04. Februar 2022
BGB § 515

Entgeltliche Finanzierungshilfe beim Mietkauf; Mietvertrag mit der Option, den gezahlten Mietzins auf den verzinsten Kaufpreis anzurechnen

BGB § 515
Entgeltliche Finanzierungshilfe beim Mietkauf; Mietvertrag mit der Option, den gezahlten Mietzins auf den verzinsten Kaufpreis anzurechnen#

I. Sachverhalt
Zwischen einer GmbH als Eigentümerin und einem Verbraucher soll ein Mietvertrag nebst Ankaufsrecht abgeschlossen werden. Die Miete soll auf den künftig ggf. fällig werdenden, zu verzinsenden Kaufpreis angerechnet werden.

II. Fragen
1. Sind die Bestimmungen zur entgeltlichen Finanzierungshilfe anwendbar, obwohl keine der in § 506 Abs. 2 BGB aufgeführten Voraussetzungen vorliegt?

2. Gelten die Bestimmungen zur unentgeltlichen Finanzierungshilfe gem. § 515 BGB und die Paragraphen, auf die dort verwiesen wird, sofern die Bestimmungen zur entgeltlichen Finanzierungshilfe nicht anwendbar sind?

III. Zur Rechtslage
Gem. § 506 Abs. 1 S. 1 BGB gelten besondere Vorschriften für einen entgeltlichen Zahlungsaufschub oder sonstige entgeltliche Finanzierungshilfen, die ein Unternehmer einem Verbraucher gewährt. Hier liegt ein Mietkauf vor, d. h. ein Mietvertrag, bei dem der Mieter das Recht hat, innerhalb einer bestimmten Frist die Sache zu einem vorher bestimmten Preis zu kaufen, wobei die Miete ganz oder zum Teil auf den Kaufpreis angerechnet wird (BGH NJW-RR 1990, 1257, 1258). Es stellt sich die Frage, ob der Mietkauf unter § 506 BGB fällt.

1. Zahlungsaufschub
§ 506 Abs. 1 S. 1 BGB bezieht sich zum einen auf den Fall eines Zahlungsaufschubs. Ein Zahlungsaufschub liegt im vorliegenden Fall jedoch nicht vor, weil die Zahlung des Kaufpreises nach den gesetzlichen Bestimmungen erst mit dem Abschluss des Kaufvertrags anfällt (vgl. MünchKommBGB/Schürnbrand/Weber, 8. Aufl. 2019, § 506 Rn. 30; Hügel, in: Hügel/Salzig, Mietkauf, 2. Aufl. 2010, B Rn. 164, Mairose, RNotZ 2012, 467, 475). Auch handelt es sich nicht um ein Teilzahlungsgeschäft (als Sonderform des Zahlungsaufschubs, BeckOGK-BGB/Haertlein, Std.: 1.12.2021, § 506 Rn. 47), da das Grundstück nicht gegen Teilzahlungen übereignet wird (vgl. die Legaldefinition der Teilzahlung in § 506 Abs. 3 BGB), sondern die Zahlung des Kaufpreises erst mit Ausübung der Option durch den Verbraucher fällig wird.

2. Entgeltliche Finanzierungshilfe
Die Konstruktion könnte jedoch eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe sein. „Entgeltlichkeit“ bezieht sich auf die Finanzierungshilfe, nicht auf den finanzierten Vertrag (hier also den Kaufvertrag). Die Finanzierungshilfe ist dann entgeltlich, wenn für ihre Inanspruchnahme eine zusätzliche oder höhere Gegenleistung gefordert wird; dies kann rechtlich auf verschiedene Arten konstruiert werden (Hügel, B Rn. 163; BeckOGK-BGB/Haertlein, § 506 Rn. 15; MünchKommBGB/Schürnbrand/Weber, § 506 Rn. 7 und § 491 Rn. 37 f.). Ein solches Entgelt liegt etwa dann vor, wenn die gezahlten Mietzinsen nur teilweise angerechnet werden, lässt sich aber auch dann bejahen, wenn der Kaufpreis sich verzinst (wie hier), da dies dazu führt, dass für eine längere Inanspruchnahme der Mietzinsanrechnung (also eine spätere Ausübung der Option) ein höherer Kaufpreis zu zahlen ist.

