21. März 2024
BauGB § 28; BauGB § 250

Negativattest der Baubehörde hinsichtlich der Mindestanzahl von Wohnungen i. S. d. § 250 Abs. 1 S. 2 u. 6 BauGB i. V. m. § 2 Abs. 1 S. 2 GBestV-Bau

BauGB §§ 28, 250; GBestV-Bau § 2
Negativattest der Baubehörde hinsichtlich der Mindestanzahl von Wohnungen i. S. d. § 250 Abs. 1 S. 2 u. 6 BauGB i. V. m. § 2 Abs. 1 S. 2 GBestV-Bau

I. Sachverhalt
Das Grundbuchamt X verlangt stets ein Negativattest der kreisfreien bayerischen Stadt X bei der Begründung von Wohnungseigentum, selbst wenn sich in dem Wohngebäude nur wenige Wohnungen (im konkreten Fall vier Wohnungen) befinden und demnach eine Ausnahme vom Genehmigungsvorbehalt besteht. Die Stadt X weigert sich, solche Negativatteste zu erteilen, möglicherweise, da ein zuständiger Sachbearbeiter fehlt und/oder sich die Stadt der Problematik rund um § 250 BauGB noch nicht bewusst ist. Dies führt zu erheblichen Verzögerungen bei dem Vollzug von Teilungserklärungen.

II. Frage
Darf das Grundbuchamt bei der Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum im Bezirk der kreisfreien Stadt X (auch) im Hinblick auf die Anzahl der Wohnungen im entsprechenden Wohngebäude darauf bestehen, dass immer ein Negativattest der Stadt vorzulegen ist?

III. Zur Rechtslage
1. Anwendungsbereich des § 250 Abs. 1 BauGB
Gem. § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB bedarf in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt die Begründung oder Teilung von Wohnungs- oder Teileigentum bei Wohngebäuden der Genehmigung, sofern eine Rechtsverordnung i. S. d. § 250 Abs. 1 S. 3 BauGB erlassen wurde und die Wohngebäude bereits am Tag des Inkrafttretens dieser Rechtsverordnung bestanden. Einerseits müssen also Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten definiert (vgl. § 201a BauGB) und andererseits auch ein Genehmigungsvorbehalt für die Bildung von Wohnungseigentum (vgl. § 250 Abs. 1 S. 3 BauGB) angeordnet worden sein, jeweils in Form einer Rechtsverordnung (vgl. nur BeckOK-BauGB/Couzinet, Std. 1.10.2023, § 250 Rn. 20). Freilich kann dies „technisch“ in einer einzigen Rechtsverordnung erfolgen.

Eine Verordnung i. S. d. § 250 Abs. 1 S. 3 BauGB ist in Bayern (erst) seit 1.6.2023 vorhanden. § 2 dieser Verordnung (Verordnung zur bauplanungsrechtlichen Bestimmung von Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt [Gebietsbestimmungsverordnung Bau – GBestV-Bau]) regelt einen entsprechenden Genehmigungsvorbehalt. Gemäß der Anlage zu dieser Verordnung zählt die Stadt X zu jenen Gebieten, in denen ein angespannter Wohnungsmarkt besteht und ein Genehmigungsvorbehalt nach § 250 Abs. 1 BauGB gilt. Zuständig für die Erteilung einer Genehmigung ist die untere Bauaufsichtsbehörde (§ 2 Abs. 2 GBestV-Bau).

Zu beachten ist, dass es nach § 250 Abs. 1 S. 2 BauGB einer Genehmigung nicht bedarf, wenn sich in dem Wohngebäude nicht mehr als fünf Wohnungen befinden. Der bayerische Gesetzgeber hat allerdings von dem in § 250 Abs. 1 S. 6 BauGB enthaltenen Recht Gebrauch gemacht, diese Anzahl abweichend zu regeln. Die in § 2 Abs. 1 S. 2 GBestV-Bau genannte Ausnahme sieht vor, dass der Genehmigungsvorbehalt nur einschlägig ist, wenn Wohngebäude betroffen sind, in denen sich mehr als zehn Wohnungen befinden.

