22. Januar 2021
GmbHG § 40

Großbritannien: Brexit; Übergang eines Geschäftsanteils aufgrund Erlöschens einer englischen Limited auf den alleinigen shareholder der Limited

GmbHG § 40
Großbritannien: Brexit; Übergang eines Geschäftsanteils aufgrund Erlöschens einer englischen Limited auf den alleinigen shareholder der Limited

I. Sachverhalt
Eine private company limited by shares, die nach dem Recht des Vereinigten Königreichs (hier: England) gegründet wurde, im Companies House in Cardiff registriert ist und in Großbritannien keinen eigenen Geschäftsbetrieb hat, ist im deutschen Handelsregister mit einer Zweigniederlassung eingetragen. Die Gesellschaft hat Anteile an verschiedenen GmbHs mit Sitz in Deutschland erworben und fungiert als Zwischenholding. Der einzige an der limited company ausgegebene Anteil (share) stand ursprünglich einer natürlichen Person zu. Diese natürliche Person hat in Erwartung des BREXIT im Wege einer Kapitalerhöhung bereits im Jahre 2018 den ihr zustehenden Anteil an der limited company in eine weitere GmbH mit Sitz in Deutschland eingebracht.

II. Fragen
1. Ergibt sich aus dem Austrittsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union die Fortgeltung der vom EuGH entwickelten Gründungstheorie im Verhältnis zum Vereinigten Königreich?

2. Ist aufgrund des Ablaufs des Übergangszeitraums für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union am 31.12.2020 die limited company erloschen?

3. Ist für die in die limited company eingebrachten GmbH-Anteile nun eine aktualisierte Gesellschafterliste zu erstellen, wonach diese auf die Mutter-GmbH übergegangen sind?

III. Zur Rechtslage
1. Grundsätzliche Geltung der Sitztheorie
Aufgrund der ständigen Rechtsprechung des BGH und der anderen Gerichte gilt für die Beurteilung der Rechtsfähigkeit einer im Ausland nach ausländischem Recht gegründeten und errichteten Kapitalgesellschaft (Anerkennung) das Recht des Staates, in dem die ausländische Gesellschaft den tatsächlichen Sitz ihrer Hauptniederlassung hat (sog. Sitztheorie, BGH NJW 2009, 289 – Trabrennbahn; BeckRS 2009, 228205 – Singapur Limited; MünchKommBGB/Kindler, 8. Aufl. 2020, IntGesR Rn. 423 m. zahlr. w. N.). Nach der vom BGH rezipierten sog. Sandrock’schen Formel ist der tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung der „Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Vertretungsorgane, also der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden“ (NJW 1986, 2194, 2195).

2. Geltung der Gründungstheorie aufgrund der Rechtsprechung des EuGH
Im Verhältnis zu Kapitalgesellschaften, die nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründet wurden, wurde die Sitztheorie durch die „Europäische Gründungstheorie“ überlagert. Im Centros-Urteil vom 9.3.1999 erstreckte der EuGH die Niederlassungsfreiheit, die für Kapitalgesellschaften aktuell in Art. 49, 54 AEUV niedergelegt ist, auch auf sog. Briefkastengesellschaften (NJW 1999, 2027). Durch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Überseering“ wurde dies ausdrücklich auch für den Fall anerkannt, dass eine nach niederländischem Recht gegründete besloten vennootschap – B.V. – ihren Verwaltungssitz von den Niederlanden nach Deutschland verlegt (NJW 2002, 3614). Im Gefolge dieser beiden Entscheidungen wird in Deutschland einhellig angenommen, dass in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gegründete Kapitalgesellschaften auf der Basis des Gründungsrechts auch dann in Deutschland als rechtsfähig anzuerkennen sind, wenn diese ihren tatsächlichen Hauptverwaltungssitz in Deutschland haben und außer der Registrierung – und möglicherweise einem registered office oder einer anderen Briefkastenadresse – keine tatsächlichen Beziehungen zum Gründungsstaat aufweisen (vgl. dazu nur MünchKommBGB/Kindler, IntGesR Rn. 123).