Es muss ferner eine „Finanzierungshilfe“ vorliegen. Nach § 506 Abs. 2 S. 1 BGB gelten bestimmte Verträge über die entgeltliche Nutzung als entgeltliche Finanzierungshilfe. Diese Vorschrift greift hier jedoch nicht ein, da der Erwerber frei darüber entscheiden kann, ob er den Gegenstand erwirbt. Der Verbraucher ist weder zum Erwerb des Grundstücks verpflichtet (§ 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB) noch kann der Unternehmer vom Verbraucher den Erwerb des Gegenstands verlangen (§ 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB). Auch für einen bestimmten Wert des Gegenstandes bei Beendigung des Vertrages hat der Verbraucher nicht einzustehen (§ 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB).

Fraglich ist jedoch, ob auch in den Fällen, die nicht unter § 506 Abs. 2 S. 1 BGB fallen, auf § 506 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB als allgemeine Definition der Finanzierungshilfe zurückgegriffen werden kann. Nach in der Literatur teilweise vertretener Ansicht gilt der bisherige Begriff der Finanzierungshilfe auch nach der Neufassung des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie fort (vgl. Bülow, in: Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 9. Aufl. 2016, § 506 BGB Rn. 81, 83; Bülow, WM 2014, 1413, 1414). Demgegenüber geht die überwiegende Meinung davon aus, § 506 Abs. 2 S. 1 BGB enthalte eine abschließende Aufzählung der entgeltlichen Finanzierungshilfe (OLG Düsseldorf NJW-RR 2013, 1069; OLG Hamm BeckRS 2020, 25026, Rn. 62; Godefroid, SVR 2013, 161, 164; Skusa, NJW 2011, 2993, 2996; MünchKommBGB/Schürnbrand/Weber, § 506 Rn. 25, 28). Dieser Ansicht hat sich der BGH in einem Urteil vom 24.2.2021 angeschlossen (BGH NJW 2021, 1942). Er hat ausgeführt, der Gesetzgeber habe eine klare Unterscheidung zwischen Nutzungsverträgen und Finanzierungshilfen treffen wollen. Die überschießende Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie in § 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB zeige, dass der Gesetzgeber die Aufzählung in § 506 Abs. 2 als abschließende Aufzählung gemeint habe. Anderes folge auch nicht aus der Gesetzesbegründung (BGH NJW 2021, 1942, 1944 f., Rn. 29-36).

Die Begründung überzeugt. Zumindest für die Praxis dürfte daher davon auszugehen sein, dass auch Mietkaufverträge, die sich – wie vorliegend – nicht unter die Voraussetzungen des § 506 Abs. 2 S. 1 BGB subsumieren lassen, keine entgeltliche Finanzierungshilfe i. S. d. § 506 BGB darstellen. Die frühere Literaturauffassung, die mit dem Argument, dass die unter der Bedingung der Optionsausübung stehende Kaufpreisforderung kreditiert werde und die Gestaltung damit einem Darlehen gleichkomme, davon ausgegangen ist, dass der Mietkauf eine sonstige Finanzierungshilfe sei (vgl. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 9. Aufl. 2020, Rn. 12; Hügel, B Rn. 166; Mairose, RNotZ 2012, 467, 475; Drettmann/Jatzek, in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl. 2019, Kap. I, Rn. 92; BeckOK-BGB/Möller, Std.: 1.5.2021, § 506 Rn. 9; Krauß, Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 1 Rn. 84; zur Rechtslage vor 2014 Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, 2012, § 506 Rn. 38; einschränkend (unterfallen dem Verbraucherkreditrecht nur noch in Fällen des § 506 Abs. 2 BGB) MünchKommBGB/Schürnbrand/Weber, § 506 Rn. 30; ablehnend jetzt wohl auch zum Fall des Mietkaufs BeckOGK-BGB/Haertlein, § 506 Rn. 28), dürfte damit überholt sein. Wir weisen allerdings darauf hin, dass explizite Rechtsprechung zum Mietkauf noch nicht ergangen ist; auch eine Einordnung der Entscheidung des BGH durch die Literatur mit Blick auf den Mietkauf steht überwiegend noch aus.