2. Prüfungspflicht des Grundbuchamts und Nachweispflicht des Eigentümers
Bei einem Grundstück, welches im Geltungsbereich einer Rechtsverordnung nach § 250 Abs. 1 S. 3 BauGB liegt, darf das Grundbuchamt die Eintragung der WEG-Aufteilung in das Grundbuch nur vornehmen, wenn ihm die Genehmigung oder das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht nachgewiesen ist (§ 250 Abs. 5 S. 1 BauGB). Das Grundbuchamt muss jedoch selbstständig prüfen, ob das aufzuteilende Grundstück in einem Gebiet liegt, für welches der Genehmigungsvorbehalt nach § 250 Abs. 1 BauGB gilt (Wobst, MittBayNot 2023, 328, 334). Dies ist für das Gebiet der Stadt X, wie oben dargestellt, grundsätzlich der Fall. Es ist umstritten, ob das Grundbuchamt im Übrigen verpflichtet ist, eigenständig zu prüfen, ob eine Aufteilung ausnahmsweise genehmigungsfrei ist oder ob es stets verlangen kann, dass ein Negativattest der Baubehörde vorgelegt wird. Dies bezieht sich insbesondere auf die Frage, ob das entsprechende Gebäude wegen des Unterschreitens der erforderlichen Mindestanzahl von Wohnungen (in Bayern: zehn; vgl. oben Ziff. 1) nicht unter den Anwendungsbereich des § 250 Abs. 1 BauGB fällt.

a) Streitstand
Die überwiegende Auffassung geht davon aus, dass das Grundbuchamt nicht eigenständig zu prüfen habe, ob die Mindestanzahl an Wohnungen, die sich im Gebäude befinden, überschritten wird, sondern auch insofern ein Negativattest der Behörde verlangen kann (Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Std.: 151. EL August 2023, § 250 Rn. 101; BeckOK-BauGB/Couzinet, § 250 Rn. 11.2; Wobst, MittBayNot 2023, 328, 334; deutlich auch die Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr, Std.: Mai 2023, auf S. 19 unter lit. c dritter Spiegelstrich). Auf Basis der h. A. ist mithin ein Negativattest erforderlich und das Grundbuchamt muss nicht von sich aus prüfen, ob die Mindestanzahl nach § 2 Abs. 1 S. 2 GBestV-Bau unter- bzw. überschritten ist. Ein entsprechendes Negativzeugnis der Baubehörde könnte aber bereits in die Abgeschlossenheitsbescheinigung aufgenommen werden (Wobst, MittBayNot 2023, 328, 334; ebenso Vollzugshinweise S. 19).

Eine andere Auffassung geht hingegen davon aus, dass für das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht aufgrund Unterschreitens der erforderlichen Anzahl an Wohnungen ein Negativattest nicht erforderlich ist. Vielmehr sei dem Grundbuchamt die Mindestanzahl der Wohnungen unmittelbar aus den Eintragungsunterlagen, insb. dem Aufteilungsplan, ersichtlich und es dürfte keine weiteren Nachweise verlangen (DNotI-Report 2021, 113, 117; so auch Johannsen, DNotZ 2023, 325, 331).

b) Position des DNotI
Das DNotI hat sich bereits im Jahre 2021 wie folgt geäußert:

„Für die Mindestanzahl der Wohnungen wird ein entsprechender Nachweis entbehrlich sein, denn diese ist dem Grundbuchamt ohne Weiteres aus den Eintragungsunterlagen ersichtlich. Diesbezüglich offen – und einem separaten Gutachten vorbehalten – ist die Frage, ob es für die Mindestanzahl der Wohnungen auf die Anzahl der Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheiten ankommt oder auf die Anzahl der baulichen Wohnungen.“

(DNotI-Report 2021, 113, 117).