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, dass die nach englischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft bzgl. ihrer Rechtsfähigkeit ausschließlich nach den Vorschriften des englischen Rechts zu beurteilen ist. Hierfür ist unerheblich, dass die Gesellschaft keine tatsächlichen Beziehungen zu England aufweist, sondern ausschließlich in Deutschland tätig wird.

3. Befristete Fortgeltung der Gründungstheorie aufgrund des Austrittsübereinkom­mens vom 24.1.2020
Am 29.3.2017 hat die Regierung des Vereinigten Königreichs im Anschluss an das im Vereinig­ten Königreich am 23.6.2016 durchgeführte Brexit-Referendum gegenüber der Europäischen Kommission erklärt, die Europäische Union gem. Art. 50 AEUV zum 29.3.2020 zu verlassen. Der Austritt zu diesem Zeitpunkt hätte zur Folge gehabt, dass ab diesem Zeitpunkt – vorbehaltlich einer anderen staatsvertraglichen Vereinbarung – das Vereinigte Königreich im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Drittstaat zu behandeln gewesen wäre. Die nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründeten Gesellschaften – insbesondere Kapitalgesellschaften – hätten sich ab diesem Stichtag ebenso wie die Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit berufen können. Damit wäre der Gründungstheorie im Verhältnis zum Vereinigten Königreich die rechtliche Grundlage entzogen worden. Mangels einer einheitlichen europäischen Regelung für die Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts im Verhältnis zu Drittstaaten wäre dann also aus deutscher Sicht wieder die Sitztheorie zum Zuge gekommen. Dies hätte dazu geführt, dass die Rechtsfähigkeit einer nach dem Recht des Vereinigten Königreichs errichteten Gesellschaft nicht mehr länger nach dem dortigen Gründungsstatut beurteilt worden wäre, sondern nach dem Recht des Staates, in dem die Hauptverwaltung der Gesellschaft ihren tatsächlichen Sitz hat. Bei einer ausschließlich im Inland tätigen Gesellschaft wäre danach also deutsches Recht anzuwenden gewesen.

Da die limited company im vorliegenden Fall nicht entsprechend den Vorschriften des deutschen Rechts für die Gründung von Kapitalgesellschaften in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH gegründet wurde, insbesondere nicht in das Handelsregister mit konstitutiver Wirkung eingetragen wurde, wäre diese Gesellschaft nicht mehr länger als rechtsfähige juristische Person in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft anzuerkennen gewesen.

Allerdings haben die Europäische Union und das Vereinigte Königreich vor Ablauf des Austrittsdatums durch das sog. Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgesellschaft (ABl. L 29/7 v. 31.1.2020) am 24.1.2020 vereinbart, dass das Vereinigte Königreich bis zum 31.12.2020 (Übergangszeitraum) intern weiterhin als Mitgliedstaat der Europäischen Union behandelt wird (vgl. dazu auch das deutsche Bundesgesetz über den Übergangszeitraum nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs v. 27.3.2019, BGBl. 2019 I, S. 402).

4. Anwendbarkeit der Sitztheorie seit dem 1.1.2021
Mit dem 31.12.2020 ist dieser Übergangszeitraum abgelaufen. Das mit Vertrag vom 24.1.2020 vereinbarte „Moratorium“, das den fortdauernden Genuss der Niederlassungsfreiheit für nach dem Recht des Vereinigten Königreichs errichtete private companies limited by shares und andere Gesellschaften garantierte, ist damit beendet.

Für die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union gilt seit dem 1.1.2021 vielmehr das noch am 24.12.2020 von den Vertretern der Vertragsbeteiligten unterzeichnete Trade and Cooperation Agreement between the European Union and the European Atomic Energy Community, of the one part, and the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, of the other part (Trade Agreement). Das Abkommen ist zum einen als Grundlagenabkommen ausgestaltet und steht unter dem Vorbehalt weiterer Supplementing agreements (Art. COMPROV.2 Trade Agreement). Die nachfolgenden Ausführungen gelten daher vorbehaltlich weiterer zukünftiger Abkommen. Zum anderen ist es ein reines Handelsabkommen. Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit für die Angehörigen der anderen Vertragspartei statuiert das Abkommen nicht. Stattdessen sieht Art. VSTV.1 Trade Agreement vor, dass für die Staatsangehörigen der Vertragsparteien bei kurzfristigen Besuchen eine Befreiung von der Visumpflicht gewährt wird. Daraus ergibt sich im Umkehr­schluss, dass längerfristige Auf-enthalte nicht per se zulässig sind, sondern vielmehr für diese vorab eine Aufenthaltserlaubnis beantragt und bewilligt werden muss.