§ 506 BGB könnte ausnahmsweise doch anwendbar sein, wenn die vertragliche Gestaltung so ist, dass der Verbraucher zwar nicht rechtlich (dann läge ein Fall des (§ 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB vor), aber wirtschaftlich zum Erwerb des Grundstücks gleichsam gezwungen ist. Entsprechend wird teilweise die jedenfalls entsprechende Anwendung und damit die Qualifizierung des Mietkaufs als Finanzierungshilfe bejaht, wenn es „wirtschaftlicher Vernunft“ entgegenstünde, die Option nicht auszuüben, etwa weil während einer unkündbaren Grundmietzeit bereits Amortisation eingetreten sei (Bülow, in: Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 9. Aufl. 2016, § 506 Rn. 78; ähnlich Skusa, NJW 2011, 2993, 2998). Als methodische Grundlage hierfür kommt eine Analogie zu einer der drei Tatbestandsalternativen – hier § 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB – oder die nach § 512 BGB erfasste Umgehung in Betracht (für Letzteres Skusa, NJW 2011, 2993, 2998). Die Hürden für eine Analogie dürften allerdings hoch liegen. Es ist insgesamt nicht folgerichtig, durch eine Analogie den Katalog des § 506 Abs. 2 BGB doch wieder auszuweiten. Auch der BGH hat eine analoge Anwendung von § 506 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB auf Leasingverträge mit Kilometerabrechnung abgelehnt (BGH NJW 2021, 1942, 1946, Rn. 43 entgegen OLG Düsseldorf NJW-RR 2013, 1069, Rn. 27). Der Gesetzesbegründung sei eine planwidrige Regelungslücke nicht zu entnehmen, insbesondere gehe daraus nicht hervor, dass der Gesetzgeber das bisherige Verbraucherschutzniveau habe erhalten wollen. Diese Begründung dürfte sich auch auf den in § 506 Abs. 2 BGB ebenfalls nicht erwähnten Fall des Mietkaufs übertragen lassen. Um zu argumentieren, dass der Fall eine Umgehung der Erwerbspflicht darstelle, müssten die Verhältnisse ebenfalls so extrem sein, dass der Verbraucher „objektiv betrachtet die Kaufoption ausüben wird“ (Skusa, NJW 2011, 2993, 2998 mit dem Beispiel eines Kaufpreises von einem Euro bei einem Verkehrswert von 10.000 Euro). Ob ein solcher Fall hier vorliegt, kann von uns nicht beurteilt werden.

3. Keine Unentgeltlichkeit
Mangels Unentgeltlichkeit greift auch § 515 BGB nicht ein, da § 515 BGB nur unentgeltliche Zahlungsaufschübe oder Finanzierungshilfen erfasst (MünchKommBGB/Schürnbrand/Weber, § 515 Rn. 2; BeckOGK-BGB/Harnos, Std.: 1.9.2021, § 515 Rn. 4; zur Bejahung der Entgeltlichkeit s. bereits oben 2.).

Gutachten/Abruf-Nr:

188006

Erscheinungsdatum:

04.02.2022

Rechtsbezug

National

Erschienen in:

DNotI-Report 2022, 17-19

Normen in Titel:

BGB § 515