Das DNotI ging im vorgenannten Reportgutachten mithin tendenziell davon aus, dass ein Negativattest der Baubehörde nicht erforderlich sei (Gutachten DNotI-Report 2021, 113, 117 a. E.: „Ein solches Negativattest sieht das Gesetz aber jedenfalls nicht ausdrücklich vor.“). Inzwischen entspricht es indes der ganz h. A., dass, angelehnt an § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB, ein solches Negativattest seitens der Behörde erteilt werden kann und ggf. muss (Meier/Leidner, MittBayNot 2022, 114, 124; Johannsen, DNotZ 2023, 325, 332; Wobst, MittBayNot 2023, 328, 334; BeckOK-BauGB/Couzinet, § 250 Rn. 11.1; Grziwotz, § 250 Rn. 99; die beiden Letztgenannten widersprechen dem erwähnten DNotI-Gutachten auch ausdrücklich). Für die herrschende Meinung spricht, dass im Rahmen der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen (BT-Drs. 19/29396, S. 62) eine Ergänzung der ursprünglichen Fassung des § 250 BauGB angeregt wurde. Der schlussendlich auch Gesetz gewordene § 250 Abs. 5 S. 1 BauGB sollte „in Anlehnung an das Negativattest beim Vorkaufsrecht (§ 28 Absatz 1 Satz 2) [vorsehen], dass dem Grundbuchamt das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht aufgrund des neu eingefügten Absatz 1 Satz 2 nachzuweisen ist“.

Die Bestimmung des § 250 Abs. 5 S. 1 BauGB sowie die Gesetzesmaterialien sprechen prima facie für die herrschende Auffassung und damit dafür, dass das Grundbuchamt auf einem Negativattest beharren darf. Ein genauerer Blick zeigt indes, dass zu differenzieren ist, und es durchaus Fälle geben kann, in denen das Grundbuchamt in Bezug auf die Anzahl der Wohnungen (und dann auch in Bezug auf die dann irrelevante Frage, ob ein „Bestandsgebäude“ vorliegt; zu dieser umstrittenen Frage vgl. DNotI-Report 2021, 113, 116; Johannsen, DNotZ 2023, 325, 332; Grziwotz, § 250 Rn. 44; Meier/Leidner, MittBayNot 2022, 114, 122) kein Negativattest verlangen darf.

Wie oben dargelegt, hat der Gesetzgeber eine Anlehnung an § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB vorgenommen. Es darf nun aber nicht vorschnell davon ausgegangen werden, dass damit stets auch ein Negativattest erforderlich wäre. Vielmehr muss noch ein Schritt weitergedacht werden. Denn auch im Rahmen des § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB ist anerkannt, dass das Grundbuchamt die Vorlage eines Negativattests nicht verlangen kann, wenn das Nichtbestehen des Vorkaufsrechts offenkundig ist oder sich dies aus dem Inhalt der Urkunde eindeutig ergibt (BGH NJW 1979, 875; OLG München FGPrax 2008, 13, 14; BeckOGK-BGB/J. Weber, Std. 1.11.2023, § 925 Rn. 256; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 4130). Das Grundbuchamt hat bspw. den Ausschlusstatbestand des § 26 Nr. 1 BauGB selbstständig zu prüfen und darf jedenfalls bei Offenkundigkeit des Verwandtschaftsverhältnisses kein Negativattest verlangen (Schöner/Stöber, Rn. 4130; BeckOGK-BGB/J. Weber, § 925 Rn. 257; BeckOK-GBO/Hügel, Std. 1.3.2024, § 20 Rn. 75). Ebenso wenig darf das Grundbuchamt die Vorlage einer Vorkaufsrechtsverzichtserklärung verlangen, wenn sich aus dem Inhalt der Urkunde zweifelsfrei ergibt, dass kein Kaufvertrag oder kaufähnliches Rechtsgeschäft vorliegt (vgl. BeckOK-BauGB/Grziwotz, Std.: 1.10.2023, § 28 Rn. 7 m. w. N). Nur sofern das Grundbuchamt das Bestehen eines Vorkaufsrechts nicht sicher ausschließen kann, also kein „Evidenzfall“ vorliegt, kann ein Negativattest verlangt werden (Kilian, in: Bauer/Schaub, GBO, 5. Aufl. 2023, § 20 Rn. 209; BeckOK-GBO/Hügel, § 20 Rn. 75). Vor diesem Hintergrund erscheint uns die h. M. als zu kurz gedacht, wenn sie aufgrund der vom Gesetzgeber intendierten Parallelität von § 250 Abs. 5 S. 1 BauGB zu § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB, indem jeweils eine sog. Grundbuchsperre angeordnet wird, postuliert, es sei stets die Vorlage eines Negativzeugnisses der Baubehörde erforderlich.