Das Trade Agreement sieht weitgehende Freiheiten für den Handel und die Gründung von Unternehmen (Art. SERVIN.2.1.) sowie eine Gleichbehandlung (national treatment, Art. SERVIN.2.3.) vor. Investor einer Vertragspartei (investor of a Party) ist danach eine natürliche oder eine juristische Person einer Vertragspartei, die auf dem Gebiet der anderen Partei ein Unternehmen gründen möchte, gründet oder gegründet hat (Art. SERVIN.1.2. lit. j Trade Agreement). Entscheidend für die Wahrnehmung dieser Freiheiten und die weitere Anerkennung von im Vereinigten Königreich gegründeten Kapitalgesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland ist u. E. die Definition der juristischen Person (legal person of a Party) in SERVIN.1.2. lit. k Trade Agreement. Da­nach sind als juristische Personen aus dem Vereinigten Königreich diejenigen juristischen Personen zu behandeln, die nach dessen Recht gegründet worden oder organisiert sind und die wesentliche Geschäftsakti­vitäten auf dessen Territorium unternehmen (Art. SERVIN.1.2. lit. k (ii) (A) Trade Agreement: „ ‚legal person of a Party‘ means for the United Kingdom: a legal person constituted or organised under the law of the United Kingdom and engaged in substantive business operations in the territory of the United Kingdom“). In diesem Kontext stellt zudem Annex SERVIN-1 Nr. 10 klar, dass die Regelungen des Abkommens nicht so zu verstehen sind, dass Gesellschaften der jeweils anderen Abkommenspartei die gleichen Rechte zu gewährleisten wären, wie jenen im Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit.

Eine nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründete Kapitalgesellschaft oder eine nach diesem Recht organisierte Personengesellschaft ist in Deutschland nach diesen Abkommen als aus dem Vereinigten Königreich stammende juristische Person und somit als abkommensberechtigte Person nur dann anzuerkennen, wenn diese Gesellschaft auch tatsächlich im Vereinigten Königreich wesentliche geschäftliche Aktivitäten ausübt. Damit ist zwar u. E. noch nicht abschließend gesichert, ob eine nach dem Companies Act 2006 des Vereinigten Königreichs wirksam gegründete Kapitalgesellschaft nur dann in Deutschland als juristische Person i. S. d. Companies Act 2006 anzuerkennen ist, wenn sie im Vereinigten Königreich auch den tatsächlichen Sitz ihrer Hauptverwaltung i. S. d. Rechtsprechung des BGH hat. Denkbar wäre, dass mit dem Begriff des „engaged in substantive business operations in the territory of the United Kingdom“ auch ein „Nebensitz“ erfasst ist. Dies wird noch der eingehenden Untersuchung und Auslegung des Übereinkommens bedürfen. Eindeutig lässt sich allerdings diesem Wortlaut entnehmen, dass eine nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründete private company limited by shares, die im Vereinigten Königreich lediglich ein registered office hat und eine Person oder eine Gesellschaft damit beschäftigt, die Position des company secretary zu übernehmen, im Vereinigten Königreich keine substantive business operations unternimmt. Eine derartige reine Briefkastengesellschaft ist daher nach den vorgenann­ten Definitio­nen im Handelsabkommen der EU mit dem Vereinigten Königreich keine legal person of the United Kingdom i. S. dieses Abkommens. Ganz unabhängig davon, ob man dem Übereinkommen eine Ver­pflichtung zur Anerkennung einer nach dem Recht des anderen Vertragspartners gegründeten Kapitalgesellschaft entnehmen will oder nicht, ist zumindest bei solchen Sachverhalten, die sich im Wesentlichen im deutschen Inland abspielen, keine juristische Person nach dem Recht des Vereinigten Königreichs anzunehmen.

