es daher - selbst bei Schriftform - im amerikanischen Recht unmöglich, ein bindendes Schenkungsversprechen abzugeben (Hay, a. a. O.). Die Schenkung kann zwar tatsächlich vollzogen werden, das Schenkungsversprechen ist aber nicht einklagbar (Hay, a. a. O.). Vorliegend könnte man allerdings zu der Auffassung gelangen, daß das Rechtsgeschäft aus amerikanischer Sicht (,,...schenkt, übereignet und überträgt...") bei Unterstellung einer konkludenten Annahme bereits vollzogen ist. Art. 11 Abs. 5 EGBGB, welcher für Rechtsgeschäfte, durch welche über das Recht an einer Sache verfügt wird, auf das Geschäftsstatut abstellt, findet für die Übertragung eines Erbteils auch keine entsprechende Anwendung (Palandt/Heldrich, 55. Aufl., Art. 11 EGBGB, Rn. 22, a. A. Ludwig, NJW 1983, 495, 496). Zu bedenken ist jedoch, daß das amerikanische Recht die Abtretung von Miterbenanteilen gar nicht kennt, so daß man wieder zur Formleere gelangt. Man könnte allenfalls erwägen, die Vorschriften für die Übertragung von Erbanwartschaften zur Anwendung gelangen zu lassen, welche eine formlose Übertragung gestatten (Ferid/Firsching/Lichtenberger, USA, Grdz., Rn. 88). Auch nach deutschem Recht (Geschäftsstatut) ist das Schenkungsversprechen nicht formgültig abgegeben worden. Gem. § 518 Abs. 1 BGB ist das Schenkungsversprechen nur wirksam, wenn es notariell beurkundet wurde. Das vorliegende Schenkungsangebot wurde von einem notary public lediglich beglaubigt, nicht aber beurkundet. Eine solche Beglaubigung kann jedoch nicht als gleichwertig mit der Beurkundung durch einen deutschen Notar angesehen werden. Auch die - wohl sehr schwer mögliche - Umdeutung des ,,Schenkungsangebots" als Vollmacht würde dem ,,Beschenkten" nicht weiterhelfen, da eine Befreiung von dem Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) nicht enthalten ist.