Nach unserem Dafürhalten gilt Folgendes: Wenn aus den Eintragungsunterlagen eindeutig ersichtlich ist, dass sich in dem Gebäude weniger als zehn Raumeinheiten, die potenziell jeweils als Wohnung dienen könnten, befinden, darf das Grundbuchamt kein Negativattest verlangen; denn in diesem Fall kommt wegen des Unterscheitens der nach § 2 Abs. 1 S. 2 GBestV-Bau erforderlichen Mindestanzahl an Wohnungen ein Genehmigungserfordernis offensichtlich nicht in Betracht (egal ob ein Bestandsgebäude oder Neubau vorliegt). Auf Rechtsunsicherheiten bzw. ungeklärte Rechtsfragen (bspw. das Abstellen auf die Anzahl der rechtlichen Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheiten (im Sinne des WEG) bzw. auf die Anzahl der tatsächlichen, also baulichen Wohnungen oder das Mitrechnen einer Teileigentumseinheit) muss sich das Grundbuchamt, wie auch bei § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB, hingegen freilich nicht einlassen. Die Entscheidung über derlei ungeklärte Rechtsfragen steht dem Grundbuchamt nicht zu, sodass es die Vorlage eines Negativzeugnisses der zuständigen Baubehörde verlangen kann, wenn ein Genehmigungserfordernis nicht evident auszuschließen ist.

Demgegenüber kommt es auf diese bislang ungeklärten Rechtsfragen nicht an, wenn sich aus dem amtlichen Aufteilungsplan i. S. v. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 WEG ergibt, dass – wie hier – insgesamt nur vier (potenzielle) Wohnungen im baulichen Sinne vorhanden sind. Ebenso wenig kommt es in diesem Fall auf die Tatfrage an, ob es sich um ein Bestandsgebäude oder einen Neubau handelt. In Parallele zu § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB liegt vielmehr ein Fall vor, bei dem evident ein Genehmigungserfordernis nicht in Betracht kommt, sodass u. E. das Grundbuchamt auch nicht die Vorlage eines Negativzeugnisses verlangen darf. Der h. M. ist daher entgegenzuhalten, dass sie die von ihr als Begründung herangezogene funktionelle Parallelität von § 250 Abs. 1 S. 5 BauGB und § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB (Anordnung einer sog. Grundbuchsperre) nicht ganz zu Ende gedacht hat.

3. Ergebnis
Entgegen der h. M. ist nach unserem Dafürhalten die Vorlage eines Negativzeugnisses i. S. v. § 250 Abs. 1 S. 5 BauGB für den grundbuchlichen Vollzug der Teilungserklärung nicht stets erforderlich. Wenn sich aus dem amtlichen Aufteilungsplan i. S. v. § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 WEG eindeutig ergibt, dass sich in dem Gebäude weniger als zehn Raumeinheiten (die potenziell jeweils als Wohnung dienen könnten) befinden, darf das Grundbuchamt kein Negativattest verlangen. Denn in diesem Fall kommt wegen des Unterschreitens der nach § 2 Abs. 1 S. 2 GBestV-Bau erforderlichen Mindestanzahl an Wohnungen ein Genehmigungserfordernis offensichtlich nicht in Betracht.

Gutachten/Abruf-Nr:

202398

Erscheinungsdatum:

21.03.2024

Rechtsbezug

National

Rechtsgebiete:

Öffentliches Baurecht

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 45-48

Normen in Titel:

BauGB § 28; BauGB § 250