04. März 2022
BGB § 21; AktG § 179a

Analoge Anwendung des § 179a AktG auf den Verein; Veräußerung des Vermögens im Ganzen eines eingetragenen Vereins; Gesamtvermögensgeschäft; Zustimmung der Mitgliederversammlung

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Abruf-Nr.: 188343
letzte Aktualisierung: 04. März 2022

AktG § 179a; BGB § 21
Analoge Anwendung des § 179a AktG auf den Verein; Veräußerung des Vermögens im
Ganzen eines eingetragenen Vereins; Gesamtvermögensgeschäft; Zustimmung der
Mitgliederversammlung

I. Sachverhalt

Der Verein V will sein ganzes Vermögen, ein Grundstück, an eine Stiftung verschenken.

II. Frage

Ist § 179a AktG (analog) einschlägig?

III. Zur Rechtslage

Das BGB sieht selbst keine Zustimmungspflichten der Mitgliederversammlung bei der
Veräußerung des gesamten Vermögens eines Vereins vor. Die Vertretungsmacht des Vorstands
im Außenverhältnis ist gleichwohl nicht stets unbeschränkt, sondern kann durch die Satzung mit
Wirkung gegen Dritte beschränkt werden (vgl. § 26 Abs. 1 S. 3 BGB). Eine Zustimmungspflicht
könnte sich unabhängig davon aus einer analogen Anwendung von § 179a AktG auf diesen
Sachverhalt bei Vereinen ergeben.

Ein Vertrag, durch den sich eine AG zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens verpflichtet,
bedarf eines Beschlusses der Hauptversammlung mit satzungsändernder Mehrheit (vgl.
§ 179a Abs. 1 S. 1 AktG i. V. m. § 179 Abs. 2 AktG). Der Zustimmungsbeschluss ist Wirksamkeitsvoraussetzung
für das Rechtsgeschäft im Außenverhältnis (vgl. BGH NJW 1995, 596; zur
ganzen Thematik eingehend Hüren, RNotZ 2014, 77). Wie sich aus dem Wortlaut des § 179a
AktG („verpflichtet“) ergibt, gilt die Vorschrift nur für das schuldrechtliche Grundgeschäft, nicht
jedoch für das dingliche Erfüllungsgeschäft (vgl. BGH NJW 1991, 2564, 2565).

Inwieweit § 179a AktG auf Vereine anwendbar ist, ist derzeit nicht rechtssicher geklärt
(Heckschen, in: Beck´sches Notar-Handbuch, 7. Aufl. 2019, § 25 D. II. Rn. 14o). Es finden sich
dazu nur vereinzelt Stellungnahmen innerhalb der Rechtsprechung und der Literatur (Heckschen,
§ 25 D. II. Rn. 14o; Eschwey, MittBayNot 2018, 299, 312; Leitzen, NZG 2012, 491, 493;
Stellmann/Stoeckle, WM 2011, 1983, 1984).

1. Literatur

Innerhalb der früheren Literatur wurde eine Anwendung des § 179a AktG auf den eingetragenen
Verein als durchaus denkbar betrachtet (dafür Stellmann/Stoeckle, WM 2011, 1983,
1984; wohl auch Leitzen, NZG 2012, 491, 493), denn der Verein ist Körperschaft und seine
Mitglieder könnten im Hinblick auf den Erhalt des Vereinsvermögens gleichermaßen schutzwürdig
sein wie die Aktionäre einer AG. Die Anwendung wurde gleichwohl nicht einhellig
bejaht (dagegen Lettl, AcP 203 [2003], 149, 199 f., der einen Beschluss, nicht aber qualifizierte
Mehrheit verlangt, da es beim Idealverein die Gefahr einer Vermögensübertragung auf den
Mehrheitsgesellschafter nicht gebe; zustimmend wohl MünchKommAktG/Stein, § 179a
Rn. 14 Fn. 23; ähnlich Leuschner, Non Profit Law Yearbook, 2012/2013, 107, 114 f., der im
Verein typischerweise den Vermögensschutz nicht tangiert sieht, aber ggf. zu einem Zustimmungserfordernis
bei „Unterschreiten des statutarischen Unternehmensgegenstands“
kommt). In jüngerer Zeit hat sich Eschwey (MittBayNot 2018, 299, 312) gegen eine Anwendung
der Norm auf Vereine ausgesprochen.

2. Obergerichtliche Rechtsprechung

Obergerichtliche Rechtsprechung zu der Frage der Anwendbarkeit des § 179a AktG auf den
Verein existiert soweit ersichtlich nicht. Weber (DNotZ 2018, 96, 101) erläutert ein Urteil des
Reichsgerichts (v. 13.5.1929 – II 313/28, RGZ 124, 279, 294). In dem zu entscheidenden Fall
hatte ein Stahlverein große Teile seines Vermögens übertragen. Das Reichsgericht verneinte
aber nicht die analoge Anwendung des damals gültigen § 303 HGB (1897) – welcher
funktional dem heutigen § 179a AktG nahe kam („Eine Verwerthung des
Gesellschaftsvermögens durch Veräußerung des Vermögens im Ganzen ist nur auf Grund
eines Beschlusses der Generalversammlung zulässig. Der Beschluß bedarf einer Mehrheit, die
mindestens drei Viertheile des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt;
…) – auf den Stahlverein, sondern wies die Klage nur ab, weil es sich nicht um das gesamte
Vermögen gehandelt hat.