Insoweit gilt also im Verhältnis zum Vereinigten Königreich auf der Basis des seit dem 1.1.2021 anwendbaren Handelsübereinkommens vom 24.12.2020 eine Rechtslage, die am ehesten dem Verhältnis zur Schweiz entspricht, die weder der Europäischen Union noch dem Europäischen Wirtschaftsraum angehört. Der BGH hat diesbezüglich in der Trabrennbahn-Entscheidung trotz zahlreicher mit der Schweiz bestehender bilateraler Übereinkommen die Geltung der Sitztheorie angenommen (NJW 2009, 289 Rn. 23).

5. Folgen der Anwendbarkeit der Sitztheorie
Die Beendigung der Geltung der Gründungstheorie im Verhältnis zum Vereinigten Königreich bewirkt, dass bei Gesellschaften, die nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründet wurden, jedoch ihren Hauptverwaltungssitz im Sinne der Rechtsprechung des BGH nicht im Vereinigten Königreich haben, das deutsche Kollisionsrecht zur Feststellung des Per­sonalstatuts nicht mehr auf das Recht des Vereinigten Königreichs ver­weist. Vielmehr findet das Recht des Staates Anwendung, in dem sich der tatsächliche Sitz der Hauptverwal­tung der Gesellschaft befindet. Bei einer „deutschen Limited“, also einer Gesellschaft, die ihre Geschäftstätigkeit und sonstigen Aktivitäten ausschließlich oder zumindest im Wesentlichen im deutschen Inland verrichtet und im Vereinigten Königreich lediglich ein registered office, einen company secretary und möglicherweise auch noch andere Verwaltungsangestellte beschäftigt, bedeutet dies, dass sich die Rechtsfähigkeit ausschließlich nach den Vorschriften des deutschen Rechts beurteilt.

Der Bundesgesetzgeber hätte diese Rechtsfolge vermeiden können, indem er für Drittstaatengesellschaften allgemein oder aber für nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründete Gesellschaften die Geltung der Gründungstheorie vorgeschrieben hätte. Eine entsprechende gesetzliche Regelung ist aber entgegen entsprechenden Vorschlägen aus der Rechtswissenschaft nicht ge­schaffen worden. Geschaffen wurden lediglich Erleichterungen der Hineinverschmelzung im Umwandlungsrecht, § 122m UmwG: „goldene Brücke“ und Sonderregelungen zur Vermeidung von Härten im Steuerrecht, § 12 Abs. 4 KStG (vgl. Lieder/Bialluch, NW 2019, 805). Wegen dieser abschließenden Regelung ist u. E. auch der Weg zu Analogien oder Modifikationen der Sitztheorie mit dem Ziel, die Rechtsfähigkeit zu wahren, versperrt (vgl. Mäsch/Gausing/Peters, IPRax 2017, 49, 53; Weller/Thomale/Benz, NJW 2016, 2378, 2382).

Eine Behandlung als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ist nicht möglich, weil es insoweit an der nach deutschem Recht konstitutiven Eintragung im deutschen Handelsregister fehlt. Die Eintragung im Companies House in Cardiff vermag die Eintragung im deutschen Han­delsregister nicht zu substituieren. Auch eine Behandlung als „Vorgesellschaft“ nach dem deutschen GmbH-Recht ist ausgeschlossen, da keinerlei Absicht bestanden haben wird, diese Gesellschaft im deutschen Handelsregister als Aktiengesellschaft bzw. GmbH deutschen Rechts einzutragen. Vielmehr ist aus Sicht der Beteiligten der Gründungsvorgang mit Eintragung im englischen Companies House in Cardiff abgeschlossen gewesen.