Ferner setzte sich das OLG Brandenburg (Beschl. v. 29.7.2004 – 5 W (Lw) 55/03 [juris]) mit
der Frage der Anwendbarkeit des § 179a AktG auf eine Genossenschaft auseinander und
erklärte § 179a AktG auf diese für anwendbar.

So führt das OLG Brandenburg aus:

„Dieser Rechtsgedanke des § 179 a AktG ist auf andere Gesellschaftsformen
ohne weiteres übertragbar. Veräußert nämlich eine
Gesellschaft ihr gesamtes Vermögen, so bedeutet dies in der Regel
die Einstellung des eigenen Geschäftsbetriebes. Dies führt, wenn
es nicht gar zur Auflösung der Gesellschaft zwingt, zu einer
Änderung des Gesellschaftszwecks. Aus diesem Grund schreibt
§ 179a AktG für diesen Fall die Zustimmung der Hauptversammlung
vor. Der Rechtsgedanke dieser Vorschrift, der nach h. M.
auch für die GmbH gilt, trifft auch auf Personengesellschaften zu.

Eine derartige Umgestaltung der Gesellschaft, die mit der
Veräußerung des von ihr bis dahin betriebenen Unternehmens verbunden
ist, wird von der Vertretungsmacht des oder der geschäftsführenden
Gesellschafter nicht mehr gedeckt (BGH NJW 1995,
596). Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für eine Genossenschaft.“

3. BGH-Entscheidung zur analogen Anwendung des § 179a AktG auf die GmbH
Der BGH hat sich zu der Frage, ob § 179a AktG auf Vereine anwendbar ist, bisher nicht
geäußert. In seinem Urt. v. 8.1.2019 (II ZR 364/18, NZG 2019, 505) entschied der BGH
jedoch, dass bei der GmbH keine analoge Anwendung des § 179a AktG in Frage kommt. Die
bisher wohl h. M. im Schrifttum (Heidinger/Blath, in: Heckschen/Heidinger, Die GmbH in
der Gestaltungs- und Beratungspraxis, 4. Aufl. 2018, Kap. 13 Rn. 24; Wicke, GmbHG,
3. Aufl. 2016, § 53 Rn. 3; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl. 2019, § 53
Rn. 18; Weber, DNotZ 2018, 96, 120) forderte analog zu § 179a AktG bei der Veräußerung
des ganzen Vermögens einer GmbH dagegen bislang einen Zustimmungsbeschluss der
Gesellschafterversammlung. Der BGH erteilte aber der analogen Anwendung dieser Norm
auf das GmbH-Recht eine Absage. Die Gesellschafter einer GmbH seien weniger
schutzwürdig als Aktionäre, da GmbH-Gesellschafter wesentlich stärkere Einflussmöglichkeiten
hätten (BGH, NZG 2019, 505Rn. 23). Weiterhin spreche eine Interessenabwägung
zwischen dem Schutz des Gesellschaftsinteresses und dem Schutz des redlichen Rechtsverkehrs
bei einer Gesamtvermögensveräußerung gegen eine analoge Anwendung des § 179a
AktG auf die GmbH (BGH, NZG 2019, 505Rn. 31). Eine Notwendigkeit zur Einholung
eines Gesellschafterbeschlusses aufgrund von § 179a AktG ergebe sich bei der ganzen Veräußerung
des Vermögens einer GmbH nicht.

Offen lässt der BGH in dieser Entscheidung die nicht streitgegenständliche Frage, ob § 179a
AktG auch auf die Personenhandelsgesellschaft oder explizit auf Vereine Anwendung findet.
Insoweit könnte daraus gefolgert werden, dass dort eine analoge Anwendung in Frage kommen
könnte. Auch die ersten Anmerkungen zu der BGH-Entscheidung enthielten keine klare
Aussage, ob § 179a AktG analog auf die KG Anwendung findet (Götze, NZG 2019, 695,
697: „Inwieweit die neue Entscheidung auf das Personengesellschaftsrecht abstrahlt, bleibt
abzuwarten.“). Heckschen (AG 2019, 420, 422) äußert sich dahingehend, dass zwar offen sei,
wie sich die Entscheidung des BGH auf Personengesellschaften auswirken würde, aber davon
auszugehen sei, dass § 179a AktG bei der KG keine Anwendung in analoger Form finden
würde. Er verweist darauf, dass eine aktuelle Entscheidung des OLG Düsseldorf (RNotZ
2018, 191) dem BGH zur Revision vorliegt. Dort ging es auch u. a. um die Anwendung des
§ 179a AktG analog bei Personengesellschaften. Dezidiert setzt sich Meier (DNotZ 2020, 246)
mit der Frage der Anwendung des § 179a AktG bei Personengesellschaften auseinander und
lehnt mit Argumenten, die auch unabhängig von der BGH-Entscheidung Geltung
beanspruchen, die analoge Anwendung des § 179a AktG auf Personengesellschaften ab.

Entscheidende Faktoren, die dazu führen, dass die Analogievoraussetzungen entfallen, sind
dabei, dass bei juristischen Personen im Grundsatz jeder zum organschaftlichen Vertreter
bestellt werden und somit die Handlungen der Gesellschaft nach außen steuern kann,
während im Rahmen der zwingenden Selbstorganschaft bei Personengesellschaften allein die
Gesellschafter zu Geschäftsführung und Vertretung berufen sind. Auch die personalistischere
Grundkonzeption der Personengesellschaft spricht gegen eine Analogie. Während bei
Kapitalgesellschaften die Anteile etwa nach § 15 Abs. 1 GmbHG von Gesetzes wegen vererbund
veräußerlich sind, führt bei der GbR der Austritt oder Tod eines Gesellschafters nach
§§ 723 Abs. 1, 727 Abs. 1 BGB sogar grundsätzlich zur Auflösung der Gesellschaft.

4. Rückschlüsse auf die Anwendbarkeit des § 179a AktG auf den Verein

Der BGH (NZG 2019, 505) trifft in seiner Entscheidung zur analogen Anwendbarkeit des
§ 179a AktG auf eine GmbH keine Aussage zu der Thematik der Vereine. Vor dem
Hintergrund dieser Entscheidung dürfte aber das Urteil des OLG Brandenburg (Beschl. v.
29.7.2004 – 5 W (Lw) 55/03 [juris]) jedenfalls allgemein überholt sein. Die Argumentation
des Gerichts orientiert sich maßgeblich an der damalig vorherrschenden Ansicht in Literatur
und Rechtsprechung, wonach eine analoge Anwendung des § 179a AktG auf andere
Rechtsformen ganz überwiegend bejaht wurde. Dies wurde aber jedenfalls für die GmbH
durch den BGH bereits eingeschränkt. Die Literatur tendiert dazu, § 179a AktG ebenfalls
nicht analog auf Personengesellschaften anzuwenden (Meier, DNotZ 2020, 246; s. auch
Knaier, in: Kölner Handbuch Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2021, Kap. 1 Rn. 35 ff. jew. m. w.
N.).

Der Verein ist zwar der Grundtypus der körperschaftlich strukturierten juristischen Person.

Gegen eine Anwendbarkeit des § 179a AktG auf den Verein spricht aber letztlich – neben
den in Bezug auf die GmbH vorgebrachten Argumenten – dass beim Verein die Vertretungsmacht
des Vorstands durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden
kann (vgl. § 26 Abs. 1 S. 3 BGB). Bei anderen Körperschaften und insbesondere auch bei der
AG ist die Vertretungsmacht des Leitungsorgans gegenüber Dritten nicht beschränkbar. Dies
gilt insbesondere auch für die GmbH, bei welcher der BGH die Anwendbarkeit des § 179a
AktG bereits verneint hat. Zwar ist § 26 Abs. 1 S. 3 BGB auch für den Verein nicht die Regel,
sondern die Mitgliederversammlung muss gestalterisch tätig werden. Aber allein die Möglichkeit,
außenwirksam die Vertretungsmacht des Vorstands zu beschränken, verringert die durch

§ 179a AktG für die AG und deren Aktionäre unterstellte Schutzbedürftigkeit deutlich.
5. Ergebnis

Zwar sprechen gute Gründe gegen eine analoge Anwendung des § 179a AktG auf den Verein.
Mangels höchstrichterlicher Entscheidung und uneinheitlicher Meinung in der Literatur muss
die Rechtslage dennoch als derzeit unsicher und noch nicht abschließend geklärt gelten.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass dann, wenn ein Zustimmungserfordernis im
Innenverhältnis besteht, eine Beschränkung der Vertretungsmacht auch im Außenverhältnis
über die Grundsätze zum Missbrauch der Vertretungsmacht denkbar ist (BGH NZG 2019,
505, 509 ff.). Dabei bejaht der BGH eine solche Beschränkung im Innenverhältnis auch ohne
eine ausdrückliche Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag bei der GmbH. Insoweit lässt sich
eine im Innenverhältnis wirksame Begrenzung der Vertretungsmacht auch für den Verein
nicht ausschließen, so dass es sich im Wege der Einhaltung des sichersten Weges empfehlen
wird, die Zustimmung der Mitgliederversammlung einzuholen.

Gutachten/Abruf-Nr:

188343

Erscheinungsdatum:

04.03.2022

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Unternehmenskauf
Verein

Normen in Titel:

BGB § 21; AktG § 179a