Nach alledem kommt bei einer limited company mit mehreren Gesellschaftern (shareholders) lediglich eine Behandlung als nicht eingetragene Gesellschaft in Betracht. Insoweit könnte die Gesellschaft als OHG deutschen Rechts (bei entsprechender kaufmännischer Tätigkeit) oder aber als GbR deutschen Rechts (bei nicht kaufmännischer Tätigkeit) behandelt werden (BGH NJW 2002, 3539 – sog. Wechselbalgtheorie; Palandt/Thorn, BGB, 80. Aufl. 2021, Anh. Art. 12 EGBGB Rn. 1; MünchKommBGB/Kindler, IntGesR Rn. 522; Teichmann/Knaier, IWRZ 2016, 243, 245; Luy, DNotZ 2019, 484, 490; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2019, 85, 87; Weller/Thomale/Benz NJW 2016, 2378, 2381; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht II, 2. Aufl. 2019, § 7 Rn. 119). Sollte die Gesellschaft eine einzige Person als shareholder haben (wie im vorliegenden Fall, in dem für die Gesellschaft lediglich ein einziger share ausgegeben wurde und der deutschen Holding-GmbH zusteht), ist mangels Mehrgliedrigkeit eine Behandlung als OHG bzw. GbR nach deutschem Recht nicht möglich, da diese als Ein-Personen-Gesellschaften nicht zulässig sind. Vielmehr führt das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters bei einer als OHG oder GbR organisierten Gesamthand unvermeidlich zum Erlöschen der Gesellschaft. Somit ist im vorliegenden Fall mit dem Umwandlungsstichtag keine Kapitalge­sellschaft oder OHG deutschen Rechts entstanden.

Teilweise sieht die Literatur in dieser Rechtsfolge eine verfassungswidrige Rückwirkung, so dass der Vertrauensschutz eine gesetzliche Übergangsregelung verlange, während derer die Gesellschafter Zeit hätten, die Umwandlung der Limited zu betreiben (so z. B. Grzeszick/Verse, NZG 2019, 1129). Angesichts des Umstands, dass das Referendum zum BREXIT im Vereinigten Königreich bereits im April 2016 stattgefunden hat und die gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen des BREXIT unmittelbar im Anschluss daran diskutiert worden sind, ist jedoch fraglich, ob eine weitere Verlängerung der Übergangsfrist überhaupt erforderlich ist. Darüber hinaus könnte eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers zur Schaffung einer Übergangsregelung aufgrund des bei der Umsetzung verbleibenden Gestaltungsspielraums eine derartige Übergangsregelung nicht ersetzen. Das Unterlassen des Gesetzgebers hätte daher selbst unter Zugrundelegung dieser Literaturansicht u. E. nicht zur Folge, dass die gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen des BREXIT aufgrund Wiederauflebens der Sitztheorie nicht eingetreten wären und die englische limited company ihre vom englischen Recht verliehene Rechtspersönlichkeit beibehalten hätte.

Nicht vollständig ausschließen lässt sich freilich, dass der BGH seine Rechtsprechung zur Sitztheorie ändern und den vormaligen englischen limited companies insofern Bestandsschutz gewähren wird. Hierfür fehlt es bislang jedoch an Anhaltspunkten. Wer das „Risiko des Fortbestands“ gänzlich ausschließen möchte, kann bei der Vertragsgestaltung darauf zurückgreifen, zusätzlich die vertretungsberechtigten Organe für die limited company handeln zu lassen.

Da eine Rechtsprechungsänderung jedoch unwahrscheinlich ist, wird man im Ergebnis davon ausgehen können, dass das Vermögen der vormaligen englischen limited company einschließlich aller Aktiva und Passiva unmittelbar im Wege der Gesamtrechtsnachfolge der alleinigen Anteilsinhaberin (shareholder), also der deutschen GmbH, angewachsen ist. Die Gesellschafterlisten der drei deutschen Tochter-GmbHs sind somit dahingehend zu berichtigen, dass aufgrund der Rechtsänderung infolge des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union die deutsche Mutter-GmbH Inhaberin der Geschäftsanteile geworden ist.

Gutachten/Abruf-Nr:

182142

Erscheinungsdatum:

22.01.2021

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

GmbH

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 9-13

Normen in Titel:

GmbHG